Protocol of the Session on August 14, 2013

Sehr geehrte Damen und Herren! Endlich – das war das Wort, das in der Rede von Herrn Kienscherf fehlte – sind diese SPD und der Senat in die Puschen gekommen. Im Januar 2013, es ist mehr als ein halbes Jahr her, hat DIE LINKE einen Antrag gestellt, für ganz Hamburg die Kappungsgrenze einzuführen. Das haben Sie damals abgelehnt, Sie hätten es zum 1. Mai fertig haben können. Der Senat hat fast acht Monate gebraucht, um festzustellen, dass GesamtHamburg gefährdet ist, wenn es um die Wohnraumversorgung geht. Noch besser: Er hat in diesen acht Monaten festgestellt, dass auch die CDUgeführten Senate 2004 und 2008 schon dahintergekommen sind, dass wir eine nicht ausreichende Wohnungsversorgung haben. Für diese Erkenntnis brauchen wir keinen Senat, der acht Monate benötigt, um diese Feststellung noch einmal aufzuschreiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie hätten Mieterinnen und Mieter fragen können, da hätte Ihnen jeder schneller gesagt, wie es in Hamburg wirklich aussieht.

(Beifall bei Tim Golke DIE LINKE)

Diese Transusigkeit, die Sie an den Tag gelegt haben, zahlen die Mieter und Mieterinnen, weil sie nun vier Monate länger auf die Kappungsgrenze warten müssen und vier Monate länger Mieterhöhungen bekommen. Das ist wirklich ein Trauerbild.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Niedmers, das war eine wunderbare Rede, sich zu rühmen, dass Schwarz-Gelb auf Bundesebene eine wirklich schlappe Mietrechtsreform gemacht hat, in der es einen guten Punkt gab, nämlich die Kappungsgrenze, und sich dann hinzustellen und zu sagen, der Senat mache das völlig falsch. Das ist wirklich "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass." Es ist typisch CDU, dass Sie noch nicht einmal dazu stehen, was Sie selbst überhaupt erst ermöglicht haben. Das heißt doch, dass Sie das gar nicht wollten, sondern nur frühzeitig den Wahlkampf um die Mieterinnen und Mieter eingeleitet haben. Aber das werden die Leute erkennen und Sie deswegen auf gar keinen Fall wählen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das findet die SPD auch gut, das glaube ich.

Herr Kienscherf hat betont, wie sehr die SPD für den Schutz der Mieter und Mieterinnen stehe. Sie haben nachher Gelegenheit, das bei unserem Antrag zur Veränderung des Mietenspiegels zu zeigen, aber Sie haben schon angekündigt, dass Sie ihn ablehnen werden. Um einmal bei der Tierwelt

(Olaf Duge)

zu bleiben, die heute so beliebt ist: Sie erinnern mich an einen Hund, der immer dann, wenn es kritisch wird, den Schwanz einkneift, und von dem alle sagen, er wolle nur spielen, aber er beiße nicht. Genau das trifft nämlich bei Ihnen zu. Sie sagen, Sie wollen die Mieterinnen und Mieter schützen. Sie wissen ganz genau – das hat der Senat in dieser Drucksache zur Kappungsgrenze übrigens sehr gut beschrieben –, wie stark die Mietensteigerungen im Mietenspiegel sind. Da ist auch sehr schön beschrieben, warum die Kappungsgrenze zwar den Mietenspiegel etwas dämpfen wird, aber eben nur etwas. Um den Mietenspiegel richtig zu dämpfen, müssen alle Mieten mit hinein. Und da machen Sie wieder nicht mit, da sind Sie auf einmal nicht mehr auf der richtigen Seite.

(Beifall bei der LINKEN – Erster Vizepräsi- dent Frank Schira übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin nicht optimistisch, dass Sie das in acht Monaten anders sehen, sondern das werden Sie auch auf Bundesebene nicht umsetzen. Es geht rechtlich, weil Sie es auf Bundesebene machen können.

Was eben schon von Herrn Duwe beklagt wurde, würde ich ganz anders sehen. Der Senat hat ausgeführt, dass Investorinnen über diese neuen Regelungen nicht so glücklich sind und vielleicht nicht investieren werden. Er hat weniger deutlich geschrieben, dass die Mieterinnen und Mieter die Mieten vielleicht nicht mehr werden zahlen können. Wenn Sie diese beiden Punkte feststellen, dann müssen Sie doch merken: So, wie dieser kapitalistische Wohnungsmarkt läuft, funktioniert das nicht.

(Beifall bei Kersten Artus und Norbert Hack- busch, beide DIE LINKE)

Wohnen ist sicher nicht nur für uns, sondern auch für Sie ein Teil der Daseinsvorsorge, oder wollen Sie das abstreiten? Wohnen ist ein Teil des Grundrechts, und wenn das so nicht funktioniert, dann muss der Staat intervenieren, dann muss da mehr Geld hinein, und Geld ist genug da. Da könnten Sie endlich einmal in die Hufe kommen und nicht nur Wahlkampfreden schwingen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/8777 an den Stadtentwicklungsausschuss zu? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Somit ist die Überweisung abgelehnt.

Dann stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von der Senatsmitteilung aus Drucksache 20/8777 Kenntnis genommen hat.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 70, Drucksache 20/8471, Antrag der CDU-Fraktion: Für ein selbstbestimmtes Leben im Alter – Gründung von Seniorengenossenschaften in Hamburg fördern.

[Antrag der CDU-Fraktion: Für ein selbstbestimmtes Leben im Alter – Gründung von Seniorengenossenschaften in Hamburg fördern – Drs 20/8471 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/8912 ein Antrag der Fraktion DIE LINKE vor.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Für ein selbstbestimmtes Leben im Alter – mit einem die Lebensqualität sichernden Renteneinkommen – Drs 20/8912 –]

Die SPD-Fraktion möchte die Drucksache 20/8471 an den Gesundheitsausschuss überweisen. Vonseiten der CDU-Fraktion liegt ein Antrag auf Überweisung der Drucksache 20/8912 an den Stadtentwicklungsausschuss vor.

Das Wort wird gewünscht von Frau Dr. Föcking.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie Sie leben wollen, wenn Sie älter und vielleicht nicht mehr so mobil und fit wie heute sind? Träumen Sie von einer Wohnung unter südlicher Sonne? Wollen Sie eine Senioren-WG gründen oder zu Ihren Kindern ziehen? Sehen Sie sich in einer betreuten Wohnung oder in einem Seniorenwohnheim? Oder geht es Ihnen wie mir? Am liebsten möchte ich so lange wie möglich im eigenen Zuhause leben, möglichst selbstständig sein und mir nur dort helfen lassen, wo es unbedingt nötig ist. Wenn Sie so denken, dann denken Sie wie die meisten Menschen in unserem Land. Fast 60 Prozent alleine der Rentnerinnen und Rentner wünschen sich laut einer Allensbach-Studie auch bei Pflegebedürftigkeit im Alter, möglichst in der eigenen Wohnung bleiben zu können. Diesen berechtigten Wunsch müssen wir in der Politik ernst nehmen. Wir müssen versuchen, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen und zu unterstützen.

(Beifall bei der CDU und bei Karin Timmer- mann SPD)

Natürlich gibt es schon eine ganze Menge: professionelle Pflegedienste, Erleichterungen für Menschen, die ihre Angehörigen pflegen, Essen auf Rädern, bezahlte Seniorenassistenzen und so weiter und so fort. Doch wir können das professionelle

(Heike Sudmann)

