Protocol of the Session on February 28, 2013

(Karin Timmermann SPD: Ende 2011!)

Der 2. Förderweg soll insbesondere dort helfen, wo es große Probleme mit der Gentrifizierung gibt, etwas, das Ihr Senat angeblich für sehr wichtig hält. CDU und GAL haben in der vorigen Legislaturperiode die Weichen für eine Lösung gestellt. Ihr Mittel, der 2. Förderweg, funktioniert nicht, also besteht dort Handlungsbedarf. Aber Sie wollen das nicht einmal im Ausschuss diskutieren, sondern handeln nach dem Motto: Augen zu und durch. Und das, liebe Frau Kollegin, ist mit Sicherheit die falsche Politik. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Gibt es weitere Wortmeldungen?

(Heike Sudmann DIE LINKE: Ich ziehe den Überweisungsantrag zurück!)

Der Überweisungsantrag ist zurückgezogen. Dann lasse ich in der Sache abstimmen.

Wer möchte den Antrag der CDU-Fraktion aus Drucksache 20/6901 in der Neufassung annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen. – Somit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 30, Drucksache 20/6893, Antrag der SPD-Fraktion: Keine Liberalisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge: Wasserversorgung muss in öffentlicher Hand bleiben!

[Antrag der SPD-Fraktion: Keine Liberalisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge: Wasserversorgung muss in öffentlicher Hand bleiben! – Drs 20/6893 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/7039 ein Antrag der Fraktion DIE LINKE vor.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Öffentliche Güter wie Wasser gehen JEDE/-N an! – Drs 20/7039 –]

Wer wünscht das Wort? – Frau Dr. Schaal.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Wasserversorgung ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und gehört daher in öffentliche Hand.

(Beifall bei der SPD)

Wasser ist das wichtigste Lebensmittel, das es gibt, und es muss für alle zugänglich, erschwinglich und von guter Qualität sein. Wir haben in Hamburg hervorragendes Wasser, darauf sind wir stolz und wir wollen, dass das auch so bleibt. Deswegen muss Wasser in öffentlicher Hand bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Die Hamburgerinnen und Hamburger haben sich schon 2005 gegen eine Privatisierung der Wasserversorgung gewehrt und das mit Erfolg. Die Hamburgische Bürgerschaft hat 2006 einstimmig ins Gesetz geschrieben:

"Die öffentliche Wasserversorgung obliegt der Freien und Hansestadt Hamburg als staatliche Aufgabe."

Das soll so bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Wenn es nach dem Willen des EU-Binnenmarktkommissars Michel Barnier geht, dann sollen jetzt sogenannte Dienstleistungskonzessionen, wie zum Beispiel auch die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser, europaweit ausgeschrieben werden. Nach Ansicht von Barnier soll für die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen ein europaweiter Markt geschaffen werden, wie er für Aufträge und Bauleistungen bereits besteht. Ohne eine europaweite Ausschreibung sieht der EU-Kommissar die Gefahr, dass ausländische Interessenten von der Vergabe systematisch ausgeschlossen würden.

(Jörg Hamann)

Wir wollen gerade nicht, dass unser Wasser zum Spekulationsobjekt von internationalen Großkonzernen wird.

(Beifall bei der SPD)

Dafür gibt es eine Reihe von abschreckenden Beispielen. Im Jahr 1999 wurde die Londoner Wasserversorgung für 7,1 Milliarden Euro von RWE übernommen. RWE seinerseits verkaufte das Unternehmen schon 2006 mit Genehmigung der EUKartellbehörde für fast 12 Milliarden Euro inklusive Schuldenübernahme an das australische Konsortium Kemble Water Limited weiter. Nach der Privatisierung stiegen die Preise in London und sank die Qualität, weil immer mehr Wasser durch die maroden Röhren im Boden versickerte. Der zusätzliche Profit musste zulasten der Wasserkunden durch schlechte Wartung erwirtschaftet werden. Auch die Stadt Berlin hat schlechte Erfahrungen mit der Wasserprivatisierung gemacht. Nachdem 49 Prozent der Berliner Wasserbetriebe verkauft wurden, stiegen die Preise derart an, dass sogar das Bundeskartellamt intervenieren musste. Inzwischen haben die Berliner allerdings ein Viertel ihrer Wasserbetriebe wieder teuer zurückgekauft.

(Finn-Ole Ritter FDP: Wie die Stromnetze!)

Auch in Portugal und Frankreich ist die Privatisierung der Wasserversorgung nicht zum Wohle der Verbraucherinnen und Verbraucher abgelaufen. Paris hat seine Wasserversorgung ebenfalls zurückgeholt.

