Protocol of the Session on May 29, 2013

(Präsidentin Carola Veit übernimmt den Vor- sitz.)

Immerhin wurden inzwischen 19 Budgets bewilligt. Da ist natürlich noch viel Luft nach oben, aber ich bin optimistisch, dass sich in Zukunft mehr Menschen mit Behinderung für diesen Weg entscheiden werden, und dass auch vor allem mehr Arbeitgeber mitmachen, wenn sie sehen, wie erfolgreich das Modell ist.

Ein Blick auf andere Projekte, die in der Drucksache vorgestellt werden, stimmt mich allerdings weniger optimistisch. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Bisher gibt es nur einen einzigen Antrag für die Förderung eines Ausbildungsplatzes für schwerbehinderte junge Menschen. Das ist kein zufriedenstellendes Ergebnis. Wir müssen deshalb

(Katharina Fegebank)

bei allen Projekten laufend prüfen, ob sie die gewünschten Erfolge bringen.

Die vorgestellten Maßnahmen sollen Menschen mit Behinderung Teilhabe und ein erfolgreiches Berufsleben ermöglichen, nur darum kann es gehen. Deshalb muss sich der Senat auf die Projekte konzentrieren, die Erfolg haben und die Menschen tatsächlich erreichen und ihre Lebenssituation verbessern. Bei allen gutgemeinten Projekten dürfen wir aber eines nicht vergessen: Zuallererst muss es darum gehen, die leider immer noch bestehenden Barrieren in den Köpfen abzubauen.

Hamburger Unternehmen landen bei der Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen im bundesweiten Vergleich auf dem vorletzten Platz. Es besteht offenbar eine große Unsicherheit und Skepsis gegenüber der Einstellung von Menschen mit Behinderung. Der Austausch mit Hamburger Unternehmen, der von der Arbeitsagentur Hamburg und der Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen, Frau Körner, in Hamburg betrieben wird, sorgt sicher dafür, dass einige Hemmnisse abgebaut werden. Die meisten Unternehmen sind eben keine Experten auf diesem Gebiet und lassen sich durch den verstärkten Kündigungsschutz für Menschen mit Behinderung abschrecken. Doch es ist durchaus so, dass in schwierigen Fällen durch das Gespräch mit den entsprechenden Verbänden perspektivisch Lösungen gefunden werden können.

Ich möchte mit einem positiven Fazit schließen. Menschen mit Behinderung bringen spezifische Kompetenzen mit, die anerkannt werden müssen. Wenn es gelingt, dass Arbeitgeber Menschen mit Behinderung als Bereicherung ihrer Mitarbeiterschaft ansehen und ihre spezifischen Qualifikationen anerkennen, dann wird sich die Lage am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung verbessern, denn diese Menschen sind schon jetzt vielfach qualifiziert, und diese Qualifikation muss gewürdigt werden. Zudem wird sich sicher in den nächsten Jahren mit der geplanten Einführung des Bundesleistungsgesetzes, das die Eingliederungshilfe ablösen soll, einiges tun. Die Hilfe für die Menschen mit Handicap soll in diesem Zuge personenzentrierter und flexibler gestaltet werden, und das ist ein richtiger Schritt.

Ich freue mich auch auf die weitere Debatte der Drucksache im Sozialausschuss.

(Beifall bei der FDP)

Nun hat Frau Özdemir das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Menschen mit Behinderung haben das gleiche Recht auf Arbeit wie nicht behinderte Menschen. Deutschland

und andere Staaten haben das mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention bekräftigt. Und auch das SGB IX hat unter anderem den Zweck, die gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben für Behinderte und für von Behinderung bedrohte Menschen zu fördern und Benachteiligung zu vermeiden. Aber das sieht leider in der Praxis ein bisschen anders aus.

In der Stellungnahme ist deutlich geworden, das haben meine Vorrednerinnen auch gesagt, dass arbeitslose Menschen mit einer Schwerbehinderung zwar gut ausgebildet sind, über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen oder über ein abgeschlossenes Studium, aber dennoch arbeitslos und zum großen Teil langzeitarbeitslos sind. In Hamburg sind 3538 schwerbehinderte Menschen arbeitslos, und das ist wirklich sehr, sehr schade, vor allem, weil wir doch ständig über die Inklusion oder über eine inklusive Gesellschaft sprechen. Wir können aber deutlich sehen, dass auch Arbeitgeber Schuld daran haben. Sie haben gewisse Vorbehalte gegenüber Menschen, die eine Behinderung haben. Das zeigt auch die Erfüllungsquote der gesetzlichen Beschäftigungspflicht. Gefordert sind 5 Prozent, in Hamburg sind es jedoch 3,2 Prozent bei den privaten Arbeitgebern.

