Protocol of the Session on August 27, 2014

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Fegebank. — Das Wort hat Frau Kaesbach von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieses Papier verdient den Namen Strategie nicht. Laut Duden ist eine Strategie ein genauer Plan des eigenen Vorgehens, der dazu dient, ein Ziel zu erreichen, indem man diejenigen Faktoren, die in die eigene Aktion hineinspielen könnten, von vornherein einzukalkulieren versucht. Nichts davon trifft auf Ihr Papier zu, lieber Herr Senator Scheele. Das Papier ist gespickt mit Leitsätzen und Handlungsempfehlungen – meine Vorredner gingen schon darauf ein.

(Ksenija Bekeris SPD: Die haben das auch schon mal gelobt!)

Das Aufführen von Zielen fehlt, und was als vermeintliche Ziele verstanden wird, i st im Grunde – ich benutze einmal die alte Redensart – alter Wein in neuen Schläuchen, denn bereits 2003 gab es ein umfangreiches Konzept unter dem Titel "Landesinitiative 'Hamburg engagiert sich'", in dem mit weniger Worten teilweise identische Handlungsansätze beschrieben wurden. Übrigens ist auf der Website Ihrer Sozialbehörde, Herr Scheele, die Landesinitiative "Hamburg engagiert sich" noch zu finden. Wenn man das vergleicht, dann könnte man meinen, das damalige Kuratorium unter der ehemaligen Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram sei immer noch eingesetzt – ich schicke Ihnen gern den Link zu – und das damalige eigenständige Referat "Bürgerschaftliches Engagement" würde noch bestehen. Statt dass der Senat nun aber die in der 2003 gegründeten Landesinitiative enthaltenen sinnvollen Maßnahmen zur Förderung des gesellschaftlichen Engagements übernimmt, verkauft die SPD fast gleiche Inhalte unter ihrem eigenen Etikett. Das nennt man ganz einfach Schummeln.

(Beifall bei der FDP)

Das hätten Sie sich auch einfacher machen können. Die Ressourcen, die in das Abschreiben des früheren Landesaktionsplans und in das neue Design des Strategiepapiers geflossen sind, wären in der Überprüfung der Zweckmäßigkeit einer Ehrenamtskarte zum Beispiel wesentlich besser angelegt gewesen.

Hamburg braucht das Engagement von Freiwilligen. Ohne ihre Arbeit würde es viele Vereine und gemeinnützige Einrichtungen nicht geben. Unsere Gesellschaft wäre ärmer an Möglichkeiten und Chancen. Dieses Engagement muss unterstützt und ausgebaut werden. Sowohl der Freiwilligensurvey von 1999 als auch der von 2009 haben ungenutzte Potenziale aufgezeigt. Viel mehr Menschen würden und könnten sich engagieren. Die

(Katharina Fegebank)

ses Potenzial wurde aber bisher nur unzureichend abgerufen, unter anderem, weil es bisher an einer intensiveren Vernetzung aller Akteure mangelte. Das hatte auch schon die Landesinitiative von 2003 festgestellt und eine stärkere Vernetzung gefordert. Lieber Herr Scheele, seit Ihrem Amtsantritt hätten Sie nun Zeit gehabt, das zentrale Engagementportal weiterzuentwickeln und stärkere Beteiligungsmöglichkeiten für Migranten, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit schwachem Bildungs- und Erwerbsstatus zu schaffen. Diese Zeit haben Sie leider ungenutzt verstreichen lassen,

