Protocol of the Session on December 12, 2013

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben einen Sonderausschuss zu Ende gebracht, aber der zivilrechtliche Prozess gegen die Pflegeeltern fängt erst an, das ist noch nicht einmal geklärt. Der Sonderausschuss hat eine Menge Regeln beschlossen, und diese Regeln werden von den Expertinnen und Experten, die im Ausschuss waren, ausnahmslos kritisiert, etwa dass Akten mehrheitlich geschwärzt waren.

(Dr. Melanie Leonhard SPD: Das stimmt nicht!)

Dann hören Sie sich einmal die Expertenanhörungen an.

Als das einzig Gute ist am Ende dabei herausgekommen, dass wir einen Pflegeelternrat in Hamburg haben, was ich begrüße. Die haben jetzt mehr Rechte, und ich hoffe, dass sie noch mehr gestärkt werden und bei den Mitbestimmungen mitreden dürfen. Aber das Problem der Jugendhilfe bleibt weiterhin bestehen, und ich bin gespannt auf eine weitere Diskussion.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Senator Scheele.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor etwa zwei Jahren ist Chantal in Wilhelmsburg gestorben. Sie lebte, wie mehrfach gesagt worden ist, als Pflegekind in einer Pflegefamilie, die für diese Aufgabe nicht geeignet war, und sie hätte dort auch nicht untergebracht werden dürfen.

Bei der Aufarbeitung des Falls sind wir auf viele schwerwiegende Fehler gestoßen. Wie immer in solchen Fällen ist es nicht der individuelle Fehler einer einzelnen Fachkraft im ASD, die dafür verantwortlich ist, dass ein Unglücksfall eintritt, sondern es ist letztlich immer eine Verkettung von mehreren Fehlern und Versäumnissen und von mehreren Instanzen. So auch in diesem Fall, in dem einzelne Mitarbeiter sowohl im ASD wie auch beim betreuenden Träger Fehler begangen haben, die Organisation und die Führungskräfte aber offensichtlich auch keinen Rahmen gesetzt hatten, innerhalb dessen sich die Fachkräfte bewegen konnten. Wir haben sowohl ein individuelles wie auch ein organisatorisches Versagen im Ausschuss feststellen müssen.

Der Fall hat die Jugendhilfe in Hamburg erschüttert. Knappe zwei Jahre hat ein Sonderausschuss

(Mehmet Yildiz)

der Bürgerschaft über die Konsequenzen aus diesem Fall für das Pflegekinderwesen, aber auch für große Teile der Jugendhilfe als Ganzes sehr einvernehmlich beraten. Wir sind in dieser Zeit, und das ist meine tiefe Überzeugung, einen großen Schritt in Richtung mehr Sicherheit gegangen, mehr Sicherheit für Hamburger Kinder, aber auch mehr Sicherheit und Unterstützung für die Fachkräfte der Allgemeinen Sozialen Dienste.

Anders als bei anderen Sonderausschüssen haben wir als Senat nicht den Bericht des Ausschusses abgewartet, um jetzt tätig zu werden, sondern die Empfehlungen und Beschlüsse, die wir gemeinschaftlich erarbeitet haben, parallel zu den Ausschussberatungen umgesetzt, sodass wir faktisch, wenn dieser Bericht heute vorgelegt wird, abgesehen von den deutlichen Restarbeiten beim Qualitätsmanagement, auch fast fertig sind mit den Konsequenzen.

