Protocol of the Session on March 8, 2001

In diese Marketingaktion wurden bereits, ich wiederhole es, 2 Millionen DM investiert. Eine erfolgreiche Werbekampagne mit dem angedachten Ersatz von zwei Interregiozügen, ist nicht mit Äpfeln und Birnen zu vergleichen, sondern eher damit, beim Olympiastaffellauf den Staffelstab zu verlieren oder sogar falls von der Bahn beabsichtigt, den Staffelstab an ein anderes Bundesland abzugeben, denn auch im Tourismus kämpfen die Bundesländer engagiert um vordere Plätze,

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)

wie aktuell auf der ITB zu hören war. Und unser Land steht immerhin mit 18,3 Millionen Übernachtungen an der Spitze. Die Begründung der Bahntouristik – und jetzt kommen wir mal auf den eigentlichen Knackpunkt –, Ersatz des Urlaubsexpresses durch zwei Interregios, mutet fast veralbernd an, wenn der Bahnsprecher Frank Gabe am 05.02.2001 verkündet, dass die frühen Hinfahrten aus dem Rheinland und späten Rückfahrten aus Mecklenburg-Vorpommern für viele Fahrgäste zu unbequem geworden sind. Ja, meine Damen und Herren, der Deutschen-Bahn-Logistik, wer hindert Sie denn daran, zu den geplanten familienfreundlichen Zeiten des Interregios den Urlaubsexpress einzusetzen?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Hier passiert eindeutig der Verschiebebahnhof mit Interessenlagen. Nach erfolgreicher Werbekampagne und Bekanntheitsgrad des Urlaubsexpresses soll nun ohne Servicestrategie wie Kinderlandwagen plus Animation – Urlaubspräsentation war ja auch im Zug vorhanden durch Reiseleitung –, Speisewagen und immerhin die 47 Transfermöglichkeiten an den Zielbahnhöfen auf Billigtour gefahren werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig!)

Die Werbekampagne hat gezogen. Sie reicht. Jetzt stellt man zwei Interregios hin. Sie laufen von alleine, deshalb auch mehr Plätze. Das ist doch die Nummer, die da gefahren wird!

Wie hieß es noch 1997 in der Präsentation der Deutschen Bahn AG? Der Urlaubsexpress soll mit seinem außerordentlichen Produkt um Serviceleistungen als das optimale und – nun kommt’s – preiswürdige Verkehrsmittel für die An- und Abreise positioniert werden. In der Umkehrung heißt es dann für uns heute, das will die Bahn nicht mehr, sondern zwei Interregios mit Bistro, sage und schreibe nur 16 Fahrradstellplätzen und Gültigkeit aller Fahrscheine des Fernverkehrs. Die preisgünstige Gestaltung des Urlaubsexpresses, wie zum Beispiel Ermäßigung für Kinder bis 17 Jahre, entfällt. Neue Halte sind in Bremen und Heringsdorf vorgesehen. Das ist schön, so zu sehen, doch die 47 einstigen Transfers vom Zielbahnhof als Topdienstleistung werden jetzt vielleicht als Serviceleistung für die Reisenden mit Wartezeiten prämiert, am Zielbahnhof immerhin ein stimmungsvoller Urlaubsauftakt.

Als Rüganerin ist es mir, sage ich, mehr als sträflich, wenn kein Halt auf Rügen vorgesehen ist, bei sechs Millionen Übernachtungen. Und ich muss auch für meine Insel – unsere Insel – hier sagen, dass immerhin 18 Prozent unserer Feriengäste heute bereits mit der Bahn anfahren. Es ist unverständlich, was die Bahn hier eingeleitet hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es!)

Sehr geehrte Abgeordnete! Als Landespolitiker ist für uns der Ersatz des Urlaubsexpresses zwar durch zwei Interregios kein adäquater Ersatz. Die Deutsche Bahn AG bleibt lediglich ihren eingefahrenen Gleisen treu. Doch der Anspruch mit der Bahnreform Teil 2 und den neuen Strukturen wie eben im Titel „Deutsche Bahn Reisetouristik“ – so hat sich das Unternehmen benannt – bleibt unternehmerisch auf dem Abstellgleis.

