Protocol of the Session on September 25, 2013

"[…] nicht nur die klassischen Fragen nach Krieg und Frieden auf[werfe], sondern […] auch ein[schließe], wie man den Hunger in der Welt besiegt, wie man das Massenelend überwindet und die herausfordernden Ungleichheiten in den Lebensbedingungen zwischen Reichen und Armen [verbessert.]"

Zitatende.

Das war vor über 30 Jahren, und wir sind aufgefordert, hier weiter voranzuschreiten.

(Beifall bei der SPD und bei Tim Golke DIE LINKE)

Dies gilt für die globale Ebene, auf der sich Deutschland und Europa dafür einsetzen sollten, dass überall auf der Welt die sozialen Mindeststandards der Internationalen Arbeitsorganisation ILO verbindlich gelten. Das gilt dafür, die unverantwortlichen und skrupellosen Finanzspekulationen mit Lebensmitteln, in deren Zuge riesige Mengen nur um des Börsenprofits willen vernichtet werden, endlich zu unterbinden.

Auch in Deutschland können wir konkret etwas tun. So prüfen wir gerade, ob es möglich ist, die Kaffeesteuer für fair gehandelten Kaffee auszusetzen oder zumindest abzusenken. Das könnte einen großen Schub für den Fair-Trade-Kaffee bewirken,

denn er wäre dann kaum noch teurer als der konventionelle.

In Hamburg wollen wir unseren Weg für Fair Trade konsequent weitergehen. Im Hamburger Vergabegesetz haben wir gemeinsam mit den GRÜNEN bereits 2009 für die Verankerung der Kernarbeitsnormen der ILO als zwingende soziale Mindestkriterien gesorgt, und mit der Novellierung in diesem Jahr haben wir das soziale Vergaberecht weiter gestärkt. Nun wollen wir das Fair-Trade-Leitmotiv auch auf jene Bereiche der öffentlichen Beschaffung in Hamburg ausdehnen, die vom Vergabegesetz bislang nicht erfasst sind. Wir wollen außerdem weitere Produkte einbeziehen, die bisher nicht in der Liste der sogenannten kritischen Warengruppen geführt werden, und prüfen, inwieweit das auch bei IT-Produkten möglich ist. Dabei nehmen wir die Anregungen auf, die der "Rat für Nachhaltige Entwicklung" jüngst formuliert hat.

Meine Damen und Herren! Mit unserer Initiative zeigen wir ein weiteres Mal, dass wir nicht nur von sozialer Gerechtigkeit reden, sondern sie als Regierungspartei konkret in praktische Schritte umsetzen. Wir denken global und handeln lokal. Wir laden Sie ein, mit uns gemeinsam für mehr Fairness und Gerechtigkeit in Hamburg, Deutschland und weltweit zu handeln. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Heintze, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Tode, das war ein nahezu weltumspannendes Gesamteinordnungsprojekt. Sie haben leider vergessen zu erwähnen, dass die Initiative 2010 von Schwarz-Grün kam. Damals wurde Fair Trade erstmalig mit konkreten Maßnahmen in diesem Rathaus zum Durchbruch verholfen.

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg übernimmt den Vorsitz.)

Davor war von Ihnen nichts zu dem Thema zu hören. Von daher fand ich diesen globalen Aufschlag jetzt etwas too much, auch wenn inhaltlich vielleicht viel Richtiges dabei war.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wir können alles global einordnen, das ergibt auch Sinn, aber am Ende des Tages ist bei Fair Trade die Festlegung von Preisen zentral. Wenn wir so darüber diskutieren, wie Sie es intoniert haben, dann sind wir als Bürgerschaft deutlich besser beraten, wenn wir schauen, was in der Hamburger Verwaltung möglich und sinnvoll ist und wo wir lernen können, was in der Stadt gut ist. Darauf richtet sich der Fokus der CDU und nicht auf die globale Einordnung, die Sie vorgenommen haben.

Nichtsdestotrotz haben Sie auch einen Teil vergessen. Es gibt nämlich in Hamburg bereits 500 Einzelhändler, 220 gastronomische Betriebe, 21 öffentliche Institutionen und nicht zuletzt 40 Kirchengemeinden, die das "Fair-Trade"-Siegel verwenden und darin eine hohe Expertise haben. Wir würden uns gern näher damit befassen, was es schon Gutes in der Stadt gibt, welche Auswirkungen das auf die Verwaltung hat und was wir konkret bewegen können, so wie die GRÜNEN es tun, die im Sinne eines sinnvollen Ausbaus des schwarz-grünen Ansatzes von 2010 Erweiterungen der Produktgruppen vorschlagen.

