Protocol of the Session on March 16, 2000

Dann entsteht ein ganz dringender Bedarf einzukaufen, ganz abgesehen davon, dass es natürlich auch Spaß macht zu shoppen. Wenn ich mir angucke, was sich da in den Bäderorten in den letzten Jahren getan hat, so sind das wirklich sehr schöne Sachen, die es sich auch wirklich lohnt anzusehen.

Das heißt also, dieser Paragraph 10 des Ladenschlussgesetzes ist den Bedürfnissen der heutigen Touristen anzupassen. Einmal müssen wir wohl die Orte präzisieren, die im Rahmen der Bäderregelung von diesen Möglichkeiten profitieren könnten, und zum anderen sind auch die Waren neu zu definieren, die in dieser Zeit vertrieben werden können. Die Aufzählung, die das jetzige Gesetz vornimmt, wer sich das mal angesehen hat, geht weit an den heutigen Bedürfnissen vorbei.

Das Sozialministerium hat einen Antrag für eine Bundesratsinitiative bereits im Sommer des vergangenen Jahres erarbeitet. Das Kabinett hat sich am 7. September 1999 darauf verständigt, dass bei einer etwaigen Novellierung des Ladenschlussgesetzes der Paragraph 10 so gestaltet werden sollte, dass die Bäderregelung in unserem Land Bestand hat. Ich denke, das sollte der Schwerpunkt unserer Bemühungen sein. Sie sehen daran auch, dass die Regierung gehandelt hat.

(Wolfgang Riemann, CDU: Wo?)

Das sollten wir unterstützen. Den Antrag, den Sie gestellt haben, den braucht es dazu nicht. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Bräunig von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Herr Bräunig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Antrag der CDU: Das ist wie bei Hase und Igel hier. Die CDU müsste öfter mal Igel sein, denn – der Wirtschaftsminister hat es gesagt – ehe sie ausgeschlafen hat, war die Landesregierung schon lange aktiv

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

und hat mit ihrem Kabinettsbeschluss schon lange gehandelt.

(Wolfgang Riemann, CDU: Deshalb haben wir geklagt.)

Insofern ist der Antrag, Herr Riemann, ja nicht schlecht, wir gehen da ja konform, aber er kommt eben zu spät.

Meine Damen und Herren! Was die Bäderregelung betrifft, ich war gestern Abend in Boltenhagen zu einer Veranstaltung des Einzelhandels. Da sagte ein Händler, er macht am Sonntag den Gesamtumsatz der Woche. Wenn er den nicht mehr hat, geht er Pleite, gehen Ausbildungsplätze verloren. Ich glaube, da sind wir uns fraktionsübergreifend einig, dass die Bäderregelung so großzügig ausgelegt werden muss, dass wirtschaftliches Handeln möglich ist. Ich glaube, da gibt es keinen Widerspruch zwischen den Fraktionen.

Um es gleich vorwegzunehmen: Ich glaube, wir alle überschätzen eigentlich das Ladenschlussgesetz, denn wir befinden uns direkt an der Schwelle oder mitten im Aufbruch in die Informationsgesellschaft zum 21. Jahrhundert, wo solche Begriffe, wie Internet, mobiles Internet oder e-Comerce, eine immer wichtigere Rolle spielen werden, so dass sicherlich in kürzester Zeit das Ladenschlussgesetz, wenn es dann novelliert ist oder in seiner jetzigen Form, wie auch immer, praktisch ausgehebelt beziehungsweise überflüssig wird.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Dennoch muss ich sagen, wir brauchen gerade wegen der Bäderregelung die Novellierung des Ladenschlusses und der darin festgeschriebenen Ausnahmeregelung für Kur- und Erholungsorte, da die in Paragraph 10 des Gesetzes getroffenen Ausnahmen nicht mehr zeitgemäß sind und der veränderten Situation angepasst werden müssen. Das heißt, hier muss eine notwendige Verbindung von Tourismus- und Erlebniseinkauf her.

