Protocol of the Session on March 26, 2014

Das ist der Vorschlag, den der Schulsenator heute in den Gesprächen unterbreitet hat, und er wird sich sicherlich dazu gleich noch äußern. Wir sind in den Gesprächen dazu bereit, die Frage der Beteiligung in dieser Zwischenphase vor dem Volksbegehren so auszugestalten, dass die Interessen der Initiative vernünftig gewahrt werden und zum Beispiel ihr Vorschlag in die Befragung miteingefügt wird. Da sind wir offen für weitere Hinweise. Wir wollen die Gespräche mit der Initiative fortsetzen, auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse, die aus einer solchen Befragung kommen.

Ganz wichtig noch einmal zum Verfahren: Die Frist würde nach den Regeln des Volksentscheidgesetzes eigentlich Ende April ablaufen. Wir haben noch eine Bürgerschaftssitzung am 9. April, aber ich glaube, allen ist klar, dass es, egal wie es kommt, nicht hinhauen wird, zu diesem Termin dann hier eine Reform abzustimmen. Deshalb haben wir heute auch in den Gesprächen angesprochen, dass die Möglichkeit besteht, die nächste Stufe des Volksbegehrens anzumelden, die Verhandlungen trotzdem weiterzuführen und den Antrag auf Durchführung des Volksbegehrens dann auch wieder zurückzunehmen, wenn man sich bis zum Sommer noch einigt. Das haben wir übrigens alle zusammen schon einmal gemacht, nämlich bei den Verhandlungen über das Transparenzgesetz. Da ist es gelungen, einen gemeinsamen Konsens zustande zu bringen. Deshalb meine Empfehlung: Lasst uns versuchen, die Gespräche weiterzuführen. Der Wunsch der SPD ist, dass wir einen Weg

finden, auch die anderen Fraktionen mit einzubeziehen. Darüber gab es heute noch keinen Konsens mit der Volksinitiative, aber uns ist völlig klar, dass ein Ergebnis nur etwas sein kann, was in einem breiten Einvernehmen auch mit Ihnen in diesem Hause zustande kommt. Dafür stehen wir als Sozialdemokratie, dazu sind wir weiter bereit und reichen die Hand. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält nun Herr Kerstan.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir alle, die Menschen in dieser Stadt, befinden sich mittlerweile wieder mitten in einer Schulstrukturdebatte. Obwohl wir uns nach dem Scheitern der Primarschulreform in diesem Hause eigentlich darauf verständigt hatten, zehn Jahre lang die Schulstruktur nicht anzufassen, hat die Initiative G9 dafür gesorgt, dass dieses Thema wieder auf die Tagesordnung kommt. Wir müssen uns gut untereinander verständigen, wie wir damit umgehen wollen, denn ein Schulfriede und keine weitere Runde in einem Schulstrukturkampf ist ein hohes Gut. Eine Erkenntnis aus den verschiedenen Volksentscheiden ist aber auch, dass die Zeit, in der eine von oben verordnete Strukturreform möglich war, vorbei ist. Insofern muss man das Votum der Initiative durchaus ernst nehmen und darf hier nicht nur auf eine parlamentarische Mehrheit setzen, sondern muss jetzt in Gespräche eintreten, um auszuloten, welche Wünsche und Bedürfnisse es gibt, aber auch, wo die Grenzen einer erneuten Weiterentwicklung unseres Schulsystems sind.

Wir GRÜNEN können das Anliegen der Volksinitiative gut verstehen. Als das G8 vom damaligen CDU-Senat eingeführt wurde, haben wir dagegen gestimmt, weil uns das Prinzip einer durchökonomisierten Bildungslaufbahn von Kindern zur Erzielung internationaler Wettbewerbsfähigkeit damals nicht überzeugt hat. Aber man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass es seitdem in dieser Stadt durch den Versuch, die Primarschule einzuführen, an den Schulen viel Unruhe und viel Hin und Her gab und dass bei Lehrern, Eltern, aber auch bei Schülerinnen und Schülern der Wunsch besteht, jetzt nicht überhastet in die nächste Runde einer wenig durchdachten und vorschnell eingeführten Reform gestürzt zu werden. Dieses Anliegen ist ein legitimes, und das muss auch die Initiative ernst nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN, ver- einzelt bei der SPD und bei Dietrich Wersich CDU)

Doch bei aller Sympathie für das Anliegen und Verständnis für die Wahlfreiheit von Eltern, dass ihre Kinder unter Umständen auch an Gymnasien wieder in neun Jahren zum Abitur geführt werden,