Der Abschlussbericht des Sonderausschusses wurde beinahe vom gesamten Ausschuss gemeinschaftlich getragen. Das finde ich gut und richtig. Die Arbeit im Ausschuss war, wie hier mehrfach gesagt worden ist, ausschließlich von der Sache geprägt, vom gemeinsamen Bestreben, das Kindeswohl in Hamburg sicherzustellen und alles dafür zu tun, dass ein solcher Fall nie wieder passiert. Der Kinder- und Jugendschutz eignet sich eben nicht für Parteienstreit. Wir können in einzelnen Bereichen unterschiedliche Auffassungen haben; darauf ist hier auch hingewiesen worden seitens der CDU auf den Umgang mit Methadon und seitens der GRÜNEN auf den Umgang mit den Drogentests. Das steht auch so im Bericht, aber wir waren uns im Ausschuss immer einig, wenn es um die große Linie des Kinderschutzes ging.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Ausschuss hat sich nicht im Parteienstreit zerrieben, sondern eine wichtige inhaltliche Arbeit für den Kinderschutz in Hamburg geleistet. Ich habe dem Parlament im Februar 2012 diverse Maßnahmen für die Jugendhilfe in Hamburg angekündigt, und anders als Herr Yildiz eben gesagt hat, war das keineswegs eine Bevormundung des Ausschusses, sondern das waren Ideen, die wir hatten und über die wir dann teilweise streitig miteinander diskutiert haben, wie wir es am besten ins Werk setzen.

Dazu gehörten Sofortmaßnahmen wie die Aktenprüfung aller bestehenden Pflegeverhältnisse und die Untersuchung genau dieses Falles durch die Innenrevision der Finanzbehörde. Dazu gehörten mittelfristige Maßnahmen wie eine neue Fachanweisung im Pflegekinderwesen, welche wir im Ausschuss diskutiert und beschlossen haben, sowie die Einrichtung einer Jugendhilfeinspektion, die ihre Arbeit Anfang dieses Jahres aufgenommen hat. Und ich habe angekündigt, ein Qualitätsmanagement in der Jugendhilfe einzuführen, welches so

wohl ein Risiko- als auch ein Beschwerdemanagement enthält. Daran arbeiten wir zurzeit noch. Wir sind im Zeitplan und werden bis Ende des Jahres 2014 ein Qualitätsmanagementsystem eingeführt haben, das extern auditiert und zertifiziert wird.

An diesem Punkt schlugen mir anfangs, wenn ich mich recht entsinne, viele Zweifel von Abgeordneten, Trägern und Mitarbeitern der Allgemeinen Sozialen Dienste entgegen. Mein Eindruck knapp zwei Jahre später ist jetzt, dass wir diese Zweifel weitestgehend haben ausräumen können. Insbesondere die Fachkollegen in den Allgemeinen Sozialen Diensten und ihre Leitungskräfte, von der Teamleitung im ASD über die Jugendamtsleitung bis zu den Bezirksamtsleitern, sehen mittlerweile die Vorteile eines solchen Systems. Es bietet nämlich Handlungsvorgaben und Struktur in den Abläufen für den Einzelnen, ohne die individuellen Fachkenntnisse und den individuellen Fall außer Acht zu lassen. Prozesse und Abläufe werden klar beschrieben, und es wird auch klar beschrieben, wer wann einzubeziehen ist und wer welche Verantwortung zu übernehmen hat. Es nötigt den Führungskräften ab, ihre Aufgaben als Führungskraft auszufüllen, und Mitarbeiter werden nicht alleine gelassen, denn eine Erkenntnis war, dass die Führungskräfte ihre Leitungsaufgabe nicht wahrgenommen haben. Das schützt vor dem, was wir im Fall Chantal gesehen haben – vor Organisationsversagen.

Wir beschreiten mit dem Qualitätsmanagement im Allgemeinen Sozialen Dienst und übrigens auch in meiner Fachbehörde Neuland in Deutschland, und die Aufmerksamkeit und das Interesse an unseren Ergebnissen sind groß. Ich bin mir sicher, dass wir nicht die Einzigen bleiben, die dieses Instrument etablieren, um ihr Hilfesystem für Mitarbeiter wie für Kinder sicherer zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Neben den eben beschriebenen Maßnahmen haben Sozialbehörde und Bezirke an der Stabilisierung des ASD in Hamburg gearbeitet. Unter der Führung meines Staatsrates tagt nun regelmäßig eine Lenkungsgruppe Jugendhilfe, in der alle Bezirksamtsleiter vertreten sind, um die anliegenden Themen kontinuierlich zu besprechen. Das zunächst wichtigste Thema war die Stabilisierung der Personalsituation in den Allgemeinen Sozialen Diensten, was hier auch angesprochen worden ist. Dazu gehörte ein ganzes Bündel von Maßnahmen.

So wurden verschiedene Leitungsfunktionen in den Bezirken neu besetzt. Wir haben die Einstellungskonditionen für ASD-Fachkräfte verbessert, indem wir die Eingruppierung von E9 nach E10 erhöht haben, um die Fluktuation einzudämmen, denn die Amtsvormünder waren nach E10 eingruppiert worden. Und wenn wir nicht gehandelt hätten, dann wären uns die ganzen Fachkräfte in Richtung Amtsvormünder weggelaufen. Wir haben die in ei

(Senator Detlef Scheele)

nigen Bezirksämtern gängige Praxis befristeter Einstellungen gestoppt, weil wir Fachkräfte binden wollen. Die Lenkungsgruppe hat die Entwicklung von Einarbeitungskonzepten bei Professor Schrapper in Auftrag gegeben. Spezielle Fortbildungen zur Einarbeitung neuer Fachkräfte gehören in Hamburg inzwischen zum Regelangebot der sozialpädagogischen Fortbildung in der Sozialbehörde. Wir haben veranlasst, dass ein Team unter der Leitung von Professor Schrapper – die Untersuchung haben wir selbst in Auftrag gegeben – mit allen Bezirksämtern und bezirklichen Leitungen Gespräche zur Lage in den 33 Allgemeinen Sozialen Diensten führt. Dabei wurde die besondere Situation jeder ASD-Abteilung gewürdigt, und die Bezirksämter haben jeweils spezifische Maßnahmen zur Stabilisierung daraus abgeleitet.

Wir haben vor allen Dingen eines geschafft: die Fluktuation des Personals in den Allgemeinen Sozialen Diensten zu reduzieren und die Stellenvakanzen auf ein Minimum zurückzudrücken. Ende 2011 waren 26 Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte im Allgemeinen Sozialen Dienst nicht besetzt, Mitte dieses Jahres waren es neun. Das ist eine deutliche Verbesserung, die dadurch zustande kommt, dass wir kontinuierlich ausschreiben und Vakanzen nicht zur Bewirtschaftung nutzen, sondern immer wieder sofort neu besetzen und vernünftig einarbeiten.

(Beifall bei der SPD – Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben viele neue Kolleginnen und Kollegen in den Allgemeinen Sozialen Diensten, und ich will nicht verhehlen, dass die Zeit der Einarbeitung eine zusätzliche Herausforderung für die Leitungen und die erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darstellt. Aber das Paket an Maßnahmen greift, und mit den neuen Kolleginnen und Kollegen sind auch neuer Schwung und Elan und teilweise neues Denken eingezogen. Ich bin in den vergangenen zwei Jahren in vielen Abteilungen unterwegs gewesen, zuletzt mit Herrn Pörksen im Osdorfer Born, und man kann diese positive Veränderung vor Ort tatsächlich erleben. Die Arbeit des ASD wird wie bisher auch weiterhin eine sein, in der es besondere Herausforderungen gibt. Die Verantwortung für das Erkennen und Beurteilen von Gefährdung und das fachlich angemessene entschlossene Handeln, das will ich hier ausdrücklich sagen, sollte uns allen größten Respekt abnötigen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle zum Ende der parlamentarischen Aufarbeitung dieses Falles stellvertretend für den Senat bei den Kolleginnen und Kollegen – denn es hat in der Zeit auch viel über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ASD in den Zeitungen gestanden – ausdrücklich für das tägliche große Engagement in der Arbeit

mit Kindern und Jugendlichen in Hamburg bedanken.

