Wir haben uns angehört, wie die Situation aussieht, was die Ängste sind und was die Schwierigkeiten ausmacht. Wir sollten uns – und das sollte eine gemeinsame Kultur in dieser Stadt und auch in diesem Parlament sein – die Forderungen, Wünsche und Erklärungen derjenigen anhören, die traumatisiert sind und sich momentan in einer schwierigen Situation befinden.
Wir sind diejenigen, die diese Fragen in das Parlament hineinbringen. Ich finde es unverständlich, dass Sie dem noch nicht einmal zuhören wollen.
Es geht hier um mehrere Dinge. Natürlich gehört es sich nicht, dass in einem Haus, von dem wir wissen, wie die Situation dort ist und dass sich die Bewohner seit Monaten darüber beschwert haben, die Haustür nicht abgeschlossen ist. Sie wissen ganz genau, dass das nicht mit einem normalen Wohnhaus zu vergleichen ist und die Bewohner besondere Angst haben, dass das nicht geändert worden ist. Und das sind Ängste, die sie gegenwärtig noch haben und auch formulieren. Sie beschweren sich angesichts der momentanen Situation, dass sie nicht informiert wurden. Herr Scheele, wir werden das in den Ausschüssen genauer diskutieren. Sie wurden nicht an die Hand genommen und haben sich bei uns beschwert. Dann kann man doch wenigstens sagen, dass wir das noch einmal nachprüfen wollen, statt zu sagen, es sei alles geklärt worden. Das halte ich für eine normale Art und Weise.
Wir haben uns darum gekümmert, was im Zusammenhang mit dem Brand geschehen ist. Wir haben auch die Rede genau gehört, und diese Rede bezieht sich auf die dortige Situation. Wenn Sie sich mit den Leuten unterhalten hätten, dann hätten Sie auch gehört,
dass es etliche Fragestellungen gibt, wie denn die Situation in der Schule ist, Herr Abaci. Es ist doch in der Arnkielstraße so, dass wir jeden Tag um die Situation der Kinder aus diesen Häusern zittern müssen. Können wir das nicht in diesem Hause gemeinsam erklären?
Es ist unverschämt zu sagen, dass diejenigen, die dieses Thema vorbringen, diejenigen seien, die diese Sache gefährden. Wir sind diejenigen, die es verteidigen werden.
Sie, die dies wegdrücken, sind diejenigen, die diese Angelegenheit gefährden. Sie haben keine Willkommenskultur, und die fordere ich von Ihnen.
Tod des Mädchens Yagmur: Versagen staatlicher Stellen untersuchen – Lehren ziehen für besseren Kinderschutz in Hamburg
Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Yagmur ist tot, um das Leben gebracht von den eigenen Eltern. Sie musste in ihrem kurzen Leben mehr Leid ertragen, als wir uns alle vorstellen können und wollen. Besonders bedrückt, dass es in Yagmurs Leben viele Chancen gab, ihr Leid zu beenden und ihr ein beschützendes Aufwachsen zu ermöglichen, ein gutes Leben. Diese Chancen sind nicht genutzt worden, und das Aufarbeiten und die Konsequenzen daraus zu ziehen, ist unsere gemeinsame Aufgabe.
Yagmur lebte zunächst bei einer Pflegemutter und hatte vom ersten Tag an auch regelmäßigen Kontakt zu ihren leiblichen Eltern. Der nun vorliegende Bericht der Jugendhilfeinspektion hat gezeigt, dass es immer wieder große Zweifel daran gab, ob nicht die leiblichen Eltern eine zu große Gefahr für ihr eigenes Kind darstellten. Obwohl das Jugendamt ein Verfahren auf Einschränkung der elterlichen Sorge vor dem Familiengericht angestrengt hatte, obwohl es ein noch laufendes Ermittlungsverfahren auch gegen die leiblichen Eltern wegen Kindesmisshandlung gab, wurde in einem Abwägungsprozess, an dem mehrere unterschiedliche Akteure beteiligt waren, die Entscheidung getroffen, Yagmur zurück in die Obhut ihrer leiblichen Eltern zu geben. Hilfe bei der Erziehung und Betreuung ihres Kindes lehnten die leiblichen Eltern im Folgenden ab. Ein eigentlich verpflichtender Kita-Besuch wurde nach wenigen Wochen abgebrochen und nicht mehr kontrolliert oder eingefordert. Wenige Monate, nachdem Yagmur allein der Obhut ihrer
Lässt man Yagmurs tragisches Schicksal Revue passieren, dann wirft das Verhalten vieler Beteiligter auch jenseits des Jugendamts Fragen auf – Fragen zur Arbeitsweise von Familiengerichten oder zur Rolle von Verfahrenspflegern, die eigentlich das Wohl des Kindes im Auge haben sollen, das sie vertreten, Fragen auch nach der Arbeitsweise der Staatsanwaltschaft. Dabei geht es nicht allein um die Praxis in den Jugendämtern, ob unsere Regelungen gut, eindeutig und ausreichend sind oder wie wir ihre Einhaltung feststellen. Es geht auch um Leitbilder in der Arbeit der Jugendämter, wenn es darum geht, welches der richtige Ort zum Leben ist für ein Kind in einem ganz konkreten Fall. Bedeutet die Rückkehr in die Herkunftsfamilie ein kindgerechtes Leben oder ist sie ein Risiko und muss ein Kind vor seinen Eltern geschützt werden? Das Kindeswohl muss im Mittelpunkt stehen, und die konkrete Entscheidung im Einzelfall ist eine schwierige Aufgabe.