(Ksenija Bekeris SPD: Schlecht!)

Sie liegen natürlich weit hinten. Und das zeigt auch, dass wir noch weit entfernt sind von einem inklusiven Arbeitsmarkt.

Auf Bundesebene hat meine Fraktion als Sofortmaßnahme gefordert, die Beschäftigungsquote auf 6 Prozent anzuheben und die Ausgleichsabgabe zu erhöhen, und zwar so, dass sie dem Arbeitgeber auch ein wenig wehtut. Es soll ihn auch dazu bringen, Menschen mit Behinderung einzustellen, damit diese nicht weiterhin darunter leiden, diskriminiert zu werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die privaten Unternehmen müssen sich an dem Projekt "inklusiver Arbeitsmarkt" beteiligen. Sie spielen hierbei eine sehr wichtige Rolle und dürfen sich nicht einfach vor ihrer Verantwortung drücken, indem sie eine niedrige Ausgleichsabgabe zahlen. Ich habe sie mir einmal angeschaut, sie ist wirklich sehr niedrig und tut den privaten Unternehmen auch nicht weh.

Im Landesaktionsplan, den wir nächste Woche am Donnerstag im Sozialausschuss behandeln werden und wo wir eine öffentliche Anhörung haben, steht als Ziel die Sensibilisierung von Unternehmen. Dazu gehört auch, dass Arbeitsplätze barrierefrei sind und barrierefrei ausgebaut werden. Hier kann man den öffentlichen Dienst loben, der statt der 5 Prozent eine Quote von 6,3 Prozent erfüllt. Ich habe mir einmal die Liste angeschaut. Die Menschen sind beim HVV, bei der Hamburgischen Staatsoper oder auch bei Bäderland eingestellt.

(Martina Kaesbach)

Das zeigt eigentlich, dass sie wirklich genauso gut arbeiten können und genauso viel leisten können wie Menschen, die keine Behinderung haben. Und das muss eine Selbstverständlichkeit werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir schon von privaten Unternehmen sprechen: Ich habe in SPIEGEL ONLINE einen Bericht gelesen über SAP, ein IT-Unternehmen, das jetzt ein Unter-Unternehmen gegründet hat, das sich Auticon nennt und sehr viele autistische Menschen eingestellt hat. Ich habe mich natürlich gefragt, wie die Bezahlung dort ist und habe dort angerufen. Die Bezahlung soll ganz normal sein, und es sind sozialversicherungspflichtige Jobs, die die Menschen dort haben. Als ich gefragt habe, warum sie gerade Autisten eingestellt haben, meinten sie, wegen ihrer besonderen Fähigkeiten. Das fand ich ziemlich bewundernswert. Ich denke, es wäre für viele private Unternehmen hilfreich, solche Firmen als Vorbild zu nehmen. Mir wurde gesagt, dass es sein könnte, dass ein solches Unternehmen vielleicht auch in Hamburg aufgebaut wird. Das würde ich natürlich begrüßen.

Ansonsten werden wir am Donnerstag über den Landesaktionsplan Menschen mit Behinderung in Hamburg noch einmal diskutieren und unsere Fragen stellen. Darauf freue ich mich, denn wir haben wirklich lange auf den Aktionsplan gewartet.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen? – Wenn das nicht der Fall ist, können wir zur Abstimmung kommen.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist das mehrheitlich so überwiesen worden.

Wir kommen zu Punkt 36, Antrag der CDU-Fraktion, Drucksache 20/8004: Starke Stadtteilschulen: Zehn-Punkte-Programm für eine starke Umsetzung.

[Antrag der CDU-Fraktion: Starke Stadtteilschulen: Zehn-Punkte-Programm für eine starke Umsetzung – Drs 20/8004 –]

Die CDU-Fraktion möchte die Drucksache an den Schulausschuss überweisen. – Herr Heinemann wünscht das Wort, und er hat es.

