Protocol of the Session on April 9, 2014

Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor und wir kommen damit zur Abstimmung.

Wer möchte die Drucksache 20/11276 an den Innenausschuss überweisen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit abgelehnt worden.

Damit kommen wir zur Abstimmung in der Sache.

Wer möchte den Antrag der LINKEN aus der Drucksache 20/11276 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe dann auf den Tagesordnungspunkt 42, Drucksache 20/11146, Antrag der SPD-Fraktion: Hamburgs Backsteinerbe bewahren.

[Antrag der SPD-Fraktion: Hamburgs Backsteinerbe bewahren! – Drs 20/11146 –]

(Christiane Schneider)

Hierzu liegen als Drucksachen 20/11449 und 20/ 11458 Anträge der Fraktionen der FDP und der CDU vor.

[Antrag der FDP-Fraktion: Förderung der energetischen Sanierung von Gebäuden mit Backsteinfassade – Drs 20/11449 –]

[Antrag der CDU-Fraktion: In Sorge um Hamburg: Hamburgs Backsteinerbe bewahren – Vorbild Hamburg – Drs 20/11458 –]

Alle drei Drucksachen möchte die CDU-Fraktion an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen. Wird hierzu das Wort gewünscht? – Herr Kienscherf.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der Backstein, insbesondere der rote, prägt durch seine Materialbeschaffenheit und seine Farbigkeit das Stadtbild von Hamburg.

(Wolfgang Rose SPD: Politisch!)

Auch politisch, lieber Kollege Rose.

Er hat auch zu einer Identitätsbildung in den letzten Jahrzehnten beigetragen in der Freien und Hansestadt Hamburg, nach innen wie nach außen. Auch jüngste Umfragen einer großen Hamburger Tageszeitung belegen, dass sehr viele Hamburger sich mit dem Backstein identifizieren. Wir wollen, dass wir dieses Identifikationsmerkmal und dieses stadtgeschichtliche Erbe auch weiterhin erhalten.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Backstein und die Backsteinbauten stehen für zwei sehr wichtige Epochen in der Stadtgeschichte und in der Wohnungspolitik, zum einen für die Epoche nach dem Ersten Weltkrieg, zum anderen für die Epoche nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach dem Ersten Weltkrieg, im Rahmen des Reformwohnungsbaus, entstanden um die innere Stadt zum ersten Mal moderne Wohnquartiere auch für die Leute – das interessiert vielleicht auch die CDU –,

(Olaf Ohlsen CDU: Was denn, was denn!)

die nicht über ein großes Einkommen verfügten und bis dahin in sehr engen Quartieren in der inneren Stadt untergebracht waren. Diese Backsteinbauten haben es ermöglicht, dass auch Familien aus der Arbeiterschaft zum ersten Mal in gesunden Lebensverhältnissen existieren konnten. Das war ein riesiger Fortschritt.

(Beifall bei der SPD – Finn-Ole Ritter FDP: Das ist eine sozialdemokratische Geschich- te! Herr Kienscherf, kommen Sie mal zum Thema!)

Dieser Fortschritt – ob das nun in Dulsberg ist, in der Jarrestadt, aber auch in Altona und Langenhorn – hat seine Qualität bis heute erhalten. Eigentlich merkt man erst heute, wenn man die Bewohnerinnen und Bewohner fragt, die sich noch immer in diesen Quartieren wohlfühlen, welch hohe Qualität schon damals der Wohnungsbau und die Stadtentwicklung in Hamburg hatten. Wir können mit großem Stolz auf die, die das damals ermöglicht haben, auf Personen wie Schumacher, Oelsner oder Ostermeyer blicken und stolz sein, dass diese Menschen in dieser Stadt gewirkt haben und dass dieses Erbe auch heute noch zu einer ganz besonderen Qualität im Wohnungsbau beiträgt. Dafür sollten wir diesen Leuten noch einmal danken.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man sich diese Bauten von Oelsner, Schumacher und Ostermeyer anschaut, dann sind viele dieser Bauten und Gebiete heute entweder unter Denkmalschutz oder unter Milieuschutz.

(Olaf Ohlsen CDU: Schumacher!)

Herr Ohlsen, wenn es Sie nicht interessiert, es ist schließlich kein Hafenthema, dann gehen Sie doch einfach raus, aber lassen Sie uns darüber einmal reden.

Dass diese Bauten und Siedlungen heute unter Denkmalschutz stehen, ist, wenn man die Geschichte unserer Stadt kennt

(Andreas C. Wankum CDU: Kommen Sie doch mal zum Thema!)

und das, was im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört wurde, wurde dann später zerstört –, das Verdienst vieler Bürgerinnen und Bürger und vieler Stadtplaner, die dieses Erbe bewahren wollten. Es ist besonders auch das Verdienst der Gesellschaften von Schumacher und Oelsner. An dieser Stelle können wir noch einmal herzlichen Dank sagen, dass sie es waren, die es ermöglicht haben, dass es diese Bauten und Siedlungen heute noch gibt.

(Beifall bei der SPD)

Aber gleichzeitig müssen wir auch anerkennen, dass es nicht nur diese Bauten waren. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass es eine Untersuchung und eine Studie der BSU aus dem Jahre 2010 gibt, die sehr deutlich macht, dass es über diese Bauten und Siedlungen hinaus, die unter Schutz stehen, eine ganze Reihe von Siedlungen und Backsteinbauten gibt, die prägend für diese Stadt sind, die aber ohne Schutz vor Veränderungen sind.

(Andreas C. Wankum CDU: Wieso denn?)

