Protocol of the Session on December 14, 2000

Der Antrag meiner Fraktion soll Bewegung in die Diskussion um die Neugestaltung der Hochschullandschaft in Mecklenburg-Vorpommern bringen. Der Bildungsminister vertröstet Bildungsausschuss und Hochschulen seit geraumer Zeit mit der Ankündigung hinsichtlich der Vorlage eines Entwurfes für ein neues Landeshochschulgesetz. Die CDU-Fraktion war ihm dabei behilflich,

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Ach je! Das ist aber schön!)

die dringend notwendige öffentliche Diskussion...

Doch, Herr Bartels.

... über das Gesetz seit Sommer in Gang gebracht zu haben.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Darauf komme ich noch mal zurück.)

Dass die CDU-Fraktion an einem konstruktiven Miteinander bei der Debatte um das LHG interessiert ist, wird

durch den sachlichen Umgang mit den kursierenden Gesetzentwürfen unterstrichen.

Meine Damen und Herren! Es liegt allerdings in der Natur der Sache, dass Sie und wir nicht zu jedem Punkt in diesem LHG ein gleiches Maß von Übereinstimmung haben. Aber im Streit der Meinungen sollten wir im kommenden Jahr in der Endkonsequenz zu einem Hochschulgesetz kommen, das im Wesentlichen den im Antrag formulierten Grundsätzen entspricht. Einige Stellungnahmen der Hochschulen zum Gesetz liegen bereits vor. Alle Fraktionen haben Gespräche zum Gesetzentwurf geführt. Und was Sie heute im Antrag formuliert vor sich sehen, ist in gewisser Weise die Quintessenz aus den Stellungnahmen und Gesprächen.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das überrascht mich aber wirklich.)

Meine Damen und Herren! Aber, ich will das nicht verhehlen, der Gesetzentwurf entspricht nicht durchgängig den im Antrag formulierten Herausforderungen. Das Gesetz enthält weiterhin eine immens hohe Regelungsdichte und dieses fällt nicht nur der CDU auf, sondern dämpft vor allem bei den betroffenen Hochschulen die Erwartungen an das Gesetz. Der Gesetzentwurf ist geprägt von einem starken Misstrauen gegenüber den Hochschullehrern und von einer Überbewertung des studentischen Einflusses.

(Beifall Steffie Schnoor, CDU – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das würde ich als Lob auffassen.)

Gewiss, die Hochschule ist für die Studenten da und nicht umgekehrt. Das ist ein Satz, der trifft in jedem Fall zu, aber die Hochschule muss mehr leisten. Ihre Aufgaben sind vielfältiger, sie haben Aufgaben zu erfüllen, die weit über die Ausbildung des akademischen Nachwuchses hinausgehen.

(Beifall Steffie Schnoor, CDU)

Meine Damen und Herren! Der Ausbau der Hochschulen stellt eine der wenigen tragfähigen Perspektiven für unser Land, für Mecklenburg-Vorpommern dar. Unter keiner Landesregierung wurde daher, wenn es auch dem Haushalt nach schwer fällt, die Struktur der Hochschullandschaft grundsätzlich in Frage gestellt. Dieser Konsens ist eine gute Grundlage für eine sachliche Diskussion zur Zukunft der Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern. Wir sollten uns im Landtag zu mehr Mut durchringen, um den Hochschulen Freiräume zur Verfügung zu stellen, die sie in kürzester Zeit in die Lage versetzen, im Konzert der vielseitigen deutschen Hochschullandschaft weiterhin in der ersten Reihe mitzuspielen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie daher um Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag „Entschließung zu Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern“ und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. König.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Wenn es dazu keinen Widerspruch gibt, eröffne ich die Aussprache.

Als Erster hat ums Wort gebeten unser Bildungsminister. Bitte sehr, Herr Professor Kauffold.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich stelle erstens fest, dass eigentlich wirklich eine sehr gute Stimmung im Plenum dieses Hohen Hauses herrscht,

(Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS, und Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

und würde zweitens bemerken wollen, dass in dieser letzten Debatte vor dem Weihnachtsfest, der letzten Debatte in diesem Jahr der vorliegende Antrag der Opposition eine sehr erwünschte Gelegenheit gibt, über die intensive Arbeit der Hochschulen und die intensive Arbeit der Landesregierung mit den und für die Hochschulen zu sprechen.

Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen verdienen höchste politische Beachtung. Darüber sind wir uns alle einig. Das wurde auch deutlich in dem Beitrag, den Sie, sehr geehrter Herr Kollege Dr. König, eben brachten. Ich möchte deshalb kurz politische Grundsätze der Landesregierung für die Hochschulwissenschaftspolitik benennen und Sie werden dann durch Vergleich feststellen können, wie weit sie mit den Meinungen in diesem Hause, vielleicht auch mit den Auffassungen, die Sie vertreten haben, Herr König, divergieren oder wie weit sie konvergieren oder wie weit sie akzeptabel sind.

Ich möchte also auch erstens betonen, dass in einer Zeit verschärften Wettbewerbes es uns gelingen muss, gemeinsam mit unseren Hochschulen den Weg zu einem Höchstmaß an Leistungsfähigkeit und Attraktivität der Einrichtungen zu öffnen und zu beschreiten. Das ist wichtig für das Image des Landes. Das ist wichtig für seine weitere Entwicklung, ja, es ist von zentraler Bedeutung für unser Land. Die Hochschulen prägen ganz wesentlich den Charakter des Landes. Sie stehen für Innovation, für Kreativität, sie stehen für Freiheit. Sie setzen ein Signal der Offenheit auch für Menschen, die als Studierende, als Hochschullehrer, als Wissenschaftler aus dem Ausland zu uns kommen. Das sollten wir nicht oft genug betonen. Ich hatte neulich gerade Gelegenheit, das sehr deutlich vor der Hochschule für Musik und Theater zu sagen. Wir wünschen uns mehr Studierende und Hochschullehrer aus dem Ausland. Unser Land braucht Austausch, es braucht geistige Impulse von überall.

Über die erforderlichen und notwendigen wirtschaftlichen Effekte aus der Tätigkeit der Hochschulen sind wir uns ohnehin alle einig. Und das gilt natürlich besonders für strukturschwächere Gebiete wie Ostmecklenburg und Vorpommern. Vor kurzem erst hat die Landesregierung den Entwicklungsbericht Vorpommern verabschiedet. Darin ist ausgewiesen, dass die vorpommerschen Hochschulen und ihr Umfeld insgesamt überdurchschnittlich viel Ressourcen erhalten. Das wird auch weiterhin so bleiben, Herr Abgeordneter König. Es geht darum, die kreativen Potentiale der Hochschulen noch mehr als bisher zu wecken und sie zu Anziehungspunkten zu entwickeln, Anziehungspunkte für die nachwachsende Jugend unseres Landes, aber auch für junge Menschen aus den anderen Bundesländern und überall her, Anziehungspunkte auch für Investoren.

Zweitens. Diese Entwicklung wird sich unter Bedingungen knapper Ressourcen vollziehen müssen. Deren Bereitstellung und Verteilung wird schwieriger. Dabei möch

te ich betonen, bislang ist es gelungen, die Hochschulfinanzierung auf bundesweit vergleichsweise sehr hohem Niveau zu halten. Diese Aussage ist belastbar, wie Sie sehen. Dies bleibt auch weiterhin mein Bestreben und das Bestreben der Landesregierung. Die Beziehungen der demographischen Entwicklungen und Studentenprognosen mit der Hochschulfinanzierung als Automatismus zu begreifen und schicksalhaft zu vollziehen halte ich für sehr gefährlich und ich würde dem gegebenenfalls so nicht folgen wollen.

Dieser Zusammenhang ist stets politisch zu formulieren und zu entscheiden. Dabei gilt, Hochschulpolitik ist nie nur Ressortpolitik, sondern Teil der Landesentwicklungspolitik insgesamt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Harry Glawe, CDU: Das müssen Sie mit Dr. Mediger auch besprechen.)

Was meinen Sie, Herr Glawe?

(Harry Glawe, CDU: Das müssen Sie mit Dr. Mediger auch besprechen. – Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS: Ach, Ihre Sorgen möchte ich haben, Herr Glawe! – Zuruf von Volker Schlotmann, SPD)

Wir sind mit Dr. Mediger ständig im Gespräch, und zwar in sehr konstruktiven Gesprächen, Herr Glawe.

Drittens. Um die Hochschulen bei knappen Ressourcen gleichwohl zu höchster Leistung zu befähigen, ist ihnen auch ein Höchstmaß an Selbstverantwortung und Selbststeuerung zuzubilligen. Dies betrifft sowohl Fragen der Organisation als auch des inhaltlichen Profils und der Haushaltsführung. Die Hochschulen brauchen starke Leitungen, klare Schwerpunkte und einen Globalhaushalt.

Die Steuerung durch das Land und innerhalb der Hochschulen, durch die Hochschulen selbst wird sich in zunehmendem Maße an In- und Outputbeziehungen orientieren müssen als Grundlage für Bewertungen und für Ressourcenzuweisungen. Dafür werden mit gezielter Unterstützung des Bildungsministeriums neue Steuerungsinstrumente installiert und weiterentwickelt – und das machen wir gründlich –, vor allem Kosten- und Leistungsrechnungen, Controlling, transparente Evaluationen, aussagefähige Kennziffernsysteme sowie Zielvereinbarungen. Die Leistungen beziehungsweise Erfolge der Hochschulen, ihr Output in Lehre und Forschung müssen zudem regelmäßig dargestellt werden.

Bei alledem ist klar, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Hochschulen werden auf lange Sicht überwiegend vom Staat finanziert. Die Verantwortung für die Mittelbereitstellung der Ressourcen liegt damit vorbereitend bei der Regierung und abschließend natürlich bei Ihnen, beim Parlament, als Haushaltsgeber. Regierung und Parlamentarier müssen ihr Handeln gegenüber der Öffentlichkeit und ihren Wählern verantworten. Schon daraus ergibt sich, dass die Autonomie der Hochschulen auch politische Führungsgrößen einschließen muss. Um politische Führung kommen der Staat und seine Organe nicht herum. Der Staat muss einerseits den rechtlichen und finanziellen Rahmen setzen und andererseits Schwerpunkte jedenfalls so weit festlegen, dass damit ein hinreichend ausgewogenes und qualifiziertes fachliches wie wissenschaftliches Mindestangebot gewährleistet wird.

Innerhalb dieses Rahmens ist die wissenschaftliche Profilierung und Leistungsentwicklung in Freiheit von For

schung und Lehre Aufgabe der Hochschulen selbst. Hier sind entsprechende strategische Zielplanungen zu entwickeln und umzusetzen. Aktive Strukturpolitik aus eigener Kraft – dies wird für die Hochschulen eine ganz große Herausforderung werden, ganz besonders deswegen, weil damit auch eine Ungleichverteilung personeller und materieller Ressourcen verbunden ist. Gießkanne ist out.

Lassen Sie mich nun zu den einzelnen Punktes des Antrages kommen, der Gegenstand der Debatte ist.

Zum ersten Punkt. Das Verhältnis zwischen Staat, Land und Hochschule muss in der Tat entflochten werden, und zwar dahin gehend, dass den Hochschulen mehr Verantwortung übertragen wird. Das ergibt sich alleine schon aus dem Gedanken der Körperschaft des öffentlichen Rechts. Dies ist aber auch notwendig, um die Hochschulen im Wettbewerb flexibler und handlungsfähiger zu machen. Sie müssen schneller auf die sehr rasant verlaufende Entwicklung der Wissenschaft und der Wirtschaft reagieren können. Detailsteuerung ist kontraproduktiv und einfach zu langsam und ist auch nicht beabsichtigt.

Zum zweiten Punkt. Globalhaushalte sollen mittelfristig an allen Hochschulen eingeführt werden. Der Modellversuch Neubrandenburg ist bisher erfolgreich verlaufen. Die Fachhochschulen Stralsund und Wismar beginnen im nächsten Jahr. Die Universitäten wünschen selbst eine längere Zeit der Vorbereitung. Es liegt auf der Hand, dass das Land sich damit nicht aus der finanziellen Verantwortung stehlen will, allerdings wird die Bemessung des Haushaltes, insbesondere der Mittel für Lehre und Forschung, zukünftig nach anderen Regeln verlaufen müssen. BadenWürttemberg etwa vergibt in einem laufenden Modellversuch bereits 14 Prozent des Gesamtzuschusses an die Hochschulen leistungsorientiert. Zum voraussichtlich zu verabschiedenden Doppelhaushalt 2002/2003 würde ich anstreben wollen, gemeinsam mit den Hochschulen und den Verantwortlichen in der Landesregierung und im Parlament, über ein System der leistungsorientierten Mittelvergabe ins Gespräch zu kommen.

Zum dritten Punkt. Die Hochschulen müssen handlungsfähiger werden und dafür effektivere Leitungsstrukturen etablieren. Das findet natürlich auch meine vollste Zustimmung. Dabei werde ich persönlich eine Präsidialverfassung bevorzugen. In jedem Fall ist eine innere Organisation abzulehnen, welche Möglichkeiten dafür bietet, dass sich die Entscheidungsorgane der Hochschulen gegenseitig blockieren. Das müssen wir ausschließen.

