Protocol of the Session on August 28, 2014

Darüber hinaus beinhaltet der SPD-Antrag kein Konzept, wie es eben auch von einigen erwähnt wurde, für einen sozialen Arbeitsmarkt, und er sagt nicht, wie viele Arbeitsplätze hier eingerichtet werden sollen. Mit diesem Antrag machen Sie den öffentlich geförderten Arbeitsmarkt abhängig vom Passiv-Aktiv-Transfer und schieben das Konzept auf die lange Bank. Das ist halbherzig. Wer A sagt, muss auch B sagen können.

Wir beschäftigen uns seit Jahren mit dem sozialen Arbeitsmarkt und haben uns mit vielen Experten und Wohlfahrtsorganisationen ausgetauscht. Wir fordern mit unserem Antrag, ein Modellprojekt mit 1000 vollversicherungspflichtigen, öffentlich geförderten Arbeitsplätzen auf freiwilliger Basis ein

zurichten. Bei erfolgreicher Umsetzung können diese Plätze auch ausgeweitet werden.

Ein wesentlicher Punkt dabei ist auch, was von Herrn Schwieger erwähnt wurde, dass sich die Lohnhöhe nach tariflichen oder ortsüblichen Bedingungen richtet. Als absolute Grenze gilt natürlich der Mindestlohn von 8,50 Euro. Nach dem Hamburger Mindestlohngesetz sind wir zum Glück auch dazu verpflichtet.

Wichtig ist, dass die öffentlich geförderte Beschäftigung sowohl privatwirtschaftlich als auch gemeinwohlorientiert sein muss, nicht auf gemeinnützige und zusätzliche Betätigungsfelder beschränkt wird und die Beschäftigung nicht auf ein oder zwei Jahre beschränkt wird.

Der Finanzierungsteil der öffentlich geförderten Beschäftigung besteht nicht nur aus einem Lohnkostenzuschuss, es gehört ein Qualifizierungs- und Betreuungsanteil dazu. Dieser Anteil muss gewährleistet sein. Das Ganze wird in Ihrem Antrag auf einen Lohnkostenzuschuss reduziert. Daher ist es wichtig, dass auch unser Antrag an den Ausschuss überwiesen wird, wo wir über die Einzelheiten gemeinsam diskutieren können. Wir wollen auch, dass dieses Modellprojekt in die Fachkräftestrategie integriert wird, um langfristig dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Ich möchte an dieser Stelle nicht weiter auf die Einzelheiten des Antrags oder des Modellprojekts eingehen, das finden Sie ausführlich in unserem Antrag. Ich möchte noch einmal zu der Finanzierungsangelegenheit einige Sätze sagen, denn ein Lohnkostenzuschuss durch einen Passiv-AktivTransfer wird nicht ausreichend sein, um dieses Projekt umzusetzen. Daher muss eine Grundfinanzierung der öffentlich geförderten Beschäftigung aus den Mitteln des Eingliederungsbudgets erfolgen.

Als zweite Finanzierungsgrundlage kann der Passiv-Aktiv-Transfer eingebracht werden, und als zusätzliche Finanzierung fordern wir, dass der Anteil der vom Bund zusätzlich zur Verfügung gestellten Eingliederungsmittel in Höhe von rund 4,7 Millionen Euro für Hamburg für das Modellprojekt eingesetzt wird und nicht in den Verwaltungshaushalt fließt.

Hamburg darf jetzt nicht die Chance verpassen, ein gutes Konzept für einen öffentlich geförderten, voll sozialversicherungspflichtigen Arbeitsmarkt vorzulegen, das wäre ein fataler Fehler. Wir sollten uns gemeinsam dafür einsetzen, dass rund 24 000 langzeitarbeitslose Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt in menschenwürdige und gute Arbeit integriert werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt nun Herr Dr. Kluth für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Um das Wesentliche gleich vorwegzunehmen: Die FDP-Fraktion wird dem vorliegenden Antrag der SPD zustimmen. Wir halten es auch für besser, Beschäftigung zu finanzieren statt Arbeitslosigkeit. Daher ist es unserer Auffassung nach richtig, über neue Finanzierungsmodelle nachzudenken, bei denen im Rahmen der Grundsicherung verwendete Mittel in einen Beschäftigungszuschuss umgewandelt werden.

