Protocol of the Session on December 12, 2018

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich bin davon ausgegangen, dass ich in dieses eine Paket all das reinbringen kann, was mir auf dem Herzen ist. Ich hoffe auf Ihr Verständnis, Herr Präsident, wenn ich jetzt zu Frau Senatorin Leonhard spreche, weil Sie gemeint hat, es gebe eine Fraktion, die bezüglich Arbeit nichts zu sagen hat. Arbeit ist für mich Integration und Integration ist für mich auch ein Leben, das ich selbst finanzieren kann. Ich sehe verschiedene Dinge anders. Ich war in den letzten Jahren 16 Jahre lang Arbeitsvermittler mit Berufsberatung und habe viele Menschen, die langzeitarbeitslos waren, mit Vermittlungsgutscheinen und Aktivierungsgutscheinen versucht in Arbeit zu bringen. Am Ende hatten die von den verschiedensten Trägern so ein Paket Qualifizierungen ohne Ende und die Problematik war die, dass sie nicht in Arbeit gekommen sind. Frau Senatorin Leonhard, Sie hatten gesagt, es gebe vier Gruppen von Menschen,

(Kazim Abaci SPD: Drei!)

die nicht in Arbeit kommen können oder Vermittlungshemmnisse haben. Ich gebe Ihnen insofern recht, dass es viele Leute gibt, die eine Ausbildung haben, die heute auf dem Markt nicht mehr gebraucht wird. Nur, das Problem ist, wenn Sie diese nachqualifizieren, und dann sind die 38, 40 oder 42 Jahre alt und bewerben sich neu, dann kommt der Arbeitgeber und sagt: Wo hast du deine Be

(Christel Nicolaysen)

rufserfahrung? Und dann hat der auch wieder ein Zertifikat, das ihn nicht in Arbeit bringt.

Das Problem bei alleinerziehenden Frauen ist – ich habe viele alleinerziehende Frauen gehabt –, in der Vermittlung keinen Kita-Gutschein zu haben.

(Lachen bei der SPD und der FDP)

Und wenn sie einen Kita-Gutschein gehabt hatten, dann gab es eine lange Wartezeit. Das war schon sehr stressbedingt für diese Frauen, die wirklich arbeiten wollten.

Das nächste Problem sind diejenigen über 55. Ich muss Ihnen wirklich sagen, ab 55 geht die Türe zu. Diese über 55-Jährigen zu integrieren ist äußerst schwierig, nicht nur, weil sie 55 Jahre alt geworden sind und ihre körperlichen und psychischen Probleme mitbringen. Hier, liebe Frau Senatorin Leonhard, sollten die Arbeitgeber viel mehr dazu motiviert werden, diese Bevölkerungsgruppe anders zu sehen und ihnen auch noch eine Chance zu geben. Ich habe einen 60-Jährigen in Arbeit gebracht, das war ein Novum, und wir haben uns im Jobcenter gefreut. Das ist aber nicht an der Tagesordnung.

Die Problematik, auch anerkannte Asylbewerber in die Arbeit hineinzubekommen, ist, dass das Problem bei den Jobcentern und bei jeder einzelnen Arbeitsvermittlerin oder jedem einzelnen Arbeitsvermittler liegt. Es ist die Freiheit, die teilweise gut ist, weil diejenigen sich entscheiden können, welche Ausbildung sie machen oder nicht machen. Ich habe allerdings erfahren, dass, wenn ich es hätte sagen können: Es gibt einen Prozess, Sie sind ein anerkannter Asylbewerber, das Beste ist, dass Sie jetzt in eine qualifizierte Arbeitsgelegenheit einmünden. Dort können Sie Ihre Deutschkenntnisse verfestigen und in dieser qualifizierten Arbeitsgelegenheit können Sie die Möglichkeit für sich in Anspruch nehmen, eine handwerkliche Qualifizierung zu bekommen. Das sollte ein Muss sein und nicht irgendeine Befindlichkeit desjenigen, der entscheiden kann, ja oder nein. Das Ziel sollte sein, rasch in die Arbeit hineinzukommen und das ist Integration und darum auch unser Antrag. Und ich finde, das dient der Integration und kann nur gut sein. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort erhält nun Frau Senatorin Dr. Leonhard.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs zwei Dinge sagen, die diesen Teil des Hamburger Haushalts bestimmen. Wesentlich ist, und das ist bereits in der Debatte gefallen, dass wir den Menschen, die unsere Unterstützung benötigen, diese auch solidarisch gewähren. Deswegen ist es auch richtig, dass wir einen so