Die Deutsche Bahn sollte unbedingt das Fach Eisenbahngeschichte einführen. Im Dezember habe ich Analogien zum „Fliegenden Hamburger“ von 1933 mit einer Fahrzeit von damals immerhin 2 Stunden und 18 Minuten ins Verhältnis zum Streckenausbau Hamburg – Berlin auf 160 Kilometer pro Stunde mit immerhin sage und schreibe 4 Milliarden DM und im Ergebnis dann einer Fahrzeit im Jahr 2003 auf 2 Stunden und 14 Minuten gesetzt. Dazwischen liegen 70 Jahre Unterschied und diese 4 Minuten kosten uns pro Minute, wenn wir es einfach schnöde rechnen, 1 Milliarde DM.

(Beifall und Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

„Das ist straff. Das ist gut. Das ist Wirtschaft.“

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Für die Deutsche Bahn Reisetouristik müssen wir geschichtlich noch weiter ausholen, nämlich beim Engländer Thomas Cook, der 1808 inDerbyshire geboren wurde, bereits 1841 Sonderzüge mit 570 Personen organisierte und bereits 1851 den Durchbruch mit sage und schreibe 160.000 Reisenden aus allen Teilen der britischen Insel zur Weltausstellung in London erreichte. Ich möchte jetzt gar keine Parallelen zur Expo ziehen! 1855 erreichten die

ersten Pauschaltouristen Deutschland und, man höre und staune, mit der Bahn nach Harwich, von dort mit der Fähre nach Antwerpen, weiter mit dem Zug über Brüssel nach Köln, dann mit dem Rheinschiff nach Mainz mit Anschluss an die Bahn nach Frankfurt und Heidelberg. 1865 eröffnete Thomas C o o k sein erstes Reisebüro und zählte eine Million Kunden. Das ist doch ein Lehrstück für die Deutsche Bahn!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das sollte man doch wirklich noch mal als Buch aufschreiben. Und im Übrigen, als kleine Nebenbildung erfand ja auch dieser Thomas Cook die Hotelgutscheine.

Sehr geehrte Abgeordnete! Wer sind denn nun die Thom a s C o o k s von heute? Vielleicht Gutachter wie McKinsey, die der Bahn in der „WirtschaftsWoche“ vom 18.01.2001 vorausberechnen, dass die Bahnverluste statt 7 Milliarden DM nun 17 Milliarden DM sein werden? Nein, Gutachter sind sie nicht. Die beschreiben die Zustände und Umstände für viel Geld, Geld das fehlt, um gerade diese Dinge zu ändern.

Vielleicht die Beamten der Bahn? Die Umwandlung einer Mammutbehörde in eine Aktiengesellschaft, das funktioniert wohl auch nicht, denn die „Wirtschafts Woche“ vom Januar 2001 beschreibt den Umstand wie folgt: „Der einstige Kostgänger des Staates“ – Bahnchef Mehdorn – „war 1994 durch die Bahn-Reform dank Zigmilliarden Mark aus dem Bundeshaushalt entschuldet worden.“ Weiter: „Gut ein Jahr nach seinem Amtsantritt ist Bahn-Chef Mehdorn auf dem Tiefpunkt angelangt.“ Er versäumte es, „sich ein eigenes Bild vom wahren Zustand des vermeintlich genesenen Staatsunternehmens zu machen.“ Also auch kein Thomas Cook für die Zukunft.

Aber vielleicht unser Bundeswirtschaftsminister, der in der „Bahn mobil“ im Januar 2001 ein Interview zum Thema „Reiseland Deutschland im Jahr des Tourismus 2001“ unter dem Slogan „Nix wie hin“ gibt und zu folgenden Antworten kommt: „Die Redaktion führt aus, die Bahn beginnt ja wirtschaftlich zu denken und zu handeln, und so überprüft sie, unwirtschaftliche Verbindungen stillzulegen.“ Antwort des Bundeswirtschaftsministers Müller: „Wenn die regionale oder auch lokale Politik des Landes eine defizitäre Strecke behalten will, dann hat sie verschiedene Möglichkeiten zu reagieren.“ Und nun seien Sie mal gespannt! „Sie kann zum Beispiel die Verbindung bei einem anderen Betreiber bestellen oder der Bahn das Defizit bezahlen.“

(Heiterkeit bei Dr. Christian Beckmann, CDU)

Genau, Herr Seidel, 12 Millionen Mark geben wir dazu. Na, ich sage nur: Alles Müller, oder was?

