Ich rufe den Tagesordnungspunkt Nummer 24 auf, Drucksache 22/9961: Unterrichtung durch die Präsidentin: Bürgerschaftliches Ersuchen vom 25. August 2011: Für Transparenz auf dem Ausbildungsmarkt – Ausbildungsberichterstattung fortschreiben".
[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Bürgerschaftliches Ersuchen vom 25. August 2011: "Für Transparenz auf dem Ausbildungsmarkt – Ausbildungsberichterstattung fortschreiben" – Drs. 20/1219 (Neufassung) – Drs 22/9961 –]
Diese Drucksache möchten die Fraktionen der SPD und der GRÜNEN an den Schulausschuss überweisen. Wer wünscht nun das Wort? – Entschuldigung, ich bin jetzt verwirrt. – Frau Block, Sie erhalten das Wort.
Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleg:innen, liebe Öffentlichkeit! Seit 2011 bekommt die Bürgerschaft jährlich den Ausbildungsreport und kann so die Tätigkeiten und Zahlen des vergangenen Jahres zum Start in das Berufsleben verfolgen und bewerten. Nun haben wir den Ausbildungsreport 2022 vorliegen, also den Report für das durch Corona sehr herausfordernde Jahr 2021 mit dem Lockdown bis in den Mai. Eine der herausforderndsten Aufgaben unserer Zeit für die gesamte Bundesrepublik ist und wird bleiben, ausreichend Fachkräfte zu qualifizieren, um die große Lücke zu den in Rente gehenden Fachkräften der Babyboomer-Generation zu schließen. Wenn wir nicht gegensteuern, werden uns bis 2030 allein in Hamburg über 110 000 Fachkräfte fehlen. Insbesondere im Handwerk und im Handel ist der Mangel enorm und wird zunehmend größer. Merken tut dies jede:r Einzelne von uns, der oder die versucht, Handwerker:innen für Arbeiten zu fin
den. Der Mangel ist riesig, Wartezeiten sehr lang. Umso besorgniserregender ist es, da wir diese Handwerker:innen brauchen, um unsere Klimaziele zu erreichen und die notwendigen Transformationen voranzutreiben.
Aber nicht nur das: Auch der Mangel zum Beispiel in Sozial- und Pflegeberufen gefährdet zunehmend unsere Gesellschaft. Insgesamt stellt es uns vor große Aufgaben, dass auch im Jahr 2021 bei der Anzahl der Neuverträge in der dualen Ausbildung nicht das Vor-Corona-Niveau erreicht werden konnte. Viele Faktoren, die dies erschwert haben, liegen auf der Hand: Matchings zwischen Unternehmen und potenziellen Azubis waren nicht so einfach wie bisher, Praktika konnten nicht wie gewohnt durchgeführt werden, Betriebe schickten ihre Mitarbeiter:innen in Kurzarbeit und waren selbst mit großen Unsicherheiten und Zukunftsängsten beschäftigt.
Maryam Blumenthal, deren Rede ich hier in Vertretung halte, hat mit vielen Unternehmen gesprochen, mit Handwerks- und Handelskammern, berufliche Schulen besucht und ist in ständigem Kontakt mit vielen Schüler:innen. Die Ursachen für unseren Fachkräftemangel, vielmehr Kräftemangel, sind mehrdimensional, und nicht nur ein Weg kann aus dieser Krise führen. Hier müssen alle an einem Strang ziehen, und das passiert auch.
Die allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen tun viel, um die angehenden Fachkräfte von morgen zu beraten, zu begleiten, zu unterstützen und auszubilden. Die Jugendberufsagentur verliert dabei kaum Schulabgänger:innen aus dem Blick. Im Übergang von der Schule nach der zehnten Klasse in die Berufsausbildung gab es sogar einen leichten Anstieg. Die Berufsorientierung an den Stadtteilschulen wurde ausgebaut und wird nun auch an den gymnasialen Oberstufen ab dem kommenden Jahr ausgebaut. Hoffnung macht, dass in diesem Jahr wieder über 40 Prozent Schulabgänger:innen direkt nach dem Schulabschluss, nach der zehnten Klasse einer Stadtteilschule, eine Berufsausbildung begonnen haben, und damit sogar 0,4 Prozent mehr als im Jahr in der Pandemie. Außerdem gelang in diesem Jahr knapp 55 Prozent der jungen Menschen nach der einjährigen Ausbildungsvorbereitung der Sprung in die duale Ausbildung. Das ist ein gutes Zeugnis für die ausbildungsvorbereitende Unterrichtsform, die für viele junge Menschen ein Anker und der einzig realistische Weg in den Beruf ist. Auch die Praxisklassen und Stadtteilschulen möchte ich hervorheben, die überdurchschnittlich viele Jugendliche nach Abschluss direkt in eine Ausbildung geführt haben.