hohen Anteil von gesetzlichen Leistungen im Hamburger Haushalt haben. Deswegen ist es aber ebenso wichtig, dass wir an den Stellen, wo wir wissen, dass es durch ein bisschen mehr Unterstützung möglich ist, wieder Teilhabe an verschiedenen Lebensbereichen zu haben, viel investieren, und davon ist dieser Haushaltsplan gekennzeichnet. Er bedeutet für eine Menge Menschen wichtige Investitionen in die Zukunft. Einige Beispiele möchte ich Ihnen nennen.

Wir haben große Erfolge in Hamburg mit der Inanspruchnahme des Bildungs- und Teilhabepaketes des Bundes, das mithilft, dass Kindern und Jugendlichen ermöglicht wird, teilzuhaben an Dingen, zum Beispiel zusätzlichen Angeboten an ihrer Schule, zum Beispiel zusätzlichen Angeboten im Sport und an vielen anderen Stellen der Jugendverbandsarbeit, die sie sich von Haus aus sonst nicht ermöglichen können. Durch ein sehr unbürokratisches Verfahren und ehrlicherweise auch durch einen Zusatz an Hamburger Haushaltsmitteln gelingt es uns besser als allen anderen an dieser Stelle, dass diese Mittel tatsächlich von den Kindern in Anspruch genommen werden, weil wir es nämlich in den Schulen diskriminierungsfrei machen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben deswegen diesen Titel signifikant erhöht, denn wir wollen dabei nicht stehen bleiben. Im Vorgriff auf das, was aus dem Bund vielleicht noch kommt oder nicht, haben wir gesagt, hier von Anfang an mehr zu machen, und es ist auch eine relativ große Summe, die wir hier in die Hand nehmen.

Zur Verbesserung von Teilhabe von Menschen mit Behinderung ist in diesem Jahr viel diskutiert worden anlässlich der UN-Behindertenrechtskonvention und ihres kleinen Jubiläums, das sie gefeiert hat, und anlässlich des Inkrafttretens der ersten Schritte des Bundesteilhabegesetzes. Unser Haushalt zeichnet sich dadurch aus, dass wir nicht im Leistungsrecht stehen bleiben und an bestimmten Stellen Versorgung machen, sondern dass wir zum Beispiel durch das Budget für Arbeit, das wir jetzt als Regelinstrument etabliert haben, etwas, das in Hamburg entstanden ist, nämlich nicht die Frage nach, was kann jemand nicht, sondern die Frage danach, was brauchst du, damit du einen Arbeitsplatz annehmen kannst an einer bestimmten Stelle. Was braucht dein Arbeitgeber an Leistungen, damit es klappt, damit wir alle mitnehmen und jeder seinen Teil dazu beitragen kann, etwas für sich zu erreichen? Das haben wir in Hamburg etabliert, das hat sich sehr bewährt, das finden wir jetzt als Regelinstrument wieder, und das ist hier in unserer Stadt entstanden und hat inzwischen auch Eingang in Bundesgesetze gefunden. Auch deswegen haben wir einen Zukunftshaushalt vorgelegt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

(Harald Feineis)

