Protocol of the Session on December 12, 2013

Bürokratie es schon richten wird. Hier haben Sie doch ein sehr technokratisches Grundverständnis von dieser Materie, das ich nicht teilen kann.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb lautet mein Appell: Lassen Sie das mit dem Antrag sein. Nehmen Sie Ihre Aufgabe als Parlamentarier sehr ernst. Wir tun das natürlich auch. Wir beraten alle Aspekte, nicht nur GenderAspekte bei den Kennzahlen. Das wäre doch einmal ein Appell an Sie. Machen Sie es genauso und ersparen Sie uns, weitere Arbeitsgruppen zu generieren, die im Grunde schon jetzt sehr gut damit beschäftigt sind, die strategische Neuausrichtung des Haushaltswesens umzusetzen, was für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung keine kleine Herausforderung ist. Nun noch quasi ein neues Berichtswesen zu schaffen, geht an den eigentlichen Herausforderungen wirklich vorbei.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Frau Artus.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Ich freue mich. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Gender Budgeting vom Februar 2012 hat eine aktive und intensive Auseinandersetzung mit der geschlechtergerechten Haushaltsführung befördert, sodass wir ihn ohne Probleme, lieber Herr Bläsing, nunmehr für erledigt erklären konnten. Insofern ist das wohl einer der erfolgreichsten Anträge der Opposition in dieser Wahlperiode.

(Beifall bei der LINKEN)

Nicht erledigt ist allerdings natürlich das Gender Budgeting selbst. Und ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich habe noch nie eine Experten- und Expertinnenanhörung erlebt, in der so viel mit den Augen gerollt wurde wie in der zum Gender Budgeting am 2. August. Es ist auch fast kein Wunder. Als meine Fraktion im Februar 2009 Senat und Bürgerschaft aufforderte, ein Gender Budgeting einzuführen, wurde dieser Antrag pauschal und rundweg von CDU, GRÜNEN – damals noch GAL – und leider auch von der damaligen SPD-Fraktion abgelehnt. So gesehen sind wir wirklich einen riesigen Schritt vorangekommen. Im "Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm" ist festgehalten, dass sich die politische Verantwortung für einen geschlechtergerechten Einsatz von Mitteln künftig auch fiskalisch ausdrückt. Es wird richtig darin beschrieben:

"Die Planung, Zuteilung und Verausgabung öffentlicher Haushaltsmittel beeinflussen die Lebensverhältnisse von Frauen und Männern und damit die gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse."

(Robert Bläsing)

Eine geschlechtergerechte Haushaltsführung sollte aus einem modernen Staatswesen deswegen eigentlich nicht mehr weggedacht werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer das tut, verleugnet die Geschlechterverhältnisse, ihre Ursachen und auch ihre Wirkungen. Dazu gehört nicht zuletzt der diesem Denken und Handeln tief verwurzelte Androzentrismus mit seiner permanenten Reproduktion von Geschlechterstereotypen und Geschlechterhierarchien. Herr Bläsing, in einem Punkt gebe ich Ihnen wirklich recht. Wir haben uns auch überlegt, ob wir einen Schritt weiter gehen und darüber nachdenken sollen, wie man die vielen Geschlechter, die es in dieser Gesellschaft gibt, im Haushalt abbilden kann. Aber dadurch, dass sich langsam ein realer Wandel der Geschlechterverhältnisse vollzieht, gerät die hegemoniale Männlichkeit sowohl theoretisch als auch praktisch langsam ins Wanken. Dieser Prozess verläuft nicht widerspruchsfrei, und er verläuft mitnichten sozial gerecht. So haben wir natürlich schon einige gut verdienende Frauen, wir haben Topmanagerinnen in den Führungsetagen. Nach wie vor verfügt aber ein Großteil der Frauen nicht über ein Einkommen, von dem sie unabhängig leben können.

(Zurufe von der CDU – Christiane Schneider DIE LINKE: Könnt ihr mal ein bisschen den Mund halten! – Glocke)

(unterbrechend) : Meine Damen und Herren! Der Zwischenruf der Kollegin Schneider war nicht sonderlich parlamentarisch, aber im Prinzip hat sie recht. Es wäre nett, wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die Rednerin lenken würden. – Frau Artus, fahren Sie bitte fort.