Die Berufliche Hochschule Hamburg mit der studienintegrierten Ausbildung steigert die Attraktivität der dualen Ausbildung erheblich und ermöglicht zugleich einen universitären Abschluss, ohne sich
entscheiden zu müssen. Daneben hat zum Beispiel die Handelskammer eine Berufsorientierungsoffensive angekündigt und die Umweltbehörde einen runden Tisch für Fachkräfte im KlimaHandwerk ins Leben gerufen. Das alles sind Beispiele, wie wir auf verschiedenen Ebenen Verantwortung übernehmen und Wege einschlagen.
Die duale Ausbildung ist ein hervorragender Start in das Berufsleben, mit vielfältigen Karrieremöglichkeiten und Chancen. Und doch: Die Attraktivität der dualen Ausbildung muss weiter gesteigert werden, und die Unternehmen in Hamburg müssen wieder mehr Stellen anbieten. Nur so schaffen wir es, gemeinsam mit einer starken Wirtschaft die vielen Herausforderungen zu bewältigen.
Es ist wichtig, dass wir hier am Ball bleiben, und daher möchten wir den Ausbildungsreport 2022 an den Schlussausschuss überweisen, um dort mit den Expert:innen der Fraktionen diese Herausforderungen weiter zu diskutieren. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bereits im Jahr 2009 wurde auf Initiative der SPD die seit der Regierungszeit der CDU ruhende Ausbildungsberichterstattung befristet wiedereingeführt und unter der SPD-Mehrheit 2011 langfristig auf den Weg gebracht. Seitdem erhalten wir jährlich den Ausbildungsreport, der nun auch für dieses Jahr vorliegt und der zeigt, dass Bildung und Ausbildung auch in schwierigen Coronajahren bei uns in guten Händen sind.
Denn mit unserem konsequenten System der Nachverfolgung der Ausbildungsbiografie jedes einzelnen Schulabgängers und jeder einzelnen Schulabgängerin durch die Jugendberufsagentur wissen wir von allen, wo sie nach der Schule bleiben. Seit zehn Jahren gibt es dieses Erfolgsmodell der Jugendberufsagentur nun schon; es steht Modell für andere Bundesländer. Noch 2011 verließen 1 185 Jugendliche die Schulen nach Klasse 10, von denen nicht bekannt war, ob und was sie im Anschluss machen. Seit 2012 waren es jährlich nur noch zehn Jugendliche, und auch die findet man in der Regel im Laufe des Jahres.
Allein zwischen 2012 und 2021 hat die Jugendberufsagentur mit ihrer einzigartigen Zusammenar- beit der Fachkräfte aller dafür Zuständigen 47 200 Schulabgänger:innen nach Klasse 10 erfasst und die Jugendlichen auf ihrem Weg in den
Beruf begleitet. In diesem Jahr haben von den 4 686 Schulabgänger:innen der Stadtteilschule nach Klasse 10 40,8 Prozent direkt in eine Berufsausbildung gewechselt. Damit ist diese Zahl gegenüber dem Vorjahr um 2 Prozent wieder angestiegen.
Die Anzahl der gemeldeten Ausbildungsplätze sinkt leider immer noch. Es gibt jedoch auch Bereiche, in denen die Bereitschaft auszubilden wächst, so zum Beispiel in den Bereichen Bau, Architektur, Vermessung und Gebäudetechnik, die wir wirklich brauchen. Dort sind die gemeldeten Ausbildungsstellen um 28 Prozent gestiegen, und auch im Bereich Verkehr und Logistik um 8,4 Prozent. Wie zu erwarten, bildet Hamburg als Handels- und Dienstleistungsmetropole besonders viele junge Menschen in diesem Bereich aus. Bemerkenswert dabei ist, dass der Beruf des Fachinformatikers zum Beispiel in Hamburg auf Platz 3 liegt und damit weit über dem Bundesdurchschnitt. Es ist ein sehr gutes Zeichen, dass viele junge Menschen diesen zukunftsweisenden Ausbildungsberuf wählen.
Und ein weiteres Berufsfeld, auf dem wir in Hamburg rekordverdächtig ausbilden, ist der Bereich der Sozialpädagogik. 1 850 junge Menschen konnten 2021/2022 ihre sozialpädagogische Aus- und Weiterbildung abschließen. Das sind 709 mehr als vor zehn Jahren. Und auch die Zahl der Schüler:innen in diesem Bereich bleibt auf dem Rekordniveau der letzten Jahre. In Hamburg ist also nicht nur die Versorgung mit Kitaplätzen auf einem Rekordniveau, sondern wir bilden auch das dafür notwendige Personal aus, um die Qualität in diesem Bereich zu sichern.
