Protocol of the Session on October 23, 2013

Bevor Sie unseren Antrag gleich kritisieren, beantworten Sie erst einmal die Frage, was das für eine Moral ist, wenn in einer reichen Stadt wie Hamburg unzählige Gebäude in städtischem Eigentum leer stehen, aber sehr viele obdachlose Menschen vor

diesen Gebäuden übernachten müssen, obwohl sie in diese einziehen könnten?

(Beifall bei der LINKEN)

Soweit zu unserem Antrag. Ich bin gespannt auf die Beiträge der anderen Fraktionen.

Im Übrigen, Herr Bürgermeister: Eine politische Lösung für die Lampedusa-Flüchtlinge ist möglich; Sie müssen es nur wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Lohmann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der Links-Fraktion zielt natürlich auf eines: dass wir zu wenig Wohnungen in Hamburg haben. Das Wohnungsbauprogramm, das wir seit dem Jahre 2011 aufgelegt haben, scheint erste Früchte zu tragen. Laut "Hamburger Abendblatt" sind in ersten Stadtteilen leicht zurückgehende Mieten und eine leichte Entspannung zu beobachten. Wir werden auch weiterhin dafür Sorge tragen, dass in Hamburg Wohnungen gebaut werden. Nur so wird es mittel- und langfristig zu einer Entspannung auf dem gesamten Wohnungsmarkt kommen.

(Beifall bei der SPD)

Nun zum Antrag der Links-Fraktion. Die SAGA GWG ist angehalten, keinen Leerstand zuzulassen. Das schreibt bereits das Wohnraumschutzgesetz vor, das im Übrigen auch für alle anderen Vermieter gilt. Sie fordern, dass die leer stehenden Wohnungen in städtischem Eigentum unverzüglich für die Vergabe an Obdachlose herzurichten sind. Lassen Sie mich dazu eine persönliche Bemerkung machen. In Hamburg gibt es viele Menschen, die zurzeit keine Wohnung haben, und wir müssen aufpassen, dass wir nicht eine wohnungssuchende Gruppe gegen die andere ausspielen.

(Beifall bei der SPD)

Sie möchten die städtischen Büro- und Gewerbeflächen daraufhin überprüfen, inwieweit diese Flächen für die Wintermonate zugänglich gemacht werden können. Dies wird bereits ständig geprüft und gegebenenfalls auch umgesetzt. Aber ein Umbau von Büro- und Gewerbebauten ist sehr teuer, sodass sich manchmal eher der Abriss und Neubau lohnt. Außerdem ist das Wohnen in Gewerbegebieten grundsätzlich unzulässig; das Gerichtsurteil zum Thema Offakamp hat dies leider bestätigt. Vereinzelt haben die Bezirke, Wandsbek zum Beispiel, bereits Gewerbeflächenkonzepte aufgestellt, die genau untersuchen sollen, welche Gewerbeflächen überhaupt noch als solche zu nutzen sind und welche direkt dem Wohnungsmarkt zur Verfügung gestellt werden können.

(Cansu Özdemir)

Nun zu den in Ihrem Antrag angesprochenen Wohnungsleerständen bei der SAGA GWG. Ja, es gibt geringe Leerstände bei der SAGA GWG, aber die entstehen weitgehend durch Mieterwechsel und der darauf folgenden Renovierung und Instandsetzung der Wohnungen. Sobald diese Wohnungen fertiggestellt sind, werden sie sofort wieder neu vermietet. SAGA GWG und die Baugenossenschaft freier Gewerkschafter haben bereits Ende 2012 den neuen Kooperationsvertrag unterzeichnet. Die SAGA GWG hat sich vertraglich dazu verpflichtet, jährlich 3000 sozialwohnungsberechtigte Haushalte mit Wohnraum zu versorgen, davon mindestens 1700 Haushalte mit Dringlichkeitsschein. Von diesen müssen wiederum 50 Prozent, also 850 Wohnungen, an wohnungslose Haushalte vergeben werden.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Sagen Sie mal die Quote! Wird das umgesetzt?)

Das wird dieses Jahr umgesetzt, selbstverständlich. Wir sind noch nicht am Ende des Jahres, aber selbstverständlich wird das umgesetzt.

