Protocol of the Session on September 10, 2014

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Hier haben diese Menschen nämlich so gut wie keine Chance auf dauerndes Verbleiben, ganzen 0,2 bis 0,3 Prozent wird ein Bleiberecht gewährt. Die CDU/CSU will daher auf Bundesebene erreichen, dass Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsländer eingestuft werden. Das würde die Verfahren erheblich beschleunigen und endlich Ressourcen freigeben für die Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten Syrien, Irak oder Afghanistan, die in der Regel vorerst bleiben können. GRÜNE und LINKE blockieren aber bisher diese Bemühungen, und auch die SPD war hier sehr zögerlich.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nee, wir haben das mit aufgenommen!)

Mittlerweile.

Diese neue Regelung löst nicht alle Probleme, aber sie wäre ein wichtiger Schritt. Daher unsere Aufforderung an Sie und Ihre Parteien in den anderen Ländern: Geben Sie diese Blockade auf und stimmen Sie der Gesetzesänderung im Bundesrat zu.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD – Christiane Schneider DIE LINKE: Auf keinen Fall!)

Und noch ein Problem. Dank einer Anfrage der CDU wissen wir jetzt, dass die Mehrzahl der minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlinge in Hamburg gar nicht minderjährig ist. Wie will der Senat hier künftig verfahren? Wie will er den derzeit völlig überlasteten Kinder- und Jugendnotdienst so entlasten, damit den tatsächlich Minderjährigen umso besser schnell geholfen werden kann, die allein in unser Land kommen?

(Wolfgang Rose SPD: Was schlagen Sie vor?)

Von alledem lesen wir im SPD-Antrag nichts. Stattdessen fordern Sie etwas, was eigentlich selbstverständlich ist: die Anstrengungen bei der Unterbringung noch einmal zu verstärken – wer sollte dagegen sein? Auch die Bemühungen um mehr Unterstützung vom Bund laufen bereits, wer will das nicht? Dafür mussten eigens zwei lange Antragsseiten geschrieben werden?

Konkret ist der dritte Punkt. Die ehrenamtliche Begleitung der Zuwanderer soll nicht mit 200 000 Euro, sondern mit 400 000 Euro gefördert werden. Das ist nicht falsch, aber hat das wirklich oberste Priorität? Könnte dieses Geld nicht genauso gut oder vielleicht besser für weitere Integrations- und Sprachkurse genutzt werden? Das wäre besonders nachhaltige Hilfe für Menschen, für deren Leben hier Deutschkenntnisse von existenzieller Bedeutung sind. So liegt der Antrag der SPD nicht falsch, aber eben auch nicht richtig. Folgerichtig werden wir uns enthalten.

Dem eigentlichen Anliegen dieses Tages, der massiven Aufstockung der Mittel für die Unterbringung von Flüchtlingen in Hamburg, stimmen wir zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Fegebank von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Weltweit sind Menschen auf der Flucht – Millionen von Menschen, die vor Gewalt, Folter, Verfolgung, Vergewaltigung fliehen. Wir haben das Thema in diesem Hause schon ein paar Mal in unterschiedlichen Zusammenhängen bewegt. Ich finde es nicht nur richtig, sondern es ist unsere gesellschaftspolitische Verantwortung, Flagge zu zeigen und ein ganz klares Bekenntnis dazu auszusprechen, dass die Flüchtlinge, die nach Europa, nach Deutschland, in eine reiche Stadt wie Hamburg kommen, menschenwürdig untergebracht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Wir sind dabei, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Ich habe mir heute noch einmal die Situation in den anderen Bundesländern angeschaut und war erschüttert zu sehen, dass in Bayern ein Stopp in der zentralen Erstaufnahme verhängt wurde, die Zustände dort teilweise chaotisch sind und Flüchtlinge in völliger Verunsicherung leben. Da haben wir mit gemeinsamen Anstrengungen in den letzten zwei Jahren einiges erreicht, nämlich eine massive Aufstockung von – Frau Bekeris hat es vorhin angesprochen – verhältnismäßig wenigen Plätzen auf 14 000 Plätze bis zum Ende dieses

(Dr. Friederike Föcking)

Jahres. Wir wissen, dass noch circa 2000 bis 4000 Plätze fehlen, konservativ gerechnet. Und fast täglich erreicht uns die Nachricht, dass die Flüchtlingszahlen in Deutschland und entsprechend dann auch in Hamburg weiter steigen werden. Deshalb sage ich noch einmal: Es ist nicht nur unsere Pflicht, sondern unsere gesellschaftspolitische Verantwortung, im Schulterschluss aller Fraktionen zu agieren. Natürlich werden auch wir heute, wie im Haushaltsausschuss auch, der Drucksache zur Bewilligung der knapp 150 Millionen Euro zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Vi- zepräsident Dr. Wieland Schinnenburg über- nimmt den Vorsitz.)

