Protocol of the Session on April 24, 2013

(Erster Bürgermeister Olaf Scholz)

zu gibt es unendlich viele Anlagen, in denen es um sehr technische Fragen geht, wie zum Beispiel bestimmte Leitungen geführt werden oder welche Sachverständigen benannt werden. Diese Anlagen sind hilfreich, um zu verstehen, was wir vereinbart haben, aber sie betreffen nicht mehr die Kernverständnisfrage, die mit dem Grundvertrag, den Sie alle seit Februar kennen, schon vorliegt.

Ich will noch einmal wiederholen: Wir unterliegen Zwängen, auch der Senat unterliegt Zwängen, das vernünftig und gut hinzubekommen, und ich weiß auch um die Bedeutung, die solche Zeitzwänge haben. Sie können sicher sein, dass die Tatsache, dass ich seit 1998 Abgeordneter gewesen bin – nach der hamburgischen Senatsverfassung bin ich es nicht mehr – und bis zum Frühjahr des Jahres 2011 immer als Abgeordneter gearbeitet habe, dazu führt, dass ich ein tiefes Verständnis für die Situation des Parlaments und seiner Abgeordneten habe. Zudem habe ich auch als Bundesminister und als Parlamentarischer Geschäftsführer einer Bundestagsfraktion die Frage, wie man so etwas handhaben kann, aus verschiedenen Perspektiven bewertet. Ich will deshalb nicht mit markigen Worten schließen, sondern Ihnen sagen, dass ich Ihre Zwänge verstehe. Wir unterliegen alle gemeinsam Zwängen, und ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich die Mühe machen könnten und sich die Zeit nähmen, das zu dem vorgesehenen Zeitpunkt abzuschließen, weil das für die Klarheit im Projekt eine große Hilfe wäre.

Wir arbeiten jetzt in einer Schwebesituation. Diese Schwebesituation will ich noch einmal erläutern, weil sie aus meiner Sicht eine gewisse Bedeutung hat für das, was wir tun. Diese Schwebesituation funktioniert,

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: … seit zwei Jahren! – Gegenruf von Dr. Andreas Dressel SPD: Nee, nee! – Norbert Hackbusch DIE LINKE: Na gut, seit anderthalb Jahren!)

seitdem alle glauben, wir würden uns wohl einigen. Als wir die Eckpunktevereinbarung geschlossen hatten, war die Idee – das steht in der Drucksache, diejenigen, die hineingeschaut haben, haben es schon gelesen –, dass die Architekten und das Unternehmen so zusammenarbeiten, wie sie es auch jetzt tun, aber ohne eine rechtliche Neuordnung, und dass aller Streit ums Geld später durch ein Schiedsverfahren gelöst wird. Dann wurde aber deutlich, dass erstens HOCHTIEF kalte Füße bekommen hat und zweitens eine Zusammenarbeit von HOCHTIEF mit den Architekten nicht funktionieren kann, weil jeder denkt, das Eingehen auf einen Vorschlag der anderen Seite werde dazu führen, dass er beim Schadensersatzprozess schlecht dasteht. Erst seitdem die Parteien miteinander sprechen und das Vertrauen wächst, dass es wohl gutgehen wird, öffnen sich alle. Dadurch ist es beispielsweise überhaupt erst möglich gewe

sen, dass die Architekten, die immer noch in der Vertragskonstruktion aus alten Zeiten an uns gebunden sind, und HOCHTIEF die technischen Anlagenentwürfe für den Vertrag gemeinsam erstellt haben und wir sie dann gewissermaßen durch unsere Leute noch einmal in unserem Sinne verändern konnten. Das ist die erste Öffnung gewesen, und hätten die Architekten und HOCHTIEF nicht darauf vertraut, dass es den Vertag am Ende gibt, hätten die das gar nicht machen können. Nur weil jetzt alle das Vertrauen haben, dass der Vertrag zustande kommt, hat das geklappt.

Jetzt haben wir eine neue Qualität der Zusammenarbeit, es wurden gemeinsame Büros bezogen. Aber der letzte Schritt, die Datenintegration auf den Computern, trauen sich alle erst dann zu, wenn der Vertrag zustande gekommen ist. Jetzt befindet sich jeder in der Situation, das muss man ganz nüchtern sagen, dass im Falle eines Scheiterns, wenn das Parlament am Ende eine andere Entscheidung trifft, als der Senat es vorschlägt, plötzlich das, was man dem anderen erzählt hat, gegen einen verwendet werden kann.

(Anja Hajduk GRÜNE: Das sollen wir doch jetzt nicht glauben!)