Warum? Weil wir feststellen können, dass wir bundesweit sowohl in vielen Kommunen als auch in Hamburg das gleiche Phänomen haben. Das bedeutet, wie die Statistik der Bundesagentur zeigt, dass im Jahr 2010 in Hamburg 19 821 der etwa 75 000 Arbeitslosen länger als ein Jahr arbeitslos waren. Obgleich die Arbeitslosenzahl in den Jahren 2011 und 2012 in Hamburg sank, stieg gegenläufig die Zahl der Langzeitarbeitslosen an, also der Anteil der langfristig verfestigten Arbeitslosigkeit, häufig Menschen, wie es etwas technokratisch heißt, mit multiplen Vermittlungshemmnissen. Dieser Anstieg ist nicht nur relativ zu verzeichnen, sondern auch in absoluten Zahlen. Im Jahr 2011 waren 20 545 Menschen in Hamburg länger als ein Jahr arbeitslos, im Jahr 2012 waren es 21 550 Menschen, also rund 1000 Langzeitarbeitslose pro Jahr mehr.

Der Passiv-Aktiv-Tausch kann daher eine sinnvolle Maßnahme sein, um Langzeitarbeitslose mit besonderen Vermittlungshemmnissen, aber auch wirklich nur diese, durch einen Beschäftigungszuschuss in den Ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Zielgruppe im Modellprojekt in Baden-Württemberg besteht aus Arbeitslosen, die mit einer Dauer von 36 Monaten oder mehr im Leistungsbezug sind. Mit den vorhandenen Förderinstrumenten waren diese Menschen nicht mehr zu erreichen, sodass der Passiv-Aktiv-Tausch für diese Personengruppe in der Tat eine neue Perspektive eröffnet.

Wie sollte man dies tun? Wir sprechen uns dafür aus, solche Modelle des Passiv-Aktiv-Tausches nicht trägerorientiert zu organisieren, sondern in Kooperation insbesondere mit mittelständischen Unternehmen und ihren Kammern und Verbänden. Alle bisherigen Erfahrungen zeigen nämlich, dass der sogenannte Klebeeffekt nach dem Auslaufen der Förderung bei solchen mittelständischen Unternehmen deutlich höher ist als bei Trägern. Man kennt dann im Unternehmen die Stärken und Schwächen der betreffenden Menschen, man kann schauen, ob man einen nach Art, zeitlichem Umfang oder natürlich auch Vergütung geeigneten Job findet. Und das ist anders als bei Beschäftigungsträgern, da gilt meistens der Grundsatz, ist

die Förderung weg, ist in den allermeisten Fällen auch der Job weg.

In Baden-Württemberg ist der Modellversuch sowohl von Arbeitgebern als auch von Arbeitnehmern gut angenommen worden. Mitte des letzten Jahres waren rund 82 Prozent der etwa 560 zur Verfügung stehenden Förderplätze belegt. Im Jahr 2015 soll nun der Passiv-Aktiv-Tausch in weiteren Modellregionen getestet werden.

Die FDP-Fraktion hält es für einen sinnvollen Schritt, wenn sich Hamburg darum bemüht, Passiv-Aktiv-Tausch-Modellregion zu werden. Wir werden dem SPD-Antrag daher zustimmen. Die Zusatzanträge der LINKEN und der GRÜNEN werden wir ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat nun Herr Golke von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Schwieger, Ihre Worte haben mich durchaus erfreut.

(Jens-Peter Schwieger SPD: Danke!)

Dinge, die ich in Ihrem Antrag nicht gelesen habe, haben Sie in der Debatte beigetragen. Ich möchte zwei davon gern hervorheben, weil ich sie für sehr wichtig halte, und das betrifft das kleine oder auch nicht so kleine Wort freiwillig, etwas, was dieser Senat und dieser Senator in Schriftlichen Kleinen Anfragen…

(Glocke)

(unterbrechend) : Meine Damen und Herren! Es ist jetzt eindeutig zu laut.

– Ich versuche, etwas lauter zu schreien, und dann klappt das auch.

(Glocke)

(unterbrechend) : Pardon, Herr Golke, das ist nicht Sinn der Sache, sondern ich versuche, mithilfe der Glocke für Ruhe zu sorgen. Sie können fortfahren.

– Wir arbeiten da einfach zusammen, Frau Präsidentin.