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von Minister Dr. Rolf Eggert, Harry Glawe, CDU, und Eckhardt Rehberg, CDU)

Sehr geehrte Abgeordnete! Damit ist alles gesagt. Die Bahn bekommt mit diesen Worten ihren wirtschaftlichen Freibrief.

Sehr geehrte Abgeordnete, und doch gibt es ihn auch heute. Es ist ein Däne. Und dieser Däne, es ist der Vorstandschef der deutsch-dänischen Reederei Scandlines AG Ole Rendbaek, hat eine Vision: im Jahr 2006 in vier Stunden von Kopenhagen über Warnemünde nach Berlin per Zug. Und wie heißt es richtig in der „Ostsee-Zeitung“ vom

23.02.2001: „Im Alleingang kann die Reederei, die je zur Hälfte dem dänischen Transportministerium und der Deutschen Bahn AG gehört, die Idee nicht umsetzen. Auf beiden Seiten der Ostsee muss der politische Wille vorhanden sein, in die schnellen Bahnverbindungen zu investieren“. Und das sind doch die Dinge, die wir brauchen. Die Rekordzeit ist Scandlines alleine 80 Millionen DM wert. Und unser Ministerpräsident sichert – und das finde ich gut – Unterstützung zu. Powerboats wie die Formel 1, die in Stralsund an den Start gehen im August, die brauchen wir auch auf den Gleisen. Angemerkt: Die Powerboats haben bis heute nicht eine D-Mark aus dem Land erhalten.

(Reinhardt Thomas, CDU: Und Sie waren mal Wirtschaftsminister. Das ist doch peinlich.)

Sehr geehrte Abgeordnete! Landesregierung, Bundesregierung, Bahn und Tourismusverband müssen gemeinsam die Weichen für unser Urlaubsland Vorpommern stellen. Und man möchte ja wirklich dazu neigen, hier Zitate loszulassen. Es ist so, wie Sie schreiben, Herr Eggert, man hat sich geeinigt, dass zukünftig frühzeitig Tourismusverband und Wirtschaftsministerium informiert werden, um Kommunikationspannen zu vermeiden. Wir schreiben das Jahr 2001. Ich hoffe sehr, dass das begriffen wird.

(Heiterkeit bei Dr. Christian Beckmann, CDU, und Eckhardt Rehberg, CDU)

Offensives Handeln ist gefragt. Herr Bundeswirtschaftsminister Müller – man muss es noch einmal sagen – merkt im gleichen Interview, das ich vorhin zitierte vom Januar 2001, auf die Frage, ob es denn besondere Favoriten bei den Besucherzahlen in den Bundesländern gibt, weiter an: „In Mecklenburg-Vorpommern ist der Badeurlaub an der Ostsee und den Seen groß in Mode gekommen“.

(Heiterkeit bei Lutz Brauer, CDU – Reinhardt Thomas, CDU: Das ist aber schon vor 100 Jahren gewesen.)

Antwort von mir, Herr Bundesminister: Nicht in Mode, Mode ist kurzweilig und schnelllebig. Wir haben 8 Milliarden DM in 3.700 Tourismusprojekte in unserem Land Mecklenburg-Vorpommern investiert