(Dirk Kienscherf SPD: Das hatten wir doch schon! Warum denn noch mal?)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eigentlich ist die Stadtteilschule gar kein so emotionales Thema, jedenfalls war sie es in der Enquete-Kommission nicht. Die Frage ist doch, wie wir diesen positiven Geist aus der Enquete-Kommission übernehmen können und wie wir die Idee der Stadtteilschule in Hamburg langfristig erfolgreich umsetzen können. Wir müssen nun einmal feststellen, dass wir die Stadtteilschule nicht konsequent so umgesetzt haben, wie es von der Enquete-Kommission einmal geplant war. Wir müssen leider auch feststellen, dass sie in ihrem Umsetzungsprozess ganz am Anfang keine Priorität hatte. Wir haben uns nämlich alle die Köpfe eingehauen und über die Primarschule diskutiert, aber die Stadtteilschule, ebenso eine neue Schulform, haben wir dabei leider ein wenig vergessen. Eine der Folgen kann man im Moment betrachten, wenn man sich die G8/G9-Debatte anhört. Sie resultiert daraus, dass die Stadtteilschule für viele Eltern noch nicht das ist, was sie eigentlich sein sollte, nämlich eine bewusste Alternative zu G8.

Die Fehler haben wir alle gemacht, so ehrlich sollten wir sein. Es war damals Schwarz-Grün, die das Thema Inklusion der Stadtteilschule gleich mit übergestülpt haben. Wir haben in der Enquete-Kommission damals ausdrücklich vereinbart, sich erst die Stadtteilschule etablieren zu lassen, und erst dann, wenn sie erfolgreich auf dem Weg ist, das Thema Inklusion anzugehen. Da gab es natürlich auch ein bisschen Druck von Herrn Rabe. Aber wir wollen uns nichts vormachen, wir haben gerade das Thema Inklusion behandelt. Es gab eine breite Diskussion über das Thema und dann die mehrheitliche Übereinkunft, das Thema Inklusion früher durchzuführen. Das hat der Stadtteilschule den Start nicht gerade einfacher gemacht. Wir haben damals als schwarz-grüne Koalition auch versäumt, die beruflichen Gymnasien so, wie von der Enquete-Kommission empfohlen, gleich in die Stadtteilschulen zu integrieren.

Nachdem die SPD die Regierung übernommen hat, ist es leider nicht besser geworden, sondern das Thema Inklusion wurde noch einmal schwieriger, indem man die Einzelfalldiagnose abgestellt hat und die Ressourcen für die Kinder in der Inklusion entsprechend beschnitten hat. Ich glaube, ein wirklich fatales Signal war dann der Verzicht auf die äußere Differenzierung nach den KMK-Vorgaben. Aber gerade für die Eltern, die meinen, ihr Kind könne vielleicht aufs Gymnasium gehen, war häufig die Stadtteilschule nicht mehr die Alternative, als die wir sie gemeinsam geplant hatten.

Von daher sollten wir heute, sechs Jahre, nachdem die Enquete-Kommission ihre Beratungen abgeschlossen hat, einmal gemeinsam überlegen, was wir besser machen können und wo wir gemeinsam weiter vorankommen können. Wir könnten noch einmal schauen, was die Enquete-Kom

(Cansu Özdemir)

mission eigentlich geschrieben hatte – häufig war das im Einvernehmen zwischen der CDU und der SPD – und wo wir noch besser werden sollten.

Ein Thema sind nämlich die beruflichen Gymnasien. Wenn wir das Ziel haben – und da sind sich SPD und CDU einig –, dass jede Stadtteilschule selbstverständlich bis zum Abitur führt und dementsprechend eine Oberstufe hat, ob nun allein oder in Kooperation mit einer anderen Stadtteilschule, dann ist natürlich ein Parallelsystem wie die beruflichen Gymnasien, die ihre Berechtigung in Zeiten der Haupt- und Realschulen hatten, ein System, das die Stadtteilschule und ihre Oberstufen schwächt. Wir erhalten hierdurch auch nicht die tolle berufliche Kompetenz, die wir an diesen beruflichen Gymnasien haben, in der Stadtteilschule, wo wir sie eigentlich haben wollen.

Ich verstehe auch nicht, warum wir es bis heute nicht geschafft haben, an den Stadtteilschulen die vollwertige Fachhochschulreife anzubieten, gerade weil wir doch die ganzen Praxisanteile dort nach Ihrem Konzept, Herr Senator, noch weiter stärken. Dann müsste es eigentlich möglich sein, den Praxisanteil, der erforderlich ist, um die vollwertige Fachhochschulreife zu bekommen, so zu integrieren, dass die Schülerinnen und Schüler mit dieser vollwertigen Fachhochschulreife die Stadtteilschule verlassen können.

