Protocol of the Session on May 16, 2013

Sie hat Historiker zitiert und auf gemeinsame Veranstaltungen hingewiesen, auf denen mit dem Fraktionsvorsitzenden der SPD und Historikern um einen richtigen Weg gerungen wurde. Sie hat in keiner Weise Kolleginnen oder Kollegen im Hause,

die einer anderen Meinung anhängen, Vorwürfe gemacht, sie herabgewürdigt oder auch nur die Sachlage so dargestellt, als ob es nur einen einzigen richtigen Weg gäbe.

(Wolfgang Rose SPD: Hat das jemand be- hauptet?)

Das Anliegen unseres Antrags, Paul von Hindenburg die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen, ist es nicht, Erinnerungen auszulöschen oder Geschehenes ungeschehen zu machen, sondern es geht uns darum, sein Handeln in der Geschichte in Hamburg heute nicht mehr mit einer der höchsten Würden, die unsere Stadt zu vergeben hat, zu ehren.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Ich respektiere die Kollegen, auch die, die hier am Rednerpult in einer sehr differenzierten und ausgewogenen Debatte eine andere Meinung vertreten haben wie Herr Warnholz und Herr Schinnenburg. Das akzeptieren wir, und ich finde es gut, dass wir trotz der inhaltlichen Differenzen einen gemeinsamen interfraktionellen Antrag auf Kontextualisierung der Ehrenbürger verabredet haben.

Die Rede von Frau de Libero entspricht in keiner Weise dem gemeinsamen Geist dieses Antrags und des Verfahrens, wie wir zu ihm gekommen sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Sören Schumacher SPD: Das ist ganz unan- gemessen! – Hansjörg Schmidt SPD: Unan- gemessen!)

Und die dezidierte Aussage, die GRÜNEN hätten es sich hier doch sehr einfach gemacht und mit einem sehr einseitigen Vortrag …

(Zurufe von der SPD: Eine Frechheit ist das! Unglaublich! – Glocke)

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Herr Kerstan hat Wort, nicht Sie.

Die Vorwürfe an meine Fraktion – und auch an Frau Fegebank nach ihrem sehr ausgewogenen Beitrag –, es sich sehr einfach gemacht zu haben, einseitig zu agieren und sogar geschichtslos vorgegangen zu sein, waren oberlehrerhaft, herablassend und diffamierend. Ich erwarte von der SPD-Fraktion und auch von Ihnen, Herr Dressel, eine Aussage dazu, ob das wirklich die Meinung der Regierungsfraktion ist, oder ob Sie es nicht vielleicht für richtiger halten, sich im Sinne des Geistes, mit dem wir diesen gemeinsamen Antrag erarbeitet haben, von der einen oder anderen Aussage zu distanzieren. Das wäre angemessen, sonst würde dieser gemeinsame Antrag, auf den wir uns in einer guten Debatte und nach einem fairem Meinungsstreit geeinigt haben, doch arg belastet und letztendlich auch ein

(Dora Heyenn)

Stück weit in seiner Wirkung entkräftet. Das fände ich traurig und das kann insofern nicht stehenbleiben. Wir erwarten eine Erklärung der SPD-Fraktion, ob das so, wie es vorgetragen wurde, die Zustimmung Ihrer Fraktion findet. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort hat Herr Dr. Dressel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gerade weil das eine schwierige Debatte ist, war es uns im Vorfeld wichtig, eine möglichst breite interfraktionelle Verständigung darüber herzustellen, wo wir mit der Darstellung von Geschichtsschreibung in dieser Stadt hinwollen, und dass es nicht nur um die Frage geht, ob Hindenburg Ehrenbürger bleibt oder nicht. Deshalb haben wir gemeinsam die Initiative für einen interfraktionellen Antrag ergriffen. Ich finde, wir sollten jetzt alle versuchen, wieder ein bisschen abzurüsten und die Schärfe aus dieser Diskussion zu nehmen, wenn wir diesem Thema in seiner ganzen Dimension gerecht werden wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Diesen Appell richte ich auch an die Adresse der LINKEN und der GRÜNEN. Wir sollten versuchen, diese Debatte deeskalierend weiterzuführen,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das liegt ja an Ih- nen! – Zuruf von Antje Möller GRÜNE)

und dazu möchte ich auch gerne meinen Beitrag leisten.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, es ist einiges nicht ganz richtig verstanden worden. Frau Professor de Libero hat gesagt – ein sehr schönes Bild, wie ich finde –, Ehrenbürgerschaften seien in ihrem Kontext eine Art Gedächtnisraum. Es geht dabei nicht so sehr darum – so jedenfalls ist unser Verständnis von Ehrenbürgerschaften –, jeden Einzelnen zu ehren, sondern gerade die Ehrenbürgerschaften, die länger zurückliegen, sind aus dem Kontext ihrer Zeit heraus zu verstehen und können nicht mit der moralischen Messlatte von 2013 gemessen werden. Das ist genau das, was sie ausgeführt hat, und das ist unsere Position.

