Ich rufe nun zunächst das erste Thema auf. Wird dazu das Wort gewünscht? – Frau Suding, Sie haben es.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor ein paar Tagen erst haben wir erlebt, wie eine Volksinitiative gescheitert ist, weil sie von der Anmeldung bis zur Unterschriftensammlung ihre ohnehin zweifelhafte inhaltliche Notwendigkeit völlig verloren hatte. Die Hamburger unterschrieben nicht ausreichend für ein Volksbegehren unter dem Schlachtruf "Keine Privatisierung gegen den Bürgerwillen". Herr Rose, ver.di und Teile der SPD mussten lernen, dass die im letzten Jahr versuchsweise herbeigeredete Panik vor angeblichen Privatisierungstendenzen in diesem Jahr kaum jemanden mehr interessierte.
Entschuldigen Sie bitte. Ich dachte eben, nur mir würde nicht zugehört, aber es ist immer noch unerträglich laut. Vielleicht können Sie die Eckengespräche ein bisschen nach draußen verlagern und der Rednerin Gehör schenken. Das wäre nett, vielen Dank. – Bitte fahren Sie fort, Frau Suding.
Meine Damen und Herren! Genauso sollte es verdientermaßen der völlig überflüssig gewordenen Volksinitiative zur Verstaatlichung der Energienetze ergehen.
Vor Monaten schon bildete sich dazu ein Kreis von Vattenfall-Feinden und sogenannten Kapitalismuskritikern, die ihre postsozialistische Staatswirtschaftsliebe vor allem mit einem Argument zu verschleiern suchten:
damals schon in dieser apodiktischen Überzogenheit ziemlich unzutreffend war, ist nach den jüngsten Beschlüssen der Bundesregierung zur Energiewende völlig falsch.
Deutschland wird nach den Vorstellungen der christlich-liberalen Bundesregierung eine grundlegende Energiewende erleben. Deutschland wird mit bezahlbarer, umweltfreundlicher und sicher fließender Energie die Potenziale der erneuerbaren Energien nutzen,
die wir für den völligen Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022 brauchen. Deutschland wird dabei an einem Strang ziehen, und zwar inklusive der großen Stromversorger, die genau wissen, dass dies die Zukunft ist.
Meine Damen und Herren! Damit ist das Kernargument dieser Volksinitiative mausetot. Das werden die Hamburger, da sind wir Liberale sicher, genau wie bei der Privatisierungsdebatte erkennen. Und im Kern steckt hinter beiden Initiativen, der schon gescheiterten und der noch nicht gescheiterten, auch derselbe staatsgläubige Irrglaube. Der unterliegt drei klassischen Irrtümern.
Erster Irrtum: Der Staat wirtschaftet besser. Das ist von Neuer Heimat bis zu den Landesbanken erwiesenermaßen falsch.
Die Risiken werden am Schluss von den Steuerzahlern statt von den Anteilseignern getragen. Und solche Risiken sind gerade auch im Energiegeschäft keineswegs auszuschließen.
Der Staat macht bessere Preise. Das Gegenteil ist häufig der Fall. Faire und transparente Preisgestaltung entsteht nicht durch staatliche Monopolstrukturen, sondern vor allen Dingen durch eines, durch den Wettbewerb.
Der dritte Irrtum: Rekommunalisierung schafft demokratische Kontrolle, wie es im Initiativen-Jargon heißt. Auch hier ist das Gegenteil richtig. Einen höheren Anteil an erneuerbaren Energien beim Energiemix durch den Kauf des Netzes durchzusetzen, wird nicht möglich sein. Der Netzbetreiber muss jeden Energieanbieter anschließen, übrigens auch
Wir brauchen nicht mehr Misstrauen und Regulierungswut, sondern mehr Vertrauen in unternehmerische Weitsicht innerhalb der politisch gesetzten Rahmenbedingungen.
Deshalb ist diese Volksinitiative genauso von gestern wie die des Herrn Rose. Und wir Liberale empfehlen den Hamburgern das Gleiche mit dieser Initiative zu tun, sie nämlich im wahrsten Sinne des Wortes links liegen zu lassen.
Absurder sind nur noch die Pläne der SPD, eine Minderheitsbeteiligung von 25,1 Prozent am Energienetz zu kaufen.
Die Stadt würde Geld zum Fenster hinauswerfen, ohne überhaupt irgendeine Gestaltungsmöglichkeit zu erlangen. Möge dieses Haus einen solchen Unfug verhindern. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nachdem jetzt alle – abgesehen von ein paar treuen Atomlobbyisten in Ihrer Partei, Frau Suding –, auch die CDU und vor allen Dingen der BDI den schnellen Ausstieg aus der Atomenergie wollen, stellt sich die Frage, wie und vor allem wie schnell die Energiewende Wirklichkeit werden kann.
Energieeinsparungen, Energieeffizienzsteigerung und der Umstieg auf erneuerbare Energien sind die drei Säulen der Wende. Voraussetzung sind jedoch noch die ausstehenden Gesetze auf Bundesebene und dann natürlich die praktische Umsetzung vor Ort. Und dann kommt natürlich auch ganz schnell das Thema Verteilnetze und ihre Betreiber ins Spiel. Niemand kann den Energiemix dadurch klimafreundlicher machen, Frau Suding, indem er nur noch Ökostrom in die Netze ließe, das ist rechtlich ausgeschlossen und das wissen wir auch. Ich hoffe, andere außer uns beiden auch noch.
Aber die Energiewende kann im Netzbetrieb sehr wohl behindert werden, wenn die Betreiber die notwendigen Investitionen beim Um- und Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze unterlassen, verzögern oder im Betrieb Blockaden zulassen.
Fakt ist, dass es heute eine riesige Investitionslücke gibt, obwohl die Netzbetreiber kräftig an den Netzen verdient haben. Die Netzbetreiber haben nach einer Studie der Universität Saarbrücken von 2007 bundesweit rund 22 Milliarden Euro an Netzentgelten kassiert, aber nur 2 Milliarden Euro reinvestiert. Der EnBW-Chef Villis bezeichnet die Netzentgelte deswegen auch als den zweitgrößten Gewinnbringer seines Unternehmens. Und nicht umsonst kämpfen die großen Energieversorger mit harten Bandagen um die Netze. Aber auch im Betrieb geht Eigennutz oft vor Öko-Nutz. Ist durch ein temporäres Überangebot an Wind, Sonne und Strom aus Biomasse die Netzstabilität bedroht, werden lieber kleine, dezentrale Anlagen vom Netz genommen als die großen zentralen Kraftwerke, trotz gesetzlich garantiertem Einspeisevorrang für Ökostrom. Hören Sie sich doch einmal in der Ökostrombranche um. Auch deshalb ist es wichtig, dass die Stadt einen strategischen Einfluss auf die Netze und damit auch auf die Gestaltung der Energiewende gewinnt.
Das will unser Senat auch anstreben. Wir versuchen, über einen Minderheitenanteil von mindestens 25 Prozent an einer zukünftigen Netzinfrastrukturgesellschaft und einen zusätzlichen Vertrag diesen Einfluss zu sichern. Darin sollen dann die künftigen Vertragspartner klima- und finanzpolitische sowie sozial- und gesellschaftspolitische Auflagen akzeptieren. Falls eine Verständigung darüber gelingt, kommen als Partner auch die Grundversorger der Stadt infrage, falls nicht, dann eben nicht. An weiteren Bewerbern dürfte kein Mangel sein, meine Damen und Herren.
Ich weiß nicht, was das mit Verstaatlichung zu tun hat, Frau Suding. Aber auf die FDP ist doch immer wieder irgendwie Verlass, wenn es um privat gegen Staat geht.