Protocol of the Session on May 22, 2019

Seit 2011 unternehmen die SPD-geführten Senate eine konsequente und strategische Politik im Kampf gegen Armut in unserer Stadt, indem wir erstens massiv in Bildung und Ausbildung investiert haben und weiterhin investieren werden, und zweitens, indem wir ebenfalls mit erheblichen finanziellen Förderungen und Anstrengungen bauen, bauen und nochmals bauen, damit die Mieten nicht noch stärker steigen. Wir setzen bei der Armutsbekämpfung strategisch bei der Bildung an, die der wichtigste Baustein zur Prävention von Armut ist. Wir setzen dabei schon bei der frühen Bildung in der Kita an; dafür gibt Hamburg inzwischen Jahr für Jahr fast 1 Milliarde Euro aus. Ich weiß nicht, wo da die von Ihnen angesprochenen Kürzungen sein sollen.

(Cansu Özdemir)

(Beifall bei der SPD)

Diesen Weg der Investition in Bildung gehen wir konsequent weiter – über die Schule bis hin zur Jugendberufsagentur und zur Universität. Die Stichworte hierzu sind: Ausbau des Ganztagsunterrichts, Personalzuwachs an den Schulen, Abschaffung von Studiengebühren. Denn eine gute Bildung und eine vernünftige Ausbildung – das zeigen alle Statistiken – sind der beste Weg, um ein unabhängiges, selbstbestimmtes Leben zu führen.

Auch in der Arbeitswelt haben wir uns seit 2011 auf den Weg gemacht. Wir kümmern uns um gute Arbeit in unserer Stadt, also Arbeit, die fair bezahlt ist, die nicht krank macht, Arbeit, von der man selbstbestimmt leben kann. Wir haben es in den letzten Jahren geschafft, die Arbeitslosigkeit in unserer Stadt massiv zurückzudrängen. Sie ist heute so niedrig wie seit 1993 nicht mehr und liegt bei 6 Prozent. Davon profitieren auch Menschen, die langzeiterwerbslos waren. Gemeinsam mit dem Bund haben wir seit Jahresbeginn den neuen sozialen Arbeitsmarkt auf den Weg gebracht, ein Ansatz, um Menschen, die lange Zeit aus der Arbeitswelt ausgeschlossen waren, soziale Teilhabe und ein eigenes Einkommen zu ermöglichen.

Trotzdem müssen wir uns weiterhin anstrengen. Wir wollen uns für Löhne einsetzen, die ausreichend sind, um bei Vollzeitarbeit im Rentenalter ohne staatliche Unterstützung auszukommen. Daher setzen wir auf einen Mindestlohn von rund 12 Euro. Wir unterstützen einkommensschwächere Menschen in Hamburg mit einer Sozialkarte, die es den Menschen ermöglicht, vergünstigt HVV-Monatskarten zu erwerben. Das kostet uns übrigens 20 Millionen Euro im Jahr.

Viele Forderungen aus dem bunten Strauß an sozialpolitischen Punkten der Fraktion DIE LINKE haben sich entweder durch politisches Handeln erledigt oder gehen an einer seriösen Politik zur Bekämpfung der Ursachen von Armut vorbei. Wir lehnen diesen Antrag deshalb als insgesamt ungeeignet ab. Wir stehen für eine seriöse und strategische Bekämpfung der Ursachen von Armut. Darüber werden Sie mit der SPD-Fraktion immer sprechen können. Aber Ihr Antrag ist dafür keine Grundlage. Ich finde, das Thema Armutsbekämpfung ist zu wichtig für einen solchen Schaufensterantrag. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Schwieger. – Als Nächste erhält das Wort Franziska Rath für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Schwieger, ich hätte nicht gedacht, dass unsere

Debattenbeiträge sich einmal derart ähneln werden,

(Jens-Peter Schwieger SPD: Ja, da können Sie mal sehen!)

aber sie tun es in der Tat. Denn der Antrag, den DIE LINKE hier vorgelegt hat, hört sich wirklich wie ein Wahlprogramm an. Er hört sich wahrscheinlich nicht nur danach an; er wird auch eines sein, denn eine wirklich neue Forderung ist nicht dabei. Er ist tatsächlich nur ein Potpourri alter und sehr allgemeiner Forderungen, die zum Teil längst überholt sind.

