Protocol of the Session on April 24, 2013

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bürgermeister, Sie haben in Ihrer Rede davon gesprochen, dass nun alles anders sei. Ich kann Ihnen nur sagen, dass vieles auch gleich ist, denn mir ist einiges bekannt vorgekommen. Es ist nicht das erste Mal, dass dieser Senat ein Vertragswerk vorlegt, zum Beispiel mit E.ON und Vattenfall, und gleichzeitig ein Termin genannt wird, bis zu dem dieses Parlament dem Vertragswerk zuzustimmen hat. Das darf man nicht machen. So geht man nicht mit dem Parlament um, schon gar nicht, wenn man die absolute Mehrheit hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt noch etwas, das mir sehr bekannt vorkommt. In der letzten Legislaturperiode hatten wir teilweise eine andere Regierung,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Teilweise – völlig andere, da bestehen wir drauf!)

und dort wurde immer von einem Festpreis gesprochen. Es dauerte kein halbes Jahr, und dieselben Leute haben gefragt, wie wir so naiv sein könnten zu glauben, dass es bei Bauten dieser Art Festpreise geben könne. Es gab natürlich keinen und stattdessen den nächsten Aufschlag. Nun habe ich mit Interesse in Ihrer Drucksache gelesen, dass es einen neuen Begriff gibt: Globalpauschalfestpreis.

(Dietrich Wersich CDU: Der gilt auch in Amerika!)

(Robert Bläsing)

Das ist ja sehr glaubwürdig. Die Einnahmen sind gegengerechnet, und dieser Globalpauschalfestpreis liegt jetzt bei 789 Millionen Euro. Auf die Frage, ob die Kosten nun ein für alle Mal begrenzt seien, haben Sie, Herr Bürgermeister – ich zitiere aus dem "Hamburger Abendblatt" – gesagt:

"Ich glaube, dass wir das sichergestellt haben."

Konkret ist etwas anderes. Sie haben gesagt, dass Sie jetzt etwas Konkretes haben, aber die SalamiTaktik, von der Herr Kerstan gesprochen hat, scheint sich fortzusetzen.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Sie haben selbst die Frage aufgeworfen, ob es um eine Milliarde oder um weniger als eine Milliarde geht. Ich möchte diese Frage in den Zusammenhang mit dem stellen, was sonst in der Stadt diskutiert wird. Es ist noch nicht lange her, dass wir eine Haushaltsdebatte hatten und um jede 10 000 Euro für Selbsthilfegruppen und Träger von sozialen Einrichtungen gekämpft haben,

(Dirk Kienscherf SPD: Das wissen wir doch alles! Machen Sie doch mal einen Alternativ- plan!)

und jetzt geht es darum, hier und dort noch einmal 100 Millionen Euro hinterherzuwerfen. So geht das auf keinen Fall.

(Beifall bei der LINKEN)

Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass das Parlament das Budgetrecht habe. Das haben wir, aber bitte schön nicht nur auf dem Papier. Die Abgeordneten müssen auch die Zeit haben zu prüfen, ob es kostengünstiger gewesen wäre, HOCHTIEF zu kündigen. Diese Zeit haben wir jetzt nicht.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

Herr Bürgermeister, Sie sprechen davon, dass Sie mit großer Sorgfalt vorgegangen sind – wir schätzen das Engagement der Beteiligten auch sehr hoch ein – und dass Sie sicher sein wollen, dass jetzt alles so funktioniert, wie Sie denken. Genau das wollen die Abgeordneten auch, und dafür brauchen wir Zeit.

(Dirk Kienscherf SPD: Setzen Sie sich mal hin!)

Wer hat das eben gesagt?

(Dirk Kienscherf SPD: Ich! – Zurufe aus dem Plenum: Nachsitzen!)

Ganz genau.

Dann haben Sie noch einmal auf die Drucksache verwiesen, Herr Bürgermeister, und dass Sie der Bürgerschaft viele Informationen zur Verfügung stellen würden. In einer Risikobeurteilung in der Drucksache machen Sie deutlich, dass es gar nicht

anders gehe, als den Vertrag mit HOCHTIEF fortzusetzen. Ich habe mir diese Risikobeurteilung mehrfach durchgelesen, und das ist eine Einschätzung, die man glauben kann oder nicht – nachvollziehen kann man das mit den gelieferten Daten aber überhaupt nicht.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Letzten Endes mündet Ihre Risikobetrachtung darin, dass die juristischen Auseinandersetzungen womöglich lange dauern würden, sehr teuer wären

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wie bei den Net- zen!)

und wir deswegen mit HOCHTIEF weiterbauen müssten. Diese Drohgebärde werden wir in den nächsten Wochen wahrscheinlich mehrfach erleben. Das kenne ich schon von Moorburg, und bei den Netzen werden Sie das auch wieder aus der Mottenkiste holen.

Frau Kisseler hat in einer denkwürdigen Diskussion über die Elbphilharmonie gesagt: Keine Spielchen mehr. Wir möchten auch nicht, dass Spielchen mit dem Parlament gespielt werden. Und wenn Sie sagen, Herr Dressel, dass Sie eine Hand ausstrecken, dann frage ich mich, was für eine Vorstellung Sie davon haben. Wir haben zu wenig Zeit. Sie haben die Sachzwänge selbst geschaffen, indem Sie das Datum dort hineingeschrieben haben, und wenn Sie wirklich Ihre Hand ausstrecken und wollen, dass ausreichend Zeit für das Parlament bleibt, das Budgetrecht wahrzunehmen, dann lassen Sie unabhängige Gutachter zu. Stimmen Sie dem zu und geben Sie dem Parlament mehr Zeit bis zum 30. August.

