Die Links-Fraktion hat bereits im Sommer 2009 gefordert, den Glücksspielstaatsvertrag zu novellieren. Wir forderten, die Höhe einer Gewinnsumme zu begrenzen. Die Regelungen zur Suchtprävention lassen diesen Aspekt nämlich bislang außen vor.
Die Debatte um den Glücksspielstaatsvertrag ist insgesamt von Widersprüchlichkeiten und Inkonsequenzen bestimmt. Wetten bei Pferderennen zum Beispiel sind ganz legal, Wetten bei Hunderennen sind es nicht. Die Handhabung bei Sportwetten ist noch kurioser. Fußballbundesliga-Spiele können nur im Rahmen der staatlichen Wette ODDSET gewettet werden, während das Unternehmen Tipico mit Sitz in Malta über 300 Filialen in Deutschland Sportwetten anbietet. Und niemand schreitet ein.
Gänzlich außer Acht gelassen werden beim Glücksspielstaatsvertrag auch Wetten auf zukünftige Ereignisse, soweit sie sich auf die Entwicklung von Börsen beziehen. Diese sind von keinem Staatsvertrag und keinem Gesetz erfasst. Dabei haben die sogenannten Derivate ein beträchtliches Suchtpotenzial und können dazu noch zu erheblichen volkswirtschaftlichen Instabilitäten führen, wie
die jüngste Finanzkrise gezeigt hat. Hier dürften sich, wie die Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim in Stuttgart bestätigt, jede Menge pathologischer Spieler wiederfinden.
Hauptursache für das Suchtverhalten, dem man mit dem Glücksspielstaatsvertrag angeblich beikommen wollte, sind die Automaten. Doch ausgerechnet die sind im Glücksspielstaatsvertrag überhaupt nicht geregelt.
Ich trete im Übrigen der Behauptung in dem FDPAntrag entgegen, dass von Lottospielen keine Suchtgefahr ausgehe. Wo Sie den Nachweis herhaben wollen, den Sie in der Drucksache darlegen, ist mir schleierhaft. Sie wollen stattdessen das Lottomonopol aufheben.
Und hier wird das Motiv Ihrer Behauptungen sichtbar. Es ist Ihr fundamentalistischer Glaube an die freien Kräfte des Marktes, der Sie hier antrieb.
Natürlich ist die Rentnerin, die jede Woche ihren Lottoschein ausfüllt, nicht spielsüchtig. Sicherlich ist Lottospielen weniger suchtgefährdend als am Automaten zu daddeln. Aber das Systemspiel beim Lotto birgt sehr wohl ein Suchtpotenzial.
Immerhin hat der Europäische Gerichtshof einige Widersprüchlichkeiten des bisherigen Glücksspielstaatsvertrags erkannt und ihn deswegen kassiert. Daher ist nun die Frage, in welcher Richtung der nächste Staatsvertrag ausgestaltet wird. Die FDP möchte den Glücksspielautomaten-Anbietern mit ein paar Feigenblatt-Begrenzungen den Zugang zum Markt eröffnen. Gesundheitspolitisch begeben Sie sich damit allerdings, und das sagten meine Vorrednerinnen bereits, auf ein Abstellgleis, sehr geehrte FDP-Abgeordnete. Da muss ich mich fast fremdschämen, wo Sie auch noch das Gesundheitsministerium in Berlin besetzen.
Die Linke ist allerdings gegen vollkommene Verbote. Die Erfahrung zeigt, dass dies nichts bringt. Wir sind aber auch gegen ein wildes Wachstum des Glücksspiels. Wir sind vielmehr für die richtigen Bewertungen, umfassende Einordnungen und differenzierte Lösungen. Ich freue mich deswegen auf die Debatte im Ausschuss und möchte schon einmal einige Positionen zur Anregung mitgeben.
Lotto und Toto könnten zum Beispiel aus dem Glücksspielstaatsvertrag herausgenommen und gesondert geregelt werden. Wir würden hierfür sogar einen eigenen Staatsvertrag vorschlagen.
Eine Ausbreitung der Glücksspielsucht muss dort bekämpft werden, wo sie vornehmlich auftritt, nämlich an den Automaten. Sie gehören deswegen
staatlich konzessioniert. Die Ereignisfrequenz muss gesetzlich begrenzt und die Höhe der Spieleinsätze reguliert werden. Dies ließe sich über eine Auflage für die Konzession bewerkstelligen.
Sportwetten gehören gänzlich neu organisiert. ODDSET hat nur noch einen Marktanteil von ungefähr 5 Prozent, den Rest teilen sich nichtdeutsche Anbieter.
Um den illegalen Wettmarkt zu kanalisieren, könnten auch sie künftig lizenziert werden. Die Entkriminalisierung ist der bessere Weg, zumal das Suchtpotenzial gering ist.
Poker, sehr geehrte Herren und Damen, wird immer noch als Glücksspiel angesehen, dabei ist juristisch festgestellt worden, dass es sich hierbei, wie bei Schach oder Skat, um ein Geschicklichkeitsspiel handelt. Die LINKE schlägt daher vor zu prüfen, ob das Spiel nicht einer besonderen Behandlung bedarf und ob nicht zum Beispiel zwischen einem Turnierpoker mit einem festen Geldeinsatz zu Beginn und dem Spiel mit direkten Geldeinsätzen zu differenzieren ist.