Für diejenigen Jugendlichen, die es nach der Schule nicht direkt in Ausbildung schaffen, haben wir eine breite Palette an Angeboten etabliert, die wir während der Coronapandemie nochmals aufgestockt und ausgeweitet haben. Insbesondere die einjährige Ausbildungsvorbereitung AV-Dual sowie die bewährten Produktionsschulen bahnen vielen Jugendlichen den Weg in Ausbildung. So ist der Sprung in Ausbildung in diesem Jahr nur zwölf Monate nach der Schule bereits 54,7 Prozent der Jugendlichen gelungen, und diese Zahl steigt jedes Jahr.
Mit einem mehrstufigen Beratungsangebot an den Schulen werden unsere Schüler:innen heute – beginnend mit dem Schulfach Berufsorientierung und
Unterrichtsangebote und Praktika – auf die Berufswahl und Ausbildung vorbereitet. Da wir nicht weniger junge Leute brauchen, die eine Ausbildung machen, sondern mehr und fast 40 Prozent von ihnen Abitur haben, ist es sinnvoll, dieses Thema auch in den Bildungsplänen nochmals stärker voranzubringen.
Der diesjährige Report zeigt es deutlich: In Hamburg wird kein Schulabgänger und keine Schulabgängerin alleingelassen, sondern wir schaffen die Vermittlung in Ausbildung besonders gut. Aber es ist auch ganz klar: Die Herausforderungen sind riesig. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in den Ruhestand, die Betriebe müssen noch stärker ihrer Ausbildungsverpflichtung nachkommen und mehr ausbilden, und auch wir und ich können etwas dafür tun. Überzeugen Sie, wir unsere Kinder davon, dass eine Berufsausbildung gut und sinnvoll ist. – Danke schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine Damen und Herren! Ausbildung und Fachkräfte ist das Thema der Zukunft, und es ist richtig und wichtig, dass wir das im Schulausschuss weiter diskutieren. Denn die Versorgung aller jungen Menschen mit Ausbildungsplätzen auf der einen Seite und die passgenaue Besetzung vorhandener Ausbildungsstellen auf der anderen Seite stellt eine enorme gesellschaftliche Herausforderung dar und wird uns in den kommenden Jahren noch sehr stark beschäftigen.
Zunächst einmal freue ich mich darüber, dass die Schulabgängerinnen und Schulabgänger in Hamburg nicht alleingelassen werden; Frau Quast hat dieses eben schon gesagt. Denn sie werden genau verfolgt, welchen Weg sie nach dem Verlassen der Schule einschlagen. Wenn es in diesem Jahr nur neun Schülerinnen und Schüler waren, deren Verbleib am 15. September ungeklärt war, so sind das zwar neun zu viel, aber es ist trotzdem ein großer Verdienst der Jugendberufsagentur, dass es nicht mehr sind. Diese enge Verzahnung der verschiedenen Kompetenzen unter einem Dach der Jugendberufsagentur wird den jungen Menschen den Übergang erheblich erleichtern, und davon profitieren schlussendlich alle Akteure des Ausbildungs- und Arbeitsmarkts. So weit, so gut.
An dieser Stelle hört allerdings das Lob von meiner Seite auch schon auf. Von den insgesamt 4 136 Schulabgängerinnen und Schulabgängern nach Klasse 10 der Stadtteilschulen wechselten in diesem Jahr 38,5 – ich weiß nicht, wo die 40 Prozent herkommen –, also 1 706, direkt in eine duale und eine schulische Ausbildung. 1 970 Schulab
gängerinnen und Schulabgänger aus den Stadtteilschulen haben keinen Ausbildungsplatz gefunden und wechselten deswegen in die Ausbildungsvorbereitung an den berufsbildenden Schulen, also AV-Dual oder AvM-Dual, oder an die Produktionsschulen, das ist auch schon genannt worden. Das sind knapp 2 000 Menschen, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, und gleichzeitig gab es im September 2022 laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit noch 1 030 unbesetzte Ausbildungsstellen in Hamburg. Wie kann das sein?
