Protocol of the Session on January 23, 2014

Beschlüsse 5887,

Beginn: 15.04 Uhr

Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet. Ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen.

Ich möchte heute wiederum mit Geburtstagsglückwünschen beginnen, die sich an unseren Kollegen Gert Kekstadt richten. Lieber Herr Kekstadt, im Namen des ganzen Hauses herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und alles Gute für das neue Lebensjahr.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Dann setzen wir die

Aktuelle Stunde

von gestern fort. Dazu rufe ich vereinbarungsgemäß gemeinsam die Themen zwei, vier und fünf auf. Das sind im Einzelnen folgende Themen, angemeldet von der Fraktion DIE LINKE

Politische Konflikte politisch lösen!

von der CDU-Fraktion

Solidarität mit der Polizei – keine Toleranz für linke Gewaltdemonstranten

und von der GRÜNEN Fraktion

Verlierer der innenpolitischen Debatte sind die Lampedusa-Flüchtlinge – der Senat tut weiterhin nichts für eine politische Lösung

Für die heutige Aussprache wurde eine Beratungszeit von 75 Minuten vereinbart. – Das Wort bekommt Frau Schneider.

Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Es gibt in Hamburg kein politisches Problem. Mit dieser ernst gemeinten Aussage brachte der Innensenator im Innenausschuss unfreiwillig auf den Punkt, was in dieser Stadt wirklich ein Problem ist: ein Senat, der kein Problem sieht,

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

ein Senat, der Konflikte nicht erkennt und schon gar nicht anerkennt, ein Senat, der alles großartig zu managen meint und Kritik nicht einmal versteht. Bezeichnend ist, wie der Bürgermeister am 20. Dezember in einem Interview mit der "Hamburger Morgenpost" auf die Frage, ob er den Konflikt um die Lampedusa-Flüchtlinge unterschätzt habe, im Stil eines absolutistischen Herrschers antwortete – Zitat –:

"Nein. Und es ist nicht in Ordnung, dass ein Senat kritisiert wird, der die deutschlandweit modernste Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik betreibt."

(Beifall bei der SPD)

Doch, das ist in Ordnung, wir sind keine Untertanen. Und selbst wenn das mit der modernsten Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik zuträfe und Hamburg nicht die deutschlandweit härteste Ausländerbehörde betriebe, wäre es in Ordnung.

(Beifall bei der LINKEN – Ksenija Bekeris SPD: Ach, Frau Schneider! – Zurufe aus dem Plenum)

Diese Ignoranz gegenüber Interessen, die viele Menschen bewegen, und diese Unfähigkeit zu kommunizieren führen dazu, dass sich politische Konflikte aufladen. Das war doch in den letzten Monaten mit den Händen zu greifen. Es wird dem Konflikt um die Rote Flora nicht gerecht und kann die Betroffenen nicht beruhigen, wenn der Senat die Sorge vor der Räumung der Roten Flora mit Hinweis auf den neuen Bebauungsplan für unnötig erklärt.

(Dirk Kienscherf SPD: Sie haben noch ganz was anderes gemacht!)

Darauf komme ich noch zurück.

Es stößt die Bewohnerinnen und Bewohner der Esso-Häuser vor den Kopf, wenn der Senat, statt das langjährige Versagen der Stadt einzugestehen und die Vorschläge und Vorstellungen der Bewohner frühzeitig aufzugreifen, sie damit abspeist, dass er schon dafür sorgen würde, dass am Ende alles gut werde. Es macht Zehntausende Menschen in dieser Stadt fassungslos,

(Dirk Kienscherf SPD: Zehntausende?)

wenn der Senat mit kaltem Hinweis auf die Rechtslage von Flüchtlingen, die gerade einmal ihr nacktes Leben haben retten können und die für ihr Recht auf Teilhabe am Leben für wenigstens ein wenig Gerechtigkeit kämpfen, jeden Anspruch bestreitet. Er zeigt nicht einmal einen Hauch von Empathie, sondern kriminalisiert.

(Gabi Dobusch SPD: Verdrehung der Tatsa- chen!)

Und mit den Kontrollen demonstrierte er nicht nur gegenüber den Flüchtlingen seine Macht, sondern er zeigte diese seine Macht auch gegenüber der ganzen Stadt.

(Olaf Ohlsen CDU: Meine Güte!)

Nein, das alles rechtfertigt nicht Gewalt.

(Beifall bei der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: In welcher Stadt leben Sie eigentlich, Frau Schneider?)

Aber der Senat trägt einen großen Anteil an der Eskalation der Konflikte in den letzten Wochen und Monaten. Und wenn er gegenüber den verschiedenen Bewegungen nach dem Motto handelt, was wollt ihr eigentlich, es gibt kein politisches Problem, dann bleibt ihm zur Lösung der geleugneten, aber eben sehr realen Konflikte nur die Polizei. Bei all diesen Konflikten geht es um die Frage, wie wir in dieser Stadt zusammenleben wollen. Das entscheidet nicht die Polizei.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Das entscheiden auch nicht der Senat und auch nicht die Bürgerschaft.

(Dirk Kienscherf SPD: Zur Gewalt sagen Sie gar nichts!)

Wie die verschiedenen sozialen und kulturellen Interessen, wie unterschiedliche Lebensstile und Lebensentwürfe zur Geltung kommen, wie Vielfalt solidarisch gestaltet wird, kurz, wie das soziale Zusammenleben in der Großstadt sich entwickeln kann, das unterliegt permanenten Aushandlungsprozessen. Es geht um die Teilhabe und die Teilhabemöglichkeiten der Stadtbewohnerinnen. Hier liegt trotz eines fortschrittlichen Volksgesetzgebungsverfahrens und trotz des Transparenzgesetzes, das die Kontrolle der Verwaltung durch die Öffentlichkeit erleichtert, vieles im Argen.

Immerhin, in Sachen Rote Flora hat sich der Senat bewegt.

(Gabi Dobusch SPD: Wir haben uns nicht bewegt, das haben wir schon immer ge- sagt!)

Mit der Ankündigung, die Rote Flora zurückkaufen zu wollen, hat er die allererste Voraussetzung für eine Lösung des Konflikts geschaffen. Der seinerzeitige SPD-Senat hatte 2001 geglaubt, diesen Konflikt durch Verscherbelung der Roten Flora an einen Immobilienhändler privatisieren zu können. Aber dieser Konflikt lässt sich nicht privatisieren. Der Anspruch von Jugend, einen Raum zu haben, der als kultureller Freiraum

(Zurufe aus dem Plenum)

man merkt, dass Sie sich noch nie um das Problem gekümmert haben –, auch als Ort politischer Auseinandersetzung selbstbestimmt genutzt werden kann, ist ein Anspruch gegenüber der Öffentlichkeit. Es ist ein Anspruch gegenüber der Stadt, der durch die Stadt als legitimer Anspruch anerkannt und gewährleistet werden muss. Auch bei anderen Konflikten muss sich der Senat endlich bewegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es mag dem Landesvorsitzenden der SPD eine Zeitlang gelingen, Debatten und Kontroversen innerhalb der SPD kleinzuhalten. Das wird dem Bür

germeister mit der Stadtgesellschaft nicht gelingen. Kritik, Debatten, Teilhabe und die politische Austragung politischer Konflikte sind Voraussetzung für eine solidarische Stadtgesellschaft. Auch der Senat muss sich dieser Herausforderung stellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Dr. Dressel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Schneider, Ihre Rede war leider kein Beitrag zur Deeskalation.

(Beifall bei der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU)