Protocol of the Session on November 5, 2014

Ein weiterer Punkt ist mir als Bildungspolitikerin besonders wichtig, da Bildung nicht nur Schule, sondern vieles mehr umfasst. Es gibt in dieser Stadt, wie Sie wissen, viele tolle Angebote in den Stadtteilen. Ich nenne nur einige: Angebote der offenen Kinder- und Jugendhilfe, Jugendgruppen von den Pfadfindern bis hin zur katholischen Jugend, Sportvereine, Musikschulen und vieles mehr. Sie alle haben eines gemeinsam, sie klagen darüber, dass immer weniger Kinder Zeit haben, diese wertvollen Angebote in Anspruch zu nehmen. Der vorliegende Bericht bestätigt das nun schwarz auf weiß. Sozialräumliche Angebote werden im Rahmen von

(Dr. Stefanie von Berg)

GBS nur wenig genutzt. Dabei sollte doch gerade die Integration des Stadtteils in den Nachmittag die Stärke des Konzepts sein – Fehlanzeige. Hier werden riesige Potenziale verschwendet, um den Ganztag besser zu machen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Der vorliegende GBSStandortbericht bleibt weit hinter den Erwartungen zurück, die Sie, Herr Rabe, selber geschürt haben. Im Sommer haben Sie ein ganzes Bündel an Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung angekündigt, neben der Begehung der Schulen eine Datenbank mit wichtigen Eckdaten der einzelnen Standorte und die Entwicklung von Qualitätsstandards für die Weiterentwicklung der GBS-Angebote. Die Datenbank habe ich bisher vergeblich auf Ihrer Internetseite gesucht, ich konnte sie nicht finden – wahrscheinlich ist sie nicht da –, und die Qualitätsstandards werden in der Drucksache mit keinem einzigen Wort erwähnt. Das muss man sich auch einmal reinziehen. Sie wollten doch Qualität. Wo ist die Qualität? Wir konnten sie nicht finden, Sie wahrscheinlich auch nicht, sonst hätten Sie sie erwähnt.

Herr Senator Rabe, diese Zwischenbilanz ist keineswegs positiv, sie ist vielmehr ein Dokument des Desasters, das Sie in Sachen Ganztagsbetreuung angerichtet haben. De facto ist dieser Sachbericht eine Fallsammlung, die vor allem dazu führen sollte, es mit der Ganztagsbetreuung in Hamburg endlich ernst zu nehmen, sie besser zu machen und sie qualitativ auf einen Stand zu bringen, bei dem wir überhaupt von echter Ganztagsbetreuung reden können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Heyenn von der Fraktion DIE LINKE.

Wer die Macht hat, Regeln aufzustellen, stellt Regeln auf, die ihn gewinnen lassen. Das sagt eine alte Weisheit, und das hat die SPD richtig gut begriffen. Nach dieser Maxime haben der SPD-Senat und Schulsenator Rabe die GBS-Standortbesuche organisiert. An den 124 Standortbesuchen nahmen in der Regel acht bis zwölf Personen teil, aber – Frau von Berg hat darauf hingewiesen – immer nur eine Vertretung der Eltern; alle anderen kamen aus der Schul- und der Trägerbürokratie. Herausgekommen ist eine Unterrichtung der Bürgerschaft, nach der, ich fasse einmal zitierend zusammen, alles "auf einem guten Weg ist", "in den meisten Fällen gut gelungen ist", "eine große Zufriedenheit mit der Betreuung vorherrscht", "die Personalsituation gut ist", "die Mittagessensituation standortbezogen zufriedenstellend ist" und so weiter und so fort. Das nennt man eine gefühlte Zufriedenheit. Gefühle sind aber kei

ne Kriterien. Das ist der Mangel an diesem Bürgerschaftlichen Ersuchen.

Auch die Elterninitiative "Guter Ganztag" erklärt in einer Presseerklärung – ich zitiere –:

"Eltern und Kinder sind eben nicht zufrieden. […] Die viel beschworenen 'Anfangsprobleme' bestehen fort."

Was sind das für Anfangsprobleme? Angefangen von der Raumfrage und der Kooperation zwischen den Lehrkräften am Vormittag und den Betreuungskräften am Nachmittag über das Mittagessen, die hygienischen Zustände, die Gruppengrößen, die Hausaufgaben, die Randzeiten und die Gebühren bis hin zur Inklusion, die, darauf ist schon hingewiesen worden, in dem ganzen Bericht überhaupt nicht vorkommt – und das in der heutigen Zeit. Das lässt tief blicken. Auch der Ganztag an Gymnasien findet in diesem Bericht nicht statt. Dadurch werden zwei sehr große Bereiche ausgeblendet, was die Aussagekraft dieses Berichts noch einmal mindert.

Ich möchte beispielhaft zwei Problembereiche aufzeigen, die Raumfrage und die Gruppengrößen. Zur Raumfrage schreibt die Elterninitiative "Guter Ganztag":

"Eines der zentralen Probleme im Ganztag bleiben die Räume. […] 99 Prozent der Kinder [verbringen] ihre Nachmittage im Klassenzimmer."