Deswegen würden wir uns sehr wünschen, dass wir beide Anträge an den Haushaltsausschuss und Europaausschuss überweisen und gleich konkret etwas festlegen, was funktioniert. Wir haben die Ausschussüberweisung beantragt, um diesem Thema in der Debatte zu einer breiteren Akzeptanz zu verhelfen. Das verweigern Sie leider. Wir finden das sehr schade und würden es begrüßen, die Anträge doch noch im Ausschuss diskutieren zu können.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Heintze. – Das Wort hat Frau Fegebank.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich stimme Herrn Heintze zu; wir hätten uns auch gewünscht, in den Ausschüssen weiterberaten zu können. Die Einlassung von Herrn Tode – den Bezug auf die globale Dimension und Gerechtigkeit bei diesem Thema – fand ich ausdrücklich gut, denn "global denken und lokal handeln" findet sich im grünen Wertekorsett wieder und ist Grundlage unseres Handelns. Ich danke für die Einordnung dessen, was sich global abspielt. Hamburg als Hafen- und Handelsstadt steht in der Verantwortung und der Pflicht, wenn es um internationale und globale Wirtschaft und die aktive Verhinderung von Ausbeutung und Kinderarbeit geht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dr. Sven Tode und Uwe Lohmann, beide SPD)

Ich will aber konkret auf den Antrag der SPD eingehen, den wir annehmen werden, weil wir ihn im Ansatz und in allen Punkten richtig finden. Wir hätten uns allerdings an der einen oder anderen Stelle eine Konkretisierung gewünscht, denn wir waren durch die Beratungen mit dem "Rat für nachhaltige Entwicklungspolitik" in der Debatte schon ein bisschen weiter. Herr Heintze hat eben bereits angesprochen, dass wir uns im Bereich der öffentlichen Beschaffung die kritischen Waren daraufhin anschauen wollen, ob es möglich wäre, diese auf die Produkte Kaffee, Tee, Schokolade und Blumen auszuweiten.

(Dr. Sven Tode)

Herr Tode hat eben gesagt, dass die Anzahl der fair gehandelten Waren in unseren Läden erschreckenderweise bei nur 1 Prozent liegt. Ich habe noch einen anderen Vergleichswert, in Großbritannien liegt die Anzahl bei 20 Prozent. Es gibt also noch viel Luft nach oben. Hamburg kann mit seiner Verantwortung als "Fair Trade Stadt" auch in diesem Jahr mit gutem Beispiel vorangehen, und ich würde mir wünschen, dass wir uns die Kriterien noch einmal genau anschauen.

Wir haben uns in der Vergangenheit eingebracht und werden das auch künftig wieder tun, wenn es um die Stärkung des fairen Handels geht, und zwar über Bildungsarbeit, aber auch im Dialog mit Wirtschaft, Zivilgesellschaft und den Kirchen. Wir wollen faire Beschaffung und fairen Handel als Leitlinie für Hamburg und als Maßstab des internationalen Wirtschaftens in der globalen Verantwortung stärken.

Unsere konkrete Forderung ist die Überprüfung der kritischen Waren. Wir haben uns außerdem Bremen angeschaut, wo es verschiedene Zertifikate in den unterschiedlichen Produktbereichen gibt. Auch hier würden wir uns eine Auseinandersetzung wünschen. Vielleicht können wir das im Zuge einer Selbstbefassung mit in den Europaausschuss nehmen. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Fegebank. – Das Wort hat Herr Bläsing.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der faire Handel hilft. Produzentinnen und Produzenten in Entwicklungsländern können so aus extremer Armut befreit und nachhaltiges Wirtschaften gefördert werden, insbesondere in ländlichen Regionen. Das Thema ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich unmittelbar Aktivitäten von Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen in Deutschland auf Entwicklungsländer auswirken.

(Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Meine Damen und Herren! Es hat nur Herr Bläsing das Wort und sonst niemand. – Fahren Sie bitte fort.

"Deutschlands Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern geht jeden von uns an."

Das sagte Walter Scheel, Bundespräsident a.D., der vor fünfzig Jahren der erste Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit wurde. Moderne

Entwicklungszusammenarbeit fördert die Selbsthilfe und ermöglicht Menschen, sich aus eigener Kraft aus der Armut zu befreien. Genau das tut der faire Handel, und deshalb liegt er mir persönlich sehr am Herzen. Er regt eine nachhaltige Entwicklung an und leistet einen umfassenden Beitrag in sozialer, ökologischer und ökonomischer Hinsicht. So erhalten beispielsweise Kleinbauern einen besseren Zugang zu Märkten und können ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen effektiver vertreten. Umwelt-, Sozial- und Arbeitsstandards werden eingehalten. Ein fairer Preis sichert Einkommen, und soziale Infrastruktur und Bildungsangebote werden ausgebaut. Langfristige Lieferbeziehungen ermöglichen es den Menschen, selbst in ihre Zukunft zu investieren und so ihre Lebenschancen zu verbessern. In der Entwicklungspolitik geht es darum, dass Menschen Zukunftschancen bekommen, die sie bisher nicht hatten. Wir Verbraucher und Verbraucherinnen machen uns oft nicht bewusst, welche Macht unsere Entscheidungen entfalten können. Wenn wir uns für faire Produkte entscheiden, dann bestimmen wir mit, wohin unsere Welt steuert.

