Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte kurz zusammenfassen: Ich bin allen Fraktionen dankbar, dass sie unser Anliegen teilen. Vom Ziel her sind wir uns wirklich alle einig. Wir wollen ruhig und sachlich im Innenausschuss darüber sprechen. Zu dem, was Herr Schäfer gesagt hat, nur ein Appell: Wenn wir die Sache über die Härtefallkommission regeln wollen – das habe ich versucht in meiner Rede darzustellen –, wissen wir nicht, ob alle Fälle, die betroffen sind, uns in der Härtefallkommission erreichen, weil der Antrag dazu aktiv von den Betroffenen gestellt werden muss. Und abzuwarten, dass uns solche Fälle bis zur gesetzlichen Umsetzung über die Härtefallkommission erreichen, ist zu wenig. Wir brauchen jetzt eine Handlung auf Behördenebene, damit so etwas nicht passiert, bis es gesetzlich geregelt ist, denn wir wissen nicht hundertprozentig, ob alle Fälle, die es betrifft, uns in der Härtefallkommission erreichen, weil sie über den Eingabenausschuss erst einmal dahinkommen müssen. Daher noch einmal der Appell an Sie, in irgendeiner Form dafür zu sorgen, dass diese Fälle uns entweder in der Härtefallkommission erreichen, bis es eine gesetzliche Regelung gibt, oder dass wir über eine Fachanweisung sprechen, wie wir es gefordert haben, damit klar ist, dass so etwas nicht passieren kann und nicht über die Härtefallkommission geregelt werden muss. Das ist mein Anliegen.
(Beifall bei der FDP und der LINKEN und bei Barbara Nitruch SPD, Dr. Stefanie von Berg und Christa Goetsch, beide GRÜNE)
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/12199 an den Innenausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist damit einstimmig beschlossen worden.
Dann rufe ich jetzt auf den Tagesordnungspunkt 55, Drucksache 20/12173, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Sofortmaßnahmen zur Stabilisierung der Arbeit im ASD.
Hierzu liegen Ihnen als Drucksachen 20/12306 und 20/12323 Anträge der Fraktionen der GRÜNEN und der SPD vor.
[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Sofortmaßnahmen zur Stabilisierung der Arbeit im ASD – Drs 20/12173 –]
[Antrag der SPD-Fraktion: Allgemeine Soziale Dienste (ASD) und Kindesschutz weiter stärken! – Drs 20/12323 –]
Die Fraktionen der CDU und der LINKEN möchten die Drucksache 20/12173 an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss überweisen. Darüber hinaus liegt vonseiten der CDU-Fraktion ein Antrag auf Überweisung der Drucksachen 20/12306 und 20/12323 ebenfalls an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss vor. Wird hierzu das Wort gewünscht? – Frau Schneider von der Fraktion DIE LINKE, bitte schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erneut muss ich den Kollegen Mehmet Yildiz etwas kurzfristig vertreten, da er aus triftigen Gründen heute verhindert ist. Zugegeben ist es etwas ungewöhnlich, dass wir den Antrag "Sofortmaßnahmen zur Stabilisierung der Arbeit im ASD" in nur etwas geänderter Form zum zweiten Mal innerhalb relativ kurzer Zeit zur Debatte angemeldet haben. Beim ersten Mal wurde der Antrag abgelehnt und nicht einmal überwiesen, aber die Entwicklung hat bestätigt, wie berechtigt unsere Forderungen waren und sind.
In dem Zeitraum seit der ersten Debatte haben eine Mitarbeiterin des ASD aus Bergedorf, ein Abteilungsleiter aus Eimsbüttel und der Jugendamtsleiter des Bezirks Hamburg-Mitte im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Yagmur außerordentlich kritisch die Arbeitsbedingungen und die Rahmenbedingungen in der Jugendhilfe beschrieben und Verbesserungen gefordert. Den Abteilungsleiter aus Eimsbüttel erklärte die "Hamburger Morgenpost" zum Hamburger der Woche. Die Aussagen haben deutlich gemacht, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schnell bessere Arbeitsbedingungen brauchen, um einen besseren Schutz für die Kinder dieser Stadt gewährleisten zu können.