(Beifall bei der SPD)

Vielleicht ist das ein bisschen missverstanden worden. Niemand hat etwas von Relativierung der NSVerbrechen in den Raum gestellt.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Doch, das hat sie gesagt! – Zurufe von den GRÜNEN)

Nein, das hat sie nicht gesagt. So hat sie es wirklich nicht gesagt, Sie können es im Protokoll nachlesen.

Es gibt kaum jemanden wie Frau de Libero, Historikerin durch und durch, die das einschätzen kann; das muss man auch noch einmal festhalten.

Ich führe diese Debatte nun auch schon etwas länger und habe zusammen mit der Kollegin Fegebank auch die Veranstaltung der Bezirksfraktion der GRÜNEN gemacht. Es ging uns darum zu sagen, dass die Tilgungsentscheidung gegen Hitler und Göring 1945 historisch richtig war. Sie ist es immer noch und wird es immer bleiben. Das ist völlig klar, das ist Grundkonsens nach 1945 gewesen, und er bleibt für immer in dieser Stadt bestehen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist die eine Tilgungsentscheidung. An diesem Maßstab müssen wir die Frage von anderen Tilgungen messen. Gerade diese Diskussion zeigt, wie glitschig das Parkett ist, auf dem wir uns bewegen. Natürlich können wir damit anfangen, bis Achtzehnhundertirgendwas zurückzugehen,

(Ole Thorben Buschhüter SPD: Tettenborn!)

genau, bis zu Herrn Tettenborn. Wollen wir gemeinsam historische Gutachten wägen? Dann viel Vergnügen, das wäre auch nicht angemessen. Deswegen ist unsere Position: Die historische Aberkennungsentscheidung von 1945 für Hitler und Göring ist genau richtig, und bei den anderen Ehrenbürgerschaften geht es darum, sie einzuordnen. Da ist Handlungsbedarf, das war der gemeinsame Konsens, den wir bei allem Dissens in der Aberkennungsfrage hatten. Bei der Darstellung der Hamburger Ehrenbürger unter hamburg.de/ehrenbuerger ist über Hindenburg immer noch, wenn auch in Tüttelchen, zu lesen:

"Dankbare Verehrung des siegreichen und ruhmgekrönten Feldherrn".

Das darf so alleine auf der Homepage dieser Stadt nicht stehenbleiben, da bedarf es einer Einordnung. Jede Ernennungsentscheidung der letzten 200 Jahre muss so eingeordnet werden, wie es mit der heutigen Geschichtsschreibung vereinbar ist. Es ist unsere gemeinsame historische Verpflichtung, dafür zu sorgen.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, es ist auch im Einklang mit vielen Meinungen, die in der Geschichtsschreibung vertreten werden, zu sagen – ich zitiere aus der "Süddeutschen Zeitung" Herrn Professor Dr. Hans Günter Hockerts, einen namhaften Experten –:

"Hitler ist eine Chiffre für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Hindenburg nicht."

Das war der Maßstab, den wir als Fraktion bei unserer Entscheidung angelegt haben, und wie ich FDP und CDU verstanden habe, haben sie es genauso gesehen.

(Jens Kerstan)

Deshalb sollten wir versuchen, wieder zu dem zurückzukehren, was wir an Gemeinsamkeit haben. Wir haben einen Dissens in der Frage der Aberkennung, aber wir haben einen Konsens in der Frage der Einordnung. Wir sollten den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt die Möglichkeit geben, über alle Hintergründe Bescheid zu wissen, und darüber, wie eine Ernennungsentscheidung einzuschätzen ist, die nach unseren heutigen Maßstäben als zweifelhaft zu bewerten ist.

Ich richte noch einmal sehr dringend die Bitte an GRÜNE und LINKE, dass wir zu diesem gemeinsamen Konsens auch im Abschluss zurückfinden. Wir haben Meinungsunterschiede, aber wir haben eine gemeinsame Basis, und die sollten wir an dieser Stelle auch nicht in Abrede stellen, sondern unseren Antrag gemeinsam beschließen. Das wäre eine gute, würdige Entscheidung dieser Hamburgischen Bürgerschaft. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Heyenn.

Herr Dressel, Sie haben sich zwar Mühe gegeben zu deeskalieren, aber ich möchte doch noch einmal vorlesen, was heute in der Presseerklärung von Frau de Libero steht – ich zitiere –:

"Die Aberkennung der Ehrenbürgerrechte Hitlers und Görings war damals ein wichtiges politisches Signal. Heute den Namen Hindenburg zu tilgen, hieße aber, die Dimension der Verbrechen, die während der NS-Diktatur begangen wurden, zu relativieren."

Und genauso haben Sie das auch hier gesagt.

(Arno Münster SPD: Was ist daran ver- kehrt?)

Wir bitten Sie, das zurückzunehmen, weil Sie sonst sagen, dass alle, die Hindenburgs Ehrenbürgerwürde tilgen oder nach ihm benannte Straßen und Plätze umbenennen wollen, die NS-Verbrechen relativieren, und das kann so nicht stehenbleiben. Ich bitte Sie, das zurückzunehmen.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Frau Professor de Libero.

Hier war eben viel von Respekt die Rede. Ich habe mich in meiner Rede ausschließlich auf den Antrag der GRÜNEN bezogen

(Thomas Kreuzmann CDU: Genau, richtig!)