Protocol of the Session on April 10, 2014

[Bericht der Härtefallkommission – Drs 20/11207 –]

Hierzu ist mir mitgeteilt worden, dass aus den Reihen der Fraktionen der LINKEN und der GRÜNEN gemäß Paragraf 26 Absatz 6 unserer Geschäftsordnung das Wort begehrt wird. Frau Möller bekommt es zunächst für maximal fünf Minuten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte diesen Bericht der Härtefallkommission, den wir immer nur zur Kenntnis nehmen, zum Anlass nehmen, um kurz etwas zu sagen, auch anschließend an die Debatte, die wir vor 14 Tagen anlässlich des FDP-Antrags zur Änderung der Zusammensetzung der Härtefallkommission hatten. Die Aufgabe der Härtefallkommission kann man in der Verwaltungsverfahrensvorschrift zum Paragraf 23a nachlesen. Ich nenne Sie Ihnen einfach noch einmal.

(Gerhard Lein SPD: Nachhilfestunde?)

Die Aufgabe unserer Arbeit besteht darin, aus dringenden, humanitären oder persönlichen Gründen möglicherweise zu einem gemeinsamen Ersuchen für den Petenten, die Petentin oder auch eine ganze Familie zu kommen. Wir diskutieren in der Härtefallkommission viel und lange, wir treffen uns sehr regelmäßig. Wichtige Entscheidungspunkte sind aus unserer Sicht – wir müssen sie selbst finden, sie sind nicht in den Verfahrensvorschriften genannt – zum Beispiel das Thema Schulabschluss, das Thema möglicher ausländerrechtlicher Verstoß von Eltern, die Frage nach dem Verwurzeltsein in der Gesellschaft, die Frage nach Sprachkenntnissen und die gesundheitliche Situation. Dagegen stehen dann oft die Themen Bezug von öffentlichen Leistungen oder auch Straftaten und die damit zusammenhängende Prognose.

Was all unsere Debatten eint ist die Tatsache, dass die Auswirkungen unserer Entscheidungen massive Folgen für die Menschen haben, die mit der Bitte an uns herantreten, ihnen hier den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Manchmal denkt man, man kennt schon alle Situationen, in die Menschen ohne einen sicheren Aufenthalt in unserer Stadt geraten können. Anders herum denkt man manchmal auch, dass man schon alle Situationen kennt, in die die Menschen geraten können, die abgeschoben werden. Wir haben die unterschiedlichsten Fälle, und ich möchte gern an einem fiktiven Lebenslauf ein Beispiel geben.

Es ist ein häufig vorkommender Einwandererlebenslauf einer Familie, die vor mehr als 20 Jahren eingereist ist. Kinder werden hier geboren, die Kinder haben hier immer gelebt. Hier gibt es zerrüttete Familienverhältnisse, es gibt in der Schule Spätzündungen. Es gibt Straftaten, die jeweils mit Bewährung oder mit Arbeitsstunden geahndet wer

den. Die Kinder werden volljährig, die Eltern haben es versäumt, den Aufenthalt hier zu verfestigen. Dann folgt, logisch und rechtlich richtig in der Konsequenz aus Sicht der Ausländerbehörde, die Abschiebung in ein Land, in dem sie nie waren, in dem sie keine Familie haben und dessen Sprache sie nicht sprechen.

Das kann ein Beispiel für eine Härte dieser fiktiven Lebensläufe, aber dann doch wieder realen Personen sein. Und wenn wir an dieser Stelle kein Einvernehmen zustande bekommen, dann ist es ein Beispiel für eine Härte mit brutalen Auswirkungen für die betroffenen Personen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort hat nun Frau Schneider.

Auch ich möchte an die Debatte anschließen, die wir in der letzten Sitzung hatten.

(Olaf Ohlsen CDU: Die hatten wir doch schon, Frau Schneider!)

Ja, aber die Wahrheit oder die Tatsachen…

(Olaf Ohlsen CDU: Es gibt nur eine Wahr- heit!)

Nein, es gibt Tatsachen, und ich hatte letztes Mal gesagt, es gebe Fälle, die außerordentlich schwierig seien und bei denen die Konstruktion der Härtefallkommission auf dem Prüfstand stehe.

