Protocol of the Session on May 15, 2013

Meine Damen und Herren! In der Hamburger Steuerverwaltung wird gute Arbeit geleistet. Dafür möchte ich an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlich Dank sagen.

(Beifall bei der SPD)

Dort arbeiten Menschen, die große Expertise in Sachen Steuervollzug haben. Wir glauben deshalb, dass auch dort konzeptionelle Überlegungen angestellt werden können, wie Veranlagungen und Betriebsprüfungen in Art, Umfang und Intensität weiter verbessert werden können, denn die Feststellungen des Rechnungshofs lassen uns nicht unberührt. Wir sehen es daher als fortdauernde Aufgabe an, die Leistungsfähigkeit des Steuervollzugs weiter zu steigern. Dazu gehören gut qualifiziertes Personal, ausreichend technische Unterstützung und effektive Abläufe.

(Norbert Hackbusch)

(Beifall bei der SPD)

Dazu gehört aber auch – und da kommen wir auf das zurück, Herr Hackbusch, was Sie anfangs ausgeführt haben – eine bessere Steuergesetzgebung, die keine Schlupflöcher bietet und Gestaltungsspielräume eindämmt. Gerade weil wir Personal erst ausbilden müssen, ist es wichtig, die Steuergestaltung, die oftmals gar nicht missbräuchlich ist, für die Finanzämter aber gleichwohl eine sehr hohe Belastung bedeutet, eindeutig einzudämmen. Wir brauchen Steuergesetze, die Schlupflöcher schließen und die Menschen gerecht und nach Leistungsfähigkeit besteuern. Darum wird es im Herbst auch bei der Bundestagswahl gehen. Die SPD hat gute Konzepte dazu vorgelegt. Heute, meine Damen und Herren, können Sie mit uns einen wichtigen Schritt vorangehen, der in Hamburg die Verhältnisse weiter verbessert. Ich denke, das können wir alle gemeinsam beschließen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Heintze, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hackbusch, das ist scheinbar ein Thema ganz nach Ihrem Geschmack. Da kann man sich hier hinstellen und rumpoltern, über Klassenjustiz sprechen, die Steuerberater als solche diskreditieren,

(Finn-Ole Ritter FDP: Genau!)

Herrn Hoeneß ins Gefängnis schicken, man kann richtig schön drauflos poltern, ohne dass man konkret werden muss, um dann, wenn man konkret werden müsste, zu sagen, dass man das eigentlich nicht wolle, es ging nur um das Poltern. Das müssen Sie sich vorwerfen lassen. Was Sie heute abgeliefert haben, ist lupenreiner Linkspopulismus,

(Beifall bei der CDU und der FDP)

und zwar in einer Art, der Menschen auch noch gleich mitdiskreditiert. Und das finde ich unredlich und im Umgang mit dem Thema Steuern auch überhaupt nicht angemessen. Wir haben gestern eine sehr gute erste Debatte zu dem Thema im Haushaltsausschuss gehabt und werden diese Debatte dieser Tage fortsetzen, morgen zum Beispiel, aber das hat auch gezeigt, dass es mit Linkspopulismus eben nicht getan ist.

(Beifall bei der CDU)

Wenn es politische Rhetorik und ein toller Antrag wäre, dann könnte ich noch sagen, Linkspopulismus ist zwar schwer zu ertragen, aber dafür ist der Antrag gut. Aber nun schaue ich in diesen Antrag und finde nach ganz viel Linkspopulismus in der Einleitung drei Punkte: Erstens müsse man effizienter und besser werden. Wie nennen Sie es so schön? Ein Maßnahmenpaket, um Steuerhinterzie

hung zu bekämpfen – aber nicht was. Außerdem müsse man die Zahl der Steuerprüfer signifikant erhöhen – aber nicht wie. Und dann sagen wir doch im dritten Punkt, weil es uns so wichtig ist, irgendwie muss diese Selbstanzeige weg – das war es dann. Wenn man sich diese drei Punkte unter fachlichen Gesichtspunkten ansieht, dann ist das ziemlicher Bullshit, den Sie abgeliefert haben.

