Protocol of the Session on November 16, 2000

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1572. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1572 mit den Stimmen der SPD- und PDS-Fraktion bei zwei Stimmen der CDU-Fraktion, ansonsten gegen die Stimmen der CDUFraktion abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit durch Befreiung von der Sozialversicherungs- und Steuerpflicht, Drucksache 3/1571.

Antrag der Fraktion der CDU: Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit durch Befreiung von der Sozialversicherungs- und Steuerpflicht – Drucksache 3/1571 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr König von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr König.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der CDU-Fraktion betrifft die Besteuerungs- und Sozialversicherungspflicht von ehrenamtlich Tätigen. Das ist ja eine sehr „trockene“ Problematik und daher möchte ich diese am Beispiel der Freiwilligen Feuerwehr etwas anschaulicher darstellen und schildern.

(Angelika Gramkow, PDS: Wir haben kein anderes Beispiel erwartet.)

Das ist doch gut so, Frau Gramkow, wenn wir Ihre Erwartungen erfüllen.

(Herbert Helmrich, CDU: Nehmen Sie Fußball oder anderen Sport! Das können Sie alles nehmen.)

Bis in das Jahr 1999 hinein waren die ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen der Freiwilligen Feuerwehr keinerlei Sozialversicherungspflichtbeiträgen unterworfen. Inzwischen gingen die zuständigen Rentenversicherungsträger jedoch dazu über, zum Beispiel Feuerwehrleute sozialversicherungspflichtig einzustufen. Diese Auffassung ist inzwischen in einer Besprechung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger bestätigt worden. Vor dem 1. April 1999 hätte diese Frage wegen der Sozialversicherungsfreiheit geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse nach dem damaligen 630-Mark-Gesetz kaum eine Rolle gespielt. Wegen der seit der Neuregelung geltenden Zusammenrechnung mit dem Entgelt aus einer anderen Beschäftigung müssen jetzt aber für Aufwandsentschädigungen Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. Bei den schon durch die Steuerpflicht arg betroffenen Personen herrscht darüber völliges Unverständnis, und das zu Recht.

Meine Damen und Herren, die Helferinnen und Helfer der Freiwilligen Feuerwehren sehen sich im echten Sinne als ehrenamtlich Tätige und sie werten die Aufwandsentschädigung als eine Entschädigung für den Aufwand, den sie für das Gemeinwohl erbringen. Die Gleichsetzung mit einer auf eine Einkommenserzielung gerichteten Beschäftigung widerspricht dem Sinn und dem Zweck ehrenamtlicher Tätigkeiten. Nicht zuletzt führt die Sozialversicherungspflicht von Aufwandsentschädigungen zu einem unverhältnismäßig hohen bürokratischen Aufwand bei der praktischen Realisierung.

(Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Ich frage mich, wie wollen wir unter solchen Umständen auch künftig Männer und Frauen in Mecklenburg-Vorpommern finden, die bereit sind, sich für das Gemeinwohl zu engagieren und ehrenamtliche Aufgaben in unserem Land zu übernehmen. Ich verweise in diesem Zusammenhang vor allen Dingen auf die von den Ländern NordrheinWestfalen, Niedersachsen und Sachsen in Auftrag gege

bene Studie über die Folgen der Neuregelung bei den 630-Mark-Jobs. Diese Studie sieht in der Sozialversicherungspflicht der Aufwandsentschädigungen von ehrenamtlich Tätigen ein gravierendes Defizit bei der Neuregelung des 630-Mark-Gesetzes.

Meine Damen und Herren, es besteht die unbedingte Notwendigkeit, die Folgen des 630-Mark-Beschäftigungsgesetzes, so, wie es sich jetzt zeigt, zu korrigieren. Da stehen wir in der Pflicht, da sind der Landtag und die Landesregierung gefragt und das sind wir den ehrenamtlich Tätigen in Mecklenburg-Vorpommern einfach schuldig. Wenn man bei der Gesetzgebung etwas übersehen hat – das kann ja passieren und das ist hier augenscheinlich der Fall –, dann muss man letztlich in der Lage sein und den Mut haben, diese Fehlentwicklung der Gesetzgebung zu revidieren und das gesamte Gesetzeswerk zu korrigieren.

(Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Nun hat allerdings der Bundesarbeitsminister Herr Riester behauptet, das Land Mecklenburg-Vorpommern selbst könne Aufwandsentschädigungen für Feuerwehrleute im Rahmen des Einkommenssteuergesetzes generell steuer- und damit sozialversicherungsfrei stellen. Das mag Herr Riesters Meinung sein, aber ich denke, es ist wohl klar, dass eine landesrechtliche Steuerbefreiung schlichtweg verfassungswidrig wäre.

(Wolfgang Riemann, CDU: Unsinn! Unsinn!)

Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht sind nun einmal Bundesrecht, mit der Folge, dass wir in den Ländern nicht tun können, was zumindest wir als CDU gerne tun würden, nämlich das Ehrenamt zu fördern, statt ihm neue Fesseln anzulegen. Daher unser Antrag auf Unterstützung des Antrages der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit von ehrenamtlich Tätigen im Bundesrat durch die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern. Es muss in das Sozialgesetzbuch aufgenommen werden, dass ehrenamtliche Tätigkeit keine abhängige Beschäftigung ist. So einfach könnte man das regeln.

Um es noch einmal deutlich zu sagen, ich habe die Feuerwehren nur als Beispiel gewählt. Wir wollen keine Insellösungen für die Feuerwehren. Deshalb nützt es auch nichts, am Feuerwehrgesetz herumzudoktern. Wir wollen vielmehr eine umfassende Lösung für das gesamte Spektrum des Ehrenamtes,

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU, und Herbert Helmrich, CDU)

für das gesamte Spektrum des bürgerschaftlichen Engagements in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in der Bundesrepublik. Eine Änderung kann hier nur über das in der Bundeskompetenz liegende Sozialversicherungsrecht erfolgen. Es geht vor allen Dingen darum, die Rahmenbedingungen für das Bürgerschaftsengagement und die ehrenamtliche Tätigkeit zu verbessern. Ich möchte nur noch mal daran erinnern, dass in unserem Land von der Sozialabgabepflicht vor allem die 120 Amtsvorsteher, die rund 1.000 amtlichen Bürgermeister und die rund 12.000 Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehren betroffen sind, ganz zu schweigen vom ehrenamtlichen Engagement im sozialen, sportlichen oder kulturellen Bereich.

Meine Damen und Herren, das Bürgerengagement in der aktuellen Diskussion um das Ehrenamt kann sich nicht

nur darin erschöpfen, dass wir nächstes Jahr, also im Jahre 2001, das Internationale Jahr des Ehrenamtes haben. Egal ob das Ehrenamt mit Begriffen wie Zivilgesellschaft, Bürgergesellschaft, Bürgerkommune oder anderen Bezeichnungen belegt wird, dies kann bestenfalls eine Hülle sein. Nur das Begriffliche und Namen sowie das Feiern von Projekten stellen keine substantielle Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit dar, leisten keinen Beitrag zur Sicherung des Ehrenamtes in MecklenburgVorpommern.

Meine Damen und Herren, die Gleichsetzung ehrenamtlichen Engagements mit einer auf Einkommenserzielung gerichteten Erwerbstätigkeit stößt nicht nur bei den ehrenamtlich Tätigen auf viel Unverständnis. Die betroffenen Organisationen mit ehrenamtlicher Struktur beklagen den bürokratischen Aufwand, der in keinem angemessenen Verhältnis zu den in der Regel sehr niedrigen Sozialversicherungsbeiträgen steht.

(Wolfgang Riemann, CDU: Da kriegt man gleich sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse hin.)

