Protocol of the Session on November 1, 2018

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, wir haben noch keinen Wahlkampf, für eine Generaldebatte könnte ich Ihnen eine Stunde hier einen Vortrag halten.

(Milan Pein SPD: Oh, Herr Professor Dok- tor!)

Aber es geht hier um die Chancengerechtigkeit in den Hamburger Kitas, das Thema hat die FDP unter diesem Motto angemeldet. Ich werde versuchen, mich auf die Kitas zu konzentrieren, nicht auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung.

(Beifall bei der FDP)

Eines muss man festhalten: Es ist schon richtig, dass in den letzten Jahren, auch in den nächsten Jahren der Senat etwa 1 Milliarde Euro in den Bereich frühkindliche Bildung investiert hat und investieren wird.

(Beifall bei Wolfgang Rose SPD)

Es ist auch richtig, dass immer mehr Kinder in die Kitas kommen, und das begrüßen wir. Man muss auch festhalten, dass dies in den letzten zehn Jahren entwickelt worden ist, auch umgesetzt worden ist, unter anderem auch, lieber Wolfgang Rose, ein Erfolg der Gewerkschaften, ein Erfolg der Eltern, ein Erfolg der Volksinitiativen war.

(Beifall bei Sabine Boeddinghaus DIE LIN- KE)

Kein Erfolg des Senats, sondern durch Druck von außen wurde das beschlossen, ohne Druck geht es nicht.

(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Rose SPD: Wer hat es denn beschlossen?)

Aber man muss auch deutlich machen, wenn wir hier von Chancengerechtigkeit reden, dass viele Kindertagesstätten Kinder, die mit Fünf-Stunden

Gutscheinen einen Kita-Platz suchen, nicht aufnehmen. Das ist ein Problem, das betont auch Frau Larrá und das betonen auch andere Akteure, sogar letztens im "Hamburger Abendblatt" war das ein Thema. Das Kriterium Beruf für die frühkindliche Bildung als Chancengerechtigkeit zu nehmen, grenzt automatisch viele Kinder aus: Kinder aus Arbeitslosengeld-II-Bezugs-Familien, Kinder aus Flüchtlingsfamilien, Kinder aus Migrantenfamilien, bei denen ein Elternteil nicht berufstätig ist. Da sieht man, dass es Chancengerechtigkeit auch von der frühkindlichen Bildung her nicht von vornherein gibt, sondern da ist eine Ausgrenzung vorhanden. Wenn wir tatsächlich wollen, dass alle Kinder, unabhängig vom Elternstatus, von den Kitas ganztägig profitieren, dann muss man die Berufstätigkeit nicht in den Vordergrund stellen, sondern allen Kindern steuerfinanziert ganztägig frühkindliche Bildung in Kitas zur Verfügung stellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann möchte ich Ihnen auch ein Zitat aus dem "Hamburger Abendblatt" vortragen. Ich zitiere:

"Wer es sich leisten kann, vermeidet zu viele von diesen Fünf-Stunden-Gutscheinen."

Zitatende.

Das bringen auch Frau Larrá von den Elbkindern und Herr Mühling als Fachbereichsleiter Kinderund Jugendhilfe der Diakonie im "Hamburger Abendblatt" am 4. Oktober zur Sprache. Es wird deutlich gemacht, dass viele Kitas Eltern, die mit einem Fünf-Stunden-Gutschein einen Platz suchen, nicht aufnehmen, weil sich das auch kostenmäßig nicht lohnt.

(Anna Gallina GRÜNE: Ihnen ist schon be- kannt, dass 100 Prozent der drei- bis sechs- jährigen Kinder in der Kita sind? Das ist Ih- nen bekannt?)

Ja, aber wir reden hier über die Chancengerechtigkeit, ob die Kinder die Möglichkeit haben, ganztägig die Kita in Anspruch zu nehmen.

Ich habe von vornherein betont, dass in Hamburg diese Entwicklung in den letzten Jahren positiv zu sehen ist, und das begrüßen wir. Wir haben auch als Links-Fraktion in den letzten Jahren einen großen Beitrag dazu geleistet, dass diese Volksinitiativen erfolgreich werden, das müssen Sie auch einmal anerkennen.

