Sehr geehrte Abgeordnete! Neupack lässt sich seit Jahren staatlich subventionieren, denn dort werden so niedrige Löhne gezahlt, dass viele der dort Beschäftigten davon gar nicht leben können. Damit ist Neupack nicht allein, denn die Agenda 2010, die durch die Schröder-Fischer-Regierung eingeführt wurde, hat vielen Betrieben dieses Lohndrückermodell erst ermöglicht. Das wird in vielen Kreisen übrigens Jobwunder genannt. Dieser Neusprech bedeutet aber nichts anderes als arm durch Arbeit, und auch das muss endlich beendet werden.
Nun will die SPD ihren Bundestagswahlkampf mit ihrem bisher unglücklich agierenden Kanzlerkandidaten damit flottkriegen, dass es Korrekturen an der Agenda 2010 geben soll. Aber Korrekturen wie der gesetzliche Mindestlohn und "Equal pay for equal work" für Leihkräfte und Stammbelegschaften verbessern nicht die Möglichkeiten, Rechte im Streik durchzusetzen. Schon gar nicht reicht ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro. 8,50 Euro entsprechen bei einer 38-Stunden-Woche gerade einmal 1400 Euro brutto. Damit kommen die Menschen aber noch nicht einmal über die Armutsgrenze. Ihre angekündigten Korrekturen greifen zu kurz. Sie sind ein bisschen Schmiere für jene, die sich überlegen, dieses Mal vielleicht wieder SPD zu wählen. Wir LINKEN werden aber nicht müde werden, immer wieder zu sagen, dass es die SPD gewesen ist,
Wenn Sie das Land wirklich wieder sozial gerechter ausgestalten wollen, dann sorgen Sie dafür, dass die Tarifbindung wieder steigt und dass Dumping-Löhne verboten werden.
Daher fordern wir Sie auf, unseren Antrag anzunehmen. Geben Sie den Menschen die Würde zurück, die für ihre Rechte auch zielführend kämpfen wollen.
Zu dem SPD-Antrag möchte ich sagen, dass es gut ist, dass er überhaupt gestellt wurde. Ich hatte die Erstinformation bekommen, dass unser Antrag an den Sozialausschuss überwiesen werden soll. Dieser Antrag ist aus meiner Sicht ein lauwarmer
Aufguss von unserem. Es sind Teilforderungen von unserem Antrag enthalten, immerhin, aber es wäre besser gewesen, wenn Sie sich unserem Antrag anschließen würden.
Liebe Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon sehr spät, und wir haben vor einer Sitzung bereits schon einmal über das Thema Streik diskutiert. Das möchte ich nicht wiederholen. Von daher habe ich angesichts dieser Situation mein Manuskript zur Seite gelegt und will mich auf ganz wenige Sätze beschränken.
Erster Satz: Tarifautonomie und Streikrecht sind Grundrechte. Zweiter Satz: Sie dürfen nicht unterlaufen werden. Und das, was bei Neupack passiert und eben ausführlich dargestellt wurde, ist skandalös und vordemokratisch.
Dritter Punkt: Es ist zwar sehr selten, dass so etwas vorkommt, aber es ist kein Einzelfall. Wir haben im Jahr 2007 bei dem Streik im Einzelhandel auch schon einmal eine Situation gehabt, in der die Kassiererinnen in den Kaufhäusern durch Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer ersetzt worden sind. Von daher ist es notwendig, darauf zu reagieren.
Nächster Punkt: Das grundsätzliche Anliegen der LINKEN in dieser Frage, das können Sie unserem Zusatzantrag entnehmen, unterstützen wir. Allerdings ist es aus unserer Sicht so, dass es nicht damit getan ist, pauschale Aussagen dazu zu machen, sondern im Einzelnen genau zu präzisieren, wie das in den Gesetzen verändert werden soll. Wir wollen den Senat beauftragen, das genau zu formulieren, damit es dann auch eine Chance auf realistische Umsetzung hat.
