Protocol of the Session on May 15, 2013

Amazon, Google und so weiter machen es zu einem Geschäftsmodell, dass sie sich praktisch nicht mehr an dem, was wir an sozialen Aufwendungen in dieser Stadt und in diesem Land haben, beteiligen müssen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Zahlt ja auch kein Mensch!)

Wir müssen uns als Gesellschaft Antworten überlegen, wie wir dagegen ankommen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein dritter Bereich sind die Steueroasen; wir haben es in den letzten Wochen mitbekommen. Wir wissen nicht genau, ob alles Geld, was dort liegt, illegal ist, das will ich auch gar nicht sagen. Man muss sich aber vor Augen halten, um welche Beträge es geht. 400 Milliarden Euro an deutschen Geldern sollen in diesen Steueroasen liegen. Davon mag etliches legal sein, aber etliches wird auch illegal sein. Es ist ein entscheidendes Moment, dass wir in der Lage sind, uns damit auseinanderzusetzen. Und eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass wir zumindest ausreichend Betriebsprüfer und Steuerfahnder haben müssen, die das kontrollieren können.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will Ihnen auch deutlich sagen, dass der Fall Uli Hoeneß politisch von uns zu debattieren ist. Es gehört zu den Ungeheuerlichkeiten dieses Rechtssystems,

(Finn-Ole Ritter FDP: … das Steuergeheim- nis zu brechen!)

dass Menschen mittlerweile für wiederholtes Schwarzfahren im Knast landen, obwohl es da nur um einige Hundert Euro geht und sie niemand außer dem HVV bewusst geschadet haben, dass aber derjenige, der die Gemeinschaft wegen wiederholtem Nichtbezahlen von Steuern um Millionen Euro geschädigt hat, frei herumlaufen kann.

(Finn-Ole Ritter FDP: Woher wissen Sie das eigentlich? – Gegenruf von Heike Sudmann DIE LINKE: Herr Ritter, jetzt ist auch mal gut!)

Das hat er doch selber zugegeben, dass er das gemacht hat. Genau das hat er zugegeben, dass er Millionen Euro nicht bezahlt hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren – Herr Ritter, das werden Sie auch sagen müssen –, das ist Klassenjustiz.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist klassische Klassenjustiz. Das ist der Grund, warum vor 150 Jahren die Sozialdemokratie entstanden ist und wogegen man kämpfen muss. Das kann man nicht akzeptieren. Ich will Ihnen sagen, was eine der größten Frechheiten, die ich dazu in den letzten Tagen gelesen habe, ist. Der Präsident der Bundessteuerberaterkammer, Horst Vinken, hat am Wochenende in Dresden ausgeführt, warum es nicht möglich sei zu handeln. Er sagte, die Finanzbehörden seien bei den vielen Fällen von Steuerbetrug nicht mehr in der Lage, diese in echten Ermittlungsverfahren aufzuarbeiten, und weil sie das nicht könnten, müsse die strafbefreiende Selbstanzeige erhalten bleiben. Das muss man sich einmal durchdenken. Was bedeutet das für unsere Polizei? Warum sollte die dann überhaupt noch nach irgendetwas fahnden? Vielleicht werden sich ja genug selber melden. Was ist das denn für eine Art und Weise, Gerechtigkeit zu schaffen?

(Beifall bei der LINKEN und bei Gerhard Lein und Wolfgang Rose, beide SPD)

Meine Damen und Herren! Es geht hier nicht um Kleinigkeiten, es geht um eine der Grundfragen in dieser Gesellschaft, um Gerechtigkeit und darum, wie sie organisiert ist. Sie merken doch auch, dass außerhalb dieses Parlaments und abgesehen von den gutverdienenden Menschen die Wut über das, was geschieht, so groß ist, dass es meiner Meinung nach eine der vornehmsten Aufgaben des Parlaments ist, sich kräftig damit auseinanderzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