Wir haben darüber hinaus die Herausforderungen angenommen und übrigens inzwischen auch in unseren Regelsystemen etabliert, die damit einhergehen, wenn viele Menschen sich hier ein neues Leben aufbauen wollen, in den Jahren 2015 und 2016 in unsere Stadt gekommen sind und übrigens auch danach immer noch mehrere Hundert jeden Monat, muss man an dieser Stelle sagen, und nicht nur Unterkunft brauchten, sondern am Ende auch andere Unterstützung, zum Beispiel landesfinanzierte Sprachförderung, da, wo der Bund nämlich immer noch nicht liefert an dieser Stelle. Auch das finden Sie in diesem Haushalt wieder. Weit über die dankeswerterweise von der Bürgerschaft wahrscheinlich beschlossen werdende Fortschreibung des Integrationsfonds für bestimmte Projekte, dank der Fortschreibung anderer Unterstützungen für die Arbeitsmarktintegration, über die wir vorhin schon gesprochen haben, ist auch dieser Teil von besonders hoher Bedeutung. Und wir nehmen den an und wir integrieren diese Ausgaben in diesen Haushalt, weil wir sagen, das sei eine Regelaufgabe für uns, uns darum zu kümmern, dass Integration über das eigene Dach über dem Kopf hinaus gelingt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es sind in Wirklichkeit, und das ist keine Kleinigkeit, einige Zahlen genannt worden: Wir werden im kommenden Jahr weit über 30 000 Menschen in öffentlich-rechtlicher Unterbringung haben. Wir haben es trotz der hohen Anspannung, weil es uns gelingen musste, die öffentlich-rechtliche Unterbringung so auszuweiten, dass nicht nur Menschen mit Fluchthintergrund dort Platz finden, auch geschafft, den Anteil der Wohnungslosen dort wieder zu erhöhen und ihnen damit einen ersten Schritt zurück in ein geregeltes Leben zu ermöglichen. Das wollen wir weitermachen, und da ist es von zentraler Bedeutung, dass an der Stelle, wo diese Menschen dann leben, nämlich in unseren Unterkünften, jemand ist, der sie dabei unterstützt, um wieder geregelten Wohnraum zu finden. Gleichzeitig muss da jemand sein, der Vermietern Mut macht, diesen Menschen eine zweite Chance auf eigenen Wohnraum zu geben. Deswegen ist es gut, dass hier heute Anträge vorliegen, die zum einen f & w darin unterstützten, Stellen zu schaffen, dass sich Menschen darum kümmern müssen, um genau diesen Kontakt zwischen Vermietern und denjenigen Menschen, die es schwer haben, einen eigenen Mietvertrag zu bekommen, herzustellen und sie dabei zu unterstützen, eine soziale Wohnraumberatung nämlich an dieser Stelle. Das ist gut. Zweitens ist es gut, dass wir einen Antrag hier haben, der deutlich die Fachstellen stärkt, denn auf die kommt es an, dass Menschen ihre Wohnung gar nicht erst verlieren. Es ist wichtig, dass wir nicht noch mehr Menschen haben, die aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes, weil sie in Schwierigkeiten geraten sind, nachher in

der öffentlich-rechtlichen Unterbringung oder womöglich auf der Straße landen. Dazu leistet dieser Haushalt einen wesentlichen Beitrag.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir müssen auch etwas für diejenigen tun, die aufgrund von Beziehungsgewalt oder Partnergewalt nicht mehr in der eigenen Wohnung bleiben können. Deswegen haben wir uns auf den Weg gemacht. Wir prüfen das nicht nur, wir werden ein neues Frauenhaus bauen, wir werden es damit schaffen, endlich auszugleichen, was vor vielen Jahren an Unheil hier in dieser Stadt angerichtet worden ist,

(André Trepoll CDU: Ui, ui, ui!)

als man im Opferschutz richtig Kapazitäten abgebaut hat. Es tut mir leid, das muss man noch einmal sagen. Die Frauenhäuser haben das nicht vergessen, die wissen das noch.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die wissen das noch und die wissen auch, wie wichtig das ist und mit welcher hohen Konzentration wir an diesem Thema arbeiten. Dazu gehört auch, dass man an den Frauenhäusern Beratungseinrichtungen wie Vivienda hat, die dabei helfen, dass es den Frauen gelingt, nicht länger als unbedingt nötig in einem Frauenhaus zu bleiben, sondern wieder mit eigenem Wohnraum ein neues Leben zu beginnen. Das ist wichtig und auch das finden Sie hier in diesem Haushalt.

Zu guter Letzt möchte ich einmal noch darauf hinweisen, dass es nicht nur nötig ist zu wissen, wie viele Menschen wir ohne Obdach in dieser Stadt haben; das ist wichtig, damit man das Ausmaß richtig kennt. Aber es ist genauso wichtig, sich mit den Ursachen von Wohnungslosigkeit und Verelendung auseinanderzusetzen. Dazu gehört auch, dass man glasklar unterscheidet zwischen denen, die Opfer geworden sind, und solchen, die mit Arbeitsausbeutung auf einem hohen Niveau dazu beitragen, dass diese Verelendung immer weiter voranschreitet. Deswegen kommen wir nicht umhin, auch zum Beispiel im Winternotprogramm, aber weit darüber hinaus mit den Schwerpunkteinsätzen, die die Sozialbehörde koordiniert, das Thema Sozialleistungsmissbrauch und Arbeitsausbeutung weiterhin konsequent zu verfolgen. Beides gehört zusammen, Versorgung auf der einen und Verfolgung auf der anderen Seite.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort erhält nun die Abgeordnete Ensslen für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erst einmal zur Gegenfi