Sie haben insbesondere seit der Änderung der Hamburgischen Bauordnung im Jahre 2006 keinerlei Schutz mehr vor Veränderungen. Wir wissen alle, wozu das geführt hat, nämlich im Zusammenhang mit den Klimaschutz-Diskussionen, die natür

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg)

lich richtig und wichtig waren. Wir alle müssen dafür sorgen, dass wir weniger Energie verbrauchen und dass die Themen Wärmedämmung und Energieeffizienz auf der Tagesordnung stehen. Gleichwohl müssen wir erkennen, dass sich diese Stadt verändert, und zwar insbesondere in den Backsteinquartieren. Das Rot weicht so langsam und bildet nicht mehr diesen geschlossenen Ring um die innere Stadt herum. An vielen Stellen wird roter Backstein durch Quietschgelb überdeckt, Frau Suding, oder Giftgrün, Herr Kerstan.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Rot!)

Zu Rot ist mir jetzt nichts weiter eingefallen, Kollegin Sudmann, und zu Schwarz auch nicht.

Wir haben eine Vielfalt in dieser Stadt, die mit der ursprünglichen Wirkung nichts mehr zu tun hat. Dies führt an vielen Stellen dazu, dass das, was man eigentlich früher an Gestalterischem in diesen Quartieren untergebracht hat und an bewusster Architektur, langsam verschwindet. Und das Schlimme ist, es verschwindet zufällig. Ich glaube, diese Zufälligkeit können wir nicht mehr akzeptieren.

(Beifall bei der SPD – Finn-Ole Ritter FDP: Jetzt kommt der Punkt!)

Deswegen ist es richtig, dass zum einen dieser Senat – die Vorgänger-Senate haben damit langsam angefangen – Fördermittel bereitgestellt hat im Zusammenhang mit dem Denkmalschutz. Es geht hier darum, diese Fassaden zu erhalten. Es war natürlich auch richtig, dass wir durch das neue Denkmalschutzgesetz, das wir in dieser Legislaturperiode beschlossen haben, viele Bauten zusätzlich unter Denkmalschutz gestellt haben.

(Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hamann?

Wenn er nachher nicht reingeht, dann darf er jetzt fragen.

– So sind sie, die Sozialdemokraten, aber den Gefallen werde ich Ihnen so leicht nicht tun.

Sie argumentieren gegen gelben Backstein. Wollen Sie mit Ihrem Vorschlag gelben Backstein oder andere Farben als roten Backstein verbieten lassen, oder wie ist die Argumentation zu verstehen?

Der gelbe Backstein ist nicht quietschgelb, lieber Kollege. Von daher wollen wir auch den gelben Backstein natürlich schützen, weil er gerade für den Bereich Altona eine große Bedeutung hat, aber das wissen Sie natürlich selbst.

Es geht darum, dass wir auf der einen Seite Gelder bereitstellen, um Backsteinfassaden zu schützen. Das ist richtig und wichtig. Auf der anderen Seite sind wir auch im Bündnis für Wohnen dabei, für das Thema Backsteinquartiere und Backstein eine größere Sensibilität zu schaffen. Das ist auch richtig. Richtig ist aber ebenso, dass nach wie vor der Trend ungebrochen ist, Straße für Straße diese Stadt umzugestalten, ohne dass es Eingriffsmöglichkeiten seitens der Bezirke gibt. Deswegen müssen wir jetzt – unterhalb des Themas Denkmalschutz – eingreifen, weil wir es den Bürgerinnen und Bürgern und den Bewohnerinnen und Bewohnern dieser Viertel schuldig sind, uns endlich darum zu kümmern und die Handlungsfähigkeit des Staats zurückzugewinnen.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen wollen wir den Senat auffordern, gemeinsam mit den Bezirken und auch gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft auf der Grundlage der Untersuchung von 2010 die Gebiete zu identifizieren – es geht nicht um alle Gebiete –, von denen wir alle gemeinsam glauben, dass sie es wert sind, sich darum zu kümmern und dass, auch wenn wir einzelne Fassaden oder Häuser nicht erhalten können, wir zumindest dafür sorgen, dass das Stadtbild weiterhin gestaltet werden kann. Ähnlich wie beim weißen Hamburg wollen wir, dass das rote Hamburg in das nächste Jahrhundert überführt wird. Das ist unser Ansinnen und ich glaube, das ist ein guter Plan.

(Beifall bei der SPD)

Dies kann durch die Gestaltungs- und Erhaltungsverordnung erfolgen. Natürlich freut es die Wohnungswirtschaft nicht ungemein, wenn wir diesen Weg gehen wollen. Wir können nicht auf der einen Seite sagen, wir kennen den Wunsch der Bevölkerung und glauben, dass es eine gewisse Qualität gibt, die es zu erhalten gilt, auf der anderen Seite aber diesen Schritt nicht tun. Was wir bisher erreicht haben, ist zu wenig. Deshalb müssen wir diesen Schritt tun, und darüber hinaus – das sieht unser Antrag auch vor – wollen wir in einem zweiten Schritt nachschauen, ob wir nicht das eine oder andere Gebäude vergessen haben, als wir das Denkmalschutzgesetz beschlossen haben, ob es nicht in Horn, Hamm, aber auch in Bahrenfeld, Langenhorn oder Barmbek noch wirklich schützenswerte Gebäude gibt, die wir durch den Denkmalschutz schützen müssen und wo wir alle gemeinsam Regelungen treffen müssen, damit sie nicht verschwinden. Hierfür stellen wir öffentliches Geld bereit. Es geht auch darum, private Investoren davon zu überzeugen, diese Gebäude zu erhalten. Das ist ein zweiter und wichtiger Schritt zum Erhalt des Backsteinerbes. Ich glaube, das sollten wir in großer Einigkeit tun.

(Beifall bei der SPD)