Die Beschäftigten haben im PUA Yagmur dem Ausschussvorsitzenden ihre Forderungen übergeben. Diese Forderungen waren vorher auf einer Personalversammlung der ASD-Beschäftigten verabschiedet worden und decken sich in wesentlichen Punkten mit unserem vorliegenden Antrag. Sie haben eine öffentliche Antwort verdient. Schließlich hat die Sozialbehörde jetzt angekündigt, nun doch zusätzliche Stellen im ASD zu schaffen. Die Sozialbehörde sieht inzwischen also Handlungsbedarf, um die prekäre Situation in vielen ASD-Dienststellen zu entschärfen, allerdings ohne Beteiligung der Beschäftigten und ihrer Per
sonalvertretungen. Wir finden, dass die Beschäftigten ein Recht auf eine Antwort zu ihrem Papier haben. Sie haben ein Recht darauf, dass sie angehört werden, und es ist politisch ratsam, sie endlich am Prozess der Aufarbeitung der Probleme dort zu beteiligen, denn sie sind die Fachleute in diesem Bereich.
Deshalb schlagen wir erneut einen Runden Tisch in der Sozialbehörde vor. Bisher hat der Senator die Beschäftigten im Wesentlichen über das "Hamburger Abendblatt" zu seinen Absichten informiert. Auch jetzt hat der Senator wieder ein Papier zur Verbesserung des Kinderschutzes in Hamburg vorgelegt, ohne die Fachleute in den Jugendämtern zu beteiligen. Und natürlich wird auch die Opposition nicht beteiligt, obwohl der Ausschuss noch tagt und bisher keine Auswertung des Gehörten vorgenommen hat. Das Papier aber erweckt den Anschein, dass das Thema jetzt erledigt sei, und das ist falsch. Dabei begrüßen wir, dass es in den Jugendämtern zu Verbesserungen der Arbeitssituation bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in einzelnen Abteilungen kommen soll. Allerdings sehen wir die vom Senat getroffenen Maßnahmen als ungenügend an; es ist kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Einige Maßnahmen gehen in die falsche Richtung, und andere Fragestellungen werden gar nicht berücksichtigt. Die zusätzlichen Stellen im ASD sollen nur befristet entstehen. Solche Maßnahmen sind ungeeignet, die Arbeitssituation beim ASD deutlich und dauerhaft zu verbessern. Das geht gar nicht, Herr Senator.
Selbst eine Verbeamtung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ASD und bundesweites Inserieren wird nichts bringen. Die Bedingungen in Hamburg sind bundesweit bekannt, und wer kommt, ist schnell wieder weg. Das ist die bittere Realität.
Wie schon in der Auseinandersetzung im Sonderausschuss Chantal deutlich geworden ist, fehlt dem Senator ein ordentliches Fach- und Gesamtverständnis der Situation in den Jugendämtern. Die Politik des Senats zeichnet sich dadurch aus, dass man dort versucht, eine Lücke im System nach der anderen zu stopfen – im Wesentlichen mit dem weiteren Ausbau von Dokumentation und Kontrolle. Deshalb also unser erneuter Antrag, der die Sozialbehörde in einen Dialog mit den Akteuren und ihren Personalvertretungen bringen soll. Das wäre nicht nur ein Stück Demokratie, sondern würde auch den Sachverstand vor Ort für die Erarbeitung von Lösungen mobilisieren. Daran fehlt es an vielen Stellen.
