Protocol of the Session on October 8, 2014

(Jens Kerstan GRÜNE: Das stimmt!)

Ich entnehme daraus, dass Sie die ganzen Stellungnahmen der Gerichte überhaupt nicht ernst nehmen.

(Dirk Kienscherf SPD: Sie haben die doch gar nicht gelesen!)

Sie erzählen uns etwas von runden Ecken, und ansonsten wollen Sie trotzig weitermachen wie bisher. Das geht so nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Das einzig Neue, was Sie uns erzählt haben, ist, dass Sie ein neues Argument für die Elbvertiefung haben: Sie sind neuerdings für Klimaschutz und wollen CO2 einsparen. Das sollten Sie einmal Ihrer Senatorin Blankau sagen. Schauen Sie in den Haushalt, da sind die Klimaschutzmittel gekürzt.

Dann ist gesagt worden, Klimaschutz sei jetzt eine Querschnittsaufgabe und werde in allen Behörden gemacht. Ich habe den Eindruck – Herr Dressel hat das gerade noch einmal bestärkt –, dass Sie nach dem Prinzip Hoffnung handeln. Sie wollen mit der Elbvertiefung, wenn sie denn irgendwann kom

(Katja Suding)

men sollte, CO2 einsparen, und bis dahin wird munter in die Luft gepustet, was das Zeug hält.

(Beifall bei der LINKEN)

Fakt ist, am vergangenen Donnerstag hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eine Entscheidung über die Klagen der Umweltverbände BUND und NABU gegen die Elbvertiefung vertagt; das können Sie nicht schönreden. Das Bundesverwaltungsgericht hat erklärt, dass die vorliegenden Planungsunterlagen die gesetzlich geforderten Bedingungen nicht erfüllen und als Entscheidungsgrundlage für eine Genehmigung des Vorhabens nicht geeignet sind. Und Sie kommen uns mit juristischen Deutungsversuchen, die Sie hier coram publico machen. Kein Mensch weiß, was das eigentlich soll. Sie müssen lernen, mit den Fakten umzugehen, und das tun Sie nicht.

In der Kritik des Gerichts standen neben dem Artenschutz auch die Umweltverträglichkeitsprüfung, die korrekte Berücksichtigung der FFH-Linie, die Ausgleichs- und Kohärenzmaßnahmen sowie die Berücksichtigung des integrierten Bewirtschaftungsplans des Elbeästuars. Nun haben Sie und Herr Dressel immer Zitate gebracht, die Ihnen gut passen, wie es viele gerne machen. Ich möchte mich ans Original halten. Das Original ist Senator Horch. Er ist nicht da, aber wir werden uns einmal vor Augen halten, was er Schönes gesagt hat, als die erste Gerichtsentscheidung kam, die nicht so ausgefallen ist, wie Sie sich das erhofft haben. Senator Horch sagte am 24. Oktober 2012 – ich zitiere –:

"Mit voller Überzeugung muss ich Ihnen sagen, dass das Planfeststellungsverfahren an Unter- und Außenelbe, so wie es in den letzten Jahren betrieben wurde, mustergültig durchgeführt wurde."

Weiter:

"Die Planfeststeller des Bundes und Hamburgs haben bei diesem so breit angelegten Projekt vorbildliche Arbeit geleistet."

Und später kommt dann:

"Wer hier etwas anderes behauptet, der bringt engagierte und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unberechtigt in Misskredit und schadet am Ende dem Standort Hamburg."

(Wolfgang Rose SPD: Richtig!)

Das ist starker Tobak. Die Entscheidung widerlegt genau das.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Anjes Tjarks GRÜNE)

Herr Balcke, der wahrscheinlich gleich wieder in dasselbe Horn tuten wird, hat in dieser Sitzung der

Bürgerschaft im Oktober 2012 gesagt – ich zitiere –:

"Die Verantwortung liegt allein aufseiten der Umweltverbände."

Und dann hat er davon gesprochen, dass die Naturschutzverbände, die GRÜNE und DIE LINKE eine Allianz gegen Arbeitsplätze seien. Auch das ist starker Tobak und es ist falsch. Außerdem ist es so, dass die Verantwortung für die Planfeststellung nicht einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, sondern die hat der Senat, und der hat versagt.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Anjes Tjarks GRÜNE)

Im Arbeitsprogramm des Senats vom Mai 2011 heißt es – ich zitiere –:

"Gemeinsam mit dem Bund werden wir die dringend notwendige Fahrrinnenanpassung der Elbe vorantreiben. Die nächsten Schritte sind die Erstellung des Planfeststellungsentwurfs, Stellungnahme der EU-Kommission gem. Flora-Fauna-Habitat (FHH)-Richtlinie und die Einholung der Einvernehmenserklärungen von Niedersachsen und SchleswigHolstein. Unmittelbar danach können die Baggerarbeiten aufgenommen werden, sofern das erforderliche Baurecht vorliegt."

Zitatende.

Herr Wersich hat schon darauf hingewiesen, und Herr Senator Horch hat 2011 angekündigt, dass Anfang 2012 die Bagger kommen. Dann kamen die Korrekturen März 2012, dann Mitte 2012, dann Herbst 2012, und im Oktober kam der Baustopp. Das war es dann. Jetzt haben wir Oktober 2014 und wieder eine Vertagung.

