Protocol of the Session on December 18, 2019

Sie mögen als LINKE immer gern alles staatlich regeln und alles zentral regeln wollen, aber ich glaube nicht, dass das ein guter Ansatz ist und dass das funktioniert.

Nun hat die SPD, weil sie gesagt hat, das sei ein schwieriges Thema, dazu müssen wir uns irgendwie verhalten, noch einmal einen Zusatzantrag vorgelegt. Meine Damen und Herren, dieser Zusatzantrag … Also erstens haben Sie das, was Sie bislang angekündigt und gefordert haben, noch nicht komplett umgesetzt, Herr Rose. Da müssen Sie noch liefern, was die letzten schwierigen Fälle betrifft bei den Tochtergesellschaften des UKE und der TEREG. Und zweitens: Ihr Zusatzantrag ist völlig unverbindlich. Mal ehrlich, das sind doch ein paar Worte, um sich über den Wahltermin zu mogeln.

(Beifall bei der CDU und bei Norbert Hack- busch DIE LINKE)

Es ist schön dann, wenn das beide Seiten so sehen.

Sie schreiben dort hinein:

"die schrittweise Umsetzung des Hamburger Mindestlohns von 12 Euro"

Mit dieser Formulierung – schrittweise Umsetzung – geht Wolfgang Rose zu den Gewerkschaften und sagt: Wir haben beschlossen, das machen wir jetzt in großen Schritten. Und eine Reihe dahinter sitzt Joachim Seeler. Der geht dann zur Wirtschaft und sagt: Halblang, wir haben nur beschlossen schrittweise, das sind kleine Trippelschritte, das ist für euch verkraftbar. Meine Damen und Herren! Das ist so etwas von unverbindlich, was Sie hier vorlegen, das geht doch in dieser Form am Thema vorbei. Das ist nur, um sich über den Wahltermin zu mogeln.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der AfD)

Und dann wollen Sie alles über das Vergabegesetz regeln. Das ist ein interessanter Ansatz. Wir haben jetzt schon im Vergabegesetz – wir haben es ja regelmäßig angepasst – Tariftreue, wir haben eine Mindestlohnbindung darin. Aber wenn wir das Vergabegesetz nur zum Instrument der Sozialpolitik, der Umweltpolitik, der Beschäftigungspolitik machen, wird das irgendwann schwierig. Wir sollten einmal überlegen, dass das Vergabegesetz auch immer ein Instrument der Wirtschaftspolitik war – das fehlt bei Ihnen –, was die mittelstandsfreundliche Vergabe angeht. Es war auch ein Instrument, was wirtschaftliche Effizienz für den Haushalt angeht. Auch das fehlt bei Ihnen.

(Glocke)

Deshalb sind wir bei diesem Ansatz durchaus etwas skeptisch. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und bei An- drea Oelschläger AfD)

Vielen Dank, Herr Kleibauer. – Als Nächste erhält Frau Möller das Wort für die GRÜNE Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich versuche einmal ein paar leise Töne, mehr wegen meiner Stimme, aber auch inhaltlich. Es war interessant zu hören, Herr Kleibauer, wie Sie mit Ihrem Satz – den ich mir aufgeschrieben haben, weil ich ihn recht gut fand – zum Thema politische Lohnhöhe eingestiegen sind, und dann plötzlich in einen Diskurs CDU zur SPD übergegangen sind: Wir reden mal, wie wir uns auskennen in der Welt des Lohns und des Mindestlohns. Ein kleiner Blick auf die Ergebnisse der Sonntagsumfrage würde da vielleicht helfen; so ganz kommen Sie an uns nicht vorbei bei diesem Thema. Und ich weise noch einmal darauf hin, dass es sich um einen gemeinsamen Antrag von SPD und GRÜNEN handelt.

(Dennis Gladiator CDU: Entschuldigung!)

Keine Entschuldigung, das ist die Realität.

(Dennis Gladiator CDU: Sie sind doch sonst nicht so empfindlich!)