Ich möchte das an drei Beispielen erläutern. Erstens: Anstatt endlich einmal die Probleme und Kritiken der Mitarbeiterinnen und der Fachleute bei
der Software JUS-IT in der Diskussion zu berücksichtigen, werden den Abteilungsleitungen weitere Stellen zugeordnet, um das schlecht funktionierende Dokumentationssystem am Laufen zu halten, anstatt es praxistauglich zu machen. Das System wird immer teurer, ohne dass bisherige Mängel abgestellt wurden. JUS-IT soll jetzt über 133 Millionen Euro kosten, ohne dass die zweite Stufe voll ausfinanziert ist, und die dritte Stufe ist finanziell noch gar nicht berücksichtigt. Allein der Parallelbetrieb von Handakten und JUS-IT kostet 2014 laut Behörden über 32 Millionen Euro. Das ist mehr als für die gesamte offene Kinder- und Jugendarbeit in diesem Jahr ausgegeben wird. Nach Gerüchten aus der Behörde werden dort schon Zahlen in Höhe von 250 Millionen Euro gehandelt. Die Verträge mit IBM müssen aus Sicht unserer Fraktion offengelegt werden.
Der fortwährende Ausbau von Kontrolle und Dokumentation führt zu immer weniger Zeit für den Kontakt zu den betroffenen Familien. Die fortwährenden Standardisierungen führen nicht zur Verbesserung für die Menschen, sondern verstellen den Blick auf das, was im konkreten Fall gebracht wird. Wie überreguliert und überbürokratisiert der ASD in Hamburg ist, zeigt ein 600 Seiten dicker Anlagenband für die Beschäftigten, in dem die zu beachtenden Regeln aufgelistet sind. Allein über 40 Seiten müssen für einen Kinderschutzbogen ausgefüllt werden. In Nürnberg genügen dafür drei bis vier Seiten, in denen alle relevanten Daten erhoben werden. Dieses System muss genauso überprüft werden wie die Jugendhilfeinspektionen.
Zweitens: Anstatt die fortwährende Flucht aus der Arbeit und die Überlastungsanzeigen der Beschäftigten hinzunehmen und die Arbeitsbelastung der Kolleginnen kleinzureden, sollte mit den Kollegen und Kolleginnen über die Wertschätzung ihrer Arbeit, über eine angemessene Entlohnung und ihre Arbeitsbedingungen gesprochen werden. Es müssen Fallobergrenzen her. Daran arbeitet der Senator jetzt schon seit rund drei Jahren. Dieses Papier enthält eine weitere Ankündigung eines Personalbemessungssystems auf der Grundlage von JUS-IT. Besonders verwerflich ist dabei, dass der Senat in seiner Tischvorlage für den Landesjugendhilfeausschuss mit den Bezirken verbindliche Kontrakte schließen möchte und die personellen Verbesserungen an die – Zitat, Seite 5 –
Drittens: Auch der Vorschlag zu den Kinderkompetenzzentren geht aus unserer Sicht in die falsche Richtung. Anstatt die Hilfe im Sozialraum vor Ort bei den Gesundheitsämtern und Kinderärzten vor
zuhalten, müssen jetzt alle weite Wege gehen. Zu dieser Methode gehört dann auch das Schließen der ASD-Dienststelle Mümmelmannsberg vor einiger Zeit und jetzt der Plan, die ASD-Dienststelle auf St. Pauli zu schließen.
Ein Zeichen, dass der Senat zumindest an einer gemeinsamen Diskussion mit der Opposition interessiert ist, um die grundsätzlichen Problemlagen in der Kinder- und Jugendhilfe zu bearbeiten, wäre die Überweisung unseres Antrags an den Familienausschuss. Stattdessen flickt der Senat ständig am System und reagiert reflexartig mit weiterer Kontrolle. In diesem Zusammenhang wird sehr viel Geld sinnlos ausgegeben, das für die Entwicklung von Hilfen und Angeboten bei den betroffenen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien dann fehlt.
