Staatsgläubigkeit wegzukommen: Wir wissen, dass von den 6000 Wohnungen, die gebaut werden sollen, circa 4000 Wohnungen nicht von der Stadt oder von stadteigenen Unternehmen oder Genossenschaften gebaut werden sollen. Wir haben in diesem Parlament schon einmal die Entscheidung getroffen, dass man zum Beispiel verbesserte Abschreiberegelungen nicht haben will, und das bedeutet eine Sperre für Investitionen im Wohnungsbau. Wir haben außerdem eine Bürokratisierung mit Gesetzen, beispielsweise mit dem Wohnraumschutzgesetz, was wahrscheinlich weniger mit einem Schutzgesetz zu tun hat als mit Wohnraum. Das führt dazu, dass diejenigen, die Wohnraum schaffen sollen, mit noch mehr Bürokratie konfrontiert werden als bisher. Das ist nicht hinnehmbar. Man muss mit den Menschen, die Wohnraum schaffen sollen, nicht nur mit den großen Gesellschaften, sondern auch mit denjenigen, die vielleicht nur ein Haus bauen wollen, pfleglich umgehen. Was ich teilweise sehe, ist das Motto des Films "Casablanca": Ist ein Mord geschehen, dann verhaften wir wieder die üblichen Verdächtigen. Wenn wir immer noch nicht genügend Wohnraum haben, dann werden wir diejenigen, die schon Wohnraum geschaffen haben, mit Bürokratie überziehen. Das ist kontraproduktiv. – Vielen Dank.
Nachdem sich alle noch einmal selbst auf die Schultern geklopft haben, muss man feststellen, dass es bei der CDU und der FDP im Dezember nicht viel zu klatschen gab. Sie haben den einzigen Punkt herausgesucht, Herr Hamann. – Wo ist er eigentlich abgeblieben?
Herr Hamann hat eine schwungvolle Rede gehalten, aber inhaltlich ist auch er die Antwort schuldig geblieben, was Sie machen wollen, damit die Mieter und Mieterinnen die Mieten weiter bezahlen können. Schwarz-Grün hat sich dreifach verteidigt, was sie alles gemacht haben.
Das haben wir bestimmt auch schon. Sie wollen sicher wieder auf die Plattenwohnungen hinaus, aber das will ich gar nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich meine es ernst. Wir haben in diesem Parlament keine Antwort darauf, wie wir – auch die SPD – mit steigender Armut umgehen, und auch nicht darauf, wie wir es schaffen, Mieten so zu gestalten, dass Men
schen, die heute 50, 60 Jahre alt sind und wissen, dass sie eine Rente haben, die knapp über Hartz IV liegt, in ihrer Wohnung bleiben können. Ihre Antwort, der Wohnungsneubau-Drittelmix, geht völlig an der Realität vorbei, dass wesentlich mehr Personen einen Anspruch auf eine Sozialwohnung haben. Es gibt darauf keine Antwort, und Sie haben sich dem Problem nicht gestellt.
Wir werden das immer wieder sagen, egal, wie oft Sie uns niederreden und meinen, dass das einen Bart habe.
Dieses Problem wird in Hamburg stärker werden, und da müssen auch Sie als SPD weiter ran. Das können Sie wegklatschen, aber das ist so.
Meine Damen und Herren! Wenn es keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Thema gibt, dann würden uns noch fünf Minuten für das nächste Thema verbleiben. Wird der Aufruf gewünscht? – Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zu unseren Debatten und rufen Punkt 56 mit Punkt 54 auf, die Drucksachen 20/ 7787 und 20/7755 (Neufassung). Das ist zum einen der Antrag der GRÜNEN Fraktion: Aberkennung des Ehrenbürgerrechts Hindenburgs und der Antrag der Fraktionen der SPD, GRÜNEN, FDP und LINKEN: Hamburger Ehrenbürgerschaften stärker historisch einordnen.
[Antrag der Fraktionen der SPD, der GRÜNEN, der FDP und der LINKEN: Hamburger Ehrenbürgerschaften stärker historisch einordnen – Drs 20/7755 (Neufassung) –]
Verehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist ein krasser Themenwechsel von Wohnungsbau und Mietpreisen hin zu einem historischen Thema, aber zu einem Thema, von dem wir glauben, dass es auch in diesem Hause einen Platz hat, denn es geht um lebendige Erinnerungskultur, Gedenken und Geschichtsbewusstsein in der Hamburgischen Bürgerschaft. Es geht um die Frage der kritischen Würdigung unserer Ehrenbürgerwürden und konkret um die Frage, ob Paul von Hindenburg, ehe
maliger Reichspräsident, aus heutiger Perspektive im Angesicht einer Neubewertung der historischen Betrachtung weiterhin als Ehrenbürger der Stadt Hamburg geführt wird.
