Protocol of the Session on March 7, 2001

Da aber nicht Parteibücher, Herr Riemann, sondern taktische und strategische Elemente dieser Reform zugrunde gelegt wurden, bleibt der Standort Schneeberg mit seiner spezifischen Ausrichtung erhalten. Der Standort Basepohl wird aufgrund seiner spezifischen Ausrichtung, die in dem neuen Konzept der Bundeswehr keine Rolle mehr spielt, geschlossen.

Natürlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, hätte man auch mit gigantischen Truppenverschiebungen neue, ins Konzept der Krisenreaktionskräfte passende Einheiten nach Basepohl und Eggesin verlegen und somit diese Standorte erhalten können. Das aber hätte nicht nur noch mehr Kosten verursacht, sondern auch dazu geführt, dass Herr Rehberg in dem Fall auf den Marktplätzen der dann von Schließung betroffenen Garnisionsstädte seine populistischen Forderungen aufgemacht hätte.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig.)

Aber ich will das hier deutlich sagen, auch für Basepohl und Eggesin wäre das nur eine Lösung auf Zeit gewesen,

(Eckhardt Rehberg, CDU: Also nach München fahre ich nicht unbedingt. Das muss ich Ihnen sagen. Das habe ich nicht nötig.)

denn – darüber sind sich alle Fachleute einig – das Ende der Strukturreform der Bundeswehr ist noch lange nicht in Sicht. Darum müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie erstens Basepohl, Eggesin und den anderen betroffenen Kommunen jetzt geholfen werden kann und wie wir zweitens künftig auf solche Ereignisse besser vorbereitet sind. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage bewusst „Ereignisse“ und nicht wie manch führende CDU-Landes- und -Kommunalpolitiker „Katastrophe“. Die jüngsten Erdbeben in Indien und den USA sind Katastrophen, nicht die Schließung von Bundeswehrstandorten.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Wir sollten also auch in unserer Wortwahl sorgsamer sein, wenn es darum geht, Sorgen und Ängste von Betroffenen ernst zu nehmen und sie nicht parteipolitisch zu instrumentalisieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, analysiert man die sicherheitspolitische Lage der Gegenwart, ist festzustellen: „Einerseits kann heute also mit militärischen Mitteln so gut wie nichts mehr erreicht, kein Eigeninteresse durchgesetzt werden. Und andererseits kann den neuen Sicherheitsbedrohungen nicht mehr militärisch begegnet werden.“ Das ist eine Feststellung des Staatssekretärs für Abrüstung, also aus dem Hause Eppelmann, der De-Maizière-Regierung. Überhaupt wäre es gut, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wenn Sie noch mal nachlesen, was zu dieser Zeit im Hause Ihres Parteifreundes Eppelmann so alles gesagt und sicher auch von Ihnen vertreten wurde.

(Monty Schädel, PDS: Herr Riemann, hören Sie zu!)

Schon genannter Staatssekretär für Abrüstung stellte zur Konversion fest, ich zitiere wiederum: „Neben dem Verteidigungshaushalt entsteht ein Abrüstungshaushalt. Wir zeigen den Bürgern, wo und wann investiert wird.“ Der Parlamentarische Staatssekretär im Ministerium für Abrüstung und Verteidigung Dr. Wieczorek stellte am 20. April 1990 vor der Volkskammer fest: „aus der Sicht der Gefahren, die allein schon von hochexplosiven Waffen hervorgerufen werden, sehe ich in der Abrüstung und Konversion eine der wichtigsten Aufgaben des Ministeriums für Abrüstung und Verteidigung, ja der gesamten Regierungspolitik. Zu bedenken haben wir dabei: Die Abrüstung muß durch eine gediegene und friedensfördernde Art und Weise gestaltet werden. Sie kann nicht ohne die im militärischen Bereich tätigen Menschen erfolgen. Abrüstung und Konversion – das lehren die Erfahrungen – sind mit nicht geringen Kosten verbunden. Abrüstung heißt auch, zahlreiche soziale Fragen zu lösen und zwar als Anliegen der gesamten Gesellschaft. … Reduzierung der Streitkräfte und Abrüstung sind also nicht zum Nulltarif zu haben. Personelle, finanzielle und materielle Konsequenzen sind zu bedenken, realistische Zeiträume abzumessen.“

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Programmentwurf der CDU vom 17. März 1990 ist gar zu lesen, ich zitiere wiederum: „Eine völlige Entmilitarisierung auf dem Gebiet der DDR ist das Gebot der Stunde.“

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Monty Schädel, PDS: Herr Riemann, zuhören!)

