Ich komme jetzt zum Koalitionsvertrag. Sie feiern Ihren Koalitionsvertrag, obwohl es hier nichts zu feiern gibt. Sie feiern ihn, aber niemand feiert mit Ihnen, weil von einem Politikwechsel nicht die Rede sein kann.
Ihre Koalition wird die soziale Spaltung im Land und in Hamburg verschärfen. Somit setzen Sie eigentlich die schwarz-gelbe Politik fort, die schon genug sozialpolitischen Schaden angerichtet hat.
Ich möchte noch einmal zur Erinnerung für Sie Ihre sozialpolitischen Wahlversprechen – oder soll ich lieber Wahlversprecher sagen – vortragen. Es ist einmal der Mindestlohn – das ist eine Mogelpackung. Das Wahlversprechen für mehr Steuergerechtigkeit ist nicht eingehalten. Die Bekämpfung der Altersarmut kann eher als Verwaltung der Armut bezeichnet werden. Die Senkung der Stromsteuer um 25 Prozent – Wahlversprechen nicht gehalten. Mietpreisbremse – halbherzig und nicht ausreichend.
Herr Scholz verkündete voller Stolz, dass die Große Koalition positive Auswirkungen auf Hamburg haben werde – mit diesem Koalitionsvertrag aber ganz bestimmt nicht.
Ich möchte auf zwei wichtige Punkte eingehen. Sie regieren in einer reichen Stadt, in der zugleich Kinder in Armut leben müssen. Im Januar waren 21 Prozent aller Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren – das sind etwa 48 000 – auf SGB-IILeistungen angewiesen. Besonders armutsgefährdet sind Kinder und Jugendliche, die in Haushalten von Alleinerziehenden leben, deren Eltern einen Migrationshintergrund haben oder die in Familien mit mehreren Kindern leben. Die Armut dieser Kinder ist auch die Armut ihrer Eltern, und Armut ist auch in Hamburg zuallererst Einkommensarmut. Vor diesem Hintergrund verkünden Sie dann voller Stolz und in feierlicher Laune, dass der Mindestlohn erst 2017 für alle Beschäftigten eingeführt werden soll. Selbst dann wird es wohl Ausnahmen geben, falls Sie sich dann auch wieder daran erinnern werden. Sie selbst wissen auch, dass wir den
Wir brauchen den Mindestlohn, um vor Niedriglöhnen zu schützen, wir brauchen ihn, um die Armut zu bekämpfen und nicht weiter zu verwalten, und wir brauchen ihn, damit die Menschen von ihrer Arbeit leben können. Aber niedrige Einkommen und Arbeitslosigkeit führen nicht nur zu Kinder- und Jugendarmut, sie führen auch zu Altersarmut und verhindern das Altern in Würde.
Hamburg hat im Vergleich zum Bundesdurchschnitt eine mehr als doppelt so hohe Quote an Empfängerinnen und Empfängern von Grundsicherung im Alter. Über 18 000 Menschen erhalten in Hamburg Grundsicherung im Alter, und das ist eine Steigerung um 22 Prozent von 2006 auf 2010. Aber die tatsächliche Armutsquote von älteren Menschen soll einer Studie zufolge erheblich höher sein als die Inanspruchnahme von Grundsicherung.
Ein aktuelles Beispiel verdeutlicht die Verschärfung der Altersarmut in Hamburg. Die Hamburger Tafel hat an einigen Lebensmittelausgabestellen bereits Aufnahmestopps erlassen. Das "Hamburger Abendblatt" berichtete heute, dass in den vergangenen zwei Jahren die Zahl der Bedürftigen, die ihre Lebensmittel über die Hamburger Tafel beziehen, rasant gestiegen sei. Die Not ist hier groß, und wie äußert sich Ihr Sprecher der Sozialbehörde, Herr Schweitzer – ich zitiere –:
Die Sozialverbände – und das ist kein Geheimnis – weisen schon seit Langem auf die sich immer mehr verschärfende Altersarmut in Hamburg hin. Aber Ihre Antwort auf dieses Problem als Große Koalition lautet, das Rentenniveau weiter sinken zu lassen. Sie wollen weiter die kapitalgedeckte Vorsorge und damit die private Alterssicherung im Interesse der Banken und Versicherungen stärken. Die Rente ab 67 bleibt unangetastet, und gestern stellte sich der Bürgermeister hin und verkündete, wer 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt habe, werde mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Das ist so etwas von realitätsfern, denn Sie wissen doch ganz genau, dass die Mehrheit der Menschen gar nicht 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat.