Wie Herr Schwieger vermisse auch ich das Thema Armutsprävention. Wir alle wissen, dass Frauen mit keiner oder schlechter beruflicher Qualifikation besonders gefährdet sind, was das Thema Armut anbelangt. Darüber schweigt sich der Antrag völlig aus. Bei Forderungen wie beitragsfreies Frühstück in der Kita muss weitergedacht werden. Was bringt es einer alleinerziehenden Hamburgerin, wenn sie in unserer Stadt nicht einmal einen Kitaplatz findet?

(Beifall bei der CDU)

Auch das pauschale Herstellen zwischen Armutsrisiko auf der einen Seite und Teilzeitstellen auf der anderen Seite hilft nicht weiter. Zum jetzigen Zeitpunkt ein neues, aus Landesmitteln finanziertes Programm für Langzeitarbeitslose aufzulegen, hört sich zwar toll an, aber warten wir doch erst einmal ab, welche Wirkung die Umsetzung der Änderung des SGB in diesem Punkt entfalten wird.

Aus meiner Sicht ist es verantwortungslos, so zu tun, als würde in puncto Armutsprävention oder Bekämpfung gar nichts passieren. Das gilt zum Beispiel für die Forderung, die vom Bund finanzierten Mittel für das Bildungs- und Teilhabepaket durch Landesmittel aufzustocken. Der Antrag schweigt sich darüber aus, dass die Mittelerhöhung auf Bundesebene schon längst beschlossene Sache ist. Am 1. Juli tritt das von der CDU/CSUBundestagsfraktion mit der SPD vorangetriebene Familienstärkungsgesetz in Kraft. In dem Gesetz wird es gerade um das gehen, was in diesem Antrag steht: um die zielgenaue Stärkung von Familien, nicht aus der Gießkanne, sondern durch die Neugestaltung des Kinderzuschlags und die Verbesserung der Leistung für Bildung und Teilhabe. Dort konnte sich – ich sage es immer wieder gern – unser familienpolitischer Sprecher Marcus Weinberg durchsetzen,

(Nebahat Güçlü fraktionslos: Ja, da ist jetzt Wahlkampf!)

als es darum ging, den Teilhabebetrag aufzustocken. So viel noch einmal zum Thema Wahlkampf. Für den Sportverein oder den Musikunterricht gibt es künftig nicht nur 10 Euro, sondern 15 Euro. Das ist besonders wichtig für Hamburg,

(Jens-Peter Schwieger)

weil hier die Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren durchschnittlich 11,98 Euro pro Monat, teilweise sogar ein bisschen mehr, für ihre Vereinsmitgliedschaft berappen müssen.

Auch die aufsuchende Seniorenarbeit kommt in Hamburg flächendeckend, wie es der Antrag fordert. Hier mache ich noch einmal etwas Werbung für den Senat. Natürlich hätte sie nach unserem Geschmack auch wesentlich schneller und ambitionierter durch Rot-Grün voranschreiten können, da es wichtig ist, die Senioren zu Hause aufzusuchen und über die Angebote zu informieren, und das nicht nur punktuell.

Eine wichtige Arbeit vor Ort in den Bezirken leisten aber auch die Stadtteilkulturzentren. Da gebe ich den LINKEN recht: Es ist mühselig und armselig, dass wir immer wieder aufs Neue einem rot-grünen Senat erklären müssen, wie wichtig die auskömmliche Finanzierung dieser Stadtteilkulturzentren ist.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass wir als CDU-Fraktion uns niemals einer Diskussion über Prävention und Bekämpfung von Armut versperren werden. Und – das möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD –, es bringt einen wahrscheinlich in der Sache nicht weiter, immer gebetsmühlenartig alle vermeintlichen Erfolge in diesem Bereich herunterzubeten.

(Arno Münster SPD: Tue Gutes und sprich darüber, heißt es!)

Dennoch werden wir heute einer Ausschussüberweisung nicht zustimmen, denn die Forderungen kratzen dafür zu sehr an der Oberfläche.