Der Mindestlohn ist ein beliebtes Thema, vor allem im Wahlkampf, obwohl – und das wäre mein eigentlicher Einstieg gewesen – hier doch große Einigkeit herrscht. Wir sind uns, so verstehe ich das jedenfalls, in der großen Mehrheit darüber einig, dass, was der DGB schon lange fordert und was politisch jetzt so langsam umgesetzt wird, der aktuelle Mindestlohn von 9,19 Euro – das muss man vielleicht noch einmal sagen – auf 12 Euro steigen soll und muss. Das wollen wir erreichen. Und dass dann das als Grenze dynamisch bleibt über die nächsten, was weiß ich, wie viele, fünf, acht Jahre hinweg, ist doch klar. Aber jetzt, nachdem diese breite politische Einigung besteht, mit 14 Euro zu kommen, da würde ich mich tatsächlich dem Begriff von Herrn Kleibauer anschließen mögen, das ist eine politisch gesetzte Steigerung, die Sie sachlich-inhaltlich kaum begründen können. Sie hat lediglich Signalfunktion: Wir bleiben nicht in der Mehrheit, sondern wir wollen das noch toppen. Wahlkampf eben.

Wir alle wissen, dass Hamburg hier in die Vorlage gegangen ist in der Umsetzung auf 12 Euro. Das ist ein Kraftakt finanziell, aber auch in der realen Umsetzung. Wir haben immerhin eine Spreizung von fast 5 Euro zwischen dem Hamburger Mindestlohn für Beschäftigte und allen anderen nach Mindestlohn Beschäftigten. Das ist unter Gerechtigkeitsaspekten schwierig. Deshalb unser Antrag mit der deutlichen Ansage: Wir wollen die schnelle – schrittweise ist richtig – Umsetzung von 12 Euro

(Thilo Kleibauer)

als Kriterium in die Vergaberichtlinien aufnehmen. Wir setzen damit diesen eingeschlagenen Weg fort, und das ist gut und richtig so.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Im Übrigen werden das zügige Schritte sein und nicht ein Verläppernlassen des Themas.

Unser Zusatzantrag ist allerdings sehr viel weitgehender, und darauf möchte ich gern doch noch einmal eingehen. Denn die städtischen Vergaben sind selbstverständlich ein wichtiges politisches Gestaltungsinstrument in Bezug auf das Verfolgen von sozialen Zielen. Dazu gehören die Löhne, aber auch das Beenden des anonymen Subunternehmertums zum Beispiel. Gleichzeitig wollen wir natürlich auch die beschäftigungspolitischen Ziele weiter voranbringen, nämlich öffentliche Aufträge auch dahingehend nutzen, um Arbeitgeber zu fördern, die zum Beispiel Ausbildungsplätze schaffen. Darüber hinaus – und das Thema ist jetzt, sagen wir einmal, allen nicht mehr neu – geht es auch um klimapolitische Ziele, weil wir selbstverständlich bei den Beschaffungen und bei der Vergabe den umweltverträglichen Produktionsprozess von Gütern, damit insgesamt das umweltverträgliche Produkt, das wir als Hansestadt kaufen oder das wir unterstützen wollen, zum Vergabekriterium machen wollen. Das ist wichtig und richtig und wir sollten es genauso ernst nehmen wie das Kriterium 12 Euro Mindestlohn.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mit dem Aktionsbündnis "hamburg mal fair" setzt sich Hamburg schon lange zusammen mit entwicklungspolitischen Initiativen gemeinsam für die Stärkung des fairen Handels ein. Das wird in der nächsten Legislaturperiode ebenfalls stärker im Vergabegesetz zu verankern sein; wir gehen davon aus, dass diese Reform den Weg dafür öffnet.