(Beifall bei der LINKEN)

Senatorin Kisseler hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Einige von Ihnen haben das folgende Zitat gestern schon im Rahmen der LPK von mir gehört. Ich wiederhole mich ungern, aber es passt immer noch, und deswegen bekommen Sie es jetzt auch zu hören:

"Stets gilt es zu bedenken, dass nichts schwieriger durchzuführen, nichts von zweifelhafteren Erfolgsaussichten begleitet und nichts gefährlicher zu handhaben ist als eine Neuordnung der Dinge."

Man könnte meinen, Niccolò Machiavelli habe 1515 schon eine Elbphilharmonie gebaut. Was wir in den vergangenen Monaten in schwierigen Verhandlungen erreicht haben, in denen wir häufig nur noch zweifelhafte Erfolgsaussichten gesehen haben und mehrmals kurz vor einer Kündigung standen, ist nichts anderes als eine – allerdings echte – Neuordnung der Dinge. Ich würde mich freuen

(Dora Heyenn)

und es wäre dem Thema angemessen, wenn wir heute über den Inhalt genau dieser Neuordnung debattieren würden. Die Möglichkeit dazu besteht spätestens seit dem 1. März, als wir den Entwurf der Neuordnungsvereinbarung öffentlich gemacht haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe Verständnis dafür, dass Sie sich weniger Zeitdruck bei den Beratungen wünschen, und Sie können mir glauben, dass auch ich mir gewünscht hätte, dass wir manch eine Verhandlung mit unseren Projektpartnern mit weniger Druck und frei von vorgegebenen Rahmenbedingungen hätten führen können. Aber wir müssen uns immer wieder vor Augen halten, dass wir dieses Projekt nicht bei null starten. Dank der bisherigen – gelinde gesagt – mangelhaften Projektstruktur haben wir seit Monaten Stillstand auf der Baustelle – ein teurer und für den Bau negativer Zustand, den wir alle möglichst schnell auflösen sollten.

(Beifall bei der SPD)

Das wird uns aber erst dann vollständig gelingen, wenn die Neuordnung vollumfänglich wirksam werden kann. Auch dies ist ein Grund, warum ich mich freuen würde, wenn wir möglichst schnell in die dazugehörige Beratung einsteigen könnten. Übrigens würde ich mich in der Gesamtdiskussion, Herr Wersich, mit dem Begriff der moralischen Verantwortung etwas vorsichtiger verhalten.

(Beifall bei der SPD)

Was die Möglichkeiten zur zeitlich angemessenen Lektüre betrifft, möchte ich daran erinnern, dass wir Ihnen jeden Schritt im Zuge der Neuordnung ausführlich und offen kommuniziert haben.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben bereits im Dezember dargelegt, weshalb wir bereit sind, mit HOCHTIEF weiter über eine Neuordnung des Projektes zu verhandeln. Wir haben das Angebot öffentlich vorgestellt und ins Internet gestellt. Wir haben Anfang März den Entwurf der Neuordnungsvereinbarung veröffentlicht und direkt, nachdem die Zustimmung unserer Vertragspartner vorlag, auch alle unterzeichneten Verträge. Seit gestern finden Sie diese mit sämtlichen Anlagen für jeden zugänglich im Internet. Seit heute, das ist schon mehrfach gesagt worden, liegen zudem alle Akten zur Neuordnung vor. So viel Transparenz war noch nie bei einem vergleichbaren Projekt.

(Beifall bei der SPD)

Was die Kostentransparenz des Projektes betrifft und die Kommunikation dazu, so haben wir die 575 Millionen Euro, die HOCHTIEF erhält, nie als abschließende Gesamtsumme bezeichnet, sondern im Gegenteil schon im Dezember angekündigt, mit der jetzt vorliegenden Drucksache endlich

volle Transparenz über die wirklichen Gesamtkosten auch aus der von Ihnen, meine Damen und Herren der Opposition, mitzuverantwortenden Vergangenheit vorzustellen.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich wissen wir, dass die Entscheidung über die Neuordnung keine einfache ist – wer sollte das besser wissen als wir – und dass es gute Argumente braucht, der Öffentlichkeit nach dieser gesamten Projektgeschichte zu erklären, weshalb wir bereit sind, unseren Projektpartnern jetzt zu vertrauen und nochmals über 200 Millionen Euro auszugeben, um den Bau zu einem glücklichen Ende zu führen. Da dies erklärungsbedürftig ist und in diesem Projekt schon viel Vertrauen verspielt wurde, waren die Verhandlungen in Teilen so schwierig, und es ist uns sehr wichtig gewesen, mit neuer Transparenz für neues Vertrauen zu werben.

(Beifall bei der SPD)

Es ist möglicherweise bühnenwirksam, aber nicht hilfreich, wenn man mit starken Worten Katastrophenszenarien entstehen lässt, die keinerlei realistischen Hintergrund haben.