Eines noch zum Schluss: Morgen haben wir den Sozialausschuss. Eine Forderung, die wir dort beraten werden, ist ein Antrag der LINKEN; das ist, wen es interessiert, TOP 1. Da geht es um den Antrag: "Zuschlag zur Grundsicherung im Alter einführen und erhöhte Lebenshaltungskosten in Hamburg berücksichtigen". Ich freue mich auf diese Beratung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Rath. – Als Nächste erhält das Wort Mareike Engels für die GRÜNE Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Armut, insbesondere Kinderarmut, ist ein ernst zu nehmendes Problem; dies ist nicht von der Hand zu weisen. Deswegen setzt sich die rot-grüne Koalition für die Verbesserung der Lebenslagen armutsgefährdeter Menschen ein. Obwohl DIE LINKE häufig den Anschein zu erwecken versucht, hat sie Armutsbekämpfung nicht für sich gepachtet.

Zur Bekämpfung von Armut ist es wichtig, dass wir uns mit den Ursachen beschäftigen; das wurde hier gerade schon häufiger betont. Dazu gehören Teilzeitarbeit, atypische und prekäre Beschäftigungen, Niedriglohnarbeit oder auch der Bezug von Sozialleistungen. Wenn wir uns diese angucken, dann sehen wir, dass ein Großteil nur auf Bundesebene gelöst werden kann. Die gerechte Bezahlung von Frauen, die Überwindung des Gender Pay Gaps und eine gerechte Verteilung von Lohnund Familienarbeit würden wesentlich zur Verhinderung von Altersarmut beitragen. Deswegen wäre es gut, wenn wir ein richtiges Entgeltgleichheitsgesetz hätten oder endlich das Ehegattensplitting abschaffen würden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dr. Moni- ka Schaal SPD)

Solange es aber die Garantierente nicht gibt, solange der Mindestlohn und die Regelsätze nicht angehoben und Sanktionen abgeschafft werden, so lange können wir in Hamburg nur minimale Verbesserungen erreichen, häufig nur Armutsfolgen lindern. Das tun wir sehr umfangreich, aber ich möchte das – und das wurde auch eingefordert – in der sachorientierten Debatte zu bedenken geben. Grundlegende Verbesserungen sind bei der derzeitigen Bundesregierung leider nicht in dem Maße in Sicht. Aber trotzdem ist auch im Bund Bewegung; das wurde gerade schon angesprochen. So werden die Leistungen im Bereich Bildung und Teilhabe zum Sommer erhöht. Das ist, bei aller Kritik am BuT, gut und wichtig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte den Bund nicht aus der Verantwortung entlassen. Warum DIE LINKE genau diesen Posten nun noch einmal aus Landesmitteln aufstocken will, ist mir ein Rätsel und legt die Vermutung nahe, dass es vor allem um mehr geht und nicht darum, was wirklich helfen würde. Wenn wir aber auf diese Art und Weise das Geld mit der Gießkanne verteilen, dann fehlt es uns an anderer Stelle, um armutsgefährdete Menschen gezielt und wirksam zu unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wenn wir schon beim Bildungs- und Teilhabepaket sind, dann möchte ich noch einmal an ein Fachgespräch bei der Diakonie zum Thema Schulbedarfspaket erinnern. Das ist schon ein bisschen länger her, aber da wurde eine Studie aus Niedersachsen vorgestellt, die berechnete, dass das Schulbedarfspaket zu knapp bemessen sei. Deswegen wird es jetzt auch erhöht. In der Diskussion waren wir uns aber alle einig, dass das BuT in Hamburg so gut umgesetzt und um eigene Leistungen ergänzt wird, dass die Lage in Hamburg sich nicht so schlimm wie in anderen Kommunen darstellt. Solche fachlichen Diskussionen fließen aber leider nicht in diesen Antrag ein. Das ist schade. In der

(Franziska Rath)

Sache kommen wir so nicht weiter, sondern nur, wenn wir konkret werden, und konkret hat Hamburg auch schon einiges vorzuweisen. Auf das Schulbedarfspaket bezogen geht es zum Beispiel um Hamburgs Lernmittelfreiheit. Außerdem übernimmt Hamburg seit Jahren den Eigenanteil zum Mittagessen an Schulen aus Landesmitteln. Das fällt zum Glück jetzt auch auf Bundesebene weg. In dieser Legislatur haben wir eine kostenfreie Ferienbetreuung eingeführt, im Kita-Bereich gibt es die Gebührenfreiheit für fünf Stunden, und auch in Sachen Qualität gehen wir voran. Wir haben die Offene Kinder- und Jugendarbeit mit 1 Million Euro zusätzlich ausgestattet, um die Arbeit im Quartier besser zu unterstützen.