Danke schön, Frau Präsidentin. – Der Niedriglohnsektor wurde durch Minijobs und Leiharbeit extrem ausgeweitet. Dort steckt die größte Armutsfalle, ebenso wie in der schwindenden Sicherung durch Tarifverträge. Die weiteren großen Armutsrisiken, das Alleinerziehen von Kindern – das Thema hatten wir schon in einer Debatte zuvor – und die Phase nach dem 60. Lebensjahr, sind ebenfalls zulasten von Frauen verteilt. Obwohl Mädchen und junge Frauen die besseren Schulabschlüsse machen, wählen sie später eben nicht die Jobs, die ihrer Qualifikation entsprechen. Sie ergreifen stattdessen eher Berufe mit geringen Aufstiegschancen und schlechter Bezahlung.

Vor allem gibt es für die häusliche Gewalt, das größte Gift für die Gleichstellung, immer noch keine wirksamen Gegenmaßnahmen. Sie wird von der Gesellschaft zwar geächtet und es gibt einen ausgeprägten Opferschutz, aber in den Möglichkeiten, häusliche Gewalt zu verhindern, kommt diese Gesellschaft nicht richtig voran. Vielfach wird diese

immer noch tabuisiert beziehungsweise nur bestimmten Milieus zugeschrieben.

Verehrte Abgeordnete! Gender Budgeting soll und wird systematisch aufdecken, wie die Ressourcen verteilt sind und wie sie wirken. Dann muss die Politik entscheiden, wie sie gegensteuert. Ich nenne vier Beispiele: Wir könnten überlegen, ob wir bei den frühen Hilfen mehr auf die kleinen Jungen achten müssen, die als gewaltgefährdeter gelten, oder ob Beschäftigte, die mit der Bewilligung von Pflegestufen befasst sind, ein besonderes Gendertraining bekommen, weil bisher Frauen systematisch weniger Pflege zugestanden wird als Männern, oder mit welchen Maßnahmen wir in der politischen Bildung nachbessern, um den verschiedenen Interessen und Bedarfslagen der Geschlechter gerecht zu werden, oder welche Wirtschaftsförderungs- und Arbeitsmarktmaßnahmen erforderlich sind, damit Frauen wie Männer angemessen von ihnen profitieren. Das sind Beispiele, die ausdrücken, wie Gender Budgeting Steuergelder umverteilen kann.

(Dirk Kienscherf SPD: Nee, glaube ich nicht!)

Ich habe den Eindruck gewonnen, dass der Senat etwas zu leichtfüßig mit dem Thema umgeht, und ich teile nicht ganz die harsche Kritik, die von meiner grünen Vorrednerin gekommen ist. Den ernsthaften Umsetzungswillen nehme ich Ihnen ab, aber ich glaube, Sie unterschätzen das Boykottverhalten und die Verweigerungsmöglichkeiten. Aus Berlin gibt es dazu reichlich Erfahrung, und in Hamburg haben wir auch erste leidliche Erfahrungen gemacht. Gender Budgeting ist ein aktiver Verwaltungsauftrag, der sich aus dem UN-Abkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau ergibt. Daher finde ich es unzureichend, dass nicht, wie in Berlin, eine Steuerungsgruppe unter wissenschaftlicher Begleitung eingesetzt wird. Ich rate Ihnen, sich schnell und gezielt mit der Problematik zu befassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens fehlt es den jetzigen Plänen an gezielten Methoden. Sie glauben, sehr geehrter Herr Dr. Tschentscher – er ist leider nicht da – und sehr geehrte Frau Schiedek, dass Sie mit ausreichenden Kennzahlen ein Gender Budgeting einführen können. Kennzahlen sind aber keine Methode. Gender Budgeting hat den Vorteil, dass die Ausgaben öffentlicher Gelder sehr viel transparenter als bisher abgebildet werden. Die meisten Haushälterinnen und Haushälter sind begeistert davon – das haben wir von den Berlinern in der Anhörung erlebt –, wenn sie erst einmal begriffen haben, was für ein wertvolles Instrument sie damit in den Händen haben.

Ich komme jetzt noch kurz auf den Antrag der SPD, weil mir meine parlamentarische Geschäfts

führerin schon schärfstens signalisiert, dass meine Redezeit abgelaufen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir stimmen diesem Antrag zu. Natürlich wollen wir erst einmal anfangen und nicht gleich versuchen, den ganzen Haushalt gendergerecht auszugestalten, aber man muss sich schon fragen, warum man nicht auch bei der Stadtentwicklung ansetzen sollte, wo wir gute Ressourcen haben, warum nicht auch beim Sport, wo man gesehen hat, dass es extrem notwendig ist. Und ich rate Ihnen auch, Gender Budgeting bereits für die Bezirke einzuführen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir jetzt zur Abstimmung. Wir beginnen mit dem Antrag der SPD-Fraktion aus Drucksache 20/10278.