Meine Damen und Herren! Eine repräsentative Bevölkerungsumfrage im Frühjahr 1999 ergab, dass 57 Prozent

der Bevölkerung generell für veränderte Ladenschlusszeiten sind. 17 Prozent sprechen sich dagegen aus. Insbesondere jüngere Konsumentengruppen begrüßen zu über 80 Prozent und berufstätige Verbraucher zu 67 Prozent erweiterte Ladenöffnungszeiten. Veränderte Ladenschlusszeiten bringen Effekte hervor wie – das ist auch schon gesagt worden, zum Teil durch Frau Kassner – größere Bequemlichkeit beim Einkauf, insbesondere während der verlängerten Öffnungszeiten am Samstag, bessere Möglichkeiten der Synchronisation von zeitgebundenen Tätigkeiten, freizeitgebundenen Tätigkeiten, eine höhere Präferenz für den abendlichen und samstäglichen Einkauf in Innenstadtlagen sowie im LebensmittelSupermarkt und so weiter. Insgesamt wird festgestellt, dass über die Hälfte der Verbraucher die gesetzlich veränderten Öffnungszeiten positiv aufgenommen haben und knapp die Hälfte plädieren für eine vollständige Abschaffung des gesetzlichen Ladenschlusses.

Und hier liegt der Kern meiner Aussage. Es gibt keine ökonomische Rechtfertigung des gesetzlichen Ladenschlusses bei einer vernünftigen tarifrechtlichen Regelung. Von Eingriffen des Staates in die private Wirtschaftstätigkeit sollte abgesehen werden, solange keine Fehler im Funktionieren der Märkte erkennbar werden. Ich will es noch deutlicher sagen: Die jetzigen Regelungen sind ökonomisch schädlich, da der gesetzliche Ladenschluss nicht nur Einzelhändler und Konsumenten in ihren Freiheiten einschränkt, sondern auch die Funktionsfähigkeit des Marktes verringert. Mir ist bekannt, dass die meisten Länder sich für eine Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes ausgesprochen haben. Das heißt, es wird keine Sonntagsöffnung geben und Öffnungszeiten von Montag bis Samstag in der Zeit von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr beziehungsweise 22.00 Uhr. Das Ergebnis steht nicht fest, aber darauf haben sich die meisten Länder geeinigt und es wird wahrscheinlich auch so kommen.

Es ist natürlich bei einer Novellierung das Augenmerk darauf zu richten, welche gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Auswirkungen für Unternehmen, Verbraucher und Arbeitnehmer erwartet werden. Um auch in diesem Zusammenhang die Gewerkschaften anzusprechen – auch das ist heute schon durchgeklungen und wird vielleicht noch mal kommen von Frau Borchardt –,

(Barbara Borchardt, PDS: Richtig.)

der Schutz vor sozial unerwünschten Arbeitszeiten ist in der Tat nicht nur ein Problem des Einzelhandels. Viele Branchen sind von Abend-, Nacht- und Wochenendarbeit betroffen. Dennoch: Welcher Öffnungsbedarf in Wirklichkeit besteht, können die Einzelhändler besser einschätzen als ein Ladenschlussgesetz, auch als ein novelliertes Ladenschlussgesetz.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich bin – wie bereits gesagt – für die vollständige Aufhebung des gesetzlichen Ladenschlusses von Montag bis Sonnabend und für die Übertragung der Entscheidung über eine Sonn- und Feiertagsöffnung an die Kommunen, kreisfreien Städte und Landkreise, so dass der kommunale Handel stärker in das kommunale Gefüge eingebunden wird.