(Senatorin Dr. Melanie Leonhard)

nanzierung: Ich würde mir von Rot-Grün wünschen, dass Sie etwas mehr Fantasie entwickeln,

(Ksenija Bekeris SPD: Da brauchen wir Un- terstützung! – Zurufe)

wie man Einnahmen erzielen könnte, um Armut zu bekämpfen.

(Beifall bei der LINKEN – Ksenija Bekeris SPD: Und das war jetzt die Antwort!)

Zum Zweiten, was die Angemessenheit der Unterkunft betrifft: Ich erlebe es, dass es bei f & w fördern und wohnen eine ganze Menge von Bevormundungen und Schikanen gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern gibt, die so nicht hinzunehmen sind. Wenn, wie gerade geschehen, f & w fördern und wohnen einen jungen Geflüchteten in Obdachlosigkeit schickt, weil er die Gebühren nicht zahlen kann, dann ist das eine Schande.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun aber zu den Migrantinnen- und Migrantenorganisationen. Ich wäre schon froh über eine Dreiviertelmillion oder eine Million Euro; die sind so wichtig für Integration, damit kann man so viel bewirken. Sie führen Menschen zusammen, und menschliche Begegnung ist die Grundvoraussetzung für Integration. Wir verstehen das nämlich nicht als Einbahnstraße, sondern als einen wechselseitigen Prozess des Aufeinanderzugehens.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie helfen auch neu Angekommenen und bringen sie zusammen mit länger hier Lebenden, sie helfen, kulturelle und sprachliche Barrieren zu überwinden. Aber das wird nur unzureichend gewürdigt. Die Ehrenamtlichen sind am Limit. Finanzielle Unterstützung gibt es kaum, Öffentlichkeitsarbeit, Netzwerkarbeit, Förderanträge können so kaum bewältigt werden. Deswegen gehen auch die Angebote wie das Forum Flüchtlingshilfe am Bedarf vieler Migrantinnen- und Migrantenorganisationen vorbei. Zum Teil wird dann noch eine Kooperation mit deutschen Organisationen verlangt, um Förderung zu bekommen. Migrantinnen und Migranten fühlen sich so zweitklassig. So funktioniert Integration nicht. Kooperation ja, aber doch bitte auf Augenhöhe.

(Beifall bei der LINKEN)

Förderungen, die finanzielle Vorleistung erfordern, gehen an der Realität vorbei. Es darf solch hohe Hürden nicht geben. Geben wir den Organisationen doch einmal einen Vertrauensvorschuss.

Und schließlich wollen wir eine Verstetigung der Förderung, denn das Hangeln von Projekt zu Projekt zermürbt das Engagement. Deshalb müssen wir weg von der Projektförderung und hin zu institutioneller Förderung – ein kleiner finanzieller Schritt für die Sozialbehörde, ein großer Schritt für die Integration.

(Beifall bei der LINKEN)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit kommen wir dann zur Debatte zum Bereich Familie, Kinder und Jugend.

Wer wünscht hierzu das Wort? – Herr Heißner für die CDU-Fraktion hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Durch die Hamburger Presse geisterte in diesen Tagen eine possierliche Geschichte, nämlich dass der Finanzsenator ausgerechnet mit einer Rede von Franz Josef Strauß durch die Gegend zieht, in der dieser ausrechnet, wie hoch die Staatsverschuldung wäre, wenn man sie in Scheinen stapeln würde. Dann würde sie irgendwann bis ins All, glaube ich, reichen. Ich fürchte nur, diese Worte des Vaters des bayrischen Wirtschaftswunders hat sich der Finanzsenator nicht zu Herzen genommen, denn der Haushalt, den SPD und GRÜNE hier vorgelegt haben, ist eine schwere Hypothek für die Kinder und Jugendlichen in dieser Stadt.