Diese Zahl hat mich erschreckt. Das ist wirklich eine Katastrophe.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

"Inwiefern flexibles Mobiliar an diesem Missstand etwas ändern kann und woher der Platz für die benötigten Rückzugsräume"

die angekündigt sind –

"kommen soll bei gleichzeitig fortbestehenden Verkaufsplänen für hamburgische Schulflächen, verschweigt der Bericht […]. Der hohe Lärmpegel …"

(Glocke)

Frau Heyenn, das ist ein gutes Stichwort. Ich habe mir das jetzt über verschiedene Debatten hinweg angehört. Wir sind bei der Pädagogikdebatte des Tages. Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, dass es zu laut ist, aber es scheint pädagogisch nicht anzukommen; vielleicht habe ich die falsche Didaktik. Es ist immer noch unerträglich laut. Die Redner haben das Mikrofon, die sind im Zweifel immer lauter. Und vielleicht noch der Hinweis an die Abgeordneten auf dieser Seite des Hauses: Alle Abgeordneten haben einen Platz. Den kann man auch einnehmen.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels)

Die Elterninitiative schreibt also:

"Der hohe Lärmpegel, der mit der Raumnot einhergeht, stresst Kinder und Mitarbeiter."

Ich glaube, wir sind auch gestresst, wenn hier viel zu viel Lärm ist. Es wäre schön, wenn der Appell der Präsidentin gehört würde.

Insbesondere beim Mittagessen ist der Lärmpegel sehr hoch. Jeder, der einmal zur Mittagszeit in einer Schulkantine war, weiß, dass das schon gesundheitsgefährdend ist. Es fehlen neben Lärmschutzdämmungen eben auch Rückzugsräume für die Kinder – darauf ist schon hingewiesen worden –, in denen sie sich einfach einmal erholen können, und das auch nachhaltig. Die Raumplanung der Behörde, zum Beispiel beim Kantinenbau, ist davon ausgegangen, dass 60 Prozent der Schülerschaft die Nachmittagsangebote annimmt. Tatsächlich sind es aber über 80 Prozent, und deswegen ist die Auslegung von vornherein zu eng. Das wird auch in den folgenden Jahren große Probleme bereiten.

Der zweite Punkt, auf den ich hinweisen möchte, ist auch ein sogenanntes Anfangsproblem, nämlich die Gruppengrößen. Während im Sachbericht von einem Median von zwölf Schülerinnen und Schülern pro Betreuungskraft die Rede ist, macht die Schulbehörde daraus in ihrer Presseerklärung einen Durchschnitt von zwölf Schülerinnen und Schülern. Dabei wissen nicht nur Informatiker, dass der Median etwas anderes ist als der Durchschnitt. Wir haben deswegen eine Anfrage gestellt, die bis heute noch nicht beantwortet ist, weil wir wissen wollen, welche Zahlen denn nun eigentlich stimmen.

Ebenfalls kritisch betrachtet die Initiative "Guter Ganztag" die Ergebnisse des Senators zur Gruppengröße, da nach wie vor ein Schlüssel von 1:23 in normalen Stammgruppen finanziert ist. Es ist nicht klar, woher die Mittel für die angeblich beobachteten Gruppengrößen von elf bis sechzehn Schülern je Erzieher kommen sollen. Wir vermuten, dass es sich hier um durchschnittliche Gruppengrößen handelt und die tatsächlichen Gruppengrößen mit den Erfahrungen an den Schulen nichts zu tun haben. Man sieht, dass schöngerechnet wird und dass die Einschätzungen des SPD-Senats mit den Erfahrungen der Eltern nicht kompatibel sind. Das liegt daran, dass die Eltern gegenüber den Behörden- und Trägervertretern bei den Standortbesuchen völlig unterrepräsentiert gewesen sind; darauf wurde schon hingewiesen. Mit derartigen Sachberichten können nur der SPD-Senat und seine PR-Abteilung etwas anfangen. Um dies zu ändern, haben wir drei Vorschläge.

Der erste Vorschlag: Außer einer Vertretung der Eltern an den jeweiligen Schulen sind auch die Elternkammer, die Schüler/-innenkammer und die

Lehrerkammer an den Standortbesuchen zu beteiligen.

Der zweite Vorschlag: Der Elternkammer, der Schüler/-innenkammer und der Lehrerkammer ist die Gelegenheit zu einem Minderheitenvotum zu geben. Das ist beispielsweise bei den jährlichen Berufsbildungsberichten von den Gewerkschaften und von der Arbeitgeberseite üblich.

