Protocol of the Session on August 27, 2014

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Offensichtlich leben Sie, sehr geehrte Frau Kollegin, in einer anderen Schulwelt als wir und auch sehr viele Lehrerinnen und Lehrer und Erzieherinnen, die sich gerade in den letzten Tagen und Wochen an viele Abgeordnete gewandt haben. Ich bin empört über das, was Sie uns hier heute geboten haben. Ich halte Ihnen zugute, dass man Ihnen das aufgeschrieben hat, aber das hat mit der Realität am Nachmittag an den Hamburger Schulen hinsichtlich GBS nun wirklich nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei den GRÜNEN und der LINKEN und bei Anna-Eli- sabeth von Treuenfels FDP)

Wir führen heute keine grundsätzliche Inklusionsdebatte, und wir reden auch nicht grundsätzlich über den Erfolg von GBS. Wir haben in der Vergangenheit in vielen Debatten bereits deutlich gemacht, dass wir Ihre vorschnelle und qualitativ minderwertige Einführung sowohl von GBS als auch von Inklusion für falsch halten. Wir sehen unter anderem an diesem Beispiel, das die GRÜNE Fraktion in ihrem Antrag dankenswerterweise noch einmal auf den Punkt gebracht hat, wozu das führt.

Wir hatten gestern eine Anhörung im Schulausschuss zum Thema kulturelle Bildung – Sie waren nicht alle dabei –, und da war es sehr interessant, einmal zu erfahren, wie der Senator und seine Führungsmannschaft in der Behörde sich die Steuerung von Politik vorstellen. Man kann es eigentlich so zusammenfassen: Das wird schon, wenn wir nur ein bisschen zuwarten, dann wird das alles schon werden, man muss den Dingen halt Zeit geben.

(Wolfgang Rose SPD: So ein Quatsch! Sie waren in einer anderen Veranstaltung!)

Herr Kollege, lassen Sie mich einmal ausreden. Sie können sich gleich gerne auch zu Wort melden.

Das kann man vielleicht im Zusammenhang mit der kulturellen Bildung so machen. Das ist nicht so schön für die Kulturschaffenden und die Kulturinstitutionen, und auch für die Schülerinnen und Schüler ist es nicht so richtig gut, aber da wird es vielleicht keinen so großen Schaden anrichten, könnte man denken. Aber im Zusammenhang mit Inklusion ist diese Haltung natürlich fatal, weil man hier den Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, und zwar in allen Bereichen, auch bei den LSE-Kindern und bei denen mit besonderen Förderbedarfen, einfach nicht gerecht wird. Darüber hinaus, und das ist auch ein wesentlicher Aspekt, findet hier eine Überforderung der Erzieherinnen und Erzieher und auch der Träger statt, die diese Aufgabe, die ihnen nach Landesrahmenvertrag aufgebürdet wurde, gar nicht leisten können. Das hätte man sehen können, andere haben es auch

gesehen beim Abschluss des Landesrahmenvertrags. Es ist aus unserer Sicht wirklich ein Skandal, dass die Behörde an dieser Schnittstelle zwischen GBS und Inklusion nicht das Heft in die Hand nimmt, sondern die Dinge sich selbst überlässt. Da heißt es in der Beantwortung der Großen Anfrage der GRÜNEN zu diesem Thema, es handele sich um eine Entwicklungsaufgabe und es sei eine Struktur im Aufbau. Das ist gerade das, was ich im Bereich der kulturellen Bildung gestern auch gehört habe. Und es ist einfach unverantwortlich, das für diesen Bereich so zu handhaben.

(Beifall bei der CDU)

Jeder, der Kontakt in die Schulen hinein hat, weiß, dass sich gerade im Zusammenhang mit der Neuorganisation der Schulbegleitung die Situation noch einmal deutlich verschärft hat, denn am Nachmittag kommt von den Schulbegleitungen leider sehr wenig an. Es reicht hinten und vorne nicht aus, gerade bei den LSE-Kindern. Auch dieses Programm, das Sie verkaufen, als sei es eine Neuerfindung, ist in Wahrheit ein Kürzungsprogramm. Ich habe mich vorhin gefragt, Herr Senator, ob Sie vielleicht einfach zu viel mit Bauen beschäftigt sind und sich deshalb nicht mehr hinreichend mit der Qualität Ihrer Maßnahmen befassen können. Das ist nicht gut.

(Beifall bei der CDU)

Herr Ritter von der FDP-Fraktion hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Zum Thema GBS möchte ich erst einmal kurz die Frage aufwerfen, woher die SPD ihre Sicht auf die Realität nimmt. Wir haben schon vorhin gehört, dass die Realität oftmals sehr stark von der Sichtweise der Senatoren oder der SPD-Fraktion abweicht. Das könnte vielleicht damit zu tun haben, dass man auch einmal außerhalb von Genossen-Runden mit Lehrern sprechen müsste. Wir tun das.

Herr Rabe hat vorhin gesagt, die Gründung einer Einrichtung reicht nicht aus, wir handeln, nur dann geht es weiter. Das war eine sehr starke Aussage, Herr Rabe. Jetzt übertrage ich das einmal. Sie haben eine neue Form eingerichtet, nämlich die GBS, und das Thema Inklusion vergessen oder von Anfang an nicht mitgedacht. So kommt es zu dem, was Frau von Berg angesprochen hat, dass nämlich die Eltern verängstigt sind und sich fragen, wie das mit der Inklusion abläuft und wie ihre Kinder an den Schulen betreut werden.

Wir haben an den Schulen nicht nur das Problem, dass es als Folge davon, dass Sie die Inklusion komplett auf die allgemeinbildenden Schulen verlagern, dort diese Schüler gibt, sondern hinzu kommt, was wir der Senatsantwort aus dem Antrag

der GRÜNEN – den wir, ich kann das schon vorwegnehmen, unterstützen – entnehmen können. Hier steht, wie Sie Inklusion definieren – Zitat –:

"[…] es handele sich um eine Entwicklungsaufgabe für die konzeptionelle Weiterentwicklung, um zum Beispiel das Wissen aus der pädagogischen Arbeit mit inklusiv zu beschulenden Kindern aus dem Vormittag in ein ganztägiges Gesamtsystem zu integrieren […]".

Das heißt also, dass Sie gesagt haben, wir machen jetzt erst einmal GBS, damit wir sagen können, dass wir allen Schülern die Möglichkeit gegeben haben, den Ganztag anzunehmen, und dann schauen wir, wie wir diese Kinder beschulen und betreuen können. Das ist, wie immer, der zweite Schritt vor dem ersten, und das machen wir einfach dauerhaft nicht mit.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Die Schüler sind nun einmal da, und wir haben jetzt schon – sprechen Sie mit den Leuten – Probleme mit der normalen GBS. Ich war, ich kann das Geheimnis lüften, einmal mit Frau Berg zusammen in Harburg.

(Zurufe aus dem Plenum: Hui!)

Auf einer offiziellen Veranstaltung zum Thema GBS natürlich.

Da hat sich ein völlig anderes Bild von GBS gezeigt: keine Räumlichkeiten für das Mittagessen und so weiter. Wenn ich mir überlege, dass dann noch die inklusive Betreuung durchgeführt werden soll, dann graut es mir wirklich. Ich verstehe nicht, wo Sie Ihr Weltbild oder Ihre Realität herhaben. Vielleicht gehen Sie einmal in Schulen, in denen nicht nur Genossen arbeiten.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Anjes Tjarks GRÜNE)

Frau Heyenn von der Fraktion DIE LINKE hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die GRÜNEN haben einen Antrag zur Inklusion im Rahmen der Ganztägigen Bildung und Betreuung an den Schulen vorgelegt. Tatsächlich findet aber Inklusion in diesen Bereichen so gut wie gar nicht statt, und das ist nicht, wie gesagt wurde, von den GRÜNEN suggeriert, das ist das klare Ergebnis der Großen Anfrage. Dazu zwei Zahlen.

Erstens: Fast die Hälfte der Grundschulen, genau sind es 45 Prozent der 120 Grundschulen mit Ganztägiger Bildung und Betreuung, haben kein einziges – in Tüttelchen – Inklusionskind in der Kernzeit.

