Protocol of the Session on June 19, 2013

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Trotz des engen Zeitrahmens konnten während der Beratungen Regelungslücken im Vertragswerk und damit potenzielle Einfallstore für Mehrkostenforderungen von HOCHTIEF identifiziert werden, und einige der Risiken möchte ich an dieser Stelle nennen.

Erstens liegt nach wie vor die Ausführungsplanung nicht vollständig vor. Insbesondere die technische Gebäudeausrüstung, die bei vielen Bauprojekten sehr hohe Mehrkosten verursacht, weist noch erhebliche Lücken auf. Sie ist in Teilen nicht einmal zu 50 Prozent fertiggestellt. In Verbindung mit der kostenpflichtigen Änderungsanordnung, die der Vertrag ausdrücklich vorsieht und zulässt, ist das allerdings hoch problematisch, denn HOCHTIEF wird ein Interesse daran haben, durch Planungen, die die Qualitätsstandards gerade so eben streifen, Kosten zu sparen. Die Stadt aber will die gewünschte Qualität sicherstellen, und das kann zu weiteren Kostensteigerungen führen, die der Vertrag eindeutig zulässt. Das ist wieder ein hohes Risiko für die Stadt.

Zweitens ist die im Grunde sinnvolle Regelung mit den Sachverständigen gerade bei der Akustik, dem Kernstück eines Konzerthauses von Weltrang, durchbrochen worden. Dabei soll die Elbphilharmonie doch eine unter den zehn weltbesten Philharmonien werden, und die Akustik in den Sälen ist natürlich von besonderer Bedeutung. Doch hier bestehen Unsicherheiten, und das sieht auch

der Sachverständige Professor Johrendt so – ich zitiere –:

"Sie haben damit einen Konzertsaal so, wie er eben ist. Sie haben keine Garantie, dass er zu den zehn besten gehört."

Herr Diederichs hält die Zeit von nur vier Monaten zur raumakustischen Einstellung des Konzertsaals für zu knapp bemessen – noch ein Risiko.

Drittens erfolgt die Vergütung der Sachverständigen nicht, wie bei Gerichtsgutachtern üblich, hälftig von beiden Parteien, sondern einseitig von HOCHTIEF. Herr Diederichs sagte dazu in der Anhörung:

"Wenn du einen wirklich unabhängigen und neutralen und objektiven Sachverständigen haben willst, dann bezahle ihn von beiden Parteien, damit er vom Status her nicht die Rolle eines Parteigutachters hat, sondern eines Gerichtsgutachters."

Die Expertenanhörungen haben diese Risiken also bestätigt. Den Experten ist es in nur zwei Wochen – oder, wie es Herr Professor Diederichs so schön ausgedrückt hat, im Husch-husch-Verfahren – gelungen, Risiken zu entdecken, die der Senat ignoriert, wider besseres Wissen und auf die Gefahr hin, dass weitere Mehrkosten und Bauverzögerungen auf die Stadt zukommen. Ich mag mir nicht ausmalen, welche Einfallstore in diesem Nachtrag die unzähligen Juristen von HOCHTIEF bereits entdeckt haben.

(Beifall bei der FDP und bei Dietrich Wersich CDU und Norbert Hackbusch DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion bringt heute einen Zusatzantrag ein, der die identifizierten Schwachstellen und Lücken beseitigen und das Risiko weiter reduzieren soll. Wir wollen, um nur ein paar Punkte zu nennen, die Sachverständigen zu echten und vor allem unabhängigen Sachverständigen machen, die von beiden Seiten bestellt und bezahlt werden. Wir wollen ein Adjukatorenteam, bestehend aus einem Juristen und einem Gutachter, einrichten, und wir wollen die vorhandenen Ausnahmen für Nagata Acoustics zurücknehmen.

Der zentrale Punkt der Vereinbarung ist aber der sogenannte Globalpauschalfestpreis von 195 Millionen Euro, deren Zusammensetzung für uns Parlamentarier immer noch eine Blackbox ist. Kein Experte und auch kein Vertreter des Senats waren in der Lage oder willens, uns zu erläutern, wie diese Riesensumme zustande gekommen ist. Herr Dressel, Sie waren offensichtlich in einem anderen Ausschuss als ich, denn auch die Akten geben keinen Aufschluss darüber, und nicht einmal die Mitglieder des Aufsichtsrats der Bau KG konnten erklären, woher diese Summe kommt. Herr Leutner sagte:

"Ich kann das nicht."

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist richtig; der konnte es wirklich nicht!)

Und Herr Lindenberg:

"Das ist keine Summe, die errechnet worden ist, zumindest nicht auf unserer Seite."

Herr Bürgermeister, diese Intransparenz ist für ein Parlament als Haushaltsgesetzgeber schlicht und einfach nicht hinnehmbar.

(Beifall bei Finn-Ole Ritter FDP)

Wir haben ein Recht zu erfahren, wie sich dieser Betrag zusammensetzt, sonst kann und will die FDP-Fraktion dieser Neuordnung nicht zustimmen.

(Beifall bei der FDP und bei Dietrich Wersich CDU)

Aber in dem Wissen, dass es abseits dieser großen Risiken den breiten Wunsch in der Stadt gibt, das Projekt Elbphilharmonie endlich Richtung Fertigstellung zu führen, wollen wir uns Ihrem Versuch der Beendigung nicht verweigern. Die FDPFraktion wird sich in der Abstimmung über dieses Regelwerk enthalten, und wir wünschen Ihnen, Herr Bürgermeister, eine glücklichere Hand

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das inter- essiert den nicht!)

als bisher im Management dieses wahrhaft historischen Projekts. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Herr Hackbusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Elbphilharmonie in Hamburg ist bundesweit der Inbegriff von Größenwahn und politischer Dummheit geworden,

(Beifall bei der LINKEN)

und das völlig zu Recht. Das Ganze begann damit, dass sich eine Kaste von Leuten überlegt hat, einen elitären Tempel bauen zu wollen.

(Gabi Dobusch SPD: Kaste? Woher kommt denn der Begriff? – Hans-Detlef Roock CDU: Das ist ja nur schwer zu ertragen!)

Es war der Beschluss von Medienvertretern und Politikern, einen tollen Tempel zu bauen, in den nicht viele Leute hineinpassen und wo auch nicht viele hinkommen würden. In Hamburg wurde das deswegen ertragen – und das wurde mehrfach diskutiert –, weil das Ganze nicht so unendlich teuer war, so war doch die Situation. Herr Ole von Beust hat während der Alleinregierung der CDU mehrfach gesagt, dass man keinen höheren Preis durchbekommen hätte; die Stimmung wäre dagegen gewesen.

(Katja Suding)

(Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!)

Das war damals die Begründung. Und jetzt wird die Stadt in den letzten Jahren ausgenommen wie eine Weihnachtsgans.

Die Zukunft sieht auch nicht gut aus. Wir haben keine Expertin gefunden, die sagen könnte, wie man ein so hohes Kulturniveau, das beschrieben worden ist, erreichen kann bei einem Eintrittspreis, den sich möglichst viele Leute leisten können, ohne kräftige Zuschüsse organisieren zu müssen. Auch das ist keine gute Zukunftsmusik, und dementsprechend ist die Elbphilharmonie völlig zu Recht ein Wahrzeichen für Größenwahnsinn, politische Unfähigkeit und Opportunismus geworden.

(Beifall bei der LINKEN)

Der einstimmige Beschluss hier in der Bürgerschaft – einstimmig ohne Opposition – ist ein Armutszeugnis gewesen. Ein Parlament muss sich kritisch anschauen, was geschieht, was für Verträge gemacht werden und wie der Weg vorbereitet wird. Auch die Opposition hat strukturell versagt.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Andreas Dres- sel SPD: Jetzt gibt es ja Sie, Herr Hack- busch!)

Jetzt gibt es uns.

Ich will Ihnen anhand von Zahlen sagen, was passiert ist, damit man auch genau weiß, was eigentlich die Situation ist. Im Jahre 2005 wurde mit der Machbarkeitsstudie dargestellt, wie viel uns diese große Elbphilharmonie kostet. Das war eine genaue Analyse dessen, was man bauen könnte, und man kam auf 77 Millionen Euro. Dafür sollte man die gesamte Elbphilharmonie bekommen mit der Begründung – und das ist nicht völlig unlogisch gewesen –, dass wir durch das Hotel und die Eigentumswohnungen, die wir zusätzlich bauen, viel Geld einnehmen würden. Deswegen sei es nicht notwendig, viel Geld für die Philharmonie auszugeben. Es gab 2006 den großen, einstimmigen Beschluss in der Bürgerschaft, und es hat eine heftige Debatte gegeben, wieso es solch eine kräftige Preissteigerung gebe. Dann kamen wir auf 143 Millionen Euro; diesen Beschluss hatte ich schon gewürdigt. Im Jahr 2008, als uns versprochen wurde, dass der neue Vertrag in bester Ordnung sei, kamen wir auf 366 Millionen Euro, und am heutigen Tag verlangt der SPD-Senat von uns, 660 Millionen Euro zu akzeptieren. 660 Millionen Euro, das ist fast eine Verzehnfachung, und alle kritischen Fragen sind notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Hauptproblem für uns ist natürlich das Geld. Und ich möchte die SPD, weil sie eben so kräftig aufgetreten ist und gesagt hat, was man machen könnte, daran erinnern, wie wir im Jahr 2008 gemeinsam argumentiert und gewettert haben – viele werden sich noch daran erinnern können –, dass

es nicht angehen könne, dass es eine Einigungssumme von 30 Millionen Euro gäbe und wir nicht wüssten, wofür das Geld eigentlich ausgegeben werde.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, dazu stehen wir auch heute noch!)

Frau von Welck hat nur gesagt, dass das für den tollen neuen Vertrag sei. Wir haben gemeinsam gesagt, dass man nicht einfach 30 Millionen Euro als Einigungssumme bezahlt, und haben zweitens festgestellt, dass die 107 Millionen Euro, die wir zusätzlich geben, dem Grunde und der Höhe nach nicht richtig geprüft worden sind. Das war damals unsere gemeinsame Kritik. Heute will der Senat von uns 195 Millionen Euro und kann diese nur mit der Einigungssumme für einen neuen Vertrag begründen. Das ist genau die gleiche Begründung, die damals Frau von Welck genannt hat.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nein, das stimmt nicht, das ist falsch!)

Damals haben wir gemeinsam gemeckert, und heute erwarte ich von Ihnen auch eine kritische Haltung dazu.

(Beifall bei der LINKEN und bei Karin Prien CDU)

Sie könnten sagen, dass es Ihnen leid tue und dass das ärgerlich sei, es gehe nicht anders, weil Sie von HOCHTIEF irgendwie erpresst würden – so ist nämlich die Situation. Aber nein, Sie tun so, als sei das Ganze von damals vergessen,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nichts haben wir vergessen!)