Netz noch so dicht knüpfen, es bleiben Lücken. Wer fährt mich zum Arzt? Wer hilft mit, den Brief ans Amt zu schreiben? Wer schneidet mir die Gartenhecke? Wer kauft für mich ein? Wer führt meinen Hund aus? Wer liest mir vor oder schiebt meinen Rollstuhl, wenn ich eine Stunde nach draußen möchte? Diese und viele anderen individuellen Bedürfnisse des Alltags sind es, die kein noch so umfassendes Sozialsystem wird abdecken können, schon gar nicht dann, wenn keine Angehörigen in der Nähe leben und jede Hilfe teuer bezahlt werden muss. Diese Lücke bei den Hilfen im Alltag kann aber ein Modell schließen helfen, das es in Süddeutschland bereits vielfach gibt und das unsere Fraktion nun auch in Hamburg einführen möchte, die sogenannten Seniorengenossenschaften. Der Name ist etwas irreführend, denn tatsächlich handelt es sich um Vereine, die Menschen zur gegenseitigen Hilfe gegründet haben. Jüngere, mobile Senioren helfen älteren, die nicht mehr so fit sind, bei der Hausarbeit, im Garten, bei Behördengängen oder eben beim Gesellschaftleisten. Sie bekommen dafür von den Älteren entweder ein kleines Entgelt oder aber Zeitpunkte auf einem Guthabenkonto. Wenn sie dann selbst einmal Hilfe brauchen, bekommen sie dieses Guthaben durch Hilfe von anderen Mitgliedern zurück. Sie arbeiten sozusagen ehrenamtlich auch für sich selbst und sorgen für die Zeit vor, in der sie selbst nicht mehr alles allein schaffen. Gerade diese Verbindlichkeit ist es, die Seniorengenossenschaften von der reinen Nachbarschaftshilfe unterscheidet.

Nach Deutschland kam die Idee schon Anfang der Neunzigerjahre, damals durch die CDU-Regierung unter Lothar Späth, der sie nach Baden-Württemberg brachte. Als Modellprojekt wurde sie dort gefördert. Mittlerweile gibt es rund 90 Seniorengenossenschaften in Deutschland; die meisten in BadenWürttemberg, Hessen und Bayern. Weitere Länder wollen folgen. In Sachsen veranstaltet das dortige Sozialministerium in wenigen Wochen einen großen Fachkongress zum Thema. In Brandenburg initiiert derzeit die Senioren-Union der CDU die erste Seniorengenossenschaft, und auch in Schleswig-Holstein gibt es eine erste Initiative.

Die Seniorengenossenschaften sind dabei so unterschiedlich wie die Bedürfnisse vor Ort. Manche sind eher familiär, andere haben mehrere Hundert Mitglieder; viele befinden sich vor allem auf dem Land, doch es gibt auch Seniorengenossenschaften in Städten, zum Beispiel in Göttingen. Gerade überlegt eine Gruppe in München, eine solche Genossenschaft zu gründen.

Auch in Hamburg ist das Interesse groß. Im Mai hat unsere Fraktion zu diesem Thema ein Podiumsgespräch im Rathaus mit Wissenschaftlern und Praktikern veranstaltet, und es kamen rund 200 meist ältere Hamburgerinnen und Hamburger ins Rathaus. Selbst die Experten waren über das große und kundige Interesse erstaunt. Als dann

vor Kurzem ein Artikel im "Hamburger Abendblatt" über das Thema erschien, erreichten uns zahlreiche Mails und Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern unterschiedlichster Provenienz, die am liebsten gleich losgelegt hätten.

Die Erfahrung aus anderen Bundesländern hat allerdings gezeigt, dass es dazu der Unterstützung durch das Land bedarf, zwar nicht laufend, denn irgendwann funktioniert eine Seniorengenossenschaft von allein, aber am Anfang, wenn es um Schwierigkeiten, Hilfe und Beratung bei der Gründung geht. Die Bayerische Staatsregierung gibt gerade einen umfassenden Leitfaden zur Gründung solcher Genossenschaften heraus und fördert mehrere Modellprojekte, unter anderem in Kronach, auch finanziell. Der hessische Landkreis Offenbach finanziert vor allem eine spezielle Beratung durch seine Ehrenamtsagentur. Dementsprechend fordern auch wir den Senat auf, zusammen mit den Bezirken und den maßgeblichen Verbänden und Einrichtungen für Hamburg ein entsprechendes Förderkonzept vorzulegen und dabei Folgendes zu berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU)

Erstens: Da bei der Gründung einer Seniorengenossenschaft viele organisatorische und rechtliche Fragen zu klären sind, soll eine Gründungsberatung eingerichtet werden, an die sich die Interessierten wenden können.

Zweitens: Es muss eine Anschubfinanzierung zur Gründungsförderung geben.

Drittens: Selbstverständlich darf das nicht dazu führen, dass an anderer Stelle bei Wohn- und Betreuungsprojekten und –formen eingespart wird.

Viertens: Die Zusammenarbeit mit bestehenden Wohn- und Pflegeangeboten muss aktiv gesucht werden. Seniorengenossenschaften können und wollen professionelle Angebote nicht ersetzen, sondern ergänzen, und es hat sich gezeigt, dass sie dort besonders gut laufen, wo sie erfolgreich mit Profis vernetzt sind.

Fünftens: Das Rad muss nicht immer neu erfunden werden. Wir können uns Beispiele aus anderen Ländern anschauen und auf Hamburger Bedürfnisse zuschneiden. Der Einwand, so etwas gelinge nur auf dem Land, stimmt nicht. Wir haben in Hamburg viele Stadt- und Ortsteile mit einer guten Nachbarschaft und einem funktionierenden Vereinsleben. Ich denke, auch dort würde es uns gelingen, Seniorengenossenschaften ins Leben zu rufen.

(Beifall bei der CDU und bei Katharina Fege- bank GRÜNE)

Sechstens: Schließlich soll – der Anfang dazu ist mit unserer Tagung und dem Artikel im "Hamburger Abendblatt" bereits gemacht – dieses Förderkonzept einer breiten Öffentlichkeit bekannt ge

macht und für Seniorengenossenschaften geworben werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir würden uns freuen, wenn Sie die Einführung dieses in anderen Bundesländern schon so erfolgreichen Modells auch in Hamburg unterstützen würden. Deshalb möchten wir unseren Antrag gern ausführlich mit Ihnen im Gesundheitsausschuss beraten. Vielleicht treffen wir uns dann in ein, zwei Jahren bei der Gründungsfeier der ersten Hamburger Seniorengenossenschaft wieder. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Katharina Fege- bank GRÜNE)

Das Wort hat Frau Timmermann.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der demografische Wandel wird unsere Gesellschaft verändern und gehört zu den großen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte. Wir werden alle älter, darauf hat Frau Dr. Föcking hingewiesen, und das Positive daran ist, dass wir überwiegend in einem guten Gesundheitszustand sind. Trotzdem werden wir uns mit der Beantwortung der immer wiederkehrenden Frage beschäftigen müssen, wie wir gewährleisten können, dass dem großen Wunsch vieler älterer Menschen, weiterhin in den eigenen vier Wänden zu bleiben und das Leben selbstbestimmt zu gestalten, entsprochen werden kann. Es wäre schön, wenn es gelingen würde, dass dabei gegenseitige Unterstützung und bürgerschaftliches Engagement eine immer größere Rolle spielen könnten.

Schon heute verhalten sich viele Menschen solidarisch und unterstützen sich gegenseitig. Wir haben in Hamburg eine Vielzahl von Institutionen, Sozialund Wohlfahrtsverbänden, die eine sehr gute Arbeit leisten und unterschiedliche Angebote machen, um die Menschen in dem Ziel, den Lebensabend selbstbestimmt zu gestalten, zu helfen. Dazu kommt, dass einige Wohnungsbaugenossenschaften Seniorenselbsthilfevereine für ihre Genossenschaftsmitglieder gegründet haben, und zwar mit dem Zweck der Förderung sozialer und kultureller Kontakte sowie um älteren Menschen lange eine eigenständige Lebensführung in ihrer Wohnung zu ermöglichen.