Zweitens: Insgesamt finden sich an allen 125 Grundschulen mit Ganztägiger Bildung und Betreuung nur weniger als 1 Prozent der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Kernzeit. Man kann getrost sagen, dass die SPD mit den GBS-Schulen quasi inklusionsfreie Zonen geschaffen hat. Das gibt es sonst nur an den Gymnasien. Das ist ein Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention.

(Beifall bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Jetzt kommt Frau Hanneken-Deckert und sagt, die Zahlen stimmen alle nicht. Eines will ich Ihnen sagen: Wenn der Senator die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf für den Schulunterricht am Vormittag willkürlich herunterrechnet, um an der systemischen Zuweisung zu sparen, dann kann er das für GBS am Nachmittag nicht völlig anders rechnen, sodass dann plötzlich alle Inklusionskinder auch LSE-Kinder sind. So geht es auf keinen Fall; das ist das Allerletzte.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und bei Robert Heinemann, Karin Prien, beide CDU, und Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Die Qualität von GBS muss eindeutig verbessert werden. Die SPD hat in ihrem Wahlprogramm Qualität am Nachmittag versprochen – ich zitiere -:

"Wir werden mit einer Qualitätsoffensive den Unterricht und die Bildungsangebote an allen Schulen verbessern."

Das hat offenbar nicht geklappt. Von den Schulpalästen redet sowieso schon keiner mehr. Ich mache es kurz und bündig: DIE LINKE unterstützt den Antrag der GRÜNEN.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Olaf Ohlsen CDU: Sehr schön!)

Frau Dr. von Berg von der GRÜNEN Fraktion hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch wenn ich heute schon mehrfach am Rednerpult stand, was gerade auf meinem Weg nach vorne angemerkt wurde, so muss ich noch einmal etwas richtigstellen, damit wir als GRÜNE Fraktion nicht so dargestellt werden, als könnten wir die Zahlen nicht richtig interpretieren. Wir haben zwei Anfragen gestellt, eine Schriftliche Kleine Anfrage – da haben wir nach den Kindern gefragt, die tatsächlich einen speziellen sonderpädagogischen Förderbedarf haben – und eine Große Anfrage, in der wir, ich lese es gerne noch einmal vor, gefragt haben: "Wie viele Kinder davon mit sonderpädagogischem Förderbedarf […]?". Das sind alle Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, also auch die sogenannten LSE-Kinder. Und wenn Frau Hanneken-Deckert

(Finn-Ole Ritter)

sagt, die würden nachmittags statistisch nicht geführt, dann muss ich Sie fragen, ob in der GBS der Nachmittag eigentlich weiß, was der Vormittag macht.

(Beifall bei Robert Heinemann, Karin Prien, beide CDU, Dr. Anjes Tjarks GRÜNE und Dr. Walter Scheuerl fraktionslos)

Wir brauchen uns auch gar nicht über die Zahlen zu streiten; das ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist – lesen Sie dazu bitte unseren Antrag –, dass es keine Konzepte gibt, meine Damen und Herren.

(Dirk Kienscherf SPD: Es wird einfach Gutes getan!)

Das Entscheidende ist, dass es keine Standards gibt. Und genau diese beiden Punkte fordern wir ein.

(Dirk Kienscherf SPD: Standard war früher, wir sind über den Standard hinaus!)

Dass die SPD das noch nicht einmal an den Ausschuss überweist, zeigt, dass Inklusion für sie keinen Stellenwert hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der CDU und bei Dr. Walter Scheuerl fraktions- los)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, also kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte einer Überweisung der Drucksache 20/12635 an den Schulausschuss folgen? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit hat die Überweisung keine Mehrheit gefunden.

Dann lasse ich in der Sache abstimmen.

Wer möchte dem GRÜNEN Antrag aus Drucksache 20/12635 seine Zustimmung geben? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit hat der Antrag keine Mehrheit gewonnen.

Wir sind am Ende unseres ersten Sitzungstags angelangt. Ich wünsche Ihnen einen guten Nachhauseweg und einen schönen Feierabend.