Protocol of the Session on October 19, 2000

Ähnlich fahrlässig gehen Sie mit unseren IFG-Mitteln um. Sie fordern, die Investitionshilfen nach Artikel 104 a Grundgesetz in den vertikalen Finanzausgleich zu integrieren. Hätte es eine solche Regelung im vergangenen Jahr bereits gegeben, hätten wir 560 Millionen DM weniger in der Landeskasse gehabt. Wenn wir nach Ihren Forderungen verfahren würden, dann würden die Fehlbetragsbundesergänzungszuweisungen und die IFG-Mittel künftig nach dem Einwohnerschlüssel verteilt. Aus den Sonderzahlungen an die ostdeutschen Bundesländer würde Finanzmasse für alle Länder, das heißt, wir bekämen 2,2 Prozent der Summe, während wir zurzeit von den Fehlbetragsbundesergänzungszuweisungen 5,5 Prozent bekommen und von den IFG-Mitteln, die zurzeit ausschließlich an die ostdeutschen Bundesländer gezahlt werden, 10,6 Prozent.

(Wolfgang Riemann, CDU: Deshalb wollen wir ja eine höhere Umsatzsteuer.)

Die Minusdifferenz läge bei circa 800 Millionen DM für unser Land. Deshalb nochmals: Bitte erst rechnen, dann sich äußern,

(Wolfgang Riemann, CDU: Wir haben gerechnet.)

liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion.

Ich hoffe, Sie sind mit mir einer Meinung, wenn ich sage, solche Risiken, die Sie hier vorschlagen, können wir uns nicht leisten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Und ich würde mich freuen, meine Damen und Herren von der Opposition, wenn wir uns stattdessen auf die Formulierungen einigen könnten, auf die sich die Finanzministerkonferenz am 9. Oktober 2000 in Berlin verständigt hat. Sie lauten:

1. Im Finanzausgleich sind gemessen am bestehenden Ausgleichssystem unausgewogene Vor- und Nachteile für einzelne Länder zu vermeiden und

2. die Einwohnerwertung der Stadtstaaten beizubehalten.

3. Der Solidarpakt für die neuen Länder ist nach Struktur und Dotierung fortzusetzen.

4. Insbesondere darf der Finanzausgleich nicht Gestaltungszielen unterworfen werden, die Funktionsweise und Ziel des Ausgleichs gefährden.

Diese Formulierungen haben den unschätzbaren Vorteil, dass bereits 12 der 16 Bundesländer dafür gestimmt haben. Es sind neben den Ländern der Hannover-Runde auch Nordrhein-Westfalen und Sachsen. Und Sie sehen schon, es ist kein parteipolitisches Thema, sondern es ist ein anderes Thema, nämlich das der Reichen gegen die Ärmeren.

Ich habe es bereits gesagt und ich wiederhole es: Wir müssen uns in diesem Geleitzug bewegen, der von der

Hannover-Runde geprägt ist. Auch Sachsen und Nordrhein-Westfalen nähern sich dieser Runde an. Das zeigt zugleich, wie fragil dieses Gebilde ist. Aber NordrheinWestfalen brauchen wir dringend, wenn wir für Maßstäbegesetz, Länderfinanzausgleich und Solidarpakt im Bundestag eine Mehrheit gewinnen wollen. Die HannoverRunde ist für alle Länder die Versicherung dafür, dass wir uns in dem Korridor bewegen, in dem es keine Gewinner und Verlierer gibt.

(Erhard Bräunig, SPD: Richtig.)

Und das ist die Voraussetzung für die Lösung des Problems. Diesen strategischen Überlegungen müssen wir auch die Forderung nach 100prozentiger Anrechnung der kommunalen Finanzkraft unterordnen. Eine höhere als die jetzige nur 50prozentige Anrechnung erscheint dennoch durchsetzbar. Eine Verbesserung der direkten Steuerbeteiligung der Gemeinden, die Sie ebenfalls fordern, gehört hier nicht her. Das wäre ein Thema für die Gemeindefinanzreform, die aber derzeit nicht auf der Tagesordnung steht.

Lassen Sie es mich zum Schluss noch einmal sagen: Nur wenn alle Fraktionen konstruktiv zusammenarbeiten, können wir die besonderen Belange Mecklenburg-Vorpommerns wirkungsvoll zur Geltung bringen. Sie haben mit der Begründung Ihres Antrages ja völlig Recht. Dort sagen Sie: „Es kommt jetzt darauf an, die Interessen unseres Landes energisch und sachgerecht zu vertreten.“

(Wolfgang Riemann, CDU: Genau.)

Dies wird nur dann möglich sein, wenn man mit realistischen Forderungen in die Verhandlungen geht, die politisch durchsetzbar sind und auch über Mecklenburg-Vorpommern hinaus auf breite Akzeptanz stoßen dürften. Dem, meine Damen und Herren, ist eigentlich nichts hinzuzufügen, außer meiner Bereitschaft, jederzeit in die Fraktionen zu kommen und über den neuesten Stand unserer Verhandlungen zu berichten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Überweisen Sie den Antrag!)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Kreuzer von der PDS-Fraktion. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Hm, sehr geehrter Herr Kollege Riemann, wie sag’ ich’s meinem Kinde? Also zunächst mal werde ich im Unterschied zu Ihnen nicht der Versuchung erliegen, hier sozusagen ein Koreferat zu dem, was gestern in der Aussprache zur Regierungserklärung zum Thema „10 Jahre Mecklenburg-Vorpommern“ stattgefunden hat und wo Sie möglicherweise nicht rangekommen sind, zu halten,

(Wolfgang Riemann, CDU: Och!)

sondern ich werde mich ganz streng an Ihren Antrag halten und mich in die Auseinandersetzung mit Ihrem Antrag begeben.

Und da will ich Ihnen auch sagen, selten hat mich ein Antrag der CDU-Fraktion so – zwischen teilweiser Akzeptanz und teilweise heftigster Ablehnung – hin und her

gerissen, weil selten ein Antrag so wie der vorliegende zwischen anspruchsvollem Titel „Zukunft Aufbau Ost“ und unzureichender Untersetzung verblüfft hat.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Also, ich sage es jetzt mit meinen Worten: Dieser Antrag ist ein Widerspruch in sich, denn,

(Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS, und Barbara Borchardt, PDS)

Herr Kollege Riemann, entweder der Antrag lautet „Zukunft Aufbau Ost“ – dann müsste er selbstverständlich die wesentlichen Aspekte für die Zukunft Aufbau Ost auch politisch beinhalten – oder aber Sie meinen tatsächlich, dass das, was in Ihrem Beschlussvorschlag und in der Begründung steht, Ihr Anliegen ist, und dann könnte der Antrag bestenfalls lauten „Wirtschaftliche oder fiskalische Eckpunkte oder Eckwerte für den Aufbau Ost“, weil er sich ja darauf beschränkt. Ich komme noch darauf zurück. Es sei denn, Sie, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, wollen tatsächlich nur das für die Zukunft des Aufbau Ost, was Sie in diesem Antrag geschrieben haben, also so sektoral, so partiell und so unvollständig. Dann würde daraus folgen, was an Wesentlichem in Ihrem Antrag nicht aufgeschrieben ist, spielt für die Zukunft des Aufbau Ost für Sie keine entscheidende Rolle.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Das wollen Sie dann auch nicht.

(Wolfgang Riemann, CDU: Wir sind nicht im Besitz der absoluten Wahrheit, Herr Kreuzer. – Reinhard Dankert, SPD: Na Gott sei Dank!)

Ja, aber man darf sich ja politisch äußern, was man will und was man nicht will.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Wenn man es weiß.)

Daraus folgt weiter, dass der Aufbau Ost so defizitär weitergehen soll, wie er in acht Jahren „erfolgreicher“ Regierungsarbeit der CDU bisher stattgefunden hat beziehungsweise nicht stattgefunden hat.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Wir wissen zwar nichts, aber das wissen wir ganz entschieden.)

Und Sie, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, starten im Beschlusstext unter Punkt 1 – und ich werde jetzt konkret – gleich auch mit einer ganz katastrophalen politischen Fehleinschätzung, wenn Sie behaupten, dass es bedeutende Fortschritte im Konvergenzprozess gegeben hätte.

(Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Also bereits ein Blick in den „Brockhaus“ würde Ihnen verdeutlichen, dass Konvergenz eine gegenseitige Annäherung ist, also eine durchaus zweiseitige Angelegenheit.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Und diese Konvergenz hat eben nicht stattgefunden.

(Reinhard Dankert, SPD: Herr Riemann konzentriert sich jetzt auf den Grünen Pfeil.)

Das kann man gut finden und das kann man schlecht finden, aber das war ganz einfach in der Grundkonstruktion, die alte DDR tritt der Bundesrepublik bei, so begründet.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Richtig. So ist es.)

Und demzufolge war die Grundkonstruktion nicht Konvergenz, sondern Beitritt und bestenfalls Annäherung Ost an West.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Richtig. Das ist klar. – Zurufe von Dr. Christian Beckmann, CDU, Lutz Brauer, CDU, und Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Konvergenz je als politische Entwicklungsrichtung gewollt hätten, hätten Sie das damals Herrn Dr. Krause sagen müssen.