Da die Länder hier keine Gesetzgebungskompetenz haben, bleibt nur übrig, die Landesregierung aufzufordern, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass das Ehrenamt sozialabgabe- wie auch steuerfrei gestellt werden muss. Ich denke, dies wäre eine nachhaltige und substantielle Förderung des Ehrenamtes, und daher bitte ich Sie um Zustimmung zum Antrag auf Drucksache 3/1571. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache.

Zunächst hat das Wort die Finanzministerin, Frau Keler. Bitte sehr, Frau Ministerin Keler.

(Wolfgang Riemann, CDU: Jetzt fürchte ich um die Mittel für das Ehrenamt.)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Meine Herren von der CDU, früher hat dann im ND immer gestanden: „lang anhaltender Beifall“.

(Wolfgang Riemann, CDU: Stürmischer.)

Das war dann die nächste Stufe.

(Wolfgang Riemann, CDU: Unterbrochen durch Hochrufe.)

Das können Sie ja machen, wenn Herr Riemann geredet hat zu dem Thema.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Heinz Müller, SPD: Wo ist denn Herr Rehberg? Dann stehen alle auf. – Heiterkeit bei Minister Dr. Gottfried Timm)

Also, den ersten drei Absätzen Ihres Antrages, meine Damen und Herren von der CDU, kann ich im vollen Umfang zustimmen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Die Bedeutung des Ehrenamtes für unser Gemeinwohl hat einen so hohen Stellenwert, dass es gerechtfertigt ist,

den Ehrenamtlichen bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu danken.

(Beifall Herbert Helmrich, CDU)

Herr Dr. Born, Sie haben doch den Antrag gestellt und ich hatte immer den Eindruck, Sie meinen es ernst,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ja, natürlich. Natürlich, Sie können zustimmen.)

aber das ist auch wieder nur so ein Schaufensterantrag, wenn ich Ihre Reaktion jetzt hier im Landtag sehe.

Ohne die selbstlosen Leistungen der ehrenamtlich Tätigen wäre es in unserer Gesellschaft erheblich kälter und weniger lebenswert.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS – Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Nicht beipflichten kann ich Ihrem Beschlussvorschlag und der Begründung. Hier gehen die Begrifflichkeiten, Herr Dr. König, ein wenig durcheinander und es wird suggeriert, dass ehrenamtlich Tätige sozialabgaben- und steuerpflichtig seien und die Neuregelung der geringfügigen Beschäftigtenverhältnisse diesen Zustand noch verschlimmert habe. Da tut Begriffsklärung Not, denn nur so wird eine sachgerechte Beschlussfassung möglich.

In vermutlich allen Lexika und auch nach dem allgemeinen Verständnis ist die Ausübung des Ehrenamtes eine freiwillige, grundsätzlich nicht besoldete Leistung, die für andere erbracht wird. Die Unentgeltlichkeit der ehrenamtlichen Tätigkeit ist das Abgrenzungskriterium zu einem üblichen Anstellungsverhältnis, das mit der Absicht eingegangen wird, einen Gewinn zu erzielen. Wer ehrenamtlich tätig ist, will kein Entgelt für seine Leistung. Er will sich freiwillig und selbstlos für das Gemeinwohl einsetzen. Er will nicht vertraglich gebunden sein, keine Arbeitnehmerpflichten übernehmen und kein Entgelt bekommen. Das alles scheidet schon nach der Definition des Ehrenamtes, aber auch nach dem Willen des Ehrenamtlichen und der Leistungsfähigkeit von Vereinen und sonstigen Einrichtungen aus.

Sie haben nun in Ihrem Beitrag eben, in Ihrem Antrag, Herr Dr. König, ich sagte es schon, die Begrifflichkeiten richtig durcheinander gebracht. Wir tun den Ehrenamtlern keinen Gefallen, wenn wir sie mit geringfügig Beschäftigten vermischen.