(Beifall bei der LINKEN)

Daher fordern wir, dass zumindest als erster Schritt der Personalschlüssel für den Fünf-Stunden-Bereich im Elementarbereich schnellstmöglich früher umgesetzt wird.

Was ich mich frage bei der FDP: Sie haben noch im Nachhinein einen Antrag geschrieben, Sie wollen, dass der Markt den Bedarf regelt, aber gleichzeitig fordern Sie vom Senat, dass er da noch Be

(Anna Gallina)

darfsanalysen macht und das auch regelt. Das widerspricht sich. Entweder sind Sie für das Kita-Gutschein-System, Herr Oetzel, dann müssen Sie es dem Markt überlassen, wofür wir nicht sind, oder das muss politisch gesteuert werden, vom Senat gesteuert werden, was ich für richtig halte. Aber de facto bedeutet das, dass alle Kinder von vornherein den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz hätten, aber dann wäre das Kita-Gutschein-System hinfällig, das muss man auch betonen.

(Beifall bei der LINKEN)

Daher fordern wir als Leitlinie nicht nur den KitaAusbau, sondern auch die Steigerung der Qualität der Kindertagesbetreuung, die Steigerung der Attraktivität des Berufs und die Weiterentwicklung von Bildungs- und Beteiligungsmöglichkeiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Feineis bekommt nun das Wort für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wer sich mit diesem Thema beschäftigt, das habe ich schon gehört, der wird feststellen, dass die Betreuungsquote in den Kitas in Hamburg sehr hoch ist. Laut Statistischem Bundesamt hatten wir zum 1. März 2018 im Krippenbereich eine Betreuungsquote von 44 Prozent aller null bis zwei Jahre alten Kinder in Hamburg, im Elementarbereich, drei bis fünf Jahre, eine Betreuungsquote von 89,5 Prozent. Wie aus dem Lebenslagenbericht für Familien in Hamburg hervorgeht, sind die Betreuungsquoten vor allem in sozial benachteiligten Stadtteilen erheblich niedriger.

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich über- nimmt den Vorsitz.)

Schauen wir nur zum Beispiel den Bezirk Harburg an, es wurde schon genannt. Harburg ist Schlusslicht in der Kita-Versorgung, entstanden auch durch die umfangreichen Neubaugebiete. Die Fachbehörde hat mitgeteilt, dass nur 542 Plätze geschaffen werden sollen; nach Bergedorf, zum Vergleich, mit der gleichen Struktur und Wohnungsbauentwicklung sollen 1 346 Plätze kommen. Hier über Chancengleichheit zu sprechen, ist wohl Utopie. Eltern müssen teilweise bis 2020 auf einen Kita-Platz warten. Es kommt hinzu, dass die Betreuer durch einen überzogenen Betreuungsschlüssel oft überfordert werden, was Missstände hervorruft, wie wir das auch schon in der Presse gehört und gelesen haben, speziell auch in Neugraben. Weil es in Deutschland oft der Fall ist, dass zwei Leute, Elternpaare, arbeiten müssen, können wir von Chancengleichheit nicht für die Eltern und auch nicht für die Kinder sprechen. Hier gibt es wirklich auch eine höhere Quote der Ar

beitslosen in diesen sozial schwachen Gebieten mit teilweisem Migrationshintergrund.

Hier sagt der Lebenslagenbericht, dass die Menschen mit Migrationshintergrund eine andere kulturell geprägte Einstellung zur Kita-Betreuung haben, und hier, denke ich, sind wir alle gefordert, dass das geändert werden kann. Also gerade die Kinder, die in eine Kita-Situation hinein sollten, um Deutsch zu lernen, um integriert zu werden, werden nicht unbedingt zielführend hineingeführt von den Eltern. In Hamburg wurde hierfür das KitaPlusProgramm im Jahr 2016 erstmals gestartet. Hierfür standen 16 Millionen Euro zur Verfügung. Theoretisch ist das eine gute Sache, aber wir haben den Eindruck, dass es die Menschen, die es eigentlich bedürfen, nicht wirklich erreicht.