Ein letzter Satz: Die Ordnung auf dem Arbeitsmarkt ist bei der SPD-Fraktion in guten Händen. – Danke schön.
Es ist keine ganz leichte Aufgabe, das gebe ich zu, nach so viel Klassenkampf und dann einer Rede über Streik oder doch nicht Streik zu sprechen. Ich habe mich jetzt aber doch vorbereitet.
Frau Sudmann, wenn Sie das meinen. Ich weiß nicht, ob es gegen mich spricht, wenn ich das nicht weiß.
Wer den Antrag der LINKEN ohne weitere Vorkenntnisse liest, der muss den Eindruck gewinnen, als stünde das Streikrecht in Deutschland vor dem Aus. Gewerkschaften und Belegschaften, sagen Sie, werde es immer schwerer gemacht, durch Streik oder auch nur dessen Androhung ihre Forderungen durchzusetzen. Da frage ich mich wirklich, ob wir im gleichen Land leben. Derzeit erleben wir eine Welle von Tariferhöhungen, die teils mit, teils ohne Streik erreicht wurden. Das zeigt, dass die Gewerkschaften unter den Bedingungen des gültigen Rechts sehr wohl erfolgreiche Tarifpolitik in Deutschland betreiben können.
Und das ist – übrigens auch aus CDU-Sicht – sehr gut und richtig so. Das, liebe Frau Artus, ist auch kein Märchen, sondern Realität. Sie fordern trotzdem umfassende Änderungen von Gesetzen auf Bundes- oder sogar Europaebene. Als Begründung führen Sie nicht etwa Entwicklungen in ganz Deutschland an, sondern den sehr problematischen Fall einer norddeutschen Verpackungsfirma. Dort wird in der Tat ein besonders schwieriger Arbeitskampf ausgetragen. Aber laut Medienberichten zeichnen sich infolge des Streiks unter geltendem Recht nun auch dort endlich Verhandlungen ab. Doch Sie sagen, das Streikrecht müsse dringend verbessert werden. Noch besser, mag sich da mancher fragen, der in den letzten Wochen wegen der Streiks bei der Bahn oder am Hamburger Flughafen nicht rechtzeitig zur Arbeit oder in den Urlaub kam. Da wurde das Streikrecht doch recht wirksam von den Betroffenen wahrgenommen.
Auch eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung – Sie haben sie gerade erwähnt, Frau Artus – zeigt, dass das Streikrecht in Deutschland nicht bedroht zu sein scheint. 2012 gab es gegenüber 2011 mehr als eine Versechsfachung der Streikteilnehmerinnen und Streikteilnehmer und das, obwohl sich das Streikrecht nicht geändert hat. Diese besagte Studie rechnet sogar damit, dass in diesem Jahr die Zahl der Streiks noch zunehmen wird.
kleine Hinweis sei mir nun doch erlaubt, ist kein unmittelbares Grundrecht. Artikel 9 Grundgesetz schützt das Grundrecht der Koalitionsfreiheit und dementsprechend Arbeitskampfmaßnahmen generell. Zu diesen gehört natürlich der Streik, aber auch die Aussperrung. Grundsatz aller gesetzlichen Regelungen muss es deshalb sein, das Kräftegleichgewicht zwischen den Tarifparteien so weit wie irgend möglich zu wahren. Genau diesen Grundsatz würden Ihre Forderungen aber unterlaufen.
So fordern Sie und auch die SPD, dass künftig keine Leiharbeitskräfte mehr in bestreikten Betrieben eingesetzt werden dürften. Tatsächlich haben schon jetzt Leiharbeitskräfte das Recht, die Arbeit in einem bestreikten Betrieb zu verweigern. Das steht ausdrücklich in besagtem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Es ist im Übrigen auch schön dargestellt in einem Flyer von ver.di, Herr Rose.