Meine Damen und Herren! Bereits Ende der Neunzigerjahre und Anfang 2001 hatte die EU-Kommission schon einmal versucht, die Ausschreibung von Dienstleistungskonzessionen zu erzwingen, war aber am Widerstand der Mitgliedsstaaten gescheitert. Der Vorschlag, der jetzt dem EU-Parlament vorliegt, trifft ebenfalls auf heftige Kritik. Der SPD-Senat hat sich seit dem Regierungswechsel 2011 kritisch in die Verhandlungen zum Richtlinienentwurf eingebracht. Vor einem Jahr hat Hamburg zusammen mit anderen Bundesländern eine deutliche Stellungnahme in den Bundesrat eingebracht. Auch der Senat befürchtet nämlich Qualitätsverluste, wenn die Wasserversorgung ausgeschrieben würde. Alle Fraktionen im Deutschen Bundestag, leider mit Ausnahme der FDP,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das wundert mich aber!)

haben sich gegen die Richtlinie ausgesprochen. Auch die CDU ist gegen eine Privatisierung und gegen diese Richtlinie. Die GRÜNEN haben im Deutschen Bundestag aktuell einen Antrag eingebracht, der in ähnliche Richtung wie unser heutiger Antrag geht. Ebenso hat auch die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag einen Antrag vorgelegt, dessen Motto ist: Freier Wettbewerb bringt beim Wasser für Verbraucherinnen und Verbraucher keine Vorteile. Die Kommunen müssen selbst ent

scheiden können, wie sie jeweils verfahren. Eine europarechtliche Regelung zur Wasserversorgung ist nicht nötig. Auch die SPD-Bundestagsfraktion fordert, die Gesundheitsleistungen und die Wasserversorgung aus den Konzessionsrichtlinien herauszunehmen. Die Gewerkschaften sehen bei der Umsetzung der Richtlinie in Deutschland deutsche Sozialstandards gefährdet. Auch der Städtetag und der Verband kommunaler Unternehmen haben sich gegen die Richtlinie ausgesprochen.

Meine Damen und Herren! Wird die Richtlinie so verabschiedet, wie sie jetzt vorliegt, können die Kommunen nicht mehr frei entscheiden, wie sie mit ihrer Wasserversorgung umgehen wollen. Viele befürchten daher eine Privatisierung durch die Hintertür. Die SPD-Fraktion teilt diese Sorge und fordert die Hamburger Abgeordneten des EU-Parlaments mit dem vorliegenden Antrag auf, sich für die Herausnahme der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung aus dem EU-Richtlinienentwurf für die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen einzusetzen.

(Beifall bei der SPD – Dietrich Wersich CDU: Sie lesen ja sogar schwierige Passagen feh- lerfrei ab!)

Der Senat soll mit anderen Bundesländern außerdem auf die deutschen Vertreterinnen und Vertreter im Ministerrat einwirken, keiner Richtlinie zuzustimmen, die die öffentliche Wasserversorgung unter die neuen Wettbewerbsregeln stellen will. Die Wasserversorgung muss aus den Dienstleistungsrichtlinien herausgehalten werden.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Till Steffen GRÜNE)

Die Ankündigung von Kommissar Barnier, er wolle keineswegs die Wasserversorgung privatisieren, beruhigt nicht. Formulierungen wie "niemand will" sind hierzulande nicht dazu angetan, Vertrauen zu wecken. Auch wenn Barnier nun betont, dass Stadtwerke unter bestimmten Bedingungen nicht ausschreiben müssen, hat das für uns keine Bedeutung. Hamburg hat nun einmal keine Stadtwerke und die Wasserversorgung ist anders organisiert. Es liegt von Barnier noch kein neuer Vorschlag auf dem Tisch, mit dem wir uns anfreunden könnten. Wir rufen daher die Bürgerinnen und Bürger auf, sich an dem ersten laufenden europäischen Volksbegehren gegen die neuen Vergaberegeln für Wasser zu beteiligen und bitten hier im Hause um eine breite Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der SPD)

Der Antrag der LINKEN entspricht in entscheidenden Punkten unserem Antrag. Prüfaufträge für die Platzierung des Volksbegehrens auf öffentlichen Internetseiten brauchen wir nicht. Das Volksbegehren ist bekannt, wird gut angenommen und es kommt jetzt vor allen Dingen darauf an, dass auch