Unser Fazit: Die Bekämpfung von Armut sieht ganz anders aus. Sie müssen endlich aufhören, die Armut zu verwalten, Sie müssen anfangen, die Armut zu bekämpfen. Packen Sie das Problem
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe LINKE, wir brauchen von Ihnen keine Belehrung.
Schwarz-Rot ist keine Wunschkoalition, und dieser Koalition liegt ein bestimmtes Stimmenverhältnis zugrunde, darüber haben wir gestern auch schon ausführlich gesprochen. Aber man kann nicht die Augen davor verschließen, dass der Koalitionsvertrag wichtige soziale Fortschritte enthält.
Trotzdem sage ich Ihnen, dass auch mir Punkte fehlen. Es sind wahrscheinlich andere als die der FDP, wenn ich an die Debatte gestern denke. Es ist zum Beispiel die Umverteilung von Vermögen. Dort hat die CDU alle Versuche, zu einer Vermögensteuer zu kommen, abgeblockt. Das bedauere ich ausdrücklich.
Aber es gibt viele reale Verbesserungen, die einer sozialen Spaltung entgegenwirken und auch sozialpolitisch wichtig sind. Das möchte ich für den Bereich Soziales in einigen Bereichen anführen.
An erster Stelle steht der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro ab 1. Januar 2015. Das ist ein wichtiger Schritt für viele Menschen in Deutschland, und das haben die Redner meiner Fraktionen auch gestern schon betont. Es ist ein Anfang, aber es ist ein Fortschritt für sehr viele Menschen. Es ist ein Armutszeugnis für Deutschland, dass wir diesen Mindestlohn noch nicht haben, und es ist ein Verdienst der Sozialdemokratie, dass er jetzt kommen wird – in allen Branchen, in Ost und West und in Stadt und Land.
Ich möchte betonen, dass die Gewerkschaften unser Verhandlungsergebnis in diesem Punkt explizit unterstützen. Wir wollen starke Tarifverträge über 8,50 Euro. Und das Gesetz, das zum 1. Januar 2015 in Kraft tritt, stärkt den Gewerkschaften den
Rücken. Der allgemeinverbindliche Mindestlohn wird in Hamburg wie auch bundesweit für Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt sorgen. Wir in Hamburg sind da schon vorangegangen und haben mit dem Landesmindestlohngesetz schon einiges regeln können.
Für Menschen ohne Arbeit wird es ebenfalls Verbesserungen geben, die Mittel für die Eingliederung werden um 1,4 Milliarden Euro aufgestockt. Nachdem wir es jahrelang mit Kürzungen von CDU und FDP zu tun hatten, ist das beendet. Es ist auch richtig, dass wir den Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit legen.
Ein dritter wichtiger Punkt ist die Entlastung, die wir durch die Übernahmen von Kosten der Eingliederungshilfe durch den Bund erwarten können. Hier wird es Spielräume für die Hamburger Politik geben. Auch das Bundesleistungsgesetz wird deutliche Verbesserungen für die Menschen mit Behinderung nach sich ziehen, hin zu einer inklusiven Gesellschaft. Und das ist richtig und wichtig.
Integrationspolitisch ist gestern schon viel genannt worden. Der Optionszwang wird entfallen, vielen Tausenden Kindern wird das etwas bringen. Langjährig geduldete Menschen werden eine altersund stichtagsunabhängige Regelung für eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Das ist richtig und wichtig.
Sie finden viele Punkte im Koalitionsvertrag, für die Hamburg maßgeblich ist; ich möchte einmal die Jugendberufsagenturen nennen. Kein Jugendlicher soll verloren gehen. Das bedeutet eine Perspektive für Tausende Jugendliche, und das ist Fortschritt.
Aber was bedeutet es in Hamburg, soziale Spaltung zu bekämpfen? Das haben Sie auch mit angemeldet, aber da braucht Hamburg wahrlich keine Nachhilfe. Wir bauen und bauen und bauen und wir investieren in den Wohnungsbau.
Wir stellen die Bildungspolitik auf solide Füße, von der Krippe über die Kita und die Ganztagsschule bis hin zum Übergang von der Schule in den Beruf. Das sind Investitionen in die Zukunft, und die werden durch den Koalitionsvertrag gestärkt.