Sie kennen das gewissermaßen aus den Fernsehfilmen: Alles, was Sie jetzt sagen, kann gegen Sie verwendet werden. Das lässt sich auf die wirtschaftlichen Interessen aller Parteien anwenden, denn wenn der Vertrag nicht zustande kommt, beginnt die Zeit der Schadensersatzprozesse, und dann wäre das Know-how gewissermaßen schon vorangetragen. Das spricht aus meiner Sicht dafür, diesen Zeitraum nicht allzu lange auszudehnen, um es ganz höflich zu sagen.

Ich komme noch einmal darauf zurück – und das sage ich ganz unaufgeregt, weil ich glaube, dass Ruhe und Contenance schon etwas ist, was für ein solches Projekt von größter Bedeutung ist –, dass man versuchen sollte, sich die Zwänge anzuschauen und sich auf sie einzulassen. Wir sagen nicht, dass das leicht ist. Ich weiß, dass das nicht ganz einfach ist für die Bürgerschaft und ihre Abgeordneten, die sich intensiv einarbeiten wollen. Aber ich bitte Sie, mitzuhelfen, damit wir das mit der Elbphilharmonie so hinbekommen, wie Frau VértesSchütter es eingangs gesagt hat. – Schönen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD)

Herr Bürgermeister, ich muss Sie darauf hinweisen, dass Sie das Vierfache der Redezeit in Anspruch genommen haben, die den Abgeordneten in der Aktuellen Stunde zusteht.

Nunmehr hat das Wort Herr Wankum.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Kol

(Erster Bürgermeister Olaf Scholz)

legin Vértes-Schütter, sehr geehrter Herr Bürgermeister, Ihre beiden Reden waren ordentlich im Ton, haben aber die Fragen, die die Vorredner der Oppositionsfraktionen aufgeworfen haben, in keiner Weise beantwortet.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Und ich habe nur berechtigte Fragen gehört, Herr Bürgermeister, keine billigen Nummern und keine Spielchen.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Auch ich verstehe, dass Sie Zeit gebraucht haben, um diese Verträge zu verhandeln. Wir fühlen uns geehrt, dass Sie uns zutrauen, in vielen Dingen offensichtlich von schnellerer Auffassungsgabe zu sein als die, die diese Verträge verhandelt haben.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Teilweise mag das stimmen, denn eines haben wir aus dem Untersuchungsausschuss gelernt: Immer dann, wenn zeitliche Repressionen ins Spiel gekommen sind – bei der Ausschreibung, bei der Vergabe, beim vierten Nachtrag –, hat das, und das sehen wir ganz selbstkritisch, im Desaster geendet. Ich frage mich gerade bei dem Respekt, den ich trotz aller Unterschiede in der politischen Auffassung vor Ihnen habe, warum Sie so auf die Zeit drängen. Da fällt mir eigentlich kein vernünftiger Grund ein.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Gucken Sie doch mal in den Vertrag!)

Sehr geehrter Herr Dressel, ich habe in den Vertrag geschaut. Wir leben in einer Demokratie. Man hätte dem Vertragspartner klarmachen können, dass man die Zeit bis zum 30. September oder bis zum 30. August braucht.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)

Ich frage mich, warum Dinge als geheim qualifiziert werden und wir nicht über sie sprechen können. Haben Sie vielleicht Angst davor, dass wir, wenn wir die Frist über den 30. Juni hinaus verlängern, Dinge entdecken, die dann im bevorstehenden Bundestagswahlkampf nach den Sommerferien eine Rolle spielen?

(Zurufe von der SPD – Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist jetzt echt unterste Schublade!)

Ich scheine irgendwie einen Nerv bei Ihnen getroffen zu haben, so wie Sie sich aufregen.

(Beifall bei der CDU)

Die Elbphilharmonie ist ein Projekt für Hamburg. Wenn wir die Neuordnung mittragen sollen, dann bitten wir Sie nicht zuletzt in Ihrem eigenen Interesse und um aufzuklären, ob vernünftig verhandelt worden ist, erstens um Transparenz über die Kal

kulation der Alternativen inklusive der fälligen Vertragsstrafen und des Schadensersatzes, zweitens um Aufhebung des umfassenden Datenschutzes aller Akteninhalte, um die Voraussetzung für eine öffentlich nachvollziehbare Diskussion zu schaffen, drittens um eine unabhängige baufachliche, juristische und wirtschaftliche Expertenanalyse des Nachtrags 5 im Auftrag der Bürgerschaft und viertens um eine öffentliche Anhörung dieser Experten sowie der handelnden Akteure von HOCHTIEF, Herzog & de Meuron und der ReGe. Und wir bitten Sie um ausreichend Zeit

(Juliane Timmermann SPD: Und was ausrei- chend Zeit ist, bestimmen Sie?)

für die parlamentarische Kontrolle durch Verschiebung der Beschlussfassung auf meinetwegen Ende August, dann liegen wir vor der Bundestagswahl. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat nun Herr Dr. Dressel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will gerne versuchen, noch die eine oder andere Frage zu beantworten. Über eine, lieber Kollege Wankum, habe ich mich sehr gewundert. Bei dieser schwierigen Fragestellung einen wahltaktischen Zusammenhang mit der Bundestagswahl herzuleiten, ist nun wirklich abwegig.