Mit weiteren Vermietern, vor allen Dingen den Wohnungsbaugenossenschaften, werden intensive Gespräche geführt, damit diese sich dem Kooperationsvertrag anschließen. Die SAGA GWG versucht im Rahmen ihrer Möglichkeiten, zu helfen, wo sie nur kann, und ich finde, sie macht in dieser schwierigen Situation einen verdammt guten Job.

(Beifall bei der SPD)

Zum Punkt Begleitung nach Einzug. Im Rahmen des Gesamtkonzepts Wohnungslosenhilfe in Hamburg hat jetzt das Projekt Starthilfe bei Einzug in eigenen Wohnraum begonnen. Dabei werden die Fachstellen mit sogenannten Starthelfern ausgestattet, die durch die Vermittlung lebenspraktischer Hilfen bei der Orientierung im neuen Lebensumfeld unterstützen sollen.

Und dann zu Ihrem Punkt Zwangsräumungen bei der SAGA GWG. Die Zwangsräumungen bei der SAGA GWG sind seit Jahren stark rückläufig. Sollte es aber doch zu einer Zwangsräumung kommen – und das sind Abläufe, die sich meist über zehn oder mehr Jahre hinziehen –, gibt es eine enge Zusammenarbeit mit den zuständigen Fachstellen, damit niemand in die Obdachlosigkeit gerät. Über Zwangsräumungen haben wir im Übrigen an dieser Stelle schon vor Kurzem ausführlich gesprochen.

Da so gut wie alle Punkte aus dem Antrag der Links-Fraktion durch diverse Schriftliche Kleine Anfragen beantwortet wurden und wir das Thema diverse Male im Sozialausschuss und im Stadtentwicklungsausschuss beraten haben, werden wir sowohl die Überweisung als auch den Antrag ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Heintze, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hier werden Dinge miteinander vermischt, bei denen es sich deutlich lohnen würde, sie einzeln zu betrachten. Sie fliegen ein über das Winternotprogramm und sagen, dass wir hier vor einer Herausforderung stünden, mit der wir uns zu beschäftigen hätten – dem stimmen wir als CDU zu. Sie fordern dann aber ein Aktionsprogramm bis zum 31. Dezember und sagen dann, man müsse schauen, wie man damit die Obdachlosigkeit in dieser Stadt über die SAGA GWG löst. Das ist weder eine Lösung noch ein sinnvoller Umgang mit dem Winternotprogramm, das ist reiner Populismus. Entschuldigen Sie bitte: So funktioniert das nicht.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich halte es für höchst unklug – Herr Lohmann hat darauf hingewiesen – zu sagen, wir hätten mit der SAGA GWG ein städtisches Wohnungsbauunternehmen und es müsse doch mit diesem in zentraler Funktion irgendwie zu bewerkstelligen sein, die Obdachlosigkeit in dieser Stadt in den Griff zu bekommen. Damit verkennen Sie die Funktion der SAGA GWG. Die SAGA GWG ist dafür zuständig, Menschen, die in dieser Stadt eine Wohnung suchen, dabei zu helfen, eine Wohnung zu finden. Man muss Ihre Fragestellung von dem trennen, was Aufgabe dieses öffentlichen Unternehmens ist, nämlich sich an der Grundversorgung in dieser Stadt zu beteiligen. Das tut es sehr gut. Herr Lohmann hat darauf hingewiesen, dass die Leerstände, von denen Sie sprechen, eine Mär sind. Die SAGA GWG ist damit beschäftigt, alle ihre Wohnungen so schnell wie möglich in einen vermietbaren Zustand zu bekommen. Es gibt Wohnungen, wo das nicht so schnell geht, weil bei einigen Auszügen Totalsanierungen nötig sind. Da ist es mir wesentlich lieber, diese werden totalsaniert, als dass wir in ihnen Obdachlose unterbringen. Das fände ich fahrlässig, das ist der falsche Weg.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Herr Lohmann hat auch darauf hingewiesen, dass es klare Vereinbarungen mit der SAGA GWG gibt, denn natürlich fordern wir als Stadt diesem öffentlichen Unternehmen einen Beitrag ab. Er sprach von 850 Wohnungen, die an Obdachlose vergeben werden. Es gibt zudem gerade bei der SAGA GWG ein Mahnwesen, das sehr stark darauf ausgerichtet ist, nicht nur zu mahnen und zu räumen, sondern ganz im Gegenteil früh mit Hilfen einzusetzen und Ratenzahlungen zu ermöglichen, wo die Wohnungswirtschaft an anderer Stelle längst eine Räumung in die Wege geleitet hätte.