Insgesamt bleibt es ein dickes Brett, weil das übergeordnete europäische Vergaberecht äußerst kompliziert ist, die verschiedenen Interessen auf diesem Feld mächtig; das hatten Sie angesprochen, Herr Kleibauer. Trotzdem gehen wir mit diesem Zusatzantrag einen weiteren Schritt in diese Richtung, und ich würde mich freuen, wenn auch DIE LINKE ihn unterstützen würde. Denn, sagen wir einmal so, eine Kontrollstelle mag Sinn haben, um Ausreißer zu entdecken, aber sie hilft nicht viel auf dem Weg

(Glocke)

zu 12 Euro für alle.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Möller. – Jetzt erhält das Wort Frau Nicolaysen für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nun werden also schon 14 Euro Mindestlohn gefordert. Jetzt zeigt sich, wovor wir Liberale schon oft gewarnt haben: Kaum wurde vor wenigen Jahren mit der Einführung eines Mindestlohns die Büchse der Pandora geöffnet, liefern sich die Parteien im linken Spektrum des Parlaments einen Überbietungswettbewerb, wer am meisten fordert, und die Forderungen werden alle paar Jahre und Monate höher. Die Vorstellung, ein hoher Mindestlohn würde den Menschen helfen, ist ein Irrglaube. Gerade für die schwächsten Arbeitnehmer in unserer Gesellschaft, nämlich die Gering- und Unqualifizierten, ist ein hoher Mindestlohn verheerend. Er verhindert zu häufig den Jobeinstieg und verdammt diese Menschen in die Arbeitslosigkeit. Viel sinnvoller wäre es, die Chancen zum Jobeinstieg für Arbeitnehmer zu erhöhen, anstatt ihnen hohe Mindestlohnhürden in den Weg zu stellen.

(Beifall bei der FDP)

Zudem kommen bei einem hohen Mindestlohn viele Jobs erst gar nicht zustande, wenn die Arbeitsproduktivität der Arbeitnehmer unterhalb des Mindestlohns liegt. Hier lohnt es sich für die Arbeitgeber schlichtweg nicht, neue Jobs zu schaffen. Ein hoher Mindestlohn bedeutet den Ausschluss großer Gruppen Gering- oder Unqualifizierter aus dem Arbeitsmarkt. Diesen wird die Chance, einen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu finden, massiv erschwert. Man verdammt sie zu einem Dauerbezug von Transferleistungen, und von Arbeitslosigkeit hat niemand etwas.

Der Antrag suggeriert, es bedürfe eines hohen Mindestlohns, um nach 45 Jahren Erwerbstätigkeit auf Mindestlohnniveau eine auskömmliche Rente sicherzustellen. Das ist schon eine sehr merkwürdige Vorstellung. Ich denke, keiner hier im Parlament möchte, dass Menschen 45 Jahre auf Mindestlohnniveau arbeiten. Der Mindestlohn ist für niedrigste Tätigkeiten oder Hilfsarbeiten gedacht, für Menschen ohne jegliche Qualifikation, und nicht für den qualifizierten Durchschnittsmitarbeiter.

(Zuruf von Martin Dolzer DIE LINKE)

Zudem soll es für Schüler und Studenten möglich sein, sich etwas dazuzuverdienen.

Der Bezug des Mindestlohns ist für den Einstieg, den Übergang, den Wiedereinstieg nach längerer Arbeitslosigkeit oder aber auch für Unqualifizierte gedacht, und nicht für ein 45-jähriges Erwerbsleben. Unser Ansatz ist hingegen: weltbeste Bildung und Weiterbildung, von der Kita bis ins Seniorenalter. Wir wollen die Menschen qualifizieren, sie zu Fachkräften machen. Auf diese Weise verdienen sie deutlich mehr als den Mindestlohn. Daher lehnen wir den Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

(Antje Möller)

Vielen Dank, Frau Nicolaysen. – Herr Lorkowski hat sich schon in Position gebracht und darf das Rednerpult übernehmen für die AfD-Fraktion.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In Deutschland ist das Vergaberecht traditionell als Teil des Haushaltsrechts mit dem Ziel geregelt, bei Bedarf die ökonomische Verwendung der Haushaltsmittel zu sichern und den öffentlichen Haushalt zu schützen. Auch in Hamburg wird dies durch das Hamburgische Vergabegesetz geregelt. So sind Mindestlohn und Tariftreueerklärung in Paragraf 3 geregelt, und Paragraf 5 regelt den Nachunternehmereinsatz dezidiert. Die Weitergabe auf maximal drei Glieder vertikal zu begrenzen, wie Sie jetzt fordern, ist wieder ein typischer linker künstlicher Eingriff in die freie Marktwirtschaft.