Bei den richtigen Glücksspielen wie Roulette, Black Jack und Bingo im Internet kann solange nicht eingegriffen werden, wie sie illegal sind.
Wenn Sie hinausgehen, falls Sie klönen möchten, und ansonsten Ihre Plätze einnehmen und der Rednerin zuhören würden, dann werden wir auch alle zügig fertig. – Bitte fahren Sie fort, Frau Artus.
Würden auch sie lizenziert, könnten auch sie mit Auflagen belegt werden; zum Beispiel könnten Altersangaben der Spieler und Spielerinnen kontrolliert werden. Technisch wäre es auch möglich, die Höhe und Steigerungsfähigkeit der Einsätze zu regulieren.
Um die Spielsucht zu bekämpfen, muss Hamburg mehr Geld in die Hand nehmen. Wir benötigen für diese Sucht nicht nur Anlaufstellen, wir benötigen ein Streetworker-Konzept mit ausgeprägt multikulturellem und geschlechtsspezifischem Ansatz. Wir wissen, dass überproportional viele männliche Migranten spielsüchtig sind. Wir wissen auch, dass ein hoher Anteil der Berufsschüler bis zu einem Drittel ihres Monatseinkommens verspielt. Wir brauchen Drogenfachleute, die auch in die Teestuben und in die Berufschulen gehen.
Der Glücksspielstaatsvertrag bedarf also einer grundlegenden Überarbeitung. Wir haben jetzt die Gelegenheit dazu. Zum Antrag der FDP: Wir könnten lediglich der Ziffer 1 zustimmen. Aber wenn dieser Antrag an den Wirtschaftsausschuss überwiesen wird, wofür wir auch sind, halten wir es zudem für erforderlich – und ich denke, alle Debattenbeiträge haben dies gezeigt –, hierzu auch eine gesundheitspolitische Debatte zu führen. Daher sollte der Gesundheitsausschuss in die Beratungen einbezogen werden. Ich appelliere herzlich vor allem an die SPD-Fraktion, dieser Mitberatung auch zuzustimmen.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/611 an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist diese Überweisung mehrheitlich beschlossen.
Wer möchte diese Drucksache noch mitberatend an den Gesundheitsausschuss überweisen? – Gegenprobe. – Damit ist dieses Überweisungsbegehren abgelehnt.
Wir kommen zum Punkt 39 unserer Tagesordnung, Drucksache 20/631, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Die Situation und Zukunft der Bürgerhäuser.
Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion federführend an den Verfassungs- und Bezirksausschuss sowie mitberatend an den Kulturausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Hackbusch, bitte.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir besprechen hier einen Antrag über die Situation und die Zukunft der Bürgerhäuser. Was ist eigentlich ein Bürgerhaus? Wissen Sie das?
Meine Damen und Herren! Diese Frage ist komplizierter, als Sie denken. Ich glaube, darüber könnte man eine richtige Dissertation schreiben. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Das Bürgerhaus Eidelstedt.
Herr Ohlsen, völlig richtig, das Bürgerhaus Eidelstedt ist kein Bürgerhaus. Das hat nur den Titel Bürgerhaus.
Das Bürgerhaus Eidelstedt ist ein Stadtteilkulturzentrum. Hat das irgendeine Bedeutung? Der Unterschied besteht darin, dass die Stadtteilkulturzentren im letzten Jahr von der Kulturbehörde gut behandelt worden sind.
Sie sind evaluiert worden, man hat geprüft, was dort geschehen ist, und man hat sie mit mehr Geld ausgestattet, und das völlig zu Recht, denn sie machen eine gute und wertvolle Arbeit. Es war eine der guten Entscheidungen des schwarz-grünen Senats, sie zu unterstützen.
Gleichzeitig müssen aber die Bürgerhäuser, die eigentlich die gleiche Arbeit machen – wie zum Beispiel das Bürgerhaus Wilhelmsburg, wo Sie wahrscheinlich alle schon einmal getagt haben, oder der Rieckhof –, mit weniger Geld auskommen, und zwar seit Jahrzehnten. Die Einnahmen durch Tagungen reichen leider nicht aus. Diesen Häusern ist vor ungefähr 15 oder 20 Jahren gesagt worden, dass sie jetzt eine feste Summe bekämen und diese Summe für die nächste Zeit beständig sei. Das hört sich so ein bisschen wie das an, was Herr Scholz zurzeit für alles Mögliche verkündet. Jetzt haben sie 15 Jahre lang den gleichen Betrag bekommen und das bedeutet in der Realität – wenn man sich überlegt, wie hoch die Inflation ist und dass wir ein bisschen mehr Geld verdienen und so weiter –, dass diese Häuser praktisch 25 Prozent weniger Geld zur Verfügung haben als vor 15 oder 20 Jahren. Das ist eine Situation, in der diese Häuser praktisch nicht mehr existieren können.
Zu allem Überfluss hat Schwarz-Grün diesen Häusern im letzten Jahr auch noch Kürzungen zugemutet, und zwar durch ihre Abhängigkeit von den Bezirken. Die Bezirke haben in allen Bereichen gekürzt und dementsprechend wurden die Mittel, die den Bürgerhäusern für ihre Arbeit zur Verfügung standen, über diese 25 Prozent hinaus noch weiter gekürzt. Das halte ich für eine fatale Fehlentwicklung.