Seit Jahren werden händeringend Fachkräfte gesucht, und viele Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt. Zum anderen finden zahlreiche Jugendliche nach der Schule keinen Ausbildungsplatz. Der Präsident der Handwerkskammer Hamburg hatte kurz vor dem Start des laufenden Ausbildungsjahrs auf fast 700 offene Stellen im Hamburger Handwerk hingewiesen. Besonders gesucht seien junge Menschen, die beruflich zum Gelingen der Klimawende beitragen möchten. Warum können so viele Ausbildungsplätze nicht besetzt werden? Werden die Jugendlichen auch ausreichend auf den Ausbildungsalltag in den Unternehmen vorbereitet? Der Ausbildungsmarkt hat sich gewandelt; die zu besetzenden Stellen sind vielfältig. Neue Jobangebote in den Bereichen Klimaschutz, Verkehr und Energiewende erfordern spezielle Fähigkeiten. Die fortschreitende Digitalisierung bringt ebenfalls Veränderungen mit sich. Entscheidend ist zunächst, dass Schulabgängerinnen und Schulabgänger gezielt auf den Wechsel von der Schule in die Ausbildung vorbereitet werden, und dazu müssen frühzeitig die Grundlagen gelegt werden; dies beginnt bereits in der Grundschule.
Die letzte IQB-Studie hat wieder gezeigt, dass 17,7 Prozent der Viertklässerinnen und Viertklässler im Lesen nicht einmal den Mindeststandard erreichen. 30,5 Prozent der Schülerinnen und Schüler bleiben im Bereich Orthografie unter dem Mindeststandard, und auch – wir wissen es alle – in Mathematik sieht es nicht viel besser aus. In allen untersuchten Kompetenzbereichen zeichnet sich ein negativer Trend für den Zeitraum 2016 bis 2021 ab. Es ist keine Überraschung, dass Schülerinnen und Schüler, die ohne ausreichende Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen auf die weiterführenden Schulen übergehen, dort nicht erfolgreich sein werden und folglich auch nicht den Anforderungen der Ausbildungsbetriebe genügen werden. Das müssen wir ändern. Wir müssen unsere Schülerinnen und Schüler bereits in der Grundschule gezielt fördern und unterstützen.
Auf der anderen Seite brauchen wir aber auch ein hohes Engagement der Betriebe. Es ist schon gesagt worden: Leider ist zu beobachten, dass die Anzahl der Ausbildungsstellen in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen ist. Sie stabilisiert
sich zwar, aber wirklich auf einem niedrigen Niveau. Ich appelliere daher auch an die Unternehmen, ihre Anstrengungen im Bereich der Ausbildung zu intensivieren. Das Ziel muss sein, die Anzahl der Ausbildungsbetriebe mindestens auf das Vor-Corona-Niveau zu heben. Zudem sollten die Ausbildungsbetriebe frühzeitig in die Schulen gehen und Kontakt zu den potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern aufnehmen.
Sie sehen: Es besteht kein großer Grund zum Selbstlob, sondern ich sehe vielmehr dringenden Handlungsbedarf aufseiten aller am Ausbildungsmarkt beteiligten Akteure. Andernfalls wird sich der Fachkräftemangel in Hamburg weiter verschärfen und den Wirtschaftsstandort Hamburg massiv schwächen.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, auch ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss, weil ich ebenfalls sehe, dass das Thema Licht und Schatten hat und dass es eins der wichtigsten Themen ist, wie wir mit unseren jungen Leuten umgehen, welche Chancen sie bekommen, welche Zugänge sie zu ihren Bildungsbiografien haben. Ich hoffe sehr, dass wir als Ausschuss auch die Kraft haben, eine Anhörung zu machen, auch mit den Expert:innen in der Stadt, mit den jungen Leuten selbst, denn ich glaube, es ist nicht angemessen, dass wir unter uns bleiben, weil wir uns dann von der SPD wieder die Jubelmeldungen anhören und wir wieder in unserer Rolle der Opposition sprechen. Das ist nicht zuträglich. Denken Sie an meine Worte: Wir brauchen eine Anhörung auch von allen in der Stadt, die sich mit den Themen beschäftigen.
Denn eins ist auch klar: Das Angebot an Ausbildungsplätzen ist in Hamburg im Vergleich zum Krisenjahr 2020 weiter leicht gesunken. 2019, vor Ausbruch der Coronapandemie, orientierte man sich in der Debatte noch daran, wieder das Niveau der Vorjahre erreichen zu wollen. Jetzt zeigt der vorliegende Report doch ziemlich deutlich, dass es in den kommenden Jahren sehr schwer werden wird, das Niveau von 2019 überhaupt zu erreichen. Das haben wir schon öfters thematisiert, und auch das braucht ein bisschen mehr Gehirnschmalz, als sich einfach nur abzufeiern.