Freiwilligkeit ist ein ganz wesentlicher Faktor bei jeder Maßnahme, die wir brauchen. Eine Maßnahme nämlich, die angetreten wird unter der Drohung der Absenkung – um wie viel Prozent auch immer – der Leistungen des Jobcenters, hat einen deutlich geringeren Erfolgseffekt, weil sie eben nicht freiwillig, nicht mit einem eigenen Empfinden

dafür angetreten wird, sondern nur, weil sie angetreten werden muss. Das ist ungefähr so wie das Schreiben von Klassenarbeiten. Die würden auch besser laufen, wenn sie freiwillig geschrieben würden, jedenfalls war das bei mir so. Die, die ich mochte, waren immer deutlich besser als die, die ich nicht mochte.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Ein zweites Wort hat mich auch sehr erfreut, nämlich die tarifübliche oder wenigstens ortsübliche Entlohnung dieser Beschäftigung. Auch das ist etwas, was wir in unserem Zusatzantrag zu Ihrem Antrag, Herr Schwieger, mit eingebaut haben. Es ist unglaublich wichtig bei dieser Frage, keinen Arbeitsmarkt und keine Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen, besonders dann nicht, wenn es darum geht, bei Unternehmen Beschäftigungsverhältnisse einzurichten, die dann Lohndumping und möglicherweise Verdrängungseffekte in der normalen Belegschaft bedeuten würden. Das kann jedenfalls nicht das Ziel eines Passiv-Aktiv-Transfers sein.

Es ist auch nicht der Passiv-Aktiv-Transfer, der höhere Eingliederungsquoten ermöglicht, sondern es ist die kluge Arbeitsmarktpolitik dahinter, über die wir unterschiedliche Meinungen haben. In diesem Haus wurde schon deutlich, dass bei der Frage, ob man passive Mittel aktiv einsetzt, relativ große Einigkeit darin besteht, dass man das versuchen könnte. Aber in der Frage, was man damit tut und in welcher Form sind wir sehr unterschiedlicher Meinung, und genau das ist der Punkt. Es kommt darauf an, wie man diese Mittel einsetzt. Der Passiv-Aktiv-Transfer ist, ganz kalt gesprochen, nur eine werttechnische Umwidmung von Haushaltstiteln. Und, Frau Föcking – das haben Sie nicht gemeint, aber ich sage das zur Sicherheit –, dadurch wird natürlich auch niemandem der Rechtsanspruch auf Leistungen nach dem SGB II verwehrt, sondern es bleibt eine Rechtsanspruchsleistung. Und Menschen, die darauf angewiesen sind, können diese bekommen, das ist natürlich klar.

Aber es gibt eine weitere Ebene des Ganzen, und da sind wir unterschiedlicher Meinung. Es ist richtig, dass wir in unseren Anträgen deutlich dazu tendieren zu sagen, dass wir auch öffentlich geförderte Beschäftigung eines sozialen Arbeitsmarktes brauchen. Man kann es öffentlicher Beschäftigungssektor nennen oder dritter Arbeitsmarkt; wie man das Kind tauft, ist relativ egal. Wir sagen nicht, wir sollten das gar nicht tun, aber wir müssen nicht nur in Unternehmen Beschäftigungsverhältnisse fördern. Das kann richtig sein, aber es muss nicht immer zum Erfolg führen.

Bei der Frage der Förderung von Arbeitsverhältnissen oder auch beim Hamburger Modell haben wir im Ausschuss immer wieder vom Senator gehört, dass es mehr als schleppend läuft, dass Unternehmen eigentlich immer nur gern die Förderungen mitnehmen, aber nicht die entsprechenden Weiter

beschäftigungszeiten einräumen wollen, dass es im Wesentlichen öffentliche Unternehmen sind, die diese Dinge in Anspruch nehmen, die langzeitarbeitslosen Menschen über geförderte Arbeitsverhältnisse eine Chance geben. Das ist etwas, das wir auch in diese Debatte mit hineinbringen müssen, auch als Merkposten und als Punkt, den wir betrachten müssen.

Herr Schwieger, ich komme noch einmal auf Ihren Antrag.

(Finn-Ole Ritter FDP: Aber die FDP ist mit Herrn Schwieger einig!)

Ich kann auch Herr Ritter sagen, aber Sie stehen nicht in diesem Antrag.

Ich war doch einigermaßen verwundert, dass Sie den Sozialbericht brauchten, um festzustellen, dass es in Hamburg eine sehr verfestigte und sich weiter sehr verfestigende Langzeitarbeitslosigkeit gibt. Schriftliche Kleine Anfragen von mir und auch von vielen Kolleginnen und Kollegen der Opposition hätten Ihnen das vorher zeigen können und zur Not auch der Blick in die Statistik der Bundesagentur, die durchaus umfangreich ist. Dafür brauchten wir den Sozialbericht in Hamburg jedenfalls nicht.