Ein Verbot der Beschäftigung von Leiharbeitern würde aber bedeuten, dass einem Arbeitgeber schon von Gesetzes wegen dieses Mittel als Gegenmaßnahme verwehrt würde. Da dieses Mittel für Arbeitgeber ohnehin ziemlich teuer ist, erscheint es im Interesse des Kräftegleichgewichts zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nur legitim, wenn wenigstens ein Teil des Betriebs mit Leiharbeitern zumindest für eine bestimmte Zeit, so sie sich denn finden, aufrechterhalten werden kann.
Das Gleiche gilt für Ihre Forderung, der Arbeitsagentur künftig zu verbieten, Arbeitslose in einen bestreikten Betrieb zu vermitteln. Tatsächlich darf schon jetzt kein Arbeitsloser zu einer solchen Tätigkeit von der Agentur gezwungen werden. Das gilt seit 27 Jahren und gewährleistet so die Neutralität der Arbeitsagentur. Das ist im Übrigen auch zuzeiten von Rot-Grün im Bund nicht geändert worden, und das hat auch das Bundesverfassungsgericht schon 1995 geprüft und für verfassungsmäßig befunden. Es muss deshalb, liebe SPD, meines Erachtens nicht noch einmal überprüft werden.
Problematisch ist schließlich die Forderung, im Betriebsverfassungsgesetz Regelungen zum Streikrecht einzubauen. Dieses Gesetz regelt die innerbetriebliche Mitbestimmung. Der Betriebsrat ist ausdrücklich nicht Arbeitskampfpartei. Dieses System hat seit mehr als 60 Jahren nicht zuletzt den Arbeitsfrieden in Deutschland erheblich gefördert, gilt international als Vorbild und sollte deshalb nicht für andere Ziele eingesetzt werden.
Die europarechtlichen Forderungen schließlich gehen weit über den Bereich des Streikrechts hinaus. Der diesbezügliche Monti-II-Entwurf, das wissen
Meine Damen und Herren! Zur Sicherung der Tarifautonomie in Deutschland muss das Streikrecht nicht geändert werden. Es hat sich bewährt, und deshalb lehnen wir die Anträge der LINKEN und der SPD ab.
Gestatten Sie mir am Schluss noch eine Bemerkung grundsätzlicher Art. Wieder einmal geht es auch bei diesem Antrag nicht um Regelungen, die wir als Landesgesetzgeber treffen können. Wieder einmal soll jetzt einfach das, was die Opposition im Bundestag nicht durchsetzen konnte, noch einmal über unser Landesparlament in den Bundesrat und dann am besten gleich nach Brüssel eingebracht werden.
Spielen wir doch einmal Bundespolitik oder gleich am besten Europäische Kommission. Das klingt so gut und ist doch reine Symbolpolitik. Dabei hätten wir als Landesgesetzgeber genug eigene Aufgaben. Ich würde mich freuen, wenn wir uns wieder mit diesen beschäftigen könnten. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gute Arbeit und Arbeitsrechte müssen geschützt werden. Der Streik ist ein legitimes Mittel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, um Tariflöhne und bessere Arbeitsbedingungen zu erreichen. Der Streik bei der Firma Neupack, der in Hamburg seit dem 1. November andauert, zeigt uns auch, wie sich die rechtliche Lage im Arbeitskampf zum Nachteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entwickelt hat und wie schutzlos die Menschen jahrelang ausgebeutet werden können.
Mit der Reform der Arbeitnehmerüberlassung ist der Umfang von Leiharbeit seit 2003 deutlich gestiegen, auf knapp 900 000 Beschäftigte im Jahresdurchschnitt in 2011. Der Arbeitsmarkt wurde dadurch flexibler, aber auch sehr viel prekärer. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, das die Leiharbeit regelt, wird leider oft als ein Mittel zum Streikbrechen missbraucht. Durch Leiharbeit und befristete Arbeitsverträge wird die Produktion während des Streiks weitergeführt und die Streikenden unter Druck gesetzt. Die Rekrutierung von Streikbrechern und deren Einsetzung als Ersatzmannschaft bringt einseitig Nachteile und führt die Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern meistens in eine Sackgasse.