(Beifall bei der SPD)

Ein letzter Punkt. Wir haben versprochen, dass wir ein Personalbemessungssystem einführen. Frau Blömeke hat darauf hingewiesen, dass es Fallzahlobergrenzen geben soll. Zurzeit sind wir dabei zu definieren, was überhaupt ein Fall ist, denn wenn man in eine ASD-Abteilung geht – wir sind da oft unterwegs – und fragt, wie viele Fälle es denn sein sollten, dann sagen die Kolleginnen und Kollegen immer, es komme darauf an, was das für ein Fall sei. Ein Fall wie das Zirkuskind, über das wir auch diskutiert haben, beschäftigt alleine einen ganzen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin, und ein Fall, bei dem eine einfache sozialpädagogische Familienhilfe generiert wird, benötigt ein Minimum davon. Deshalb sind wir zurzeit dabei, diese Falldefinition gemeinsam vorzunehmen, und ich bin mir sicher, dass wir im Laufe des nächsten Jahres zu einem vernünftigen auf dem Qualitätsmanagement beruhenden Bemessungssystem kommen werden, das alle zufriedenstellen wird und wir diese Baustelle – die Beantwortung der Frage, sind wir eigentlich genug, oder brauchen wir mehr Personal – am Ende auch abgeräumt haben werden.

(Beifall bei der SPD)

Am Ende wird man oft gefragt, ob der Senat oder der zuständige Senator versprechen kann, dass sich ein solches Unglück nicht wiederholt. Dazu will ich deutlich sagen: Das kann niemand, weder ein Mitarbeiter im ASD noch ein Bezirksamtsleiter oder ein Jugendamtsleiter und auch nicht der Sozialsenator. Aber mit den eingeleiteten Schritten – der neuen Fachanweisung für das Pflegekinderwesen, dem noch kommenden Rahmenkonzept, der Kooperationsvereinbarung zum Schutz von Kindern, deren Eltern Drogen konsumieren, der Stabilisierung der Personalsituation, der Einführung einer Jugendhilfeinspektion und dem Qualitätsmanagement – tun wir unser Möglichstes, damit sich so etwas nicht wiederholen kann. Hundertprozentige Gewissheit gibt es nicht. Zum Abschluss vielen Dank an die Fraktionen im Ausschuss, denn im Wesentlichen haben wir in einer schwierigen und hoch emotionalisierten Situation und unter großer öffentlicher Begleitung gemeinschaftlich, Senat und Parlament, gute Arbeit geleistet. Es freut mich, dass wir in weitesten Teilen einvernehmlich am Ende Empfehlungen ausgesprochen haben, die wir gern umsetzen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung. Frau

(Senator Detlef Scheele)

Kaesbach hat mir mitgeteilt, dass sie an der Abstimmung nicht teilnimmt.

Zunächst stelle ich fest, dass die unter Punkt A der Ausschussempfehlung erbetene Kenntnisnahme erfolgt ist.

Wer möchte nun den in den Punkten B und C der Ausschussempfehlung enthaltenen Ersuchen seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieses angenommen.

Wer schließt sich dem Ersuchen aus Punkt D an? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dieses ist einstimmig angenommen.

Wer möchte das Ersuchen aus Punkt E der Ausschussempfehlung annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch dieses ist mit einigen Gegenstimmen angenommen.

Wer schließlich dem Ersuchen aus Punkt F seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 37, Drucksache 20/10107, Bericht des Haushaltsausschusses: Steuergelder gerecht verteilen: Hamburg führt das Gender Budgeting ein.

[Bericht des Haushaltsausschusses über die Drucksache 20/3237: Steuergelder gerecht verteilen: Hamburg führt das Gender Budgeting ein (Antrag der Fraktion DIE LINKE) – Drs 20/10107 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/10278 ein Antrag der SPD-Fraktion vor.

[Antrag der SPD-Fraktion: Gender Budgeting: Gleichstellungspolitische Schärfung haushalterischer und finanzieller Steuerungsstrukturen – Drs 20/10278 –]

Wer wünscht das Wort? – Frau Dobusch, Sie bekommen es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Australien macht es, Österreich macht es, Großbritannien angeblich auch, Berlin, Bremen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, ein paar weitere und Hamburg nun demnächst auch. Die Rede ist – Sie wissen es – vom Gender Budgeting, was man vielleicht ein bisschen unzureichend mit geschlechtergerechtes Haushalten übersetzen könnte. Mit der Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking fing es an, aber besonders weit sind die meisten der knapp 200 teilnehmenden Staaten – Deutschland gehörte übrigens dazu –