(Beifall bei der FDP)

nur um sich jetzt selbst für etwas zu loben und loben zu lassen, was in ähnlicher Form bereits existierte und keiner Neuerfindung bedurfte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ein wichtiger Punkt fehlt bei dem Konzept – auch das wurde von Frau Dr. Föcking schon angesprochen –, nämlich die Einbindung der gesamten Hamburger Wirtschaft. Zivilgesellschaftliches Engagement hat eine Vorbildfunktion, die gerade Kammern und Unternehmen bereichern könnten. Der Arbeitgeber kann für die persönliche Entscheidung des Arbeitnehmers, sich zu engagieren, motivierend wirken, diese fördern und unterstützen. Vielen Freiwilligen ist bereits bekannt, dass sie durch ihr Engagement wertvolle Zusatzqualifikationen erwerben können, die ihnen auch im Arbeitsalltag von Nutzen sind. Aber ist das auch den Arbeitgebern bekannt? Wie verhalten sie sich gegenüber dem Engagement ihrer Arbeitnehmer? Wie können sie als Motivator genutzt und gewonnen werden? Hier sollte man das Konzept noch verbessern.

(Beifall bei der FDP)

Worüber ich beim Lesen des Papiers gestaunt habe, und da geht es mir genauso wie Frau Dr. Föcking, ist die geplante Verknüpfung der Vergabe von Projekten mit dem Umfang der interkulturellen Öffnung des jeweils sich bewerbenden Trägers. Das ist wirklich abenteuerlich und erinnert an Quoten. Warum nicht auch eine Vorschrift für den Anteil an Frauen im Vorstand des jeweiligen Trägers oder Menschen mit Behinderung? Die interkulturelle Öffnung und Gewinnung von Migranten für das Ehrenamt ist ein hehres Ziel. Dieses Ziel kann und darf aber nicht mit Zwang verbunden sein und erreicht werden. Dadurch werden künstliche Hindernisse aufgebaut, die für manche Organisationen nicht überwindbar sind und zu einem Ende ihres Engagements führen können.

Wie man sieht, haben Sie weder Ziele noch zielführende Ideen in Ihrer Engagementstrategie benennen können. Ich bin gespannt auf die Diskussion im Sozialausschuss und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kaesbach. – Das Wort hat Frau Özdemir von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es wurden schon viele Punkte angesprochen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Eigentlich alle!)

Es ist immer schwierig, wenn man die letzte Rednerin ist und dann alles wiederholen soll.

(Finn-Ole Ritter FDP: Ich kenne das, ich teile das Leid!)

Das möchte ich aber nicht tun, sondern will nur auf vier wichtige Punkte eingehen. Das ist einmal das Thema Migrantenorganisation. Gut finde ich hier, dass die Forderung mit aufgenommen wurde, sprich hier auch eine Einbeziehung stattgefunden hat. Inwieweit das passiert ist, kann ich jetzt nicht beurteilen, aber ich finde es positiv, dass man sich hier nicht wieder die Frage stellt, warum so wenige Migrantinnen und Migranten in den klassischen freiwilligen Tätigkeiten aktiv sind, sondern die Forderung, hier einmal umzudenken, auch wirklich anerkennt und akzeptiert, warum es wichtig ist, dass Migranten sich auch in ihrer Community aktiv betätigen und dass dieses Engagement auch anerkannt wird.

(Beifall bei der LINKEN und bei Regina-Eli- sabeth Jäck SPD)

Das Problem hierbei ist natürlich auch – ich habe es bereits in der Aktuellen Stunde gesagt –, dass die Migrantenorganisationen, die wirklich eine wichtige Arbeit für die Gesellschaft leisten, keine Fördergelder bekommen. Vor allem die kleineren Migrantenorganisationen sind davon betroffen. Sie müssen sich aus Mitgliedsbeiträgen finanzieren, und das ist dann ziemlich problematisch.

Der andere Punkt ist das Thema Menschen mit Behinderung. Es wurde erwähnt, dass die Sicherstellung der Assistenzleistungen enorm wichtig ist, damit Menschen, die eine Assistenz brauchen, sich auch wirklich beteiligen können. Verantwortlich sind hier die Einrichtungen der Eingliederungshilfe, und mich würde im Ausschuss noch einmal interessieren, wie die Einrichtungen darauf reagieren, weil ich ein wenig den Eindruck habe, dass es da noch Barrieren gibt, die seitens der Einrichtungen nicht so überwunden werden können, wie wir es uns wünschen. Die Bereitschaft ist da, nur muss natürlich auch die Möglichkeit geschaffen werden, damit hier eine Partizipation von Menschen mit Behinderung stattfindet.