Zum vierten Punkt. Wir brauchen eine Reform des Dienstrechts und der Besoldungsstrukturen. Mit der in Arbeit befindlichen Dienstrechtsreform der Bundesregierung sind wir auf dem richtigen Weg. Der Qualifikationsweg der Hochschullehrer wird neu gestaltet und er wird deutlich verkürzt. Professoren werden künftig leistungsorientiert bezahlt, zumindest wird das Gehalt für die Vergütung leistungsorientierte Komponenten enthalten. Das wird eine ganz neue und sehr produktive Wettbewerbssituation schaffen und mehr Dynamik im Wissenschaftsbetrieb erzeugen. Nebenbei sind die Entwürfe der Bundesregierung, die auch in der Kultusministerkonferenz vorliegen und diskutiert werden, im Internet über den Bildungsserver des Landes und entsprechende Links abzurufen.

Zum fünften Punkt. Was wir sicher gegenwärtig nicht gebrauchen können und absolut nicht gebrauchen können, ist die Abschaffung der ZVS. Zwar muss den Hochschulen Schritt für Schritt ein größeres Auswahlrecht

zugestanden werden, aber derzeit wäre der Verzicht auf die zentrale Vergabe von Studienplätzen für unser Land, für Mecklenburg-Vorpommern, wie auch für die anderen neuen Bundesländer sehr schädlich. Wir würden dabei sehr wahrscheinlich sehr viele Studenten einbüßen.

Zum sechsten Punkt des vorliegenden Antrages. Regelungen zum Hochschulzugang für Bewerber ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung haben wir längst in unserem Land. Dies wird auch praktiziert. Selbstverständlich muss in diesem Bereich verstärkt auf Qualität geachtet werden. Dafür können wir keine Riesenangebote an Studenten, an Studienbewerber über diesen Weg akquirieren. Im Studiengang 1990/2000 wurden über eine Zugangsprüfung insgesamt 40 Bewerber zugelassen. Im laufenden Wintersemester waren es allein an den Fachhochschulen 41.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Zum siebenten Punkt des Antrages. Die Hochschulen sind mit der Unterstützung des Bildungsministeriums längst aktiv auf dem Gebiet der Weiterbildung. Ich nenne die Weiterbildungsgesellschaft und das Fernstudienzentrum an der Universität Rostock und den weiterbildenden Studiengang BWL in Wismar. Ein Ausbau dieser Aktivitäten und vor allem eine stärkere Vernetzung, zum Beispiel in Form einer gemeinsamen Agentur, werden angestrebt. Dies geschieht nicht zuletzt zur Verbesserung der Einnahmen der Hochschulen. Für die Weiterbildung wird künftig auch das Onlinestudium genutzt. Hierzu gibt es Vorbereitungen an der Fachhochschule Stralsund im Rahmen des Bundesleitprojektes Virtuelle Fachhochschule.

Zum achten Punkt. Die Hochschulen haben mit tatkräftiger und unkomplizierter Unterstützung des Bildungsministeriums Bachelor-/Master-Studiengänge eingeführt, darunter in diesem Wintersemester zum Beispiel den Bachelor of Law – verzeihen Sie die englischsprachige Begriffswelt hier, aber das ist nun mal so üblich bei der Internationalisierung von Studiengängen –, Bakkalaureus und Magister Artium in Rostock – das ist nicht Englisch –, den Bachelor/Master of Nursing Administration in Neubrandenburg, den Bachelor of Business Administration in Stralsund und den Bachelor/Master of Architecture.

Alle diese Studiengänge sind modularisiert und auf ein Leistungsprüfsystem ausgerichtet. Im nächsten Jahr beginnen die Akkreditierungsverfahren. Nur die Akkreditierung gewährleistet – und auf dieser werden wir bestehen –, dass Mindeststandards eingehalten werden. Dieses Gütesiegel wird künftig unverzichtbar sein. Die Hochschulen werden gerade für diese neuen Studiengänge ab 2001 mit gezielter Unterstützung des Bildungsministers eine abgestimmte Aktion „Internationales Hochschulmarketing“ starten. Das ist auch eine Aktion, die bundesweit unterstützt wird. Damit soll unser Angebot weltweit systematisch bekannt gemacht und beworben werden.