Wir haben gemeinsam in der Enquete-Kommission – Herr Lein war dabei und hat auch zugestimmt – vereinbart, dass ein Drittel der Lehrkräfte der Sekundarstufe I der Stadtteilschulen Berufsschullehrer sind. Das erreicht man natürlich nicht von heute auf morgen, das ist mir klar. Nur sind wir im Moment nicht bei einem Drittel, noch nicht einmal bei 10 oder 20 Prozent, sondern wir liegen bei 2,8 Prozent Anteil von Berufsschullehrern in den Stadtteilschulen. Wenn man sich die Anteile der letzten Jahre anschaut, dann sieht man, dass dieser Anteil nicht wirklich steigt. Von daher brauchen wir wirklich Anstrengungen, um uns von diesen 2,8 Prozent zumindest ein wenig in Richtung eines Drittels zu bewegen.

Beim Thema Differenzierung nach den Vorgaben der Kultusministerkonferenz sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass Hamburg sich daran hält und nicht wieder einen Sonderweg geht. Und wir sollten gemeinsam – das wird sicherlich zu Konflikten zwischen den Jugendpolitikern und Schulpolitikern führen – schauen, wie wir die Stadtteilschule auch als Ganztagsschule als einen Mittelpunkt im Stadtteil verankern können. Der Name Stadtteilschule ist nämlich nicht zufällig gewählt worden, sondern weil wir genau dieses wollten. Wir sahen die Stadtteilschule als den zentralen Anlaufpunkt für Schüler, Jugendliche und junge Menschen im Stadtteil an, aber dafür braucht man andere Koordinierungskompetenzen und Ressourcen, als die Schule sie heute hat.

Es ist ein entscheidendes Thema, dass wir gemeinsam den Bereich Inklusion angehen. Sehr, sehr viele Stadtteilschulen leiden im Moment erheblich darunter, dass sie nicht so können wie sie wollen, weil die Ressourcen einfach nicht da sind. Es gibt leider keinerlei Steuerung für die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Deshalb haben wir mit unserem Antrag auch vorgelegt, dass es maximal vier Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einer Klasse sein sollten und maximal eines davon mit Verhaltensstörungen, damit auch in der Schule wirklich Unterricht stattfinden kann. Das würde den Schulen, jedenfalls in einigen Stadtteilen, die Arbeit massiv erleichtern.

(Beifall bei der CDU)

Ein weiterer Punkt, über den wir nachher noch auf Antrag der GRÜNEN debattieren – ein konkreter CDU-Antrag liegt Ihnen als Ausformulierung dazu vor –, ist die Stärkung der Langformschulen, das sind die Stadtteilschulen. Die Kinder, die von Klasse 1 bis 4 eine Stadtteilschule mit Grundschule besucht haben, sollen nun nicht plötzlich in Klasse 5 diese Schule wieder verlassen müssen. Auch das wäre eine Stärkung der Stadtteilschule, wenn wir dort eine gesetzliche Änderung vornehmen würden.

Nun habe ich aber erfreut zur Kenntnis genommen, dass der Schulsenator in manchen Punkten durchaus unserer Meinung ist. Die Forderung von maximal vier Kindern mit Förderbedarf in einer Klasse hat er der Elternkammer zugesagt, und das Thema der getrennten Fächer in den Naturwissenschaften ist auf den Weg gebracht. Von daher sind wir in vielen Punkten durchaus einer Meinung. Das reicht aber nicht, wir müssen jetzt den nächsten Schritt machen.

(Jan Quast SPD: Nie ist Ihnen das genug!)

Ich würde gern die Diskussion zu diesen Themen gemeinsam mit Ihnen im Schulausschuss fortsetzen. Ich habe gehört, dass die SPD einer Überweisung nicht zustimmen will. Das verwundert mich ein wenig. Von daher bleibt uns nur übrig, unsere zehn Punkte einzeln zur Abstimmung aufzurufen. Dann können Sie sich zu den einzelnen Punkten bekennen und damit zeigen, ob Sie noch zu dem stehen, was Sie damals in der Enquete-Kommission gesagt haben, ob Sie zur Stärkung der Stadtteilschule stehen oder nicht. Schöner fände ich es, wenn Sie sich vielleicht doch noch einen Ruck geben würden und einer Überweisung zustimmen, denn das Thema ist so wichtig, dass wir es nicht nur heute hier diskutieren sollten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat jetzt Herr Holster.

(Robert Heinemann)