(Beifall bei der LINKEN)

Der dritte Punkt ist wichtig für meine Fraktion, das Thema Arbeitsmarktneutralität. Hier geht es uns darum, dass durch diese freiwillig geleistete Arbeit

(Martina Kaesbach)

keine regulären Arbeitsplätze ersetzt werden. Damals beim Zivildienst hatten wir solche Probleme; dort hat es nicht so richtig geklappt. Aus den Handlungsempfehlungen wird mir einfach nicht klar, wie diese Neutralität gewährleistet werden soll. Darin steht zwar, dass es ein Problem ist, aber mir wird nicht deutlich, wie diese Problematik aus der Welt geschafft werden soll.

Der vierte Punkt bezieht sich darauf – das ist auch die Kritik des AKTIVOLI-Netzwerks, das Papier haben sie an alle Fachsprecher/-innen geschickt –, dass es keine Kategorisierung in langfristige, mittelfristige oder kurzfristige Maßnahmen gibt. Hier fehlen, wie Frau Fegebank auch erwähnt hat, einfach Kennzahlen. Dasselbe Problem haben wir beim Integrationskonzept. Auch dort wissen wir nicht, welches Ziel wann erfüllt werden soll und welches Ziel irgendwann einmal messbar ist. Die Messbarkeit dieser Strategie fehlt total, aber wir werden im Ausschuss die Möglichkeit nutzen, diese Fragen zu stellen und zu diskutieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Özdemir. – Das Wort hat Herr Senator Scheele.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Freiwilliges Engagement und die Übernahme von Ehrenämtern in Vereinen, Kirchen, Stiftungen und Initiativen ist für diese Stadt wie für das ganze Land von großer Bedeutung. Es sichert den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft und schafft demokratische Beteiligungsmöglichkeiten. Ohne eine aktive Bürgergesellschaft wäre unsere Demokratie nur eine Hülse, nicht aber ein lebenswertes Gemeinwesen. Vor diesem Hintergrund hat sich der Hamburger Senat, unterstützt von einem entsprechenden Ersuchen dieses Hauses, dazu entschlossen, eine umfangreiche Strategie zur Förderung des freiwilligen Engagements zu erstellen. Die Engagementstrategie 2020, darauf ist hingewiesen worden, ist im Rahmen eines umfassenden Beteiligungsprozesses entstanden. Mehr als 300 Hamburger und Hamburgerinnen aus allen gesellschaftlichen Gruppen, insbesondere aus dem AKTIVOLI-Landesnetzwerk, den Gewerkschaften, aber eben auch aus den Verbänden der Wirtschaft, auch wenn das hier als mangelhaft kritisiert worden ist – daran kann man vielleicht etwas verbessern, das ist kein Problem –, haben sich an der Entwicklung dieser Strategie beteiligt. Allen Beteiligten, da will ich mich meinen Vorrednern anschließen, gilt der Dank für ihr ehrenamtliches Mitwirken an der Entwicklung einer solchen Strategie.

(Beifall bei der SPD)

Da wahrscheinlich die wenigsten der Beteiligten diesen Dank heute hören, werden wir am 15. Sep

tember einen Senatsempfang als Dankeschön und Würdigung dieses Engagements für alle an der Entwicklung Beteiligten hier im Rathaus durchführen.

(Beifall bei der SPD)

Freiwilliges Engagement kann weder staatliche Aufgaben ersetzen noch kann das Engagement staatlich verordnet werden. Die Bereitschaft zum Engagement entsteht und wächst aus der Eigeninitiative der Menschen. Sie ist nicht selbstverständlich, sie muss gepflegt und unterstützt werden, und sie muss eben wertgeschätzt werden.

(Beifall bei der SPD)

Aufgabe des Staates ist es, freiwilliges Engagement zu ermöglichen und Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen freiwilliges Engagement anerkannt wird und sich entfalten kann. Freiwilliges Engagement, das will ich hier deutlich sagen, kann staatliche Aufgaben nur unterstützen und ergänzen. Die Regelaufgaben des Staates muss der Staat mit eigenem Personal und eigenen Einrichtungen in abgesicherter Form durchführen. Freiwilliges Engagement ist eine Ergänzung und ein besonderer Schatz, der staatliches Engagement unterstützt und aufwerten kann – mehr nicht, aber das ist schon viel.

(Beifall bei der SPD)

Woher kommt die Bereitschaft von Menschen, sich ehrenamtlich im Sportverein, bei der freiwilligen Feuerwehr, dem Katastrophenschutz, in Initiativen oder Stiftungen zu engagieren?

(Finn-Ole Ritter FDP: Oder Parteien!)

Oder in Parteien, das stimmt.

Die besten Antriebsfedern für freiwilliges Engagement sind meiner Auffassung nach die Freude am Leben, die Lust auf eine lebendige Gemeinschaft mit anderen Menschen und die Begeisterung fürs Mitgestalten der eigenen Lebenswelt und des Umfeldes. Aus meiner Sicht ist der wichtigste Aspekt des Ehrenamts der Wunsch, selbst etwas zu gestalten und bestimmen zu können und diesen Wunsch so auszugestalten, dass er in dem Bestreben, dabei anderen zu helfen, auch immer wieder auf seinen Ursprung des bürgerschaftlichen Engagements zurückgeführt wird. Diese Form des freiwilligen Engagements ist ein Ausdruck von Freiheit und einer vom Staat unabhängigen Solidarität, denn das Gemeinwohl lebt vor allem von der Kreativität, der Initiative, den Ideen und dem freiwilligen und unentgeltlichen Einsatz der Bürgerinnen und Bürger in Kirchen, Organisationen, Verbänden, Vereinen, Stiftungen, Gremien und eben Einrichtungen.

Umso entscheidender ist es daher heute, dem Ehrenamt, der Freiwilligenarbeit und der gelebten Solidarität der Bürgerinnen und Bürger mehr Gewich

(Cansu Özdemir)

tung, Anerkennung und Wertschätzung zuteilwerden zu lassen. Es ist bemerkenswert, eine der Vorrednerinnen hat es gesagt, dass sich in Hamburg rund 450 000 Menschen ehrenamtlich engagieren, bürgerschaftlich betätigen oder in der Selbsthilfe aktiv sind. Ihnen allen gebührt der Dank dieses Hauses und des Senats.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Was sind nun die konkreten Themen der Engagementstrategie 2020? Zunächst wendet sich die Strategie, auch darauf ist hingewiesen worden, an drei Akteure: an die Zivilgesellschaft als diejenigen, die unterstützt, aufgefordert und wertgeschätzt werden sollten, an den Staat selbst und eben an die Wirtschaft. Diese drei Akteure machen das aus, was wir in dieser Engagementstrategie auf den Weg bringen wollen. Die Strategie will neue Zugangswege schaffen, die bestehende Engagementförderung in Hamburg überprüfen und Wege aufzeigen, wie insbesondere für Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderungen, bildungsfernen Menschen und Arbeitslosen die Zugangswege in das freiwillige Engagement verbessert werden. Ich habe vor zwei Monaten zu 50 Jahre freiwilliges soziales Jahr beim Deutschen Roten Kreuz in Blankenese eine Rede gehalten und mich mit den jungen Leuten unterhalten, die da das FSJ machen. Darunter war niemand, der kein Abitur hatte. Das ist in Ordnung, aber wir müssen auch die Zugangswege für diejenigen eröffnen, die nicht den höchsten Bildungsabschluss in dieser Stadt haben, weil es auch eine Fortbildung ist, in solchen Zusammenhängen mit anderen sozialen Gruppen zusammenzuarbeiten, und auch darum soll es in dieser Engagementstrategie gehen.