Der Umsatz hat sich in den vergangenen sechs Jahren vervierfacht. Besonders stark ist dabei der Absatz von fair gehandeltem Tee gestiegen: plus 42 Prozent. Auch bei Zucker – plus 14 Prozent – und Kakao und Schokolade – plus 16 Prozent – gab es positive Entwicklungen, und Kaffee, der Klassiker des fairen Handels, konnte mit einem Plus von 38 Prozent deutlich zulegen. Mit einem Anteil von 32 Prozent am Gesamtumsatz ist Kaffee nach wie vor das wichtigste Zugpferd im fairen Handel.

Trotz all dieser positiven Entwicklungen der letzten Jahre ist der Anteil fair gehandelter Waren mit 0,3 Prozent am Gesamtumsatz noch viel zu gering. Die Umsätze steigen zwar, aber von einem sehr niedrigen Niveau aus.

Meine Damen und Herren! In Großbritannien wird dreimal mehr Fair-Trade-Handel betrieben als in Deutschland. Fair gehandelter Kaffee und fair gehandelte Bananen kommen dort auf einen Marktanteil von 20 Prozent; Frau Kollegin Fegebank hat bereits darauf hingewiesen. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir als FDP-Fraktion den Antrag der SPD-Fraktion, die öffentliche Beschaffung noch stärker als bislang auf Fair Trade umzustellen. Es gilt, die Chance zu nutzen, Hamburg als Fair-Trade-Metropole weiterzuentwickeln.

In diesem Zusammenhang ist es mir besonders wichtig, dass wir nicht nur auf das Label "Fair Trade" achten, sondern auch hinter das Produkt sehen. Ich hoffe, dass wir zeitnah die Gelegenheit haben, die Thematik im Europaausschuss oder im Haushaltsausschuss – ich bin in beiden Ausschüssen – zu beraten.

(Katharina Fegebank)

Den Zusatzantrag der GRÜNEN lehnen wir ab. Dort werden viele Punkte wiederholt, die bereits im SPD-Antrag stehen. Der Kaffee im Rathaus ist schon auf Fair Trade umgestellt. Ich weiß nicht, Frau Fegebank, wo Sie im öffentlichen Dienst noch öffentlich finanzierten Kaffee trinken gehen können, denn es gibt nicht viele Möglichkeiten dazu. Sie müssen also erläutern, worauf Sie hinauswollten.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Bläsing.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie bitten, dem Redner zuzuhören. Ganz besonders, Frau Fegebank, gilt das für die Abgeordneten, die selbst gerade gesprochen haben. Sie sollten dem nachfolgenden Redner Gelegenheit geben, sich zu äußern.

Herr Golke, bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bläsing hat richtig berichtet, dass der erste Entwicklungshilfeminister Walter Scheel von der FDP war. Die Zeiten haben sich geändert, denn der noch amtierende Entwicklungsminister der FDP hielt dieses Amt und Ministerium im Jahr 2009 für schlicht überflüssig.

(Robert Bläsing FDP: Hat aber trotzdem einen guten Job gemacht! – Zuruf aus dem Plenum: Hoch auf dem gelben Wagen!)

… sitz ich beim Schwager vorn; richtig.

Faire Beschaffung kann mühselig sein, das müssen wir uns klarmachen. Ich möchte Ihnen gern ein Beispiel geben. Wenn Sie sich dafür interessieren, Textilien für den privaten Gebrauch zu beziehen, ist relativ wenig mit dem Standard "Fair Trade" zu bekommen. Es gibt den "Global Organic Textile Standard", der neben Umwelt- auch Arbeitsbedingungen sichert, aber die Anzahl der Händler ist relativ klein. Und am Ende Ihrer Suche werden Sie bei einem relativ seltsam geführten baden-württembergischen Textilunternehmen landen.

Diese Mühe muss es uns aber wert sein. Für uns LINKE ist klar, dass fairer Handel und Entwicklungspolitik nicht zwei verschiedene Dinge sind, sondern zusammengehören. Gott sei Dank sind wir davon abgekommen, Milchpulver nach Afrika zu schicken, aber es kann auch nicht sein, dass Entwicklungspolitik so verstanden wird, deutsches Geld im Ausland noch viel wertvoller zu machen. In den Ländern, die sich entwickeln wollen, muss man mit den Menschen dort zusammen diese Entwicklung betreiben, ihnen Arbeitsmöglichkeiten und Märkte eröffnen und dabei möglicherweise auf eigene Wertschöpfung verzichten.