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Nicht nur bei der Teilhabe von Kindern und Jugendlichen gehen wir voran, auch für die Erwachsenen setzen wir uns ein. So macht Rot-Grün sich für einen Mindestlohn in Höhe von 12 Euro stark und geht bei den eigenen Beschäftigten voran. Die Sozialkarte wurde schon angesprochen. Wir bauen vermehrt günstige Wohnungen und setzen auf Konzeptausschreibungen. Die Kostenübernahme von Verhütungsmitteln stärkt nicht nur die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen, sondern lindert auch ganz konkret Armut. Auch den Hausbesuch für Seniorinnen und Senioren werden wir auf ganz Hamburg ausweiten; dafür braucht es den Antrag nicht. Im Übrigen sagen wir mit dem runden Tisch und der Einführung einer Härtefallregelung auch der Energiearmut den Kampf an.

Ich möchte noch einmal hervorheben, dass bei all diesen Maßnahmen viele verschiedene Behörden federführend tätig sind. Auf die morgige Sozialausschussberatung und den Antrag der LINKEN wurde schon hingewiesen. Hier handelt es sich ein kleines bisschen um Antragsrecycling; das hatten wir heute auch schon.

Wenn DIE LINKE sich nun hier als alleinige Kämpferin gegen Armut darstellt, ist das mitnichten die Realität. Sie verteilt gern Wohltaten. Notwendig sind aber eine genaue Analyse und ein fokussierter Einsatz von Ressourcen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ja, Strategien gegen Armut sind wichtig, und es gibt tatsächlich noch viel zu tun. Das wissen wir, und seien Sie sicher, dass wir weiterhin daran arbeiten werden, dass diejenigen, die sie am dringendsten brauchen, unsere Unterstützung erhalten. Das Leben in Hamburg muss für alle bezahlbar ein; Armut gilt es daher zu bekämpfen. Dafür setzen wir uns im Bund und in Hamburg ein. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort bekommt nun Frau Nicolaysen für die FDP-Fraktion.

Ich versuche mal, auf einem Bein zu stehen. – Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eine Gesellschaft verrät viel über sich selbst, wenn man den Umgang mit den Schwächsten in ihr betrachtet. Die Schwächsten sind meist Kinder, Menschen mit starken Behinderungen oder Menschen in bitterer Armut. Daher ist es ein edles Anliegen, gerade diese bittere Armut zu bekämpfen.

Die Vorstellungen davon, was Armut ist, gehen sehr weit auseinander, gerade dann, wenn man Menschen rund um den Globus fragt, was sie unter Armut verstehen und ob sie selbst sich als arm bezeichnen würden. Es gibt Schwellenländer, in denen Menschen ohne Obdach, ohne angemessene Kleidung und ohne ausreichende Nahrung ums nackte Überleben kämpfen. Es gibt Industrienationen, in denen Menschen sich schon als arm empfinden, wenn sie sich nicht ganz so viel wie der Nachbar leisten können.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Und wie ist das in Hamburg?)

In dem letzteren Fall wird häufig der Begriff der relativen Armut bemüht. Dieser hat mit tatsächlicher Armut aber herzlich wenig zu tun. Nach dieser Definition gilt jemand schon als arm, wenn er 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verdient. So werden unterdurchschnittlich verdienende Mitbürger als armutsgefährdet hingestellt. Wer aber die Symptome nicht mit dem Geld anderer Leute zuschütten will, sondern an einer effizienteren Armutsbekämpfung interessiert ist, setzt auf marktwirtschaftliche Alternativen.