Ich würde sagen, sie stand in einem Fall auf dem Prüfstand. Wir haben letztes Mal diskutiert, dass es bei der Konstruktion der Härtefallkommission in Hamburg reicht, wenn ein einziger Vertreter einer Fraktion Nein sagt. Dann senkt die Härtefallkommission den Daumen über Menschen. Da tragen wir alle eine schwere Verantwortung, und dessen müssen wir uns immer gewiss sein.

Worum geht es? Es ist sehr schwierig, denn ich kann nichts Konkretes aus der Härtefallkommission berichten.

(Olaf Ohlsen CDU: Etwas Fiktives!)

Deswegen möchte ich etwas über die grundsätzliche Situation sagen. Es geht um die Frage, wie Hamburg mit Hamburger Bürgerinnen und Bürgern umgeht, die hier geboren sind und hier gelebt haben, die hier sozialisiert worden sind und gar nichts anderes kennen als Hamburg, deren ganzes soziales Umfeld in Hamburg ist, deren Familie in Hamburg ist, die kurz und gut Hamburgerinnen und Hamburger sind. Wie geht Hamburg mit Menschen um, die in Hamburg und in dieser Gesellschaft gelebt haben?

(Arno Münster SPD: Wie haben sie denn ge- lebt?)

(Präsidentin Carola Veit)

Was ist das für eine Entscheidung, wenn man mit Menschen zu tun hat, die in Hamburg aufgewachsen sind, die in Hamburg sozialisiert sind, die alles, was sie besitzen, in Hamburg haben, wenn sie dann in ein Land sollen, mit dem sie buchstäblich nichts verbindet, dessen Sprache sie nicht sprechen, in dem sie kein Umfeld haben, keine Beziehungen, keinen Bezug, keine Unterstützung bekommen und in das sie völlig mittellos gehen? Diese Verantwortung tragen wir in der Härtefallkommission. Und ich muss sagen, noch nie – die Schicksale nehmen mich oft mit – ist es mir aber so nahegegangen, wie Hamburg über das Leben von Menschen entscheidet, von Menschen, die es nicht leicht gehabt haben.

Das Härtefallgesetz regelt, dass die Annahme eines Härtefalls ausgeschlossen ist, wenn Straftaten von erheblichem Gewicht begangen wurden. Dies sind insbesondere Straftaten, die einen Ausweisungsgrund nach Paragraf 53 und 54 Aufenthaltsgesetz erfüllen. Das bedeutet konkret, dass sie nach Paragraf 53 auszuweisen wären, wenn sie zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt worden wären, und nach Paragraf 54, wenn eine Jugend- oder Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt worden wäre, ohne Bewährung. Über solche Fälle reden wir hier nicht, aber darüber müssen wir uns im Klaren sein. Es bestand ein Handlungsspielraum, der hätte ausgeschöpft werden können, um einen Härtefall festzustellen, und dieser Spielraum ist ohne Not nicht angewandt worden. Mit dieser Verantwortung müssen wir umgehen, und wir tragen in gewisser Weise die Verantwortung für die Zukunft und das Leben dieser jungen Menschen.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen? Das sehe ich nicht.

Dann stelle ich fest, dass wir vom Bericht der Härtefallkommission Kenntnis genommen haben.

(Jens Kerstan GRÜNE: Ihr habt nichts dazu zu sagen! Einfach nur abstimmen! Ihr seid einfach zu feige! – Gegenruf von Olaf Ohl- sen CDU: Wenn Frau Schneider das nicht abkann, muss sie raus aus der Härtefallkom- mission!)

Wir kommen zu Punkt 41, Drucksache 20/11086, Antrag der CDU-Fraktion: Die "Musikstadt Hamburg" braucht eine breite Basis – Hamburgs "Tag der Musik" retten und Drucksache 20/11248, Antrag der FDP-Fraktion: "Tag der Musik" solide finanzieren.

[Antrag der CDU-Fraktion:

Die "Musikstadt Hamburg" braucht eine breite Basis – Hamburgs "Tag der Musik" retten – Drs 20/11086 –]

[Antrag der FDP-Fraktion: "Tag der Musik" solide finanzieren – Drs 20/11248 –]

Beide Drucksachen möchte die CDU-Fraktion an den Kulturausschuss überweisen.

Wer folgt diesem Überweisungsbegehren? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das Überweisungsbegehren abgelehnt.

Wir stimmen über die Anträge in der Sache ab. Zunächst zum FDP-Antrag.

Wer möchte diesen annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist abgelehnt.

Wer gibt dem CDU-Antrag seine Zustimmung? – Auch hier die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zu Punkt 43, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Behördlichen Lärmterror in den Wilhelmsburger Wohngebieten sofort beenden.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Behördlichen Lärmterror in den Wilhelmsburger Wohngebieten sofort beenden! – Drs 20/11192 –]

Auch hier ist mir mitgeteilt worden, dass aus den Reihen der Fraktion DIE LINKE gemäß Paragraf 26 Absatz 6 unserer Geschäftsordnung das Wort begehrt wird. – Frau Sudmann, Sie haben es für maximal fünf Minuten.

Ich frage mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie es sein kann, dass man unter der Verantwortung dieses Senats – Herr Horch als zuständiger Senator ist leider gerade gegangen – Anwohnerinnen und Anwohnern einfach mal eben so den Lärmschutz klaut, und zwar nicht irgendwo, sondern in Wilhelmsburg, an einer Stelle, an der die S-Bahn fährt, an der sich der Personennah- und Fernverkehr befindet und zudem der Güterverkehr. Das ist für mich unvorstellbar. Und das Ganze ist ohne Vorwarnung passiert. Am Katenweg haben die Eigentümer/-innen nichts erfahren, und in einer Nacht- und Nebelaktion war auf einmal am Morgen der Lärmschutz weg.

Auch die SAGA, die mehrere Hundert Mieter und Mieterinnen hat, die im Bereich Schwentnerring und Leibnizstraße wohnen, ist nicht informiert worden, aber der Lärmschutz war weg. Die Begründung für diese Maßnahme lautete, dass man dort eine Kampfmittelsondierung machen wolle, um

(Christiane Schneider)

dann später einen besseren Lärmschutz hinzustellen.

(Olaf Ohlsen CDU: Genau!)

Ein besserer Lärmschutz wäre schön, aber der gesunde Menschenverstand sagt doch, wenn man dort etwas abbaut, dann muss man schnell wieder für Lärmschutz sorgen. Der Senat – Herr Petersen nickt, vielen Dank – sagte in der Antwort auf meine Anfrage, dass ein relativ kurzer Zeitraum einer höheren Lärmbelastung hinnehmbar sei. Das könnte ich akzeptieren und Sie wahrscheinlich auch, wenn wir über einen Zeitraum von zwei oder vier Wochen reden würden. Das ist hier aber nicht der Fall, ganz im Gegenteil – ich schaue auch einmal in den Bereich Soziales. Hier ist der Lärmschutz für sechs bis elf Monate verschwunden. Sechs bis elf Monate fallen Ihnen vor Ort die Ohren ab, aber das scheint die SPD nicht zu interessieren. Das finde ich ein Unding, es ist unmöglich und es ist gesundheitsschädigend.

(Beifall bei der LINKEN und bei Martin Bill und Olaf Duge, beide GRÜNE)

Wer immer auch gerade das schöne Wort "genau" gesagt hat, der Lärmterror ist unmöglich. Das ist nicht irgendein Lärmterror, das ist ein behördlicher Lärmterror, und das kann der Senat nicht verantworten.

Letzte Woche dachte ich, dass der Senat langsam zur Vernunft komme – obwohl er mir auf meine Anfrage antwortete, es werde keinen provisorischen Lärmschutz geben –, denn auf einmal wurden Holzwände aufgebaut. Das liegt sicherlich daran, dass hier etwas passiert ist. Die Leute vor Ort haben nämlich mit einer wunderbaren Lärmyoga-Aktion mit sehr viel Pressearbeit darauf hingewiesen, wie unmöglich das ist. Sie haben vielleicht die Fernsehbilder gesehen, auf denen Sie mitten im Lärmschutz eine riesige Lücke erkennen und sehen, wie laut es ist.

(Olaf Ohlsen CDU: Das kann man nicht se- hen, das hört man!)

Ich dachte, dass der Senat etwas gelernt habe. Pustekuchen, denn die DEGES, die verantwortlich ist und im Auftrag des Senats handelt, hat auf Nachfrage von Medienvertretern mitgeteilt, dass das kein Lärmschutz sei, sondern ein reiner Sichtschutz. Die Leute wollen doch einen Lärmschutz haben und keinen Sichtschutz, der vielleicht den Lärm nur ein wenig abmildert. Das geht überhaupt nicht.