(Glocke)

(unterbre- chend) : Lieber Herr Heintze, der Begriff "Bullshit" ist schwierig.

Ich entschuldige mich dafür. Was Sie abgeliefert haben ist fachlich nicht tragend und Linkspopulismus.

Dem Antrag der SPD stimmen wir zu, denn die SPD hat eines getan. Sie hat anerkannt, dass es beim Punkt Steuerfahnder ein Problem gibt. Das hat der schwarz-grüne Senat übrigens 2010 auch schon gesehen und hat im Zuge dieser Feststellung fünf neue Stellen geschaffen. Es ist also mitnichten so, dass alle anderen Fraktionen untätig sind und nur die LINKEN rumwuseln. Auch nicht jeder Steuerfahnder bringt sofort die Mehreinnahmen, mit denen Sie gern rechnen, denn insbesondere bei großen Unternehmen zum Beispiel wird bis heute immer auch anschlussgeprüft. Wenn Sie jetzt anfangen, mit Ihren Steuerfahndern durch die Gegend zu laufen, dann müssen Sie sehr genau schauen, wo Sie die einsetzen.

Nun komme ich zur dritten Forderung der LINKEN, unbedingt an das Thema Selbstanzeige heranzugehen. Man muss sich einmal anhören, was Experten dazu sagen. Natürlich kann man über das Thema Selbstanzeige durchaus diskutieren, aber alle Experten in diesem Bereich sagen Ihnen, dass es falsch wäre, dieses abzuschaffen. Das hat auch die schwarz-gelbe Bundesregierung so gesehen, hat aber Anfang 2011 mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz die Regeln zur straffreien Selbstanzeige bereits massiv verschärft. Seitdem gibt es nicht mehr die Möglichkeit der Teilselbstanzeige, die Möglichkeit, sich nach Aufnahme von Ermittlungen selbst anzuzeigen, ist gestrichen worden, und die Strafen sind deutlich erhöht worden. Also, Herr Hackbusch, bevor Sie anfangen, über Selbstanzeigen zu philosophieren und populistische Forderungen in den Raum zu stellen, sehen Sie sich doch erst einmal an, was andere Parteien in diesem Bereich schon gemacht haben. Und dann brechen Sie den Stab über andere, anstatt zuerst den Stab über alle zu brechen und hinterher keine besseren Ideen zu haben. Das ist kein sonderlich sauberes Vorgehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

(Jan Quast)

Bevor Sie die Selbstanzeige abschaffen, schauen Sie einmal, was das im Tagesvollzug dank unserer Steuergesetzgebung bedeutet. Die Selbstanzeige ist sehr oft nur ein Mittel, um fehlerhafte Angaben, die zum Teil gar nicht absichtlich gemacht wurden, korrigieren zu können, damit es nicht gleich zu Ermittlungen kommt. Bei den Steuergesetzgebungen, wie wir sie heute haben, gibt es extrem komplexe Vorgänge.

(Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN)

Sie, Frau Hajduk, müssten eigentlich auch wissen, dass die Selbstanzeige verschiedene Gestalten hat und dass es im Tagesgeschäft der Finanzämter durchaus üblich ist zu reagieren. An diesem Punkt hat man aber gesagt, wir müssen zunächst einmal hinsehen, bevor wir in Bausch und Bogen die Abschaffung fordern. Wir haben die Verschärfung 2011 auf Bundesebene durchgesetzt.