Ich weiß auch nicht, ob es das arbeitsmarktpolitische Signal ist, was Sie damit verbinden, die Wertschätzung und Würde der Menschen, die sich in Hartz IV befinden – die auch durch die Politik gebrochen und eingeschränkt wurde, das muss man ganz deutlich sagen –, wieder aufzubauen und zu stärken. Dazu gehören natürlich Dinge, die auch in Hamburg laufen, es sind die Null-Euro-Jobs, die der Herr Senator so nicht nennen möchte. Sie sind in der Ausschreibung befindlich, zumindest laut der Informationen, die ich habe, und die den schon sehr windelweichen Paragrafen 45 des SGB III sehr ausreizen und mit denen wir uns auseinanderzusetzen haben. Wenn der Passiv-Aktiv-Transfer nur eine Finanzierungsform ist, dann müssen wir darauf achten, dass am Ende nicht so etwas damit finanziert wird wie Trägerzuschüsse allein dafür, dass Menschen irgendwo beschäftigt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die GRÜNEN haben völlig recht, wenn sie sagen, wir müssten schauen, dass wir auf Stadtteilangebote und kulturelle Angebote eingehen und auch schauen, wo etwas gebraucht wird. Wir haben nämlich in dieser Stadt eine Situation, auch durch die Kürzungspolitik des Senats, dass viel wichtige Arbeit im Stadtteil nicht mehr geleistet werden kann. Träger – ich meine nicht die, wie ich sie gern nenne, Beschäftigungsinseln oder Arbeitslosenindustrie –, die sozial und kulturell wichtige Dinge leisten, die früher ABM-Maßnahmen hatten, haben gezwungenermaßen auch Ein-Euro-Jobs genommen, weil ihnen schlicht nichts anderes übrig blieb, da sie plötzlich ohne Geld dastanden und diese

Projekte darum leider häufig genug zur Disposition stehen. Das haben wir alles erlebt, und das werden wir auch weiter erleben angesichts dessen, was durch den Haushalt droht. Hier ist der Ansatzpunkt – es reicht nicht, um vernünftige und tarifliche Beschäftigung zu machen, da sind wir uns wohl einig –, diese Mittel auch dafür zu verwenden, in diesen Stadtteilen eine Stärkung des öffentlichen Dienstes so zu gestalten, dass dort tatsächlich wieder gearbeitet werden kann, und damit auch Menschen, die in diesen Stadtteilen wohnen und sich dort vielleicht jetzt schon engagieren, zu helfen, aus diesem Bezug herauszukommen.

Das ist der Ansatz, den die GRÜNEN vertreten, und diesen Ansatz tragen wir an dieser Stelle mit. Es gibt viele andere Dinge im Antrag der GRÜNEN, mit denen wir nicht einverstanden sind, weil sie uns zu weit in eine Richtung gehen; deswegen würden wir ihn auch ablehnen. Aber die Überweisung, die offensichtlich die SPD verfolgt, würden wir unterstützen, denn das können wir im Ausschuss als gute Arbeitsgrundlage benutzen. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Bevor ich dem Senator das Wort erteile, hätte ich doch die Bitte, dass sich die fünf kleinen Gesprächskreise, die ich sehe, auflösen und dann dem Senator zuhören. – Herr Senator Scheele, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Arbeitsmarktpolitik steht in den nächsten Jahren grundsätzlich vor drei Voraussetzungen. Wir müssen besser werden, gut bleiben bei der Frage des Übergangs Schule/Beruf, alle Jugendlichen müssen ausgebildet werden und die Ausbildungsplätze müssen besetzt werden. Wir müssen des Fachkräfteproblems Herr werden, Menschen zwischen 25 und 35 Jahren, die heute arbeitslos sind, ausbilden und ihnen eine zweite Chance geben. Und drittens – damit bin ich beim Thema – müssen wir der viel zu großen Zahl von Menschen, die teilweise seit 2005, seit dem Beginn des SGB II, im Leistungsbezug sind, eine Perspektive geben. Dazu braucht man in der Tat ein anderes Förderungsinstrument. Anders als in den beiden anderen Feldern, Fachkräfte und Übergang Schule/Beruf, sind wir da nicht besonders gut. Ich stimme Herrn Golke zu, Passiv-AktivTransfer ist eine Technik, um Geld zu generieren, sagt aber nichts über den Inhalt. Über den Inhalt muss man völlig gesondert diskutieren.

Wir brauchen in der Tat ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis für diesen Personenkreis, auch eine längere Form der Befristung beziehungsweise Beschäftigung, aber niemals eine unbefristete Beschäftigung. Dann würde man