(Dr. Andreas Dressel)

muss man eines sagen: Der Vorschlag, den die Initiative vorgelegt hat, ist so schlicht und einfach nicht umsetzbar, ohne die Schulen, die Schülerinnen und Schüler und die Lehrkräfte in ein Chaos zu stürzen mit der Gefahr, das ganze System zu überfordern, und mit einem schlechten Ergebnis für unser Bildungssystem.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD und der CDU)

Die Vorstellung, die in den Sätzen, die dann unter Umständen zur Abstimmung gestellt werden, zum Ausdruck kommt, dass einzelne Elternteile alleine darüber entscheiden, ob an ihrer Schule parallel zum G8-Abitur das G9-Abitur eingeführt wird, und dass die Stadt dies dann an allen Schulen vorhalten muss, auch wenn nur ein einziges Kind auf Wunsch seiner Eltern diesen Weg gehen soll, ist unrealistisch, und wir als Volksvertretung haben auch die Aufgabe, Unsinn bei berechtigten Anliegen zu verhindern.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Denn die Umsetzung dieser Sätze, so wie sie sind, würde bedeuten, sämtliche Klassenverbände auseinanderzureißen und die Anwahl bestimmter Profile an den Schulen, zweite Fremdsprachen und Ähnliches, fast unmöglich zu machen. Das ist bei aller Sorge von Eltern, ob ihre Kinder in einem G8-Gymnasium nicht doch überfordert werden, auch etwas, was man den Kindern nicht zumuten sollte. Deshalb ist es jetzt wichtig, darüber zu reden, und zwar nicht nur mit den Eltern. Nicht ohne Grund sieht unser Schulgesetz vor, dass die demokratisch verfasste Schule einen Ausgleich zwischen Lehrern, Eltern, Schülern und auch Schulleitungen herstellen muss. Deshalb brauchen wir, wenn wir entscheiden sollten, unser Schulsystem noch einmal anzufassen, dort einen Prozess, der Bedürfnisse auslotet, der versucht, Interessen abzugleichen, und der am Ende eine vernünftige Lösung findet.

Damit das gelingt, zum Abschluss noch ein Hinweis an die Initiative: Volksinitiativen unterliegen Regeln. Im Volksabstimmungsgesetz sind Verfahren festgelegt, und bei allem Verständnis für das Anliegen der G9-Initiative gelten diese Regeln auch für sie. Es wird Zeit, dass das Parlament als Ganzes in einem parlamentarischen Verfahren darüber berät und am Ende auch entscheidet. Sonst wird es einen neuen Schulfrieden in dieser Stadt nicht geben, und das müssen wir alle gemeinsam verhindern. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD und der CDU)

Nun hat Frau von Treuenfels das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die FDP steht zum zweigliedrigen Schulsystem, konkret zu G8 an Gymnasien und G9 an Stadtteilschulen. Wofür wir nicht stehen, sind erneute Schulstrukturreformen im Schulsystem.

(Beifall bei der FDP)

Nach den Debatten – nicht heute, aber in den letzten Tagen – habe ich den Eindruck, dass die FDP als einzige Fraktion hier im Hause nicht einem gewissen Reformvirus erlegen ist, der für eine Rolle rückwärts zum alten G9 sorgen kann. Woher diese G9-Hysterie kommt, bleibt vor allen Dingen dann schleierhaft, wenn man den Betroffenen einmal genau zuhört, und zwar allen. Von den Schülern bei "Jugend im Parlament" konnte man in den letzten Tagen vor allem eines hören: Fangt nicht schon wieder mit irgendeiner Reform an, sondern verbessert doch einfach einmal das bestehende System. Wenn Sie heute lesen, was die Hamburger Gymnasialdirektoren sagen, dann ist das auch eine klare Ansage an uns: Stürzt uns nicht, so wörtlich, in eine Dauerkrise durch die Rolle rückwärts zum G9. Das ist eine felsenfeste Aussage, wir müssen nur zuhören.

Wenn Sie – und darauf kommt es eigentlich an – mit vielen Eltern sprechen, was Sie wahrscheinlich tun und ich auch, übrigens auch mit vielen, die in der Initiative "Wir wollen lernen!" organisiert sind, dann stellen Sie eines fest: Es gibt keinen breit gesicherten Elternaufstand gegen das G8. Vielmehr gibt es den Wunsch, der berechtigt ist und den wir wahrnehmen sollten, was wir auch tun, nach einer Verbesserung der Schulqualität im vorhandenen System.