Ein dritter Punkt aber ist viel wichtiger, und dazu ist noch gar nichts gesagt worden. Es könnte aber meines Erachtens ein Punkt zur Lösung sein. Wir haben gelernt, dass in den Finanzämtern unter anderem Probleme dadurch entstehen, dass immer neue Aufgaben und neue Möglichkeiten der Untersuchung und zu berücksichtigende Dinge anfallen und dadurch ein deutlich höheres Arbeitsaufkommen anfällt. Das bindet Personalressourcen, das bindet sie auch bei den Steuerfahndern. Von daher ist es doch ein Ansatz zu überlegen, wie wir eigentlich diese Mehrarbeit im Einzelfall beschränken können. Ich befürchte, das geht nur über die Steuergesetzgebung. An dieser Stelle sind wir uns dann einig. Wir müssen zu einer Vereinfachung der Steuergesetzgebung kommen, um solche Fragestellungen aus den Finanzämtern herauszuholen, damit dort die eigentliche Arbeit gemacht werden kann. Diese Forderung hört sich aber völlig anders an als Ihre Rede, mit der Sie von hier vorn erst einmal alle zu Verbrechern erklären, die Steuern zahlen oder auch nicht zahlen, und ganze Berufsstände diskreditieren, ohne dass Sie überhaupt wissen, worum es im Detail ging.

Herr Hackbusch, kommen Sie zurück zum konstruktiven Gespräch. Wir finden, dass hier der Antrag der SPD einen guten Weg darstellt, und deswegen werden wir dem auch zustimmen. Diesem komplizierten Thema und der Verbesserung der Steuergerechtigkeit in Deutschland und damit auch dem Anspruch des Staats, seine Einnahmen durchzusetzen, werden wir nur gerecht, wenn wir sachlich damit umgehen und nicht alle möglichen Menschen einfach pauschal diskreditieren. Das scheint mir der falsche Weg zu sein. Die CDU ist für eine sachliche Diskussion offen. Das werden wir morgen noch einmal in der Aktuellen Stunde zeigen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Hajduk, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte den Kollegen Hackbusch ein bisschen in Schutz nehmen, denn ich fand seine Rede gar nicht unsachlich. Herr Hackbusch vertritt wahrscheinlich eine andere Auffassung als die CDU, was nicht verwunderlich ist. Ich will aber auch deswegen Herrn Hackbusch ein bisschen in Schutz nehmen, weil das Thema "Steuermissbrauch wirksam bekämpfen" in der Tat gesellschaftspolitisch eine neue Dimension erreicht hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Finn-Ole Ritter FDP: Weil Sie das beschlos- sen haben!)

Herr Ritter, Sie von der FDP sollten einmal gut zuhören, damit Sie sich nicht noch weiter als jetzt schon ins Abseits schubsen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Es geht darum, dass 70 Prozent der Menschen es als einen Skandal empfinden, dass Steuerhinterziehung nicht wirksam unterbunden werden kann. Uns geht es in dieser Debatte nicht darum, irgendwie mit Schmutz zu werfen oder zur Jagd zu rufen, aber es sind natürlich Vergleiche diskutiert worden. Warum kann einerseits eine Verkäuferin bei Lidl wegen einer Lappalie entlassen werden, aber wie viele Millionen Euro Steuern darf man andererseits ohne vergleichbare Konsequenzen hinterziehen, wenn man nur selbst zugibt, dass man es gemacht hat?

(Finn-Ole Ritter FDP: Es geht doch um 'ne Selbstanzeige!)

Das sind Debatten, die die Gesellschaft umtreiben. Die Politik ist gut beraten, das ernst zu nehmen und darauf zu achten, dass Steuervollzug zukünftig in einem viel stärkeren Ausmaß gewährleistet sein muss. Ich persönlich bin zum Beispiel froh, dass global das Tempo der Datenverarbeitung – und das ist nicht immer eine einfache Herausforderung – auch zur Lösung mancher Konflikte oder Herausforderungen erheblich positiv beiträgt. Zum Beispiel wird die Diskussion in Deutschland über die Frage, wie transparent eigentlich die Steuererklärung sein soll, in unserer Gesellschaft eher defensiv geführt. In Skandinavien und den USA gibt es hier völlig andere Transparenzgewohnheiten. Ich glaube, dass Themen wie Offshore-Leaks und die Möglichkeit der Transparenz durch Datenverarbeitung, Dinge auch einmal der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, uns vielleicht ein bisschen stärker zu der Frage leiten kann, ob wir uns zukünftig darauf verständigen wollen, dass die in der Gesellschaft verabredeten steuerlichen Regeln und wie sich Einzelpersonen und Unternehmen

(Roland Heintze)

daran halten mit größerer Transparenz offengelegt werden. Ich finde, das ist noch einmal eine andere Debatte als nur die über politische Regelungen. Es ist vielleicht auch eine Debatte zum gesellschaftlichen Klima.