Vor einigen Wochen, am 11. April, hat Bundestagspräsident Norbert Lammert hier anlässlich des 80. Jahrestages der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes, zum Ende der Demokratie und zum Beginn der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft eine vielbeachtete und von uns entsprechend gewürdigte Rede gehalten. Ich fand interessant und sehr nachdenkenswert, dass er sich intensiv mit der Zerbrechlichkeit der Weimarer Republik auseinandergesetzt hat, einer Republik, die nicht von überzeugten Demokratinnen und Demokraten gelebt hat und immer wieder anfällig für Angriffe von innen war. Einer derjenigen, die maßgeblich dafür gesorgt haben, dass diese besondere Stimmung die Weimarer Republik zu einer so zerbrechlichen Republik gemacht hat, war Paul von Hindenburg mit der Dolchstoßlegende, mit der er immer wieder die Legende von "im Felde unbesiegt" auf das System der Weimarer Republik zu übertragen versucht hat, indem er Sozialdemokraten und andere linke Gruppierungen beschuldigt hat, quasi Vaterlandsverräter zu sein, weil man den Krieg doch sonst gewonnen hätte, wenn es diese umtriebigen Kräfte in der Weimarer Republik nicht gegeben hätte. Aus diesem Geist heraus ist die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler erfolgt, auch durch Paul von Hindenburg. Wir betrachten Paul von Hindenburg als Steigbügelhalter Hitlers, als Spinner der Dolchstoßlegende und damit als – das ist ein Zitat eines Historikers – Totengräber der Weimarer Republik. Vor dieser historischen Betrachtung sind wir, und zwar nicht per Schnellschuss oder weil kein anderes Thema zur Hand war oder weil die Debatte vom Himmel gefallen ist, nach langer und kritischer Abwägung zu dem Ergebnis gekommen, dass Paul von Hindenburg es nicht mehr verdient, die Ehrenbürgerwürde der Stadt Hamburg zu tragen.
Ich will daran erinnern, dass die Ehrenbürgerwürde der Französischen Revolution entstammt und Persönlichkeiten ausgezeichnet hat, die sich um Freiheit und Menschenrechte verdient gemacht haben. Die Ehrenbürgerwürde ist 1917 für militärische Verdienste verliehen worden. Aber wenn wir aus heutiger Sicht eine pluralistische Gesellschaft und ein demokratisches Gesellschaftsverständnis pflegen und erhalten wollen – ich fand, um noch einmal auf Norbert Lammert zurückzukommen, dass das im Zuge der vielen Gedenkveranstaltungen deutlich wurde, die es in den letzten Tagen und Monaten zu 80 Jahre Machtergreifung und Ermächtigungsgesetz gegeben hat –, dann bedarf es einer neuen, kritischen und unaufgeregten Würdigung der Verdienste von Paul von Hindenburg in diesem Zusammenhang. Deshalb sind wir zu dem
Ich habe mich sehr gefreut, und zwar nicht, dass wir heute die Debatte führen, sondern dass im Vorfeld ein reger Austausch hier im Hause stattgefunden hat. Die Initiative ist vor ein paar Monaten von den GRÜNEN bei uns im Bezirk Hamburg-Nord ergriffen worden. Dort hat eine Debatte vor allem mit der SPD und der FDP stattgefunden, die dort die Koalition stellen, um eine Umbenennung der Hindenburgstraße, aber auch um eine Aberkennung der Ehrenbürgerwürde. Wir haben gesagt, dass wir uns das durch den Kopf gehen lassen müssen und nachdenken müssen, weil wir uns die Kritik, die sicherlich gleich von Ihnen geäußert werden wird, sich aus heutiger Perspektive nicht moralisch zu erhöhen und Dinge, die damals stattgefunden haben, anders zu bewerten, sehr zu Herzen genommen haben. Wir kommen trotzdem zu dem Ergebnis, dass Erinnern und Ehren zwei verschiedene Dinge sind. Wir wollen keine Revision der Geschichte betreiben, sie nicht schönen und Hindenburg nicht auslöschen. Das wird nicht gehen – auch das hat Norbert Lammert gesagt –, denn wir tragen die Geschichte mit uns mit, und es bedarf eines fortwährenden Gedenkens. Wir wollen aber aus unserem demokratischen, pluralistischen Gesellschaftsverständnis heraus in voller Kenntnis der Verantwortung Paul von Hindenburgs für die Geschichte der Weimarer Republik, die Zeit nach 1933 und das Grauen und die Schrecken, die durch die NS-Diktatur über die Welt gebracht wurden, nicht noch einmal sagen, dass wir ihn mit der Ehrenbürgerwürde in Ehren halten. Erinnern ja, ehren nein.