Ich will das noch einmal verbinden – das haben wir schon an anderer Stelle ausgesprochen, aber das kann man auch in diesem Hause noch einmal tun – mit einem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden, bei "fördern und wohnen" und in den Bezirken. Ich danke auch für die großen Anstrengungen der Ehrenamtlichen und für die erheblichen Leistungen, die in den letzten Monaten erbracht worden sind. Denn wenn ich mir Bayern anschaue, dann sehe ich, dass die Solidarität und die Unterstützung der Bevölkerung unsere große Chance sind – wir sprechen immer von einem Problem –, diese Aufgabe gemeinsam zu wuppen. Ich sehe es tatsächlich so, wie hoffentlich die Mehrheit in diesem Hause, dass sich das in keiner Weise für irgendein parteipolitisches Geplänkel eignet. Deshalb halten wir auch die Ausweitung der Unterstützung von Ehrenamtlichen und natürlich auch die frühe Beteiligung der Bezirke – an einigen Stellen in Harburg sicherlich eine noch frühere Beteiligung, Frau Stöver – für richtig.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf von Birgit Stöver CDU)

Dennoch muss ich ein wenig Wasser in den Wein gießen. Wir werden dem Antrag der SPD in allen Punkten zustimmen, außer dem ersten Punkt. Ich verstehe nicht, warum Sie da nicht über das Stöckchen springen können, das wir Ihnen doch eigentlich hinhalten. Wir fordern eine Durchbrechung der Beharrungskräfte in den Behörden, die natürlich auch ein berechtigtes Interesse an den Flächen haben, die infrage stehen. Wir wollen, dass diese Beharrungskräfte durchbrochen werden, und sagen dem Sozialsenator ausdrücklich unsere Unterstützung dabei zu, die Priorität auf dieses vordringliche Problem zu legen, freie Flächen zu prüfen und bereitzustellen.

Frau Bekeris, ich weiß nicht, was daran ein Problem sein sollte, geprüfte Flächen zu veröffentlichen. Sie haben uns aufgefordert, mitzumachen und mit unseren Bezirkspolitikern zusammen Lösungen zu suchen, kreative Ansätze zu wählen und potenzielle Standorte, seien es leere Schulen, leer stehende Bürogebäude oder Flächen, von de

nen man nicht so genau weiß, in wessen Besitz sie eigentlich sind, zu melden. Nur bekommen wir keine Rückmeldung und wissen nicht, was mit unseren Vorschlägen eigentlich passiert. Deshalb fordern wir Aufklärung und Klarheit darüber, was mit diesen Flächen ist, wie man mit ihnen umgehen kann und was wann und wo geprüft wurde. Das kann doch eigentlich nur im Sinne dessen sein, was der Senat und die Behörde voranbringen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir stören uns ein wenig an dem Punkt sonstige Notunterkünfte, weil bei vielen natürlich die Dreiundneunzigerlösung "Bibby Altona", "Bibby Challenge", "Bibby Stockholm" im Hinterkopf auftaucht, wenn es um Wohnschiffe geht. 2300 Flüchtlinge, ich habe es noch einmal nachgesehen, gab es damals auf diesen Wohnschiffen. Da ist dann von Integration überhaupt keine Rede mehr.

(Kazim Abaci SPD: Sie haben doch den Vor- schlag gemacht!)

Da geht es wirklich um lagerähnliche Zustände. Da leben Familien auf diesen Schiffen wie in einem Lager, und von Integration oder einer Anbindung an Infrastruktur kann ich nichts erkennen, wenn ich mir dann auch noch die Liegeplätze wie die Billwerder Bucht anschaue.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb haben wir uns kritisch zur Unterbringung auf Wohnschiffen geäußert.

Wir haben versucht, einen Vorschlag einzubringen – er klingt vielleicht etwas unkonventionell, aber uns wurde zugesagt, ihn zumindest zu prüfen –, nämlich die Kreuzfahrtschiff-Idee. Interessanterweise musste ich vor vier Tagen in der "Hinz&Kunzt" lesen, dass der Pressesprecher der Sozialbehörde sagte, die GRÜNEN könnten doch nicht ernsthaft erwarten, dass so etwas in Erwägung gezogen und Kreuzfahrtschiffe geprüft würden. Das finde ich sehr schade. Wir haben uns bemüht, sind in die Auseinandersetzung gegangen, haben eigene Vorschläge unterbreitet und finden es sehr bedauerlich, dass es diese Rückmeldung gegeben hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was wir ausdrücklich befürworten, ist der Punkt Unterstützung durch den Bund; andere Bundesländer fordern Sofortprogramme.