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

und setzen auf nachhaltigen Tourismus. Unser Urlaubsland wird und muss auf den richtigen Gleisen laufen und darf nicht abgekoppelt werden. Wirtschaftliche Zielbahnhöfe von 80.000 Arbeitsplätzen, 18,3 Millionen Übernachtungen und 12 Prozent am Bruttoinlandsprodukt sind auszubauen. Wir setzen auf Qualität, statt Quantität zu erreichen. Mengenlehre, wie zwei Interregios gegen die Tourismusattraktion, den Urlaubsexpress, einzutauschen, das ist Verschiebebahnhof und bleibt einer und wird von der CDU-Landtagsfraktion so nicht akzeptiert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir lassen unser Land nicht abkoppeln und fordern die Landesregierung auf, aktiv zu werden und unseren Ferrari wieder auf die Gleise zu stellen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Müller von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Herr Müller.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Liebe Kollegen der CDU! Kompliment zur Einbringung Ihres Antrags! Auch ich glaube, dass man, wenn es um die Bahn AG geht, auf der Hut sein muss. Meine Vorredner haben ja schon die eine oder andere Praxis der DB AG hier dargestellt. Und wenn der Urlaubsexpress eingestellt werden würde, wäre das sicher ein Verlust für unser Land. Aber wie das Leben so spielt, in diesem speziellen Fall hat, wie ich meine, auch durch die Mithilfe unseres Wirtschaftsministers – er hat ja eben gerade darüber berichtet – die DB AG ihr Angebot für unser Land wesentlich verbessert, denn die Züge können bessere Abfahrtzeiten vorweisen, fahren mehr Städte an als zuvor und können mehr Fahrgäste aufnehmen. Und – und das ist für die Marketingeffekte ganz wichtig, darauf wurde ja auch schon durch meine Vorredner hingewiesen – sie heißen weiterhin Urlaubsexpress und werden auch durch die Bahn so beworben.

Was aber weder der Wirtschaftsminister noch die Bahn AG leider weiterhin gewährleisten können, auch das haben meine Vorredner bereits erwähnt, ist unter anderem die Bereitstellung von Besonderheiten dieses Zuges wie zum Beispiel den Kinderlandwagen. Dort ist ja, wie bereits mehrfach gesagt, der Sponsor Lego abgesprungen. Und, das müsste die CDU als marktwirtschaftlich orientierte Partei sehr gut wissen, weder der Wirtschaftsminister noch die Bahn AG als Unternehmen können das Unternehmen Lego zu einer Fortsetzung seiner Aktivitäten zwingen.

(Angelika Gramkow, PDS: Aber wir können ja mal spenden und dann kann man ja Lego in den Zug packen.)

Genau, den Vorschlag bringe ich dann noch.

(Minister Till Backhaus: Ich habe noch eine Kiste zu Hause. – Angelika Gramkow, PDS: Sehr gut.)

Gleichzeitig kann die Landesregierung für den Ersatz solcher wegfallenden Zusatzangebote nicht aufkommen, Frau Skrzepski. Das lässt unser begrenzter Haushalt nicht zu und das kann auch nicht Aufgabe einer Landesregierung sein. Dennoch, Frau Gramkow, klar, eine Möglichkeit ist zu spenden. Aber wir können auch daran denken, dass wir Firmen aus unserem Land finden, die vielleicht diese Angebote übernehmen. Ich denke hier zum Beispiel an die Spielzeugfirmen wie Igel Spielzeug GmbH, an Grabower Küsschen, an Glashäger, oder, Herr Seidel, an Alete, die vielleicht in einer gemeinsamen Aktion den Urlaubsexpress noch attraktiver machen und gleichzeitig für ihre Produkte aus unserem Land werben könnten.

(Beifall Beate Mahr, SPD)

Die finanziellen Mittel, die in den vergangenen Jahren die Landesregierung in das Pilotprojekt – Frau Skrzepski, Pilotprojekt sagt ja schon der Name – gegeben hat, waren begrenzt und insofern sind also auch hier die Möglichkeiten erschöpft. Die Mittel, die in den letzten Jahren bereitgestellt wurden, das wissen insbesondere Sie, Frau Skrzepski, sind in unser Ausstellungsschiff gegangen. Auch hier haben wir eine tolle Erfolgsstory geschrieben. Dieses Ausstellungsschiff hat uns auf dem Rhein entlang präsentiert. Und auch im Jahr 2001 hat die Landesregierung in Zusammenarbeit mit dem Landestourismusverband wieder andere Maßnahmen vorbereitet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Wirtschaftsminister hat berichtet, wie die Sache mit der DB AG gelaufen ist. Auch ich kann diese Verfahrensweise nicht gutheißen. Dennoch glaube ich, dass die geänderten Konditionen wesentliche Vorteile für die Reisenden mit sich bringen, und ich bin mir sicher, der Urlaubsexpress wird auch in diesem Jahr wieder dazu beitragen, dass noch mehr Touristen in unser Land kommen. Somit sehen wir den von der CDU-Fraktion eingebrachten Antrag als erledigt an und werden ihn ablehnen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)