Senatorin Ahnungslos! Hamburgs Justiz in schwerer See – hat Frau Schiedek das Ruder noch in der Hand?
Die Fraktionen sind übereingekommen, das zweite und dritte Thema gemeinsam debattieren zu wollen. Jetzt rufe ich aber zunächst das erste Thema auf, angemeldet von der SPD-Fraktion. Herr Dr. Dressel, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 22. September entscheiden die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, ob sie 2 Milliarden Euro für einen Netzkauf ausgeben wollen, der außer neuen Schulden nichts bringt – so viel Geld für so viel Unsinn.
Selten hat ein Volksentscheid den Bürgern so viel Sand in die Augen gestreut wie dieser. Deswegen sagen wir gemeinsam mit CDU und FDP und einem breiten Bündnis aus Kammern, Verbänden, Betriebsräten und Industriegewerkschaft Nein zum Netzkauf.
Immer klarer wird auch, dass dieser Volksentscheid nicht hält, was er verspricht, und ein Blick in die Broschüre, die wir jetzt alle zu Hause vorliegen haben, führt es vor Augen. Gehen wir die vier zentralen Wahlversprechen doch einmal durch.
einmal konkret hinschaut, sagt Herr Hörmann, dass die Preise sinken, und auch Frau Heyenn hat am Freitag noch in Aussicht gestellt, dass nur ein städtischer Anbieter die günstigen Preise anbieten darf. Nix da, die Energie wird nicht billiger für die Verbraucher, Strom- und Gaspreise werden nicht sinken, die Netzentgelte sind festgelegt durch die Bundesnetzagentur, da bleibt kein Spielraum, und das heißt, dass das erste Wahlversprechen schon einmal Makulatur ist.
Gut fürs Klima ist das Zweite, was Sie in Aussicht stellen. Nicht eine Tonne CO2 wird eingespart, nicht eine Kilowattstunde weniger Kohle und Atomstrom wird durchs Hamburger Netz gehen und auch nicht eine Kilowattstunde Ökostrom mehr. Auch der Energiemix ist reguliert, jeder Strom muss durchgeleitet werden, und so ist auch das zweite Versprechen Makulatur.
Das Dritte ist das gute Geschäft für Hamburg und die Traumrenditen, von denen geredet wird – natürlich alles garantiert durch die Bundesnetzagentur, wie Sie es an die Wand malen. Da haben Sie und die Initiative offenbar das System der Regulierung nicht verstanden. Es gibt keine garantierten Erlöse. Es gibt Erlösobergrenzen, aber keine Erlösuntergrenzen, und dann hängen Sie mit dem unternehmerischen Risiko am Schluss da. Und die Bundesnetzagentur ist dabei immer bestrebt, die Erlöse herunterzuregulieren. Insofern funktioniert das ganz anders.
Wenn Sie sich in der kommunalen Landschaft ein bisschen umgucken, dann stellen die Kommunen, die das schon gemacht haben, immer mehr fest, dass von der Goldgräberstimmung, die am Anfang herrschte, nicht mehr viel übrig ist. So wurde etwa bei "Spiegel Online" letzte Woche Bocholt als Beispiel für einen Pionierwahn bei der Rekommunalisierung genannt.
Aber es geht doch aktuell darum, wo wir jetzt stehen und was in Zukunft passiert, Frau Schneider. Das ist doch das Entscheidende, und wenn der dortige Geschäftsführer warnt, wenn die Bundesnetzagentur nicht für höhere Erlöse sorge, dann werde das Stromnetz irgendwann ein Zuschussgeschäft, dann sollte uns das alarmieren.
Wir brauchen auch gar nicht so weit zu schauen. Brunsbüttel, unsere kleine Nachbarstadt an der Unterelbe, hat auch das Stromnetz von E.ON übernommen und – siehe da – 2012 fast eine halbe Million Euro Verlust gemacht. Das braucht man nur einmal für Hamburg hochzurechnen und man sieht, dass diese Rechnung nicht aufgeht.
Der letzte Punkt ist die Unabhängigkeit von Vattenfall und E.ON. Und da weiß man, dass Ihnen, wenn Ihnen die Argumente ausgehen, dann natürlich immer noch das Bashing gegen die beiden großen Versorger bleibt.
Man sieht, dass dieser Schmu, der da erzählt wird, nicht aufgeht. Mittlerweile dämmert es Ihnen auch, dass alleine das Ja beim Volksentscheid nicht ausreicht, um in den Besitz der Netze zu kommen. Wir haben nachher ein Konzessionsverfahren. Da muss in einem diskriminierungsfreien Vergabeverfahren entschieden werden, wer den Netzbetrieb bekommt, und das ist letztlich völlig offen, wenn man sich an die Gesetze hält. Das hat sogar Herr Kerstan jetzt in der "taz" eingeräumt: Man müsse einmal schauen, was dabei herauskomme, garantieren könnten sie es nicht. Aber so, wie Sie es dann dargestellt haben, dass nachher der Versorger Grund zur Sorge hätte und nicht der städtische Anbieter, ist in der Tat bizarr, denn es müsste sich ein städtischer Anbieter als leere Hülle ohne Erfahrung im Netzbetrieb bewerben. Wie das ausginge, würden wir dann sehen. Insofern ist dieser Punkt der Konzession der Pferdefuß des Netzkaufs, und das sollten Sie der Öffentlichkeit endlich preisgeben.
Die Wählerinnen und Wähler haben bis zum 22. September ein Anrecht, dass die volle Wahrheit zu diesen Punkten ans Licht kommt und diskutiert wird.
Ich finde es schon interessant, dass Sie versuchen, kaum, dass sich mehrere Institutionen in dieser Stadt zu Wort melden, die auch wichtige Argumente in einer solchen Diskussion vorzubringen haben, diese mundtot zu machen. Ist das Ihr Demokratieverständnis, GRÜNE und LINKE? Das kann wohl nicht sein.