In einem Punkt hat Herr Vinken aber recht. Er hat in dem Punkt recht, dass die Steuerverwaltung nicht ausreichend mit Personal ausgestattet ist. Der Rechnungshof hat das festgestellt, wir haben das festgestellt. Das ist eine der großen Schwächen, die wir in diesem Bereich haben. Die Finanzbehörde hat letztes Jahr im Rechnungsprüfungsausschuss gesagt, sie sei mit dem gegenwärtigen Personalbestand lediglich in der Lage, die Hinweise abzuarbeiten, die sie bekomme. Eigentlich wäre es aber auch Aufgabe der Steuerfahndung, selber zu forschen, damit nicht weiterhin legal und illegal Geld aus dieser Republik herausgezogen wird, das der Steuer zuzuführen wäre. Diese Aufgabe zu erfüllen ist die Grundvoraussetzung, unabhängig da

von, dass es natürlich auch verschiedene andere Sachen zu tun gibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Dementsprechend ist auch dieser Senat nicht unschuldig daran, dass sich die Situation noch nicht verbessert hat. Ich kann mich gut daran erinnern, dass die Sozialdemokraten und wir vor zweieinhalb oder drei Jahren gemeinsam dafür gestritten haben, mehr Steuer- und Betriebsprüfer zu bekommen. In den letzten zwei Jahren ist dazu nichts geschehen. Jetzt gibt es einen kleinen, niedlichen Antrag der SPD,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Der ist nicht niedlich, der ist gut! – Gegenruf von Dora Heyenn DIE LINKE: Und ohne uns hätte es ihn nicht gegeben!)

der immerhin zeigt, dass wir einen Schritt vorankommen. Er zeigt aber auch, dass unsere seit zwei Jahren anhaltenden Klagen richtig gewesen sind. Jetzt kommen Sie endlich dahinter – das bejammern Sie auch in Ihrem Antrag –, dass das natürlich erst in drei Jahren richtig wirkt. Aber wenn Sie schon vor zwei Jahren reagiert hätten, dann hätten wir schon im nächsten Jahr mehr Betriebsprüfer haben können.

(Beifall bei der LINKEN)

Darum ist dieser Hinweis ein bisschen schwach. Auch der Hinweis, dass es diese Aufstockung erst 2014 geben wird und nicht schon im Herbst 2013, ist etwas schwach.

(Beifall bei der LINKEN)

Dementsprechend ist das zwar gut und ich freue mich, dass wir in dieser Sache ein bisschen bewegen konnten, aber der Antrag der SPD ist eindeutig zu kurz gesprungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Viel wichtiger als dieser Punkt ist mir aber, dass wir uns stärker um die anderen Punkte, die ich vorhin genannt habe, kümmern. Wir müssen in der Lage sein, diejenigen, die in diesem Land Geld verdienen, auch mit zur Steuer heranzuziehen. Wir sind nicht in der Lage, die verschiedenen sozialen und kulturellen Aufgaben dieser Stadt und dieses Landes zu erfüllen, wenn es weiterhin die Tendenz gibt, dass die sich zurückziehen können. Das ist entscheidend für die Grundlagen dieser Gesellschaft und für die Gerechtigkeit in ihr. Die Zahlen, die ich genannt habe, sind so erschreckend, dass es eine unserer wichtigsten Aufgaben ist, uns gemeinsam darum zu kümmern.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben gestern im Haushaltsausschuss darüber diskutiert, und ich hoffe, wir haben erreicht, dass dazu vielleicht im September noch eine Anhörung organisiert wird, wie wir in der Lage sein können,

das besser zu strukturieren. Es geht um die 100 Betriebsprüfer und darum, wie wir die Unternehmen, die gar keine Steuern mehr zahlen, dazu heranziehen können. Es geht darum, wie wir mit den neuesten Tricks, die sie anwenden, umgehen, um in der Lage zu sein, die finanziellen Grundlagen für einen sozialen Staat zu legen. Ohne dem geht es nämlich nicht. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Quast, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Hackbusch, Sie haben recht. Die Themen, die Sie eingangs genannt haben, sind alle wichtig. Ich vermisse nur irgendetwas dazu in Ihrem Antrag.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Sie sind bei den großen Themen immer schnell dabei, aber wenn es gilt, in die Materie einzusteigen, lassen Sie meistens nach. Wir haben jedenfalls für morgen das Thema Steuern zur Debatte in der Aktuellen Stunde angemeldet, und dann werden wir sehen, was DIE LINKE an Beiträgen dazu liefern kann.