die Bürgerinnen und Bürger anderer europäischer Staaten zustimmen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Heintze hat das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Dr. Schaal hat es schon gesagt, und dies ist auch die Meinung der CDU: Wasser darf keine Handelsware werden. Die CDU ist sehr klar gegen diesen Kommissionsvorschlag und hat dies auf ihrem Bundesparteitag Ende vorigen Jahres noch einmal bestärkt. An dieser Position hat sich nichts geändert, die vertreten wir mit Ihnen gemeinsam.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Bemerkenswert ist ein weiterer Aspekt, nämlich dass europäische Volksbegehren funktionieren. Dieses Instrument ist noch gar nicht so alt, und alle waren sehr skeptisch, ob die Quoren erreicht und ob das Verfahren über alle Länder hinweg funktionieren würde. Doch schon jetzt sind mehr als 1,2 Millionen Unterschriften zusammengekommen und in vier von sieben nötigen Ländern die Quoren erreicht worden. Das zeigt, dass dieses Instrument funktioniert. Ich glaube, wir sind gut beraten, dieses Instrument zu stärken, denn so können wir auch deutsche Interessen in Europa durchsetzen und klar machen, wo die große Mehrheit der Bevölkerung auch hier in Hamburg steht. Sie ist nämlich gegen eine Liberalisierung der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung. Es ist gut, wenn das auf diesem Wege noch einmal deutlich gemacht wird.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

So sehr wir den SPD-Antrag teilen, so ist die Diskussion im Moment doch weiter. Der Deutsche Bundestag diskutiert dazu heute. Gegen Ende Juni soll das Verfahren abgeschlossen sein, und wir müssen jetzt zusehen, dass der Druck auf den Kommissar, der in den vergangenen Tagen und Wochen aufgebaut wurde, hoch bleibt und von allen Seiten noch verstärkt wird. Nur aufgrund dieses öffentlichen Drucks kann ich mir erklären, was er vor 14 Tagen in der "Zeit" gesagt hat, nämlich dass doch alles ein bisschen anders gemeint gewesen sei und eigentlich wolle man mit der Konzessionsrichtlinie für die Vergabe von Dienstleistungen Korruption bekämpfen, Transparenz schaffen und Vetternwirtschaft vorbeugen. Das sind Ziele, die wir auch verfolgen. An sich ist die Richtlinie richtig. Es gibt einen einfachen Handgriff, dieser auch zum Erfolg zu verhelfen, indem die Wasserversorgung schlicht herausgenommen wird und in den Ausnahmekatalog rutscht. Dafür setzen wir uns als

CDU/CSU sowohl im Deutschen Bundestag als auch im Europaparlament ein. Und alle, die dieser Tage darüber verhandeln und ein Wörtchen mitzureden haben, sollten dieses dann auch tun, damit zum einen die Richtlinie nicht gefährdet wird, aber auch klar wird, dass die Wasserversorgung eine kommunale Angelegenheit ist und in der Hand der Kommunen bleibt.

Nur dadurch – und da appelliere ich an alle im Raum –, dass wir die Wasserversorgung aus dem Katalog der zu vergebenden Konzessionen und der verpflichtenden Ausschreibungen herausnehmen, stellen wir sicher, dass die Qualität erhalten bleibt. Es ist gerade im Bereich der Daseinsvorsorge wichtig, dass die Preise nicht ins Unendliche schießen. Dazu sind Beispiele genannt worden, aber ich persönlich muss sagen, und dabei schaue ich auf die Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dass wir auch, indem wir das Wasser herausnehmen, unnötige Bürokratie vermeiden und das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen stärken. Das muss auch in Ihrem Sinne sein, denn das ist am Ende des Tages Subsidiarität und dafür steht die CDU.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Monika Schaal SPD)

Diese Richtlinie ist beim Thema Wasser nicht im Interesse Hamburgs, und sie ist nicht im Interesse der Bundesrepublik Deutschland. Wir müssen alles dafür tun, dass die Kommunen die öffentliche Wasserversorgung in der Hand behalten. Von daher sind wir gut beraten, den Antrag der SPD heute zu beschließen. Wir sind aber auch gut beraten, es nicht dabei zu belassen, denn die Diskussion ist schon ein Stück weiter, und man ist schon dabei auszuloten, wo die Kompromisslinien sind. Es ist wichtig, sich aktiv – und hier ist der Senat gefragt – an diesen Verhandlungen, wo es geht, zu beteiligen und zuzusehen, dass es zu dieser Ausnahmeregelung kommt. Wenn Herr Barnier in der "Zeit" erklärt, das sei alles anders gemeint gewesen, dann sollte man ihn beim Wort nehmen. Von daher ist das eine gute Initiative und die CDU wird sie unterstützen. Wir müssen zusehen, dass wir auf allen Ebenen die Zeit bis Juni nutzen. Dabei darf es nicht bei Proklamationen bleiben, sondern es müssen alle, die zu entscheiden haben – dazu gehört auch die Bundesregierung, die es, zumindest was die CDU/CSU betrifft, auch tut –, ordentlich Druck ausüben, damit die Wasserversorgung ihr Niveau hält und in der Hand der Kommunen bleibt. Das ist für uns in Hamburg und für die Bundesrepublik Deutschland wichtig.

(Beifall bei der CDU und der SPD)