Diese Aufgabe verlangt Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern viel ab. Gibt es die Option zur Rückkehr, gehört ein enger Kontakt zu den Eltern dazu, um deren Erziehungsfähigkeit zu stärken. Dazu gehört aber auch, einen eingeschlagenen Weg wiederholt kritisch zu hinterfragen, zu hinterfragen, ob die Möglichkeiten der leiblichen Eltern auch ausreichen und wirklich Aussicht auf Erfolg haben können. Wir müssen uns fragen, mit welchem Nachdruck Jugendämter die Rückführung von Kindern in ihre Herkunftsfamilie wirklich verfolgen sollen und ob hier ein generelles Umdenken nötig ist. Das Kindeswohl muss klar im Vordergrund stehen, das ist uns wichtig.
Um diesem gerecht zu werden, müssen Beschäftigte in Jugendämtern oft Familiengerichte anrufen, um die elterliche Sorge einzuschränken oder ganz entziehen zu lassen. Hier müssen sie sich gegen Anwälte durchsetzen, die sich allein dem Recht der Eltern verpflichtet fühlen. Sie müssen den Beweis führen, warum es nötig ist, die verfassungsrechtlich starken Elternrechte zum Wohle eines Kindes einzuschränken. Und sie müssen aushalten, dass sich die Frage der Perspektivklärung für ein Kind über Monate hinziehen kann. Das ist sehr schwierig für die Mitarbeiter in Jugendämtern. Deshalb ist eine wichtige Stellschraube neben der Überprüfung akuter Fälle, neben der Zusammenarbeit mit dem UKE Kinderkompetenzzentrum, neben einem gerechten Personalbemessungssystem für den Allgemeinen Sozialen Dienst, die Kinderrechte eigenständig im Grundgesetz zu verankern.
Die Auseinandersetzungen nämlich, die das Jugendamt täglich vor Gericht hat, sind keine Scheindebatten, das ist die Wirklichkeit jugendamtlichen Arbeitens, wenn es um die Frage von Kindeswohl geht. Wir müssen alles für den Kinderschutz geben und das mit letzter Konsequenz. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Am 18. Dezember letzten Jahres starb die dreijährige Yagmur in HamburgBillstedt – ein Tod, verursacht durch massive innere Verletzungen, die ihr die eigenen Eltern zugefügt haben, einem kleinen, wehrlosen und schutzbedürftigen Mädchen, einem Mädchen, dem bereits mit wenigen Monaten vermutlich Gewalt angetan wurde und dann immer wieder, bis es zu Tode gekommen ist, einem Mädchen, das der Staat nicht zu schützen vermochte und nicht vor dem Tod bewahrte, obwohl es bereits zuvor lebensgefährlich verletzt wurde. Und was ist die Reaktion des Senats und die Reaktion der SPD auf dieses Totalversagen des Staates bei der Ausübung seines Schutz- und Wächteramtes? Wir haben es eben gehört. Die Antwort darauf ist, dass Sie die Kinderrechte ins Grundgesetz schreiben wollen und noch mehr Abgeordneten Einblick in die Akten gewähren wollen. Da muss ich Sie ganz ehrlich fragen: Ist das wirklich Ihr Ernst in dieser Situation?
(Dirk Kienscherf SPD: Da haben Sie etwas nicht mitgekriegt! Wir wollten auch eine En- quete-Kommission! – Dr. Andreas Dressel SPD: Ja!)
Ist das wirklich Ihre Antwort gegenüber den vielen Menschen in dieser Stadt, die das seit Wochen verfolgen und die traurig, wütend und zum Teil auch fassungslos sind? Ich glaube, die Menschen erwarten von uns in diesen Schicksalsfragen Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit. Und mit Ihrem durchsichtigen Ablenkungsmanöver sind Sie davon Lichtjahre entfernt, Herr Dressel.
Sie beschädigen damit letztendlich auch Ihre eigene Glaubwürdigkeit. Es ist der Bürgermeister gewesen, der die Kinderrechte angesprochen hat und das Grundgesetz. Es ist Herr Scheele gewesen und zuletzt heute auch die SPD-Fraktion. Ich sage Ihnen heute an dieser Stelle klipp und klar: Yagmur würde auch mit Kinderrechten im Grundgesetz nicht mehr leben. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für Chantal, die vor zwei Jahren gestorben ist, die in die Hände drogenabhängiger Eltern gegeben wurde. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.
Wir müssen nicht drum herumreden, denn wesentliche Gründe des staatlichen Versagens sind relativ ersichtlich und auch Ihnen bekannt.
Wir haben Jugendamtsmitarbeiter, die offensichtlich Risiken und Gefährdungen systematisch unterschätzt haben. Das Kind hätte nach dieser schweren Hirnverletzung niemals zu seinen Eltern zurückkehren dürfen. Wir müssen uns ansehen, inwieweit Familiengerichte und Staatsanwaltschaft ihren Pflichten nachgekommen sind.
All das hat nichts mit dem Grundgesetz zu tun. Deshalb kommt diese Debatte, die Sie zu diesem Zeitpunkt anzetteln, auch zur Unzeit und ist in der Sache untauglich, um den Schutz von Kindern in Hamburg konkret und wirksam zu verbessern.