Die Schuldzuweisung, den Hafen und Arbeitsplätze aufs Spiel zu setzen, ist ein untaugliches Mittel, um vom eigenen Versagen abzulenken.

(Jan Quast SPD: Sie müssen mal die Kon- sequenzen Ihres Redens bedenken!)

Ich finde es, ehrlich gesagt, eine Unverschämtheit, Personen, Parteien und Verbände, die sich um einen Ausgleich von Ökologie und Ökonomie bemühen, derart zu verunglimpfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich persönlich bin davon überzeugt, dass allen Hamburgerinnen und Hamburgern der Hafen am Herzen liegt. Das heißt aber nicht, dass alle für eine Elbvertiefung sein müssen. Das ist eine ganz andere Nummer, und das setzen Sie gleich. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihr Totschlagargument heißt Arbeitsplätze. Das kommt mir irgendwie bekannt vor aus der Diskussi

on um die Netze. Da haben wir das auch gehört; Sie haben sogar die Betriebsräte hier oben versammelt. Aber dieses Argument ist auch hier völlig falsch. Herr Balcke sagte im Oktober 2012, am Hamburger Hafen hingen 150 000 Arbeitsplätze, der Bürgermeister sprach eben von mehreren Hunderttausend.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, wenn man den Radius größer zieht!)

Genau, man kann den Bogen immer größer spannen.

Nun ist die Frage, was eigentlich Hafen ist, was dazu zählt, wie und nach welchen Kriterien die Daten ermittelt worden sind. Diese Zahl von 150 000 ist nirgendwo erhärtet worden, man kann sie glauben oder auch nicht.

Die Realität ist, dass in den letzten Jahren die Zahl der Arbeitsplätze durch Automatisierung, Rationalisierung und Computerisierung des Containerumschlags rapide gesunken ist. Das kann jeder sehen, der sich einmal im Hafen umsieht. Der NABU führt aus, dass im direkten Umfeld der Kaianlagen nur noch wenige Tausend Arbeitnehmer beschäftigt sind. Die Zeiten haben sich in vielen Branchen geändert, auch im Hamburger Hafen. Stetig wurde angepasst; das ist ein Prozess, der in den letzten Jahren immer stattgefunden hat. Wenn jetzt als Untergangsszenario an die Wand geworfen wird, dass im Hafen die Lichter ausgehen, wenn es keine Elbvertiefung gibt, dann fragt man sich doch, wieso der Containerumschlag nach der Weltwirtschaftskrise, nach der Schifffahrtskrise,

(Zuruf von Dr. Andreas Dressel SPD)

nach der Finanzkrise ohne Elbvertiefung wieder zugenommen hat.

Die "WirtschaftsWoche" hat am 1. März 2014 unter dem Titel "Containerumschlag: Hamburger Hafen auf Erfolgskurs" Folgendes geschrieben – ich zitiere –:

"Der Hamburger Hafen steigerte seinen Umschlag und kann sich damit im Vergleich zu den Wettbewerbern behaupten. […] Der Hamburger Hafen kann sich damit hinter Rotterdam in den Niederlanden als zweitgrößter europäischer Hafen vor Antwerpen, Bremerhaven, Le Havre, Zeebrugge und Southampton behaupten. Weltweit liegt Hamburg auf Platz 15."

Und das alles ohne eine Elbvertiefung in den letzten vierzehn Jahren. Kommen Sie mir also bitte nicht damit, dass wir die Arbeitsplätze im Hafen nur retten, wenn wir sofort eine Elbvertiefung machen. Das ist Blödsinn.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Anjes Tjarks GRÜNE)

Eines ist klar: Sie benutzen die Arbeitsplatzfrage wieder einmal, um den Hamburgerinnen und Hamburgern Angst zu machen. Das ist unredlich, damit sollten Sie aufhören. Selbst die Hamburg Port Authority hat für den Hafen bis 2025 prognostiziert, dass es auch ohne Elbvertiefung eine gesunde Hafenentwicklung mit mehr Beschäftigung geben wird, selbst wenn die Elbvertiefung nicht käme und der Welthandel zeitweilig lahmen würde. Auch der NABU kommt zu der Auffassung, dass Hamburgs Bedeutung als maritimer Welthafen ohne Elbvertiefung unverändert groß sein wird.

(Wolfgang Rose SPD: Hast du auch mal mit den Gewerkschaften gesprochen?)

Fakt ist – das ist eben schon gesagt worden –, dass circa 10 000 Seeschiffe pro Jahr den Hamburger Hafen anlaufen. Mehr als 5000 davon sind Containerschiffe. Umfragen und Anfragen aus dem Parlament haben ergeben, dass sich laut Hafenentwicklungsplan zwischen 2007 und 2011 insgesamt 400 Schiffe pro Jahr entsprechend anpassen mussten, weil sie den Hafen bei voller Fracht nicht unabhängig von Ebbe und Flut anlaufen konnten. Nur wenige der großen Containerschiffe konnten Hamburg bei Flut nicht voll beladen anlaufen und wären auf eine zusätzliche Vertiefung der Elbe angewiesen.