(Uwe Lohmann)

Sie suggerieren, dass in diesem öffentlichen Unternehmen, das Verantwortung in dieser Stadt wahrnimmt und das dies in einer betriebswirtschaftlich erfolgreichen Art und Weise tun muss – sonst hätten wir nämlich ein Problem im Stadthaushalt, und dann würde es in der Tat schlecht aussehen mit Geld für das Winternotprogramm –, schlechte Arbeit gemacht wird und Obdachlosigkeit verhindert werden könnte. Das ist fahrlässig und leider auch inhaltlich falsch. Sie sind schlecht vorbereitet auf diese Debatte.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ein weiterer Fakt: Die Zahl der Zwangsräumungen ist in den letzten zehn Jahren annähernd halbiert worden, weil die SAGA GWG dieses Thema auf der Agenda hat. Wenn Sie nicht in der Lage sind, sich vor einer Debatte mit den Fakten auseinanderzusetzen und die SAGA GWG als öffentliches Unternehmen als Lösung aller Probleme stilisieren, dann ist das kein gutes Zeugnis für eine Wohnungsbaupolitikerin oder eine Sozialpolitikerin; das muss ich ganz klar sagen. Ich gebe Ihnen aber recht, dass das Thema ein wichtiges ist, und ich gebe Ihnen auch recht,

(Glocke)

dass wir uns über das Winternotprogramm Gedanken machen müssen; da sind wir bei Ihnen. Wir lehnen sowohl die Überweisung als auch den Antrag ab.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Frau Fegebank, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, die Koalitionsverhandlungen in Berlin fruchten jetzt auch hier schon ein wenig.

(Beifall bei der LINKEN und bei Matthias Al- brecht SPD)

Wir erleben neue Allianzen, die sich in Sachen Wohnungs- und Obdachlosigkeit bilden.

(André Trepoll CDU: Das Gute setzt sich im- mer durch!)

Herr Heintze, ich gebe Ihnen recht. Das ist in der Tat ein Antrag, der auf vielen Ebenen unterschiedliche Punkte miteinander vermengt. Trotzdem ist es immer richtig, wenn wir uns in diesem Haus mit dieser Frage auseinandersetzen. Und ich bin froh, dass wir das in den letzten Monaten so oft getan haben. Wir werden das in den nächsten Monaten, wenn es kälter wird, sicherlich auch weiterhin tun, denn niemand hat in Abrede gestellt, dass sich die Situation nicht nur auf dem Wohnungsmarkt dra

matisch zugespitzt hat, sondern auch die Zahlen bei der Obdachlosigkeit Dimensionen annehmen, die es immer wieder erforderlich machen, darüber zu reden. Aus dieser Haltung heraus begreife ich auch den Antrag der LINKEN, dem wir in vielen Punkten zustimmen –nicht, weil wir sagen, dass diese immer bis ins Allerletzte ausbuchstabiert seien, sondern weil wir es als Appell an dieses Haus, die Stadt und die städtischen Wohnungsbaugesellschaften verstehen, natürlich auch in Richtung Kooperationsvertrag, sich mit diesem Problem intensiv auseinanderzusetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Heike Sudmann DIE LINKE: Genau das ist es!)