Wer möchte diesen beschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag mehrheitlich mit Gegenstimmen beschlossen.

Wer dann der Empfehlung des Haushaltsausschusses aus Drucksache 20/10107 folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Auch hier die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dieses war einstimmig.

Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten 56 und 51a, den Drucksachen 20/9961 und 20/10226, Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und GRÜNEN: Funktionsfähigkeit von Bürgerschaft und Bezirksversammlungen sichern – Maßvolle Sperrklauseln in der Hamburger Verfassung verankern und Bericht des Verfassungs- und Bezirksausschusses: Möglichkeiten und Grenzen der verfassungsrechtlichen Verankerung von Sperrklauseln für Bezirksversammlungen und Bürgerschaft.

[Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und GRÜNEN: Funktionsfähigkeit von Bürgerschaft und Bezirksversammlungen sichern – Maßvolle Sperrklauseln in der Hamburger Verfassung verankern – Drs 20/9961 –]

[Bericht des Verfassungsund Bezirksausschusses zum Thema: Möglichkeiten und Grenzen der verfassungsrechtlichen Verankerung von Sperrklauseln für Bezirksversammlungen und Bürgerschaft (Selbstbefassungsangelegenheit) – Drs 20/10226 –]

Wer wünscht das Wort? – Frau Duden, Sie bekommen es.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen der Bürgerschaft! Mein Name ist Barbara Duden, ich bin Bibliothekarin und rede heute zur Verfassung.

(Lang anhaltender Beifall und Heiterkeit bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN)

Vor 14 Tagen haben wir dieses Thema bereits sehr umfangreich diskutiert, deshalb kann ich mich heute auf ein paar Anmerkungen beschränken. Wir haben im Verfassungsausschuss vor einigen Tagen eine Anhörung gehabt, die ergeben hat, dass die weitaus überwiegende Mehrheit der Experten keine Bedenken hat, diese Verfassungsänderung durchzuführen. Im Gedächtnis bleibt mir natürlich auch noch als Nicht-Juristin, aber bekennende, die Definition von "Mehr Demokratie", wo gesagt wurde, wir sollten nicht immer vom Wahlkonsens reden, das sei in Wirklichkeit ein Kompromiss gewesen. Ich habe mir die Mühe gemacht, im etymologischen Wörterbuch des Duden nachzuschauen – nicht bei Wikipedia, denen würde ich nämlich in dem Fall nicht so trauen –, was Konsens bedeutet. Konsens heißt Übereinstimmung der Meinungen, und Kompromiss heißt Übereinkunft durch gegenseitige Zugeständnisse. Da bleibt jedem überlassen zu glauben, was wir erreicht hätten. Ich selbst spreche weiterhin von Wahlkonsens.

(Beifall bei der SPD)

Die Anhörung hat ergeben, dass alle Sachverständigen – da waren Professor Winterhoff, Professor Bull und viele andere vertreten – gesagt haben, das solle man so machen. Aber es ist gleichzeitig gutes Recht von "Mehr Demokratie", ein fakultatives Referendum zu stellen. Ob es zulässig ist, werden die Richterinnen und Richter des Hamburgischen Verfassungsgerichts klären. Sie sind immerhin nicht das erste Mal mit dieser Frage befasst.

Die Wiedereinführung der 3-Prozent-Klausel ist in unseren Augen immer noch zulässig und sinnvoll.

(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei der CDU und bei Jens Kerstan GRÜNE)

Und, auch das haben wohl alle Rednerinnen und Redner beim letzten Mal schon deutlich gemacht, Hamburg ist Nummer 1 bei der Frage der Bürgerbeteiligung. Wir brauchen in Hamburg beides, wir brauchen weiterhin eine Bürgerbeteiligung, aber wir brauchen ganz unbedingt auch starke und handlungsfähige Parlamente. Deshalb sind wir dafür, diesen Antrag heute in zweiter Lesung anzunehmen. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

(Kersten Artus)

Das Wort bekommt Herr Trepoll.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Duden, mein Name ist André Trepoll, ich bin verfassungspolitischer Sprecher meiner Fraktion und werde hier bald zur Schulpolitik reden müssen.

(Beifall und Heiterkeit bei allen Fraktionen – Dr. Andreas Dressel SPD: Da freuen wir uns drauf!)

Das wird ein Spaß.

Artikel 51 unserer Verfassung sagt Folgendes aus: