Protocol of the Session on June 12, 2013

(Christiane Schneider DIE LINKE: Herr Rit- ter, hört, hört!)

Aber da die FDP in der Koalition ist und manchmal auch nicht zuhört, bewegt sie leider nichts in dieser Frage. Warum eigentlich machen Sie da nicht mehr Druck? Oder steht Ihr Dogma davor, Geschäftsaktivitäten so wenig wie möglich zu reglementieren? Ein bisschen habe ich das heute wieder herausgehört.

(Finn-Ole Ritter FDP: Schrecklich!)

Die Telekom hatte angekündigt, die Geschwindigkeit der Internetflatrate zu drosseln, wenn eine bestimmte Datenmenge aufgebraucht ist, es sei denn, man zahlt einen Aufpreis. Das ist ungefähr so – ich bringe auch noch einmal ein schönes Gleichnis, das ich in der "Süddeutschen Zeitung"

gefunden habe –, als wenn Mercedes Benz oder Volkswagen verschiedene Autobahnen bauen, aber nur ihre Modelle auf einer Asphaltdecke fahren dürfen und die anderen auf Schotterpisten. Daher ist es sehr zu begrüßen, dass es eine Petition gibt, die daraufhin eingebracht wurde und die in kurzer Zeit Zigtausende Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden hat. Die Netzneutralität muss endlich gesetzlich festgeschrieben werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie steht tatsächlich schon im Telekommunikationsgesetz, kann aber nur im Wege einer Verordnung – Herr Ritter hat das ellenlang ausgeführt –

(Finn-Ole Ritter FDP: Aber nicht zu lange!)

konkreter festgelegt werden; es passiert aber nicht. In Anbetracht der Bundestagsdebatte bezweifle ich auch, dass das noch passiert. Insofern habe ich Ihre Ausführungen hierzu nicht nachvollziehen können.

Es ist für uns eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, verehrte Abgeordnete. Jeder Mensch muss freien und gleichen Zugang zum Internet haben. Deswegen haben wir diesen Antrag zusätzlich eingebracht, der unserer Auffassung nach diesen Aspekt deutlicher hervorhebt als der Antrag der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Hinzu kommt, dass der Vorschlag der SPD-Bürgerschaftsfraktion, die Netzneutralität – da schließe ich mich meinen Vorrednerinnen und Vorrednern ausdrücklich an – im Rundfunkstaatsvertrag zu verankern, völlig unausgegoren und politisch fragwürdig ist.

(Beifall bei der LINKEN und bei Katharina Wolff CDU – Finn-Ole Ritter FDP: Richtig!)

Sie kennen unsere Kritik an Staatsverträgen beziehungsweise daran, wie häufig mit ihnen umgegangen wird. Sie werden in Hinterzimmern der Senatskanzleien und in Ministerpräsidentenkanzleien erstellt, von den Ersten Bürgermeistern und Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten gezeichnet und dann irgendwann von den Landesparlamenten abgenickt. Demokratie möchte DIE LINKE aber anders leben.

(Beifall bei der LINKEN und bei Anna-Elisa- beth von Treuenfels FDP)

Wir möchten uns nicht selbst die Rechte nehmen zu entscheiden, wie die SPD-Bürgerschaftsfraktion das mit ihrem Vorschlag tut, und die Macht dem Ersten Bürgermeister zuschreiben. Das würde dann nämlich auch so bleiben, wenn Herr Scholz einmal nicht mehr Erster Bürgermeister ist.

(Zurufe von der SPD: Das dauert ja noch ewig!)

Spätestens der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, durch den die GEZ-Gebühr in eine Haushaltsabgabe umgewandelt wurde, hat gezeigt, wie am Volk vorbei Politik gemacht wird.

Im Antrag der SPD fehlte außerdem der Hinweis auf die soziale Ungerechtigkeit. Der Antrag ist mir und meiner gesamten Fraktion viel zu wirtschaftslastig und unternehmerorientiert. Selbst der SPDAntrag, der vor zwei Jahren in den Bundestag eingereicht wurde, war darauf ausgerichtet, die drohende Zwei-Klassen-Gesellschaft – dieses Wort haben Sie in Ihrem Antrag vehement gemieden, in Ihrem Antrag auf Bundesebene stand es –, die durch die Verletzung der Netzneutralität entsteht, zu verhindern. Auch deswegen haben wir diesen eigenen Antrag gestellt, stellen ihn hier zur Abstimmung und bitten die Bürgerschaft, ihm zuzustimmen. Wir würden uns allerdings auch dem nicht vollständigen und damit schlecht gemachten SPDAntrag nicht verweigern, weil er grundsätzlich natürlich die richtige Intention hat, würden uns aber bei Ziffer 2 enthalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun hat das Wort Herr Senator Horch.

(Dr. Till Steffen GRÜNE: Wo ist unser Me- dienbürgermeister?)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Nutzung des Internets ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen, die Wachstumsraten sind weiter stark gestiegen. Neue Kommunikationsformen und Plattformen haben sich auf weltweit verfügbaren Infrastrukturen enorm entwickelt. Schon mehr als eine Milliarde Menschen weltweit greifen zum Beispiel auf Facebook zu.

Das Internet ist eine Basis für neue Geschäftsmodelle und Start-up-Unternehmen und damit auch für wirtschaftliches Wachstum, das in seiner Dynamik, aber auch in seinen absoluten Zahlen bisher gewohnte Kategorien längst überschritten hat. Das Internet ist damit zu einem globalen Wachstumstreiber der gesamten Wirtschaft geworden.

(Beifall bei der SPD)

Eine grundlegende Voraussetzung für solche Entwicklungen ist, dass das Netz für alle Nutzungen und Daten jeglicher Art zur Verfügung steht. Begrenzender Faktor ist hier die Bandbreite, die in der Regel ein knappes Gut ist. Dass es sich bei der Verteilung um einen natürlichen Konflikt handelt, ist keine neue Erscheinung, das wissen wir seit vielen Jahren. Spätestens die Diskussionen um die von der Deutschen Telekom angekündigte neue Tarifstruktur – Stichwort Bandbreitendrosselung – und über Autobahnen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten haben gezeigt, dass wir dringend eine Regelung benötigen, die für die Marktteilnehmer, das heißt, für die Netzbetreiber, die Dienstanbieter und die Kunden, einen verlässlichen Gesamtrahmen darstellt.

(Beifall bei der SPD)

Dies soll verhindern, dass bestimmte Premiumdienste das Netz dominieren und die vorhandenen Bandbreiten für andere Dienste so stark beschränken, dass deren Nutzung ins Hintertreffen gerät und ihre Entwicklungschancen letztendlich begrenzt würden. Diskriminierung fremder Dienste und Dienstleistungen und Bevorzugung eigener Dienste durch die Netzbetreiber müssen ausgeschlossen werden.

(Beifall bei der SPD)

Klar ist, dass hier an einer sensiblen Stellschraube gedreht wird und dass deren konkrete Einstellung enorme Folgen haben kann. Das gilt, ob wir das wahrhaben wollen oder nicht, sowohl ökonomisch als auch im Hinblick auf das Recht der Bürger, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Das Grundrecht der Informationsfreiheit ist eine wichtige Basis unserer demokratischen Grundordnung. Das Internet ist eine solche allgemein zugängliche Quelle und soll es auch unbedingt bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Der Grundsatz der Netzneutralität hat dabei einen ganz hohen Stellenwert. Bereits bei der jüngsten Novellierung des Telekommunikationsgesetzes wurde darüber diskutiert, ob und in welcher Art und Weise der Grundsatz der Netzneutralität im Telekommunikationsgesetz verankert werden soll. Herausgekommen ist Anfang 2012 dann, das muss man deutlich sagen, leider nur ein fauler Kompromiss, der sich als ungenügend und ungeeignet zur Lösung ganz konkreter Fragen und Probleme erwiesen hat. Die in dem Telekommunikationsgesetz aufgenommene Verordnungsermächtigung zur Definition der Netzneutralität ist im Grundsatz eine gute Sache. Dies setzt jedoch voraus, dass man seitens der aktuellen Bundesregierung auch gewillt ist, Gebrauch von dieser Möglichkeit zu machen. Hierfür gibt es aber zurzeit keinerlei Anzeichen. Die jüngst begonnene Diskussion über die Verpflichtung der Netzbetreiber, konkret angebotene Bandbreiten auch zu gewährleisten, mag ein erster Schritt sein, hat aber für das eigentliche Thema, die Netzneutralität, nur eine geringe Bedeutung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Netz muss weiter ausgebaut werden, und hier sehe ich vor allen Dingen den Bund in allen Ländern in Deutschland in der Pflicht. Die Hoffnung, bestehende Bandbreitenprobleme allein durch einen weiteren Ausbau des Netzes zu lösen, halte ich aber für eine Illusion. Schon angesichts der gewaltigen Kosten des flächendeckenden Ausbaus, aber auch angesichts der Entwicklung neuer und immer bandbreitintensiverer Dienste werden wir voraussichtlich niemals den Punkt erreichen, an dem keinerlei Bandbreitenprobleme mehr bestehen werden, womit die Frage der Netzneutralität de facto geklärt

(Kersten Artus)

wäre. Es handelt sich vielmehr um einen fortlaufenden Prozess der Entwicklung von Bandbreiten der Dienste und nicht um eine Lösung, die man in einem gewaltigen Schritt erreichen kann und damit dann für alle Zukunft das Problem gelöst hat.

Eine hundertprozentige Gleichbehandlung aller Daten wird nicht möglich sein. Sie ist auch nicht notwendig, denn natürlich gibt es Daten, die mit Priorität behandelt werden müssen, wie zum Beispiel das gesamte Netzwerkmanagement bei Sprachtelefondiensten oder auch bei Gesundheitsanwendungen, die sogenannte "eMedicine". Umgekehrt kann es aber auch Daten geben, die nicht unbedingt in Echtzeit direkt übermittelt werden müssen. Es kann daher unter Umständen sinnvoll sein, verschiedene Kategorien zu bilden, die dann unterschiedlich behandelt werden, was die Neutralität angeht. Wie diese Kategorien aussehen werden, wird noch intensiv zu diskutieren sein. Klar ist aber, dass es innerhalb einer Kategorie keine Ungleichbehandlung geben darf. Aus meiner Sicht ist es nicht unzulässig und kein Verstoß gegen den Grundsatz der Neutralität, hier zu differenzieren, wie ich das eben versucht habe, deutlich zu machen. Allerdings muss klar sein, was unter technischen Gesichtspunkten noch zulässig sein soll und was nicht mehr geht.

Was wir also brauchen, ist eine ebenso transparente wie intelligente Regelung, die damit beginnen muss, dass endlich einmal klar definiert wird, was wir unter Netzneutralität genau verstehen wollen. Die aktuelle Diskussion ist nämlich deshalb häufig so unergiebig, weil jeder unter Netzneutralität etwas anderes versteht. Der vorliegende Antrag gibt einen wichtigen Anstoß hierfür. Er nennt zu beachtende Parameter und stellt die richtigen Fragen, die von allen Fraktionen auch schon entsprechend beantwortet wurden. Gut finde ich persönlich, dass er das zu lösende Problem nicht zu vereinfachen versucht, sondern differenziert und in seiner juristischen wie ökonomischen Komplexität genau richtig darstellt. Er kann und soll dazu beitragen, dass die Bundesregierung erkennt, dass sie sich bewegen und schon in dieser Legislaturperiode zu wichtigen Schritten in die richtige Richtung kommen muss, damit die Entwicklung in Deutschland nicht verschlafen, dringender Handlungsbedarf nicht versäumt und wichtige Regelungen nicht getroffen werden. Seitens des Senats begrüße ich den Antrag daher ganz ausdrücklich.

(Beifall bei der SPD)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, können wir zur Abstimmung kommen.

Wer stimmt einer Überweisung federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien und mitberatend an den Ausschuss für Justiz, Datenschutz und Gleichstellung zu? – Die Gegen

probe. – Enthaltungen? – Damit ist das Überweisungsbegehren abgelehnt.

Wir stimmen in der Sache ab. Zunächst zum Antrag der LINKEN aus Drucksache 20/8355. Ziffern 4 und 5 möchten die GRÜNEN separat abstimmen lassen.

Wer möchte also den Antrag mit Ausnahme der Ziffern 4 und 5 annehmen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag mit Ausnahme der Ziffern 4 und 5 abgelehnt.

Wer möchte sich diesen Ziffern 4 und 5 anschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit sind auch diese abgelehnt.

Wir kommen zum Antrag der SPD-Fraktion, Drucksache 20/8203. Hier möchte die FDP-Fraktion Ziffer 2 separat abstimmen lassen.

Wer möchte also dem Antrag mit Ausnahme der Ziffer 2 seine Zustimmung geben? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag mit Ausnahme von Ziffer 2 angenommen.

Wer möchte dann noch Ziffer 2 annehmen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit hat auch Ziffer 2 eine Mehrheit gefunden.

Wir kommen zu Punkt 63 der Tagesordnung, Drucksache 20/8202, Antrag der SPD-Fraktion: EU-Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung von Menschenhandel umsetzen.

[Antrag der SPD-Fraktion: EU-Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung von Menschenhandel umsetzen – Drs 20/8202 –]

Diese Drucksache möchte die FDP-Fraktion auch an den Ausschuss für Justiz, Datenschutz und Gleichstellung überweisen.

Wird das Wort gewünscht? – Frau Dobusch, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Phänomen Menschenhandel ist alt und als Geschäftsmodell offenbar nicht auszurotten, weil höchst wandelbar und daher auch resistent. Die Ware Mensch verspricht auch im 21. Jahrhundert und auch hier bei uns immer noch satte Gewinnmargen bei minimalem Risiko. Die damit verbundenen menschenverachtenden Praktiken gilt es also zu bekämpfen, die Geldströme einzudämmen und die Täter zu verurteilen – mit aller Macht, mit aller Konsequenz, und zwar hier bei uns in Europa und weltweit.

(Beifall bei der SPD – Glocke)