(Beifall bei der FDP)

Das hat auch die Elternkammer heute in einer umfangreichen Stellungnahme eindeutig betont. Hat eigentlich bis dato einer von Ihnen einmal die Gymnasiasten selbst befragt, ob sie gerne ein Jahr länger zur Schule gehen wollen? Das wäre auch ziemlich notwendig.

(Beifall bei der FDP)

Immerhin haben wir seit heute die Erkenntnis, dass die SPD – und das begrüßen wir – den Vorschlag gemacht hat, die Schulkonferenzen der Gymnasien zu befragen. Da hören wir jedenfalls einmal die Worte der Betroffenen, und das ist uns wichtig.

Hamburg hat vor bald zehn Jahren – da muss ich leider ein bisschen ausholen, um noch einmal zu sagen, wofür wir eigentlich alle stehen sollten – aus gutem Grund als eines der ersten Bundesländer begonnen, aus dem dreigliedrigen Schulsystem ein zweigliedriges zu machen mit den zwei Wahlmöglichkeiten des Abiturs nach neun Jahren auf der Stadtteilschule und acht Jahren auf dem Gymnasium. Das weiß hier jeder, daran sollte sich

(Jens Kerstan)

auch jeder erinnern, und das ist im Schulterschluss mit allen in der Bürgerschaft vertretenen Parteien eingeführt worden. Sie alle, die Sie hier sitzen, tragen die Verantwortung dafür, dass diese historische Reform zum Gelingen geführt wird. Nichts anderes sollten wir hier tun.

(Beifall bei der FDP)

Stattdessen sollte man – und da sehe ich, ehrlich gesagt, die Vorschläge der CDU und auch der GRÜNEN ein bisschen anders – der Initiative die Hand halten, man sollte immer reden, und das muss man auch tun.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Hand halten oder Hand reichen?)

Die Hand reichen, aber manchmal halten wir sie auch. Vielen Dank, Herr Dressel.

Stattdessen wollen einige hier offenbar – da beziehe ich mich jetzt auf die Vorschläge der CDU und auch der GRÜNEN – genau diese Verantwortung an die Schulen zurückdelegieren. Die Schulen sollen das selbst entscheiden. Sie handeln nach dem Motto: Macht, was ihr wollt, macht acht oder neun Jahre, am besten beides, und schaut, dass dann bitte ohne zusätzliche Kosten und Probleme alle glücklich werden. Unserer Auffassung nach ist das ein Verschieben des Schwarzen Peters an die Schulen. Das tragen wir nicht mit,

(Beifall bei der FDP)

denn das kann nicht gelingen. Das wird stattdessen zu großer Unruhe und nicht zu besserer Bildungsqualität führen. In der Konsequenz gehen wir zurück auf Los, wo wir gestartet sind, und landen bei der Wiedereinführung eines dreigliedrigen Schulsystems,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Ganz genau!)

diesmal bestehend aus Gymnasium G8, Gymnasium G9 und Stadtteilschule, an denen man das Abitur erster, zweiter und dritter Klasse ablegen kann. Na, wunderbar.

(Beifall bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Danke schön, Frau Heyenn, das werde ich nicht vergessen.

Auf Dauer wird die Stadtteilschule – und das ist wichtig – so nämlich zur Resteschule und das Gymnasium zur Einheitsschule. Und genau das werden wir nicht zulassen.

(Beifall bei der FDP)

Stattdessen werden wir weiterhin – was wir alle tun sollten und bis jetzt eigentlich auch getan haben – um die bessere Etablierung der neunjährigen Stadtteilschulen und ein besseres achtjähriges Gymnasium kämpfen. Damit reichen wir auch der Initiative die Hand. Wer weiß, vielleicht nehmen wir sie sogar an die Hand.

Weder die Kehrtwende der CDU also mit wahlweise G8 und G9 noch die Freigabeidee der GRÜNEN helfen uns da besonders weiter. Was hat sich denn eigentlich in den letzten Wochen derart geändert, dass die klare Pro-G8-Position aller Bürgerschaftsparteien plötzlich so wackelt? Ich will es Ihnen sagen: nichts, außer der wachsenden Angst der Volksparteien vor einem Volksentscheid.

(Beifall bei der FDP)

Das ist aber eine vorauseilende Schulpolitik nach Umfragelage, und das finde ich brandgefährlich. Das ist das Gegenteil von Schulfrieden, das ist Stiften von Schulunfrieden.

Den Rest dann in der zweiten Runde. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Frau Heyenn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! DIE LINKE in Hamburg war immer für G9. In den westlichen Bundesländern ist das Abitur nach 13 Jahren historisch gewachsen, und bei der Umstellung auf 12 Jahre wurden viele Fehler gemacht.

(Beifall bei der LINKEN)