Die Gutachter des IFO-Institutes schlagen vor: „Im Rahmen eines Sonn-, Feiertags- und Ladenschlussgesetzes überträgt der Gesetzgeber den Bundesländern das Recht, über eine Verordnungsermächtigung die grundsätzliche Entscheidungsbefugnis über eine Sonn- und

Feiertagsöffnung an die kommunalen Gebietskörperschaften zu delegieren. Die Zahl der für die Öffnung relevanten Tage muss dem Gebot der verfassungsmäßig verankerten Sonn- und Feiertagsruhe entsprechen. Die Länder sollten über mindestens zwei Drittel der Sonntage frei verfügen können und sollten diese Verfügungsrechte nach Möglichkeit auch ungeschmälert auf die Gemeinden übertragen.“ Aus meiner Sicht ist dem nichts hinzufügen. Diese Regelung käme dem nahe, was viele Tourismusexperten auch letztens auf der ITB in Berlin gefordert haben. Das kommt sicherlich auch im Antrag der Fraktion der CDU zum Ausdruck.

Eine geforderte völlige Aufhebung des Ladenschlussgesetzes von Montag bis Sonnabend würde die Leistungsfähigkeit des deutschen Einzelhandels verbessern

(Beifall Friedbert Grams, CDU)

und wäre ein positives Signal für den Wirtschaftsstandort Deutschland. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Das Wort hat Frau Skrzepski von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Frau Skrzepski.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Nichts hat besser überlebt in dieser schnelllebigen Gesellschaft als das bürokratische Räderwerk eines Ladenschlussgesetzes sage und schreibe aus dem Jahre 1956!

(Andreas Bluhm, PDS: Da gibt es aber noch eine ganze Menge. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Es gibt noch Gesetze aus dem alten Kaiserreich, die heute gültig sind. – Zuruf von Barbara Borchardt, PDS)

Auf allen politischen Ebenen wird die Novellierung des Ladenschlussgesetzes seit Jahren ergebnislos diskutiert und so ist es kaum noch eine Freude,...

(Zuruf von Barbara Borchardt, PDS)

1956 war ich ein Jahr auf der Welt.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Was, so alt sind Sie schon?!)

... über einen politischen Ladenhüter Diskussionen zu führen.

Eigentlich hätte ich meine Rede vom 27. September 1995 im Landtag zum Thema „Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes“ ohne politische Bedenken heute erneut vortragen können.

(Gerd Böttger, PDS: Machen Sie es doch!)

Das tue ich aber nicht.

Mein Schlussgedanke 1995 war: „Wenn wir an der Schwelle des 21. Jahrhunderts Prozesse nur aus unserem deutschen Blickwinkel diskutieren, werden uns europäische Marktstrategien überrollen, und wir werden uns dann mit hausgemachten Regelungen erwehren“ – unserer guten Bäderregelung – „oder sogar abschirmen, anstatt Vorreiter zu sein.“

(Zuruf von Andreas Bluhm, PDS)

Ja, da kommen wir auch noch hin.

Mecklenburg-Vorpommern hatte die bundesweit liberalste Ladenschlussregelung – man muss ja schon sagen, hatte. 190 Badeorte und Tourismuszentren im Land konnten zwischen Januar und Ende November bisher samstags bis 20.00 Uhr, sonntags zwischen 11.00 Uhr und 18.30 Uhr öffnen. Das war die bundesweit touristische Vorreiterrolle unseres Landes Mecklenburg-Vorpommern. Und diese beispielhafte Bäderregelung war Handschrift des damaligen Wirtschaftsministers der F.D.P. und in besonderem Maße des Wirtschaftsministers Jürgen Seidel.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Diese Bäderregelung war die klare Antwort auf das aktuelle Wirtschaftsbild im Land.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Sie war aber einfach nicht rechtsförderlich.)

Der Tourismus ist mit der zukunftsträchtigste Wirtschaftszweig im Land Mecklenburg-Vorpommern. Die Fakten sind der Spitzenwert an Übernachtungen von 15,6 Millionen für 1999, ein Zuwachs von 17 Prozent.

(Heiterkeit bei Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber doch nicht wegen der Einkaufszeit.)