Aber kommen wir zu Ihrer Mindestlohnforderung von 14 Euro. Liebe Antragsteller, das Wirtschaftsund Sozialwissenschaftliche Institut der HansBöckler-Stiftung hat kürzlich errechnet: Um im Rentenalter über der Armutsgefährdungsschwelle zu liegen, müssten Arbeitnehmer mit einer 38Stunden-Woche und 45 Beitragsjahren beim aktuellen Rentenniveau durchschnittlich einen Stundenlohn von 16,47 Euro haben. Aber wer wird denn künftig noch eine ununterbrochene Erwerbsbiografie vorweisen können? Also müsste der Mindestlohn weit über den geforderten 14 Euro liegen.

Meine Damen und Herren! Bereits bei der Einführung des Mindestlohns von 12 Euro für die Bediensteten der Stadt haben wir verdeutlicht, dass die bevorstehende Altersarmut nicht durch das Drehen der Lohn- und Erhöhungsschraube aufgehalten werden kann, vielmehr muss das Rentenniveau stabilisiert beziehungsweise angehoben werden. Wir brauchen zudem eine solide Wirtschaftsund Sozialpolitik, die Mindestlöhne überflüssig macht. Längst überfällig ist auch eine Lohn- und Steuerpolitik, die Leistung belohnt und nicht bestraft. Denn wie kann es sein, dass für einen Geringverdienenden der Abstand zur staatlichen Stütze so gering ist, dass man eigentlich nicht arbeiten gehen wollte oder müsste? Und wie kann es sein, dass für mittlere und höhere Einkommen jeder zusätzliche Euro durch Steuern abgewertet wird?

Nein, meine Damen und Herren, das permanente Drehen an der Lohnschraube ist wahrlich nicht mehr als ein Pflasterkleben, es ändert nichts am eigentlichen Problem. Wir lehnen den Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Lorkowski. – Es hat ungefähr die Hälfte der Abgeordneten im Raum geredet, und manche nicht leiser als der Redner. Also ein bisschen weni

ger Gemurmel, bitte. – Herr Hackbusch, Sie haben die ungeteilte Aufmerksamkeit des Hauses für die Fraktion DIE LINKE.

Vielen Dank. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich darüber, dass die Frage Mindestlohn mit ein paar Ausnahmen relativ einvernehmlich besprochen worden ist. Aber ich will noch einmal daran erinnern, dass es einen unheimlichen Aufschrei gegeben hat, als DIE LINKE vor zehn Jahren damit angefangen hat, die Einführung eines Mindestlohns zu diskutieren, in der Art und Weise, dass in dem Augenblick, in dem man ihn einführe und die Marktmechanismen aussetze, Massen an Arbeitsplätzen in dieser Stadt und in diesem Land verschwänden. Wir haben dieses Experiment jetzt ja gemeinsam gemacht in diesem Land und stellen fest: Der Mindestlohn ist ein Erfolgsprojekt.

(Beifall bei der LINKEN)

Er ist ein Erfolgsprojekt in der Hinsicht, dass er in die Lage versetzt hat, einen gewissen minimalen Standard zu verbessern – übrigens im Gegensatz zu dem, Herr Professor Kruse, was die Wirtschaftsweisen damals immer so gern gesagt haben. Deren sämtliche Vorhersagen sind nicht eingetroffen. Das sollte uns doch alle dazu bringen, die Ratschläge dieser Weisen, die meinen, sie hätten alles im Griff, kritisch zu hinterfragen und zu sagen: Die machen häufig Mist, sie erzählen nicht das Richtige, und sie sind nicht diejenigen, die uns volkswirtschaftlich zur Seite stehen sollten.