Dem Zusatzantrag der GRÜNEN werden wir zustimmen. Er ist ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn dort die notwendige kritische Überprüfung von JUS-IT, der Jugendhilfeinspektion und des Qualitätsmanagements nicht gefordert wird – aber es ist auch ein Zusatzantrag. Mit dem Antrag der GRÜNEN werden weder die grundsätzlichen, falschen Weichenstellungen in der Kinder- und Jugendhilfe korrigiert, noch wird ein Weg gewiesen, wie die Fachleute vor Ort in diese Debatte eingebunden werden können.
Den Antrag der SPD lehnen wir ab. Er beschreibt ausschließlich die ungenügenden Reaktionen auf die äußerst prekäre Situation bei vielen ASDDienststellen, um dann eine Berichtspflicht beschließen zu können. Das ist zu wenig. So etwas kann die Opposition selbst mit Großen und Schriftlichen Kleinen Anfragen besser erledigen. – Schönen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, ich finde es schon erstaunlich, wie Sie ein- und denselben Antrag innerhalb von drei Monaten das dritte Mal in dieses Haus einbringen können. Ich versichere Ihnen, davon wird der Antrag nicht besser, und ich wage auch zu bezweifeln, dass er dieses Mal die erforderliche Mehrheit und Zustimmung erfahren wird.
In Ihrem fast wortgleichen Antrag vom 23. April fordern Sie die Schaffung eines Krisenstabes für den ASD in Form eines Runden Tisches. Heute fordern Sie in Ihrem Antrag nur noch einen Runden Tisch. Aus Ihren ansonsten gleichlautenden Formulierungen lese ich heraus, dass Sie den Senat vor allem
zu diesem Runden Tisch auffordern, weil Sie dringenden Handlungsbedarf für den ASD sehen; das hatten Sie auch so in Ihrer Rede ausgeführt. Diesen Handlungsbedarf sehen wir auch, die Lösung durch einen Runden Tisch allerdings nicht.
Bemerkenswert finde ich auch, dass DIE LINKE schon weiß, was bei einem solchen Runden Tisch herauskäme, zum Beispiel eine Fallzahl von 28 pro Fachkraft; das hatten Sie eben auch dargestellt. Wir hören dagegen immer wieder von Fachleuten, wie wenig sinnvoll und praxisnah eine solch rein quantitative Festlegung wäre.
SPD-Senat und -Fraktion haben seit 2011 vielfältige Maßnahmen ergriffen, um den ASD zu stärken. So wurden 44 neue Stellen geschaffen, damit der ASD in sozialräumlichen Netzwerken mitarbeiten kann, damit die Präsenz des ASD im Stadtteil und bei der Zusammenarbeit mit Kitas, Schulen und Gesundheitsdiensten gestärkt wird.
Mit dem Programm "Sozialräumliche Hilfen" wurden mehr und neue Hilfen geschaffen, die niedrigschwellig zugänglich und auf kurzem Wege im unmittelbaren Wohnumfeld erreichbar sind. Durch die Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 10 wurde ab dem 1. Januar 2012 eine bessere Bezahlung der ASD-Fachkräfte erreicht.
Gleichzeitig ist der ASD generell von Personalkonsolidierungen, wie sie in anderen Behörden und Ämtern durchgeführt werden, komplett ausgenommen. Freie Stellen werden grundsätzlich unverzüglich nachbesetzt. Dadurch ist die Zahl der Vakanzen bereits deutlich gesunken. So hatten wir zum Stichtag 31. Dezember einen Besetzungsstand von rund 97 Prozent. Damit der ASD auch qualitativ gut aufgestellt ist, hat die BASFI ein 18-monatiges Einarbeitungsprogramm für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickelt. Darüber hinaus gibt es Schulungen, beispielsweise zum Erkennen und zum Umgang mit Kindeswohlgefährdungen, und alle ASD-Leitungen und Fachkräfte erhalten, wenn dies gewünscht ist, Einzel- oder Gruppensupervisionen. Das war lange Zeit auch keine Selbstverständlichkeit.