Vor diesem Hintergrund, meine sehr verehrten Damen und Herren, frage ich Sie: Warum sind Sie in Ihrer Politik nicht einmal konsequent geblieben?

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Warum haben Sie diesen durchaus richtigen Worten nicht Taten folgen lassen?

(Barbara Borchardt, PDS: Nun sind sie ruhig.)

Und deshalb ist es natürlich unter diesem Gesichtspunkt richtig, wenn Sie in Ihrem Antrag unter Punkt 3 feststellen: „Makaber erscheint diese Entwicklung vor der Tatsache, dass die Ausrichtung auf die Bundeswehr seitens der öffentlichen Hände gefordert und gefördert worden ist.“ So richtig das alles ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, und so ungern Sie das auch hören wollen, so wenig hilfreich ist es natürlich für die betroffenen Regionen, deren Situation Sie mitzuverantworten haben.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Jaja.)

Notwendig ist also Hilfe und ich betone nochmals, dass mir die diesbezüglichen Signale seitens des Bundes und des Landes noch zu dürftig sind.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Natürlich ist es gut, dass unser Land in einem ersten Schritt der Bundesratsinitiative des Landes Niedersachsen beigetreten ist. Diese Bundesratsinitiative gilt es allerdings mit konkreten Forderungen zu untersetzen, und das nachhaltig. Die Bundesregierung muss also erstens aufgefordert werden, Strukturfördermittel zur Unterstützung der Konversion in einem Fonds zu bündeln. Dieser Konversionsfonds ist den Ländern zur Verfügung zu stellen. Mittel dafür können zum Beispiel durch Umwidmung aus dem Kapitel „Wehrtechnische Forschung und Entwicklung“ gewonnen werden. Zweitens ist es notwendig, Konversionsbeauftragte auf Bundes- und Landesebene zu installieren, die die Aufgaben koordinieren. Um künftig auf Auswirkungen von Strukturreformen besser und schneller reagieren zu können, sollte drittens ein Amt für Konversion und Abrüstung eingerichtet werden,

(Wolfgang Riemann, CDU: Auch ein Ministerium könnten wir da gebrauchen, Herr Ringstorff. Dann haben wir noch eins mehr.)

das die gesamten Maßnahmen einer sozialen, umweltverträglichen Umnutzung ehemaliger militärischer Liegenschaften begleitet und koordiniert.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Und kluge Ratschläge, Herr Riemann, wie ein solches Amt zu organisieren ist, kann Ihnen Ihr Parteifreund Eppelmann sicherlich erteilen.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS)

Notwendig ist viertens …

(Wolfgang Riemann, CDU: Das war 1990, Herr Ritter, als wir sie richtigerweise abwickeln mussten.)

Notwendig ist viertens die konsequente Durchsetzung der Praxis der verbilligten Liegenschaftsabgabe an die Gemeinden und Kreise.

(Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig.)

Jeder Mieter, der irgendwo ein Grundstück oder eine Wohnung verlässt, muss dafür sorgen, dass es auch wieder in Ordnung gebracht worden ist. Deshalb ist der Bund aufgefordert, zusammen mit den Ländern und den Kommunen den Umstellungsprozess

(Wolfgang Riemann, CDU: Wir geben nix, sagt Eichel.)

von der militärischen zur zivilen Nutzung organisatorisch, planerisch und finanziell zu begleiten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Entsprechend des Landtagsbeschlusses auf der Sitzung im vergangenen Monat ist die Landesregierung fünftens aufgefordert, die Leitlinien für Konversion aus dem Jahre 1992 unter Berücksichtigung der neuen Entwicklungen und unter arbeitsmarktpolitischen und sozialen Gesichtspunkten fortzuschreiben. Und hierbei geht es insbesondere um die liegenschaftsbezogene Konversion, das heißt um die Sanierung beziehungsweise Neugestaltung der frei werdenden militärischen Liegenschaften und Objekte. Es geht um regionale Konversion, das heißt um zivile Neugestaltung der durch Militärstandorte geprägten Wirtschafts-, Sozial- und Infrastruktur. Und es geht natürlich sechstens um personale Konversion, das heißt um Requalifizierung beziehungsweise Umschulung von ehemaligen Militärangehörigen und Zivilbeschäftigten.