Frau Özdemir hat es angesprochen. Einige von uns waren in der vergangenen Woche bei diversen Feierlichkeiten zur Jubiläumsfeier des Pik As. Auch für diejenigen, die sich sonst vielleicht weniger mit dem Themenfeld Obdachlosigkeit, Armut und drohende Wohnungslosigkeit auseinandersetzen, hat gerade der Festakt in der Handwerkskammer mit seinen sehr beeindruckenden Reden und einem eindrucksvollen Film verdeutlicht, in was für einer Situation sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, viele Spender und Unterstützer und vor allem diejenigen, die die Leistungen im Pik As in Anspruch nehmen, befinden. Die öffentlichen Einrichtungen in dieser Stadt platzen aus allen Nähten – da nenne ich das Pik As nur exemplarisch, mir tat Herr Vaerst von "fördern und wohnen" sehr leid – und die Zustände in ihnen sind teilweise unerträglich, sodass sich Menschen entscheiden, die Wintermonate lieber in der Kälte auf der Straße zu verbringen, als in eine öffentliche Einrichtung zu gehen. Das muss man immer und immer wieder thematisieren. Deshalb noch einmal: Ich begreife den Antrag der LINKEN mehr als Appell und Signal, denn eine besondere Situation erfordert auch besondere Maßnahmen. In diesem Sinne will ich auch die folgenden Punkte diskutieren.

Es sind verschiedene Gruppen von Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen sind; das ist schon angesprochen worden. Zudem haben sich diese Gruppen in den letzten Monaten erweitert. Es geht um Familien, um Frauen – die Anzahl obdachloser Frauen ist dramatisch angestiegen –, es geht um Jugendliche. Es geht um Flüchtlinge; wir haben heute schon ausführlich über sie gesprochen. Es geht um Wanderarbeiter, hauptsächlich Männer, die aus Osteuropa kommen und ihr Glück in Hamburg suchen, die teilweise von irgendwelchen Unternehmen ausbeuterisch mit einem Hungerlohn abgespeist werden, sodass ihnen das Geld fehlt, sich eine Bleibe zu suchen; auch diese Debatte haben wir schon mehrfach geführt. Bei dieser Gemengelage haben wir auf einem sehr angespannten Wohnungsmarkt nicht ausreichend Plätze in der öffentlichen Unterbringung. Ich lobe ausdrücklich die Bemühungen des Senats in den letzten

(Dr. Roland Heintze)

Wochen. Wir wissen, wie schwierig es ist, geeignete Standorte zu finden, um Container aufzustellen, oder Gebäude zu finden, die umfunktioniert werden können. Das ist ein richtiger Kraftakt und dafür brauchen wir die Unterstützung aller. Aber hier geht es eigentlich noch um ein anderes Thema: die fehlenden Plätze in der öffentlichen Unterbringung, die teilweise unzumutbaren Zustände dort und die lange Verweildauer, weil die entsprechenden Angebote auf dem Wohnungsmarkt fehlen.

Ich möchte noch einmal einen anderen Dreh in die Debatte bringen. Sie lassen sich immer gern feiern für die hohe Anzahl genehmigter Wohnungen,

(Ole Thorben Buschhüter SPD: Die Sie nicht verhindern konnten!)

bei denen die Mieten aber oft erst bei 11 oder 12 Euro/Quadratmeter kalt anfangen. Das ist also an eine ganz bestimmte Zielgruppe adressiert. Gleichzeitig fallen viel zu viele Sozialwohnungen aus der Bindung. Der Stau in der öffentlichen Unterbringung ist so groß, dass wir Schwierigkeiten haben, einen Abfluss so zu garantieren, dass wir auf der einen Seite die öffentliche Unterbringung vernünftig gestalten und mit ausreichend Kapazitäten ausstatten können und auf der anderen Seite an allen Standorten in der Stadt einen guten Mix an Wohnungen haben. Das ist doch die Debatte, die wir eigentlich führen müssten, dass es dieses Bottleneck in der öffentlichen Unterbringung gibt, eine lange Verweildauer und nicht ausreichend Wohnungen, die aus dieser Notsituation heraus bezogen werden können, und gleichzeitig einen Senat, der zwar genehmigt, genehmigt, genehmigt, aber dann, wenn es darum geht, den Drittelmix so umzusetzen, dass Menschen in besonderen Problemlagen, Flüchtlinge und Familien mit geringem Einkommen tatsächlich unterkommen, dieser Aufgabe nicht nachkommt. Es ist meine große Sorge, dass der Wohnungsmarkt sich weiter spaltet und richtig auseinanderbricht.