Grundsätzlich ist Hamburg, wenn wir die Zahlen sprechen lassen, in einem mittleren Bereich. Es gibt gute Anstrengungen, das Kita-System und das Kita-Gutschein-System sind eine gute Sache, das muss man auch anerkennen, aber der große bürokratische Aufwand ist doch auch zu sehen, der Eltern belastet und ebenso die Bezirksämter.

Der Fünf-Stunden-Anspruch, den jedes Kind ab der Geburt haben kann, ist schon großartig, und das finden wir auch wirklich gut. Unsere Stadt gibt sich Mühe, aber es muss viel mehr getan werden, vor allen Dingen auch, um die Bürokratie abzubauen, weil manches 100-mal durch die Mühle gedreht wird oder es manchmal daran mangelt, Geld freizusetzen. Es wird auch berichtet von manchen Kitas, die mit Zeitarbeitsfirmen Betreuer rekrutieren, die teilweise im Lagerbereich gearbeitet haben und sich im Kita-Bereich als Kinderbetreuer versuchen. Das zeigt uns, dass ein erheblicher Mangel da ist, und es muss viel getan werden. Das kann man dem Senat nur ins Stammbuch schreiben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Als Nächste erhält das Wort Frau Senatorin Dr. Leonhard.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Chancengerechtigkeit fängt in der Kita an. Ja, so ist es, und deswegen hat man in Hamburg schon seit vielen Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um die besten Voraussetzungen zu schaffen für die drei wichtigsten Gelingensbedingungen: für gerechten Zugang zu früher Bildung und Betreuung, für profitierende Teilnahme an früher Bildung und Betreuung und, sehr eng damit vernetzt, für gute Rahmenbedingungen für Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

(Mehmet Yildiz)

Das will ich dann schon einmal erwähnen, weil ich finde, es ist auch in Richtung CDU eine wichtige Botschaft. Wir haben allein seit dem Jahr 2011 in Hamburg rund 19 700 zusätzliche Kita-Plätze geschaffen. Das ist eine enorme Zahl, das schaffen manche Kommunen gemeinschaftlich nicht an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das ist dadurch gelungen, dass wir in Hamburg durch unsere Gesetzgebung mit dem Kinderbetreuungsgesetz eigene Rechtsansprüche hatten, weitere geschaffen haben und die dann auch konsequent umgesetzt haben und im Kita-GutscheinSystem eben durch das eigene Engagement der Träger auch in den Stadtteilen abbilden konnten. Ich finde, das ist eine Anstrengung, die die Eltern in Hamburg auch zu schätzen wissen, und das machen sie übrigens auch immer wieder deutlich an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Allein ab dem nächsten Jahr werden wieder viele neue Kita-Plätze in der Stadt entstehen, insgesamt mehrere Tausend, bis zu 9 000 in der Spitze, das ist auch eine enorme Kraftanstrengung. Gerade vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Fachkräftesituation wird es die Anstrengungen von Trägern, Anbietern, den Fachschulen und der Stadt gemeinschaftlich erfordern, um das gut hinzukriegen. Diese Mühe lohnt sich, jeder Euro, den wir ins KitaSystem investieren, jede Anstrengung, die wir unternehmen, um neue Plätze zu schaffen. Und da können durchaus noch mehr Leute aktiv etwas tun, auch die politischen Parteien zum Beispiel, wenn sie im Wege von Bebauungsplanverfahren in den einzelnen Bezirken endlich einmal dafür sorgen, dass genug Flächen für Kitas zur Verfügung gestellt werden.

(Philipp Heißner CDU: Wer hat denn da die Mehrheit?)

Das ist doch nicht ganz wahr, denn bei dem Bezirk, der hier in Rede steht, Herr Heißner, war Ihre Partei sehr wesentlich beteiligt, nämlich dass es in Teilen keine Flächen gegeben hat, und ich finde, den Schuh müssen Sie sich einmal anziehen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Den Schuh müssen Sie sich einmal anziehen. Ich erinnere mich an Diskussionen, da habe ich mir sagen lassen müssen, das werden einmal die künftigen Bewohner entscheiden, ob es dann auch recht ist, wenn in der Nachbarschaft eine Kita eröffnet.

(Glocke)