Was wir vielleicht auch noch einmal mitnehmen könnten – das an die Adresse des Senators gerichtet –, ist die Frage nach einem Flüchtlingsgipfel in Hamburg, bei dem wir alle Beteiligten an einen Tisch holen: die handelnden Politiker der Bürgerschaft, Behörden- und Bezirksvertreter, Vertreterinnen und Vertreter der Flüchtlingseinrichtungen und

der Kammern. Das ist sicherlich etwas, an dem wir uns gerne beteiligen würden.

Ansonsten wünschen wir uns weiterhin einen konstruktiven Dialog in der Sache und bitte auch noch einmal eine Auseinandersetzung über die Frage der Wohnschiffe. Auch wir wollen keine Zelte, aber zeigen Sie uns die Schiffe, die eine menschenwürdige Unterbringung gewährleisten.

(Kazim Abaci SPD: Besser als Zelte!)

Nehmen Sie mit uns zusammen noch einmal die Anstrengung auf, zusätzlich Flächen zu suchen, mit Universitäten und Architekten zusammenzuarbeiten und zu schauen, ob man irgendwo jenseits der ausgetretenen Pfade noch einen Weg findet. Wir sind die Ersten, die Sie dabei unterstützen. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Fegebank. – Das Wort hat Frau Kaesbach von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, Frau Fegebank, dass Sie unsere Idee eines Flüchtlingsgipfels für alle Beteiligten aufgreifen. Ich hätte mich noch mehr gefreut, wenn der Senat diese Idee von uns schon längst einmal nicht nur aufgegriffen, sondern auch umgesetzt hätte.

(Kazim Abaci SPD: Ganz neue Idee!)

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz hat in seiner Rede im März dieses Jahres im Thalia Theater das Bild der Arrival City beschworen. Hamburg sei eine Arrival City, wie sie der Autor Doug Saunders beschreibt, eine Ankunftsstadt.

(Jörg Hamann CDU: Ach so!)

Die Zusammensetzung der Bevölkerung der Millionenstadt Hamburg mit ihren knapp 1,8 Millionen Einwohnern – inzwischen sind es, wie wir wissen, 1,7 Millionen – habe sich verändert, so Olaf Scholz im Thalia Theater. Heute lebten etwa 530 000 Zuwanderer oder Nachfahren von Zuwanderern in unserer Stadt. Beinahe jeder Dritte hat eine Zuwanderungsgeschichte. Das ist so gesehen wirklich sehr gut. Hamburg soll wachsen, so hört man immer wieder. Jedes Überschreiten der nächsten Hunderttausend wird gefeiert. Angesichts der wachsenden Anzahl von Single-Haushalten in Hamburg ist die Zuwanderung noch mehr zu begrüßen; Stichwort Fachkräftemangel oder Vielfalt, um nur einige zu nennen.

(Kazim Abaci SPD: Es geht um die Unter- bringung!)

Das Bild der Arrival City mutet positiv an. Es vermittelt das Bild einer modernen Stadt, die mit ausgestreckten Armen auf diejenigen zugeht, die

schwer beladen nach einer langen Reise durch mehrere Länder zu uns kommen. Doch zieht dieses Bild nicht angesichts der Situation, die die Stadt Hamburg zu bewältigen hat. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schraubt seine Prognosen immer weiter nach oben. Im Juli dieses Jahres kamen 62 Prozent mehr Flüchtlinge als im Vorjahr nach Deutschland, und die Zahlen werden angesichts der vielen furchtbaren Krisenherde in der Welt sicher noch ansteigen. Auch die Senatspläne überholen sich immer wieder. Ging der Senat im März dieses Jahres noch von einem Zustrom von 400 Flüchtlingen im Monat aus, so sind es jetzt 500. Die Nachtragsdrucksache mit den zu beschließenden knapp 148 Millionen Euro – unter anderem, wir hörten es bereits, für 4000 neue Plätze – stützt sich auf die Prognose des Bundesamtes vom Januar. Fragt sich, ob der Senat nicht bald schon einen weiteren Nachtrag einbringen muss. Senator Neumann verneinte dies auf meine entsprechende Nachfrage im Haushaltsausschuss; wir werden sehen.

Meine Fraktion hat sich intensiv mit der Drucksache befasst. Nicht alle geplanten Maßnahmen überzeugen gleich, doch werden wir angesichts der Notwendigkeit, bestimmte Maßnahmen, auch personelle, auf den Weg zu bringen, zustimmen.

Vorbehalte haben wir bezüglich einiger Bauvorhaben, zum Beispiel hinsichtlich der mit 600 Plätzen geplanten Einrichtung in der Berzeliusstraße. Billstedt ist mit seinen gut 1200 Unterkunftsplätzen über Gebühr belastet. Meine Fraktion fordert seit Langem eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge über ganz Hamburg und keine Konzentration in ohnehin sozial belasteten Stadtteilen.

(Wolfgang Rose SPD: Wo sind die Alternati- ven? – Sylvia Wowretzko SPD: Wo leben Sie denn?)