(Beifall bei der SPD)

Daraus wird eher andersherum ein Schuh. Jeder weiß doch, dass das bei den Summen, um die es geht, eine absolut unpopuläre Entscheidung ist. So gesehen hätte der Senat mit dem Vertragsschluss und der Drucksache bis zum 23. September warten müssen, damit sie keine Rolle spielen. Nein, es ist dann fertig, wenn es fachlich gerechtfertigt ist, dies vorzulegen, und genau so hat es der Senat gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben jetzt das erste Mal volle Kostentransparenz. Deshalb bin ich auch über manche Oppositionsäußerung etwas verwundert, denn das war nicht immer so. Schauen Sie doch einmal in die Drucksache, die wir seit gestern vorliegen haben. Auf den Seiten 14 und 15 ist für jeden nach Legislaturperioden sortiert zum Nachlesen aufgeführt, wann welche Kosten angefallen sind und wann sich bei welcher Position welche Kostenexplosionen ereignet haben. Sie werden feststellen, dass wir am Ende der 19. Wahlperiode, in der wir als SPD-Fraktion nicht die Regierungsverantwortung hatten, schon bei einer halben Milliarde Euro lagen. Hier ist endlich die volle Kostentransparenz

(Andreas C. Wankum)

hergestellt, auch für Ihren Teil der Verantwortung, liebe CDU-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen ist es auch ein bisschen putzig, dass der Kollege Kerstan gestern in der Pressemitteilug sagte, im Dezember habe es noch 575 Millionen Euro gekostet, jetzt seien es plötzlich 789 Millionen. Da hilft ein Blick in die Drucksache. Jetzt haben wir die Klarheit, wann welcher Kostenpunkt angefallen ist und wann er wie zu Buche schlägt. Wir sind es den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt schuldig, dass sie endlich eine Schlussrechnung bekommen, was auf den Steuerzahler zukommt.

(Beifall bei der SPD – Erster Vizepräsident Frank Schira übernimmt den Vorsitz.)

Auf die Transparenz hat der Bürgermeister eben schon hingewiesen. Ich weiß nicht, wie es bei anderen Großprojekten in Deutschland ausschaut. Ich habe nicht nachgesehen, wie es beim Berliner Flughafen ist, ob es da auch eine Homepage gibt, auf der alle Vertragsdetails aufgelistet sind. Ich finde es bemerkenswert, dass wir alles ins Netz gestellt haben, die Verträge und die Anlagen dazu. Wir haben sogar – diese Transparenz hätte es früher besser auch schon gegeben – die alten Verträge ins Netz gestellt, damit jeder in dieser Stadt nachlesen kann, wie sich das entwickelt hat; auch das gehört zur Transparenz.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben eben zwischen den Fraktionsvorsitzenden besprochen, wie wir auf einen Fahrplan kommen können. Ich will ausdrücklich betonen, was Frau Vértes-Schütter gesagt hat: Unsere Hand bleibt ausgestreckt. Wir wollen bis zum 30. Juni ein Maximum an Beratung und Beteiligung ermöglichen. Wir haben seit heute Mittag, 11 Uhr, alle Akten vorliegen. Sie haben alle Unterlagen, und wir können Sachverständige anhören. Wir wollen alles im Detail überprüfen. Alles soll auf den Tisch, und wir können so viele Sondersitzungen machen, wie es gewünscht wird, das ist alles keine Frage. Aber ich möchte noch einmal betonen, was der Bürgermeister gesagt hat. Wenn Sie einmal in den Vertrag schauen, dann werden Sie sehen, dass am 30. Juni dieses Vertragswerk hinfällig sein kann. Es gibt die Frage vom Schwebezustand. Bei diesem Thema bin ich nicht sicher, ob nicht, wenn eine Frist abläuft und nichts passiert, dann irgendjemand der vielen Beteiligten in diesem Verfahren sagt, er habe noch etwas. Bei dem Vorlauf als Bürgerschaft zu riskieren, dass dieses ganze Vertragswerk am Schluss gegen die Wand fährt, diese Verantwortung kann die Bürgerschaft nicht übernehmen.

(Beifall bei der SPD – Katja Suding FDP: Wer riskiert hier was?)

Wir haben Ihnen vorhin die Bereitschaft erklärt – darüber werden wir am Montag um 15 Uhr weiter sprechen –, alles möglich zu machen, was mit dem 30. Juni konform geht. Wir können eine Menge machen. Ich kann Ihre Kritik verstehen, aber ich teile sie nicht. Wenn Sie gestern um 19 Uhr das erste Mal den Vertrag gesehen hätten, dann würde ich sagen, dass das alles nicht geht.