Die zweite Kritik, die immer kommt, lautet, wieso wir uns willkürlich Herrn Hindenburg ausgesucht hätten. Es seien doch noch einige andere Kolonialherren – vor allem Herren – auf dieser Liste aus dem 19. Jahrhundert, denen man dann auch sofort die Ehrenbürgerwürde entziehen müsste. Die Debatte passt sehr gut zum 80-jährigen Gedenken. Wir können konkret auf Grundlage einer neuen historischen Bewertung festmachen, warum Hindenburg diese Ehrung nicht verdient, und sollten das zum Anlass nehmen, künftig kritisch mit allen vergebenen Ehrenbürgerwürden umzugehen, wie wir es gemeinsam in dem interfraktionellen Antrag verabredet haben. Wir wollen diese in einen Kontext setzen und begründen, warum Ehrenbürgerwürden verliehen wurden, und vielleicht auch, warum sie wieder aberkannt wurden. Das wäre mein Wunsch, und ich hoffe, dass ich heute den einen oder anderen überzeuge, unserem Antrag zuzustimmen und auch künftig sehr verantwortungsbewusst mit den Ehrenbürgerwürden umzugehen.
Wir sind da nicht allein, ich will kurz ein paar Städte nennen, die sich entweder schon vor ein paar
Jahren oder jetzt im Zuge der Gedenkfeiern zu 80 Jahre Machtergreifung erneut oder erstmalig mit der Frage der Umbenennung von Plätzen, Straßen oder Ehrenbürgerwürden auseinandergesetzt haben. Gelsenkirchen, Wuppertal und Leipzig haben Hindenburg die Ehrenbürgerschaft gleich nach dem Zweiten Weltkrieg aberkannt, München 1946. In Düsseldorf hat die SPD gefordert, sich nochmalig zu distanzieren, obwohl die Ehrenbürgerwürde mit dem Tod erloschen war. In Stuttgart ist 2010 einstimmig, abgesehen von der einen Stimme der Republikaner, Hindenburg die Ehrenbürgerwürde aberkannt worden. In Duisburg hat die rot-rot-grüne Koalition im Stadtrat beantragt, Hindenburg die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen. In Hagen hat jüngst der DGB, auch anlässlich einer Gedenkveranstaltung 80 Jahre Machtergreifung, die Aberkennung der Ehrung Hindenburgs gefordert. Dort wird sie auch von SPD und GRÜNEN unterstützt. In Rosenheim – ich habe größere und kleinere Städte herausgegriffen – hat auch die SPD die Aberkennung gefordert.
Eine Ehrenbürgerschaft abzuerkennen, weil sie mit der eigenen politischen Überzeugung nicht übereinstimmt, wäre unverantwortlich.
Aber eine Ehrenbürgerschaft abzuerkennen, weil ihr Träger Symbolfigur für eine antidemokratische Grundhaltung ist und das politische Wirken im Zusammenhang steht mit der dunkelsten Epoche deutscher Geschichte, ist ein verantwortungsvoller Umgang mit der eigenen Vergangenheit. Jeder, der sich heute noch dafür entscheidet, Hindenburg weiter in ehrendem Gedenken zu halten, der tut dies auch in vollem Bewusstsein und in vollem Wissen um sein Wirken
"Ich scheide von meinem deutschen Volk in der festen Hoffnung, dass das, was ich im Jahre 1919 ersehnte und was in langsamer Reife zu dem 30. Januar 1933 führte, zu voller Erfüllung und Vollendung der geschichtlichen Sendung unseres Volkes reifen wird.
In diesem festen Glauben an die Zukunft des Vaterlandes kann ich heute beruhigt meine Augen schließen."
In diesem Sinne freue ich mich auf die Einlassung und die Debatte. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam den Antrag zur Kontextualisierung verabschieden. Vielleicht gewinnen wir aus den Reihen der Opposition, vielleicht auch aus der Regierung Unterstützer zur Aberkennung der Ehrenbürgerwürde Hindenburgs. – Danke.
Man kann nicht ungeschehen machen, was geschehen ist. Man kann es vergessen, man kann es aufarbeiten und man kann es in einen historischen Kontext einordnen. Genau das wollen wir mit den Hamburger Ehrenbürgerschaften künftig stärker tun.
Mit der historischen Kontextualisierung ist das jedoch so eine Sache. Es ist ein Fremdwort, das nicht jeder versteht. Die Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN beispielsweise wollen – Zitat –:
und als eine für sie logische Konsequenz Paul von Hindenburg die hamburgische Ehrenbürgerwürde aberkennen. Das aber ist ein Widerspruch in sich. Kontextualisieren meint nämlich, das Handeln vergangener Generationen nachzuvollziehen, die Gründe etwa, warum vor 96 Jahren Senat und Bürgerschaft dem 70-jährigen Generalfeldmarschall die Hamburger Ehrenbürgerwürde antrugen. Entweder wir betrachten die Geschehnisse in ihrer Zeit oder wir legen den moralischen Maßstab von 2013 an.