Protocol of the Session on June 12, 2013

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

im Sommer werden fast alle Grundschulen Ganztagsangebote vorweisen, das gab es noch nie – soweit das Universum des Senats und der SPDFraktion.

(Gerhard Lein SPD: Soweit stimmt es ja auch!)

Trotzdem – und jetzt möchte ich Sie bitten, noch einmal mitzukommen in die Realität – taucht immer die gleiche Frage auf: Wenn es so viele Erfolgsmeldungen gibt und alles so toll funktioniert, warum ist die Kritik der Eltern und der Verbände eigentlich so groß? Für uns ist die Besorgnis der Eltern und der Verbände absolut nachvollziehbar.

(Dr. Stefanie von Berg)

(Beifall bei der FDP – Ekkehard Wysocki SPD: Ist klar!)

Wir wollen nicht verhehlen, dass Anfangsschwierigkeiten bei so einem Konzept normal sind – das bestreitet übrigens auch niemand –, aber dennoch ist die Kritik der Eltern berechtigt, denn viele Probleme sind hausgemacht. Wir als FDP-Fraktion stimmen der LINKEN in einem Punkt zu – ungewöhnlich, das nur als Einschub –: Qualität geht vor Tempo. Damit der Ganztagsausbau gelingt, müssen die Rahmenbedingungen stimmen.

Dafür möchte ich drei Punkte exemplarisch nennen: Die Organisation des Mittagessens in den Schulen ist noch immer in vielen Teilen unzureichend. Die Räumlichkeiten, das wurde schon erwähnt, sind vielfach noch nicht vorhanden. Es fehlt ausreichend pädagogisches Personal, obwohl uns Herr Senator Rabe immer das Gegenteil beweisen möchte. Die Behörde betont nämlich, dass alle Stellen für pädagogische Fachkräfte besetzt werden können. Gleichzeitig sagte sie im Ausschuss, sie wisse nicht, wie viele Stellen eigentlich noch besetzt werden müssten. Wie Sie dann zu dem Schluss kommen, Herr Rabe, dass alle Stellen besetzt werden, ist und bleibt Ihr persönliches Rätsel.

Bei den vielen Petita der LINKEN geht ein entscheidender Punkt fast unter. Nicht nur der Blick auf die Rahmenbedingungen ist wichtig, sondern auch der Blick auf die Inhalte, also auf die Betreuungsqualität. Viele Eltern müssen momentan leider für die ganztägige Betreuung die Katze im Sack kaufen. Das ist für uns nicht akzeptabel.

(Beifall bei der FDP)

Eltern mussten ihre Kinder oft anmelden, ohne die genaue Ausgestaltung der Angebote zu kennen, denn die pädagogischen Konzepte liegen in vielen Schulen immer noch nicht vor. Die Nachmittagsbetreuung wurde an vielen Standorten von erfahrenen Hortträgern gewährleistet, die mittlerweile an die Schulen gewechselt sind, aber es gibt auch neue Anbieter. Dieses Zusammenwachsen von Schule und neuen Trägern muss durch ein pädagogisches Konzept gefestigt werden. Und – damit kommen wir zum Hauptpunkt der Kritik – die angekündigten Qualitätsmerkmale liegen nach unserer Kenntnis immer noch nicht vor. Die Erwähnung der GBS im Orientierungsrahmen Schulqualität beschränkt sich auf drei Spiegelstriche. Vielleicht sind sie auch einfach nur so gut versteckt, Herr Rabe, dass Eltern, Träger und Fraktionen sie nicht finden können. Eltern wissen also, wie gut und pädagogisch hochwertig die Betreuung im Hort war. Sie wissen allerdings nicht, welche Betreuungsqualität sie ab Sommer in der GBS zu erwarten haben. Dass daraus Verunsicherung und Besorgnis bei den Eltern resultiert, ist für uns mehr als verständlich.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl CDU)

Leider tut die Behörde aus unserer Sicht viel zu wenig, um diese Verunsicherung und Besorgnis aus dem Weg zu räumen. Statt Ziel einer Informationsoffensive zu sein, fühlen sich die Eltern mit ihren Fragen im Stich gelassen. Im Übrigen fühlen sich nicht nur die Eltern im Stich gelassen, sondern auch Schulen und Träger haben noch jede Menge Fragezeichen. Das lässt sich daran feststellen, dass immer mehr Träger auf uns zukommen und uns bitten, Schriftliche Kleine Anfragen zu stellen, damit sie überhaupt Informationen bekommen, da die Behörde nur unzureichend oder gar nicht Auskunft erteilt. Eine professionelle Einführung eines Konzepts sieht auf jeden Fall anders aus.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl CDU)

Herr Senator Rabe, ein letztes Mal möchte ich Sie in meiner Rede ansprechen. Die Schüler haben ab nächster Woche Ferien. Das sei ihnen gegönnt, sie haben es auch verdient. Fast alle Grundschulen werden nach den Sommerferien zu GBS-Angeboten. Sie und Ihre Behörde sollten allerdings nachsitzen und die Sommerferien für eine vernünftige Umsetzung der GBS nutzen, denn sonst setzen Sie die Qualität der ganztägigen Betreuung schon vor der Einführung in die letzte Reihe. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Karin Prien CDU)

Herr Senator Rabe, Sie haben das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist in der Tat ein wichtiges und spannendes Thema. Ich erinnere daran, wie die Ausgangslage war. Wir haben 200 Grundschulen in Hamburg. Als die SPD ihre Regierung begann, hatten 50 dieser 200 Grundschulen ein Ganztagsangebot. Die Stadt hat sich viel Zeit gelassen, 20 Jahre, um 50 Grundschulen zu Ganztagsschulen zu entwickeln. Natürlich hätte man so weitermachen können, vor allem, wenn man dann auch die Ehrlichkeit gehabt hätte zu sagen, dass 10 000 Kinder keinen Nachmittagsplatz bekommen. So war es die ganze Zeit und so wird es auch weiter sein, wenn wir in dem Tempo weitermachen, das die Regierungen in der Vergangenheit angeschlagen haben. Deswegen können wir über alle Einzelheiten diskutieren, aber reden Sie nicht das Kernproblem weg: 10 000 Kinder hatten nachmittags keinen Platz. Wir sind die erste Regierung, die genau darauf eine Antwort gesucht hat,

(Robert Heinemann CDU: Das sind ja nun echt Geschichten!)

(Finn-Ole Ritter)

und wir haben bis zu diesem Sommer innerhalb von nur drei Jahren 140 Schulen zu Ganztagsschulen gemacht, sodass es nun dreimal so viele sind, wie in den vergangenen 25 Jahren entwickelt worden sind. Das ist die Antwort auf die Sorgen und Nöte von Eltern und Kindern, und das haben wir richtig gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage ganz offen: Man kann auch in Schönheit sterben.

(Robert Heinemann CDU: Das ist dreist, Herr Senator! Dreist!)

Wir könnten weitermachen wie bisher. Einmal im Jahr eröffnet der Senator drei, vier Schulen, die hervorragend ausgestattet sind. Aber dann muss man auch allen Beteiligten sagen, dass weiter Kinder vor der Tür bleiben werden, wenn wir nicht den Mut haben, in die Fläche zu gehen, so wie es bei den Vorgängerregierungen im Tausenderbereich der Fall gewesen ist. Darauf müssen wir auch eine Antwort finden.

Wir müssen natürlich in der Tat eine Antwort finden auf qualitative Fragen. Ich bin allerdings verwundert über die Vorschläge, die Sie hier machen. Sie sagen, es sollen Konzepte geschrieben werden. In unserer Behörde liegt ein Stapel Papier, der ist mindestens so hoch. Jede Schule sollte ein Konzept einreichen, das war die Bedingung dafür, um überhaupt beginnen zu dürfen. Natürlich hat jede dieser Schulen ein Konzept, und natürlich können alle Eltern diese Konzepte einsehen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das stimmt nicht!)

Ich weiß gar nicht, warum hier immer die Rede davon ist, dass wir Konzepte vorlegen sollen. Wir stellen diese Konzepte gerne auch dem Schulausschuss vor. Das ist eine sinnlose Diskussion, weil das die Voraussetzung war, um überhaupt den Ganztag zu beginnen.

Außerdem sagen Sie, wir sollten schleunigst Kantinen bauen. Darf ich Sie einmal ganz fröhlich daran erinnern, dass wir nicht im luftleeren Raum Politik machen, sondern dass es Vorgängerregierungen gab, die sich ebenfalls mit Kantinenfragen abgemüht haben? Wir werden in diesem Jahr vermutlich 70 Kantinen fertigstellen. Das sind mehr, als während der gesamten schwarz-grünen Regierungszeit insgesamt auf den Weg gebracht worden sind. Selbst wenn man die Zeit unter der schwarzen Vorgängerregierung mit einbezieht, wird es kaum gelingen, an diese Zahl heranzureichen, und das schaffen wir in einem Jahr. Dass Sie sich jetzt hinstellen und sagen, das müsse schneller gehen, ist sicherlich als Ansporn nett gemeint. Da wir aber schon ungefähr drei- bis fünfmal so schnell sind wie alles, was bisher in Hamburg lief, dürfen wir

auch die Realität im Blick behalten: Unser Kantinenprogramm

(Robert Heinemann CDU: Aufwärmküchen haben Sie!)

ist größer als alles, was es bisher in Hamburg dazu gegeben hat.

(Beifall bei der SPD)

Dann finden Sie das Essen für 3,50 Euro so schlecht, dass Sie es als Pampe und so weiter bezeichnen. Frau von Berg, darf ich Sie daran erinnern, dass unter Schwarz-Grün – und ich glaube, dass in der Zeit auch grüne Politik die Schulen geprägt hat – der Essenspreis bei 3 Euro lag? Wenn wir als SPD jetzt auf 3,50 Euro gehen, wenn Niedersachsen 2,50 Euro vorsieht, Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen alle zwischen 2,50 Euro und 3 Euro liegen und Grün 3 Euro für genug hielt, wie können Sie sich dann hinstellen und sagen, das reiche nur für Pampe? Glaubwürdigkeit ist wirklich etwas anderes.

(Beifall bei der SPD)

Dann heißt es, wir sollen eine Evaluation machen. Sie wissen alle, dass erstens eine Evaluation schon vorliegt und zweitens in der Drucksache, die wir alle vor einem Dreivierteljahr beraten haben, eine Evaluation bereits vorgesehen ist; das wird es natürlich geben.

Zu den Fragen der Raumgestaltung. Wir wissen, dass die Schulen mehr als doppelt so groß sind wie die bisherigen Horte. Die Räume sind da, aber es ist in der Tat eine schwierige Aufgabe, diese Räume auch zu nutzen. Natürlich kann man nicht nachmittags im Chemielabor auf dem Fußboden spielen und mit LEGO basteln. Deswegen ist es unbestreitbar eine Aufgabe, daran zu arbeiten. Aber zu sagen, dass die ganzen Räume fehlen, wird der Wirklichkeit auch nicht gerecht. Hier haben die Schulen eine schwierige Aufgabe, aber eine Aufgabe, die sie sehr gut meistern.

Damit komme ich zum Schluss. Frau von Berg, Sie haben eine herzzerreißende Geschichte von einer kleinen Laura erzählt. Bei 165 730 Schülern im Hamburger Schulsystem schließe ich nicht aus, dass es Schwierigkeiten und Probleme gibt. Wir von der Regierung dürfen aber auch auf einen Punkt hinweisen: Sie haben damals ein Konzept für die Ganztagsbetreuung vorgelegt und gesagt, dass 40 Prozent der Kinder daran teilnehmen werden; es war ein GBS-Konzept.

(Robert Heinemann CDU: Ich dachte, das wäre Ihre Erfindung!)

Wir haben diese Idee aufgegriffen und zwei Dinge verändert. Erstens: Es gibt 30 Prozent mehr Geld, Herr Heinemann, für bessere pädagogische Betreuung und bessere Kantinenausstattung. Sie hatten übrigens in Ihrem Konzept völlig vergessen,

(Senator Ties Rabe)

dafür Geld bereitzustellen, das war gar nicht vorgesehen. Und natürlich gibt es auch mehr Erzieherinnen und Erzieher. Das ist der eine Unterschied. Und der andere Unterschied ist, dass unser Konzept nicht nur 30 Prozent teurer und besser ist, sondern wir glauben, dass deshalb mehr Eltern ihre Kinder anmelden werden. Wir haben 50 Prozent angesetzt, Sie sagten 40 Prozent. Die Wirklichkeit straft alle Annahmen Lügen. Wir werden vermutlich schon im ersten Schwung nicht einmal bei 50 Prozent stehen bleiben.

Ich habe gerade die Grundschule am Kiefernberg in Harburg besucht und wurde dort mit einem Problem konfrontiert nach dem Motto: Lieber Schulsenator, löse es. Das Problem war wirklich anrührend. Die Anmeldequote für GBS liegt in dieser Schule bei 60 Prozent. Die 40 Prozent der Kinder, die nicht angemeldet worden sind, stellen immer mehr fest, wie spannend Ganztag ist, aber ihre Eltern haben da Berührungsprobleme. Was machen diese Kinder? Sie kommen nachmittags zur Schule, wenn keiner guckt, und krabbeln über den Zaun. Und das Problem, das ich lösen sollte, war, dass der Träger zwar für eine bestimmte Anzahl von Kindern Geld bekommt, aber immer viel mehr Kinder auf dem Gelände hat, weil die da freiwillig hingehen. All ihre Spielkameraden sind da und die Angebote sind viel besser als alles, was sie sonst hatten. Deswegen sind die Anmeldequoten auch gigantisch hoch. Das darf man, bei aller Wahrheit von Einzelgeschichten, nicht vergessen. Die Anmeldequote ist erstaunlich – wir werden in diesem Bereich umgerannt mit Anmeldungen –, und ich glaube, es täte auch der Opposition gut, wenn sie diesen Elternwillen ernst nähme. Wir jedenfalls werden es weiterhin tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nun hat Frau Heyenn das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Senator, mit diesem Gejammer werden Sie die Probleme nicht lösen.

(Beifall bei der LINKEN, der CDU, den GRÜ- NEN und der FDP)

Und immer diese Schwarze-Peter-Verschieberei auf irgendwelche Vorgängerregierungen hilft auch nicht weiter.

(Dirk Kienscherf SPD: Die haben weniger ausgegeben! Die nölen doch rum!)

Wir von der LINKEN begrüßen es ausdrücklich, dass ab August 2013 fast flächendeckend gebührenfreie Bildung und Betreuung von 8 bis 16 Uhr in Hamburg ermöglicht wird. Das finden wir großartig. Wir können gar nicht oft genug sagen, dass wir das voll respektieren und gut finden.

(Beifall bei der LINKEN)