(Beifall bei der SPD)

Gleichwohl sind wir uns alle einig, dass wir Steuerhinterziehung wirksam bekämpfen wollen. Wir nehmen das Thema sehr ernst. Steuerbetrug gefährdet den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat, die der Gesellschaft der Mittel beraubt, die sie braucht, um staatliche Aufgaben zu erfüllen, um unsere Bildungs- und Sozialsysteme zu finanzieren.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen hat die SPD-Fraktion in der Vergangenheit auch eine Reihe von Initiativen gestartet, um die Steuerverwaltung zu stärken und den Steuervollzug effektiver zu machen. Weil Sie das offenbar alles nicht wahrgenommen haben, Herr Hackbusch, kann ich Ihnen dazu gern noch ein paar Dinge aufzählen. Wir haben die Betriebsprüfer durch betriebswirtschaftlich geschulte Bewertungsprüfer unterstützt und die technische Ausstattung der Betriebsprüfer verbessert. Damit geben wir ihnen mehr Gelegenheit, sich mit ihrer eigentlichen Klientel zu befassen, während im Hintergrund ausgewertet und bewertet wird. Wir stellen die Überwachung in den Spielbanken auf Videoüberwachung um, um so einen Großteil der dort tätigen 50 Steuerbeamten auch im Bereich der Festsetzung, Veranlagung und Prüfung einsetzen zu können.

(Beifall bei der SPD)

Auf Bundesebene ist der Senat engagiert, um mit den anderen Ländern gemeinsam Steuervereinfachungen zu erreichen, die leider bislang an der Bundesregierung gescheitert sind.

(Finn-Ole Ritter FDP: Kalte Progression zum Beispiel abschaffen!)

In den letzten Jahren ist es zudem gelungen, die Zahl der Betriebsprüfer deutlich zu erhöhen, nachdem wir 2011 die uns von den Vorgängersenaten hinterlassene Talsohle durchschritten haben. Und auch die Zahl der Steuerfahnder wächst wieder an.

(Beifall bei der SPD)

Betriebsprüfer, Steuerfahnder und Sachbearbeiter in Finanzämtern fallen aber nicht vom Himmel. Man kann sie sich nicht einfach am Arbeitsmarkt einkaufen – leider funktioniert das immer nur in die andere Richtung. Wir müssen Steuervollzugsbeamte selbst qualifizieren. Eine personelle Stärkung der Steuerverwaltung kann daher nur gelingen, wenn wir die Ausbildung verstärken. Nach entsprechenden Initiativen bei Polizei und Feuerwehr starten wir deshalb eine Ausbildungsoffensive im Bereich der Steuerverwaltung. Dies ist das zentrale Ziel unseres Antrags, den wir heute debattieren und in dem wir ganz konkrete Maßnahmen beschreiben. Das unterscheidet uns, lieber Herr Hackbusch, von Ihnen und Ihrem Antrag, der wieder einmal sehr unkonkret geblieben ist. Wir wollen eine Steigerung der Ausbildungszahlen für Finanzwirte und für Diplom-Finanzwirte zum nächstmöglichen Zeitpunkt, der organisierbar ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen ab 2014 zusätzlich 48 junge Menschen in diesen Berufsfeldern ausbilden, was gegenüber den Planungen eine Steigerung der Ausbildungszahlen von fast 50 Prozent bedeutet. Damit legen wir die Grundlage für eine wachsende Zahl von gut qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Hamburger Steuerverwaltung.

Meine Damen und Herren! In der Hamburger Steuerverwaltung wird gute Arbeit geleistet. Dafür möchte ich an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlich Dank sagen.