Der dritte Vorschlag: Bei der Beurteilung ist die Meinung der Eltern gesondert auszuweisen und nicht in der Gruppenmeinung der acht bis zwölf Behörden- und Trägervertreter einfach unterzurühren.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Dann hätten wir eine realistische Datengrundlage, mit der die GBS nachhaltig verbessert werden muss. Denn dass sie verbessert werden muss, daran dürfte auch die SPD keinen Zweifel haben.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Das Wort bekommt Senator Rabe.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich abweichend von meinem Manuskript zunächst auf Ihre Frage, Frau Heyenn, eingehen. Wie kann es angehen, fragt Frau Heyenn, dass die wahren Gruppengrößen bei 12 Kindern liegen,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Ja, sind sie denn wahr?)

wo die Gruppen nach Landesrahmenvertrag 23 Kinder umfassen. Liebe Frau Heyenn, hätten Sie doch diesen Bericht gelesen, das wäre nicht schlecht gewesen. Wer liest, ist klar im Vorteil in dieser Republik. In dem Bericht steht: Auf 23 Kinder finanziert die Schulbehörde erstens eine volle Stelle Erzieher plus 0,2 Stellen Leitungskräfte plus 0,1745 – ich weiß nicht, wer sich das ausgedacht hat – Vertretungskräfte und auf alles obendrauf 20 Prozent Aufschlag pädagogisches Budget. Das macht 1,7 Stellen auf 23 Kinder, und nun merken Sie, warum es möglich ist, kleinere Gruppen zu gründen.

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Aber von diesen Petitessen abgesehen, möchte ich noch einmal kurz den Gesamtzusammenhang darstellen. Erinnern wir uns an 2011. 50 von 200 Hamburger Grundschulen waren Ganztagsschulen. Von knapp 60 000 Grundschulkindern waren nur 20 000 in der komfortablen Lage, nachmittags in den Horten oder Ganztagsschulen betreut zu werden. Das Angebot war viel zu gering. Wir als SPD haben den vielen, die keinen Platz be

kommen haben – wir wissen heute, es sind 20 000 Kinder in dieser Stadt gewesen, die keine Nachmittagsbetreuung hatten – versprochen, dass wir sie nicht länger am Nachmittag allein lassen. Deshalb haben wir konsequent gehandelt.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich war das eine große Wegstrecke, die zurückgelegt werden musste. Wir erinnern uns an die Vergangenheit, als durchschnittlich zwei Grundschulen pro Jahr zu Ganztagsschulen wurden. Hätten wir den Empfehlungen von Frau Prien und Frau von Berg Folge geleistet und in diesem Tempo weiter gemacht, dann wären wir in 75 Jahren dort, wo wir heute stehen. Wenn Sie ständig sagen, das sei zu schnell gewesen – und das können Sie gern so sehen –, dann seien Sie auch so mutig und sagen 20 000 Kindern: Ihr müsst weiter draußen bleiben, wir finden das zu schnell, sucht euch weiter nachmittags bei Karstadt die entsprechende Betreuung, wir helfen nicht. Das ist aber nicht unsere Politik, und deswegen haben wir gehandelt.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb haben wir in der Tat einen beispiellosen Ausbau der Ganztagsschulen eingeleitet. Wir haben in drei Jahren 150 Grundschulen zu Ganztagsschulen gemacht, und ich sage Ihnen ganz offen, damit haben wir das Tempo nicht verdoppelt – was in der Politik schon viel wäre –, auch nicht verdreifacht, sondern verfünfundzwanzigfacht. Wer 25-mal mehr tut, der hat sicherlich auch mindestens 25-mal so viele Probleme zu bewältigen, und natürlich ist nichts von Anfang an perfekt. Deshalb haben wir aber auch gesagt, wir machen keine Zwangsganztagsschule. Wem das tatsächlich noch nicht perfekt genug ist, der bekommt das Recht und kann selbstverständlich wie bisher nachmittags nach Hause gehen und zu Hause bleiben. Freiwillige Teilnahme war unser Weg und war der Weg des Parlaments. Aber das Spannende war, was die Kinder und Eltern auf diese Möglichkeiten antworteten. Dankenswerterweise ist wenigstens einmal gesagt worden, was Sie versuchen unter den Teppich zu kehren. Statt bisher 22 000 Kinder sagen nun 44 000 Kinder, wir möchten dort freiwillig mitmachen. Das ist eine Quote, die niemand hier im Hause auch nur annähernd prophezeit hat und die aus meiner Sicht zumindest eines zeigt: Kinder und Eltern sind schon jetzt mit dem Angebot hochzufrieden, sie gehen gern zu den Ganztagsschulen. Das sollten wir im Parlament auch einmal festhalten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Diese Abstimmung mit den Füßen hat möglicherweise auch einen Grund.

(Finn-Ole Ritter FDP: Weil die Horte ge- schlossen sind vielleicht!)

Wenn ich nun insbesondere von der CDU und den GRÜNEN höre, das sei alles viel zu wenig und es gebe überall zu wenig Geld, dann finde ich das sehr verblüffend. Ich will noch einmal an das erinnern, liebe Frau Prien, was Sie genau wissen, aber immer vergessen zu sagen. Sie hatten damals 80 Millionen Euro für dieses Konzept bereitgestellt, Sie hatten damals keinerlei Übergabezeiten organisiert, Sie hatten damals auch keinerlei Baumittel für die Kantinen. Wir haben das Geld um 25 Prozent auf 110 Millionen Euro angehoben. Wir haben erstmals – anders als die GRÜNEN, Frau von Berg, schauen Sie gern noch einmal nach – eine Übergabezeit überhaupt finanziert, die fehlte bei Ihnen im Konzept. Und wir haben die Personalmittel um 20 Prozent erhöht.