(Wolfgang Riemann, CDU: Es können nicht alle Landtagsabgeordnete werden.)

Wenn auch bei der jetzigen Strukturreform kaum Personalabbau in Größenordnungen zu erwarten ist, sind aus unserer Sicht frühzeitige Maßnahmen zur Umschulung und Weiterqualifizierung notwendig, die, wo es möglich ist, mit der neuen Nutzung der aufzugebenden Bundeswehrstandorte verbunden werden sollten.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal den Parlamentarischen Staatssekretär im Ministerium für Abrüstung und Verteidigung Dr. Wieczorek bemühen, der am 20. April 1990 vor der Volkskammer äußerte:

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)

„In meinem Verständnis reicht heute das Umschmieden der Schwerter zu Pflugscharen nicht mehr aus. Es gilt, daß die Männer, die das Schwert führten, wieder pflügen lernen, und es gilt, mit ihnen zusammen den Acker zu bestellen.“

(Wolfgang Riemann, CDU: Der Boden ist aber sehr leicht um Eggesin.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei all den aktuellen Diskussionen um die Standortschließungen und dem Ringen um Lösungen für die jetzt betroffenen Regionen müssen wir aber einen kommunalen Streit über die Bevorzugung der aktuellen Liegenschaftskonversion gegenüber jenen Kommunen vermeiden, die schon seit 1990 um eine Lösung in ihrem jeweiligen Bereich ringen. Und deshalb erscheint mir die von Ihnen vor allen Dingen im Punkt 6 Ihres Antrages vorgeschlagene Lösung als ungeeignet.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Aha! Da, wo das Land was tun soll, erscheint es ungeeignet. – Wolfgang Riemann, CDU: Ja.)

Hinzu kommt, dass es frühere CDU-geführte Bundesund Landesregierungen fahrlässig verabsäumt haben, sich nennenswert an einem Konversionsprozess zu beteiligen oder ihn gar zu initiieren.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD – Wolfgang Riemann, CDU: Das stimmt doch gar nicht. – Eckhardt Rehberg, CDU: Weil wir die Bundeswehr gar nicht reduzieren wollten. – Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Umso wichtiger ist es, jetzt mit der Erarbeitung von kurz-, mittel- und langfristigen Strategien zu beginnen. Der Beschluss des Landtages vom Februar diesen Jahres ist dabei nur ein erster Ansatz. Meiner Fraktion liegen in der Zwischenzeit konkrete Angebote vor, wie den betroffenen Kommunen geholfen werden kann. Dazu bedarf es jetzt eines Dialoges mit allen beteiligten Seiten.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das weiß er ja besser als das, was er hier erzählt.)

Um aber wirklich erfolgreich sein zu können, meine sehr verehrten Damen und Herren, bedarf es eines grundlegenden Wandels in der Militär- und Sicherheitspolitik. Lese ich aber die Leitsätze für eine deutsche und europäische Außen- und Sicherheitspolitik des CDU-Bundesvorstandes vom 15. Januar diesen Jahres, habe ich so meine Zweifel, ob wirklich alle an einer Umorientierung ernsthaft interessiert sind. Die CDU fordert in diesem Beschluss, dass die „EU durch den Aufbau von Krisenreaktionskräften zu einem relevanteren und gleichwertigeren Partner der USA werden (muss)“. Weiter wird gefordert, dass „Europa das Angebot des amerikanischen Präsidenten Bush zur Schaffung eines über nationale Raketenabwehr … hinausgehenden umfassenden Abwehrsystems aktiv aufgreifen (sollte)“. Stellt sich die Frage, wie sollen wir das finanzieren, und es stellt sich die Frage, wozu, meine sehr verehrten Damen und Herren.