(Finn-Ole Ritter FDP: Brandmarken!)

Ich glaube, dazu kann die Datenverarbeitung von heute neben manchen mit ihr verbundenen problematischen Entwicklungen sehr positiv beitragen.

Ich möchte zum Thema Selbstanzeige kommen. Wir finden den Antrag der SPD im Wesentlichen unterstützungswert – darauf komme ich noch – und werden dem zustimmen. Den Antrag der LINKEN finden wir vom thematischen Grundansatz her auch richtig, aber in der Tat haben wir beim Thema Selbstanzeige einen Dissens. Den Vorschlag, die Selbstanzeige abzuschaffen, finde ich nicht sinnvoll. Man kann und soll vielleicht darüber diskutieren, ob wir sie stärker auf Bagatellfälle einschränken müssen, aber dass man grundsätzlich die Möglichkeit hat, durch Selbstanzeige Fälle zu bereinigen, bewährt sich in der Praxis. Das ist jedenfalls die Auffassung unserer Fraktion.

(Beifall bei Finn-Ole Ritter FDP)

Ich finde es gut, Herr Ritter, dass Sie mich an dieser Stelle unterstützen, aber wahrscheinlich kommt es gleich wieder zum Dissens.

Bevor ich zum Thema Steuerverwaltung in Hamburg komme, will ich einen Punkt ansprechen, der mir wichtig ist und bei dem ich den grundsätzlichen Ansatz von Herrn Hackbusch sehr richtig finde. Wir haben in der Tat in diesem Hause und auch bundesweit eine sehr unterschiedliche Auffassung darüber gehabt, wie wir in Zukunft mit den Offenlegungspflichten umgehen wollen. Ich spreche das Thema Steuerabkommen an. Was wäre eigentlich passiert, und das hätte leicht schiefgehen können, wenn das Steuerabkommen mit der Schweiz unterzeichnet worden wäre? Das ist nur deswegen nicht unterzeichnet worden, weil es im Bundesrat mittlerweile eine andere Mehrheit gab. Für Herrn Schäuble ist das eigentlich ein Grund innezuhalten und zu sagen, zum Glück haben die mich vor diesem Fehler bewahrt.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Diese Themen, auch wenn sie vielleicht ein bisschen überkomplex sind, interessieren die Öffentlichkeit schon. Aktuell geht es um Steuerabkommen mit anderen Ländern und was eigentlich die Finanzminister in der EU zukünftig zu diesem Thema schaffen. Es gibt nun einen Beschluss, mit der Schweiz, mit Liechtenstein, Andorra, Monaco und San Marino neue Verhandlungen aufzunehmen. Ziel der Verhandlungen ist es, die Standards der EU-Zinsrichtlinie so zu verhandeln, dass sie auf diese Länder ausgeweitet werden. Ich bin nicht

mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet, wenn ich behaupte, dass diese Entwicklung nicht stattfinden würde, wenn es das Steuerabkommen mit der Schweiz gegeben hätte.

(Beifall bei Phyliss Demirel GRÜNE und Wolfgang Rose SPD)

Genauso wichtig ist, dass Luxemburg und Österreich ihren Widerstand gegen den automatischen Informationsaustausch innerhalb der EU aufgegeben haben. Das sind sehr wichtige Schritte, und all das hätte schön schiefgehen können. Ich bin froh, dass der Hamburger Senat durch Herrn Tschentscher dazu beigetragen hat, dass dieses Steuerabkommen mit der Schweiz nicht unterzeichnet wurde. Auch wenn kurzfristig einiges an Geld in die Hamburger Steuerkasse geflossen wäre, hätte das in der Langfristwirkung eine Riesenblockade ausgelöst. Ich bin heilfroh, dass wir einen neuen Ansatz haben.