Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eines ist bei diesem Staatsvertrag zur Sicherungsverwahrung sicher, nämlich dass ziemlich viel noch unsicher ist zwischen Hamburg und SchleswigHolstein. Das beginnt schon bei der Zahl der in Hamburg unterzubringenden Sicherungsverwahrten. Die ist naturgemäß nicht genau planbar, weswegen Hamburg in der JVA Fuhlsbüttel seit 2011 immerhin 31 Plätze vorhält. Was dieser Staatsvertrag jedoch nicht sicher regelt, sind die zwei zwingenden Folgefragen: Was passiert, wenn nicht nur 18 Plätze belegt sind wie zurzeit, sondern alle? Wer hat das Erstunterbringungsrecht, wenn beide Länder mehr Unterbringungsbedarf haben, Hamburg, wie es vielleicht normal wäre, oder Schleswig-Holstein? Alles unsicher, alles ungeklärt in diesem Vertrag.
Genauso verhält es sich mit den Kosten. 250 Euro werden Schleswig-Holstein für genutzte und 230 Euro für nicht genutzte, sozusagen reservierte Plätze berechnet. Dies ist aber nur eine Teilkostenregelung, wie der Senat selbst in einer Antwort auf eine Schriftliche Kleine Anfrage der FDP-Fraktion mitteilt. Was ist mit den Vollkosten? Was ist mit besonderen Fällen, die zusätzliche Kosten verursachen? Das werde im Einzelfall verhandelt, sagt der Senat, und lässt damit offen – also im Unsicheren –, ob Hamburg am Ende nicht für die Sicherungsverwahrten aus Schleswig-Holstein zuzahlen muss.
So unvorteilhaft für Hamburg sieht es auch bei der Auswahl der Untergebrachten aus, die SchleswigHolstein hierher schickt. Kiel entscheidet, wer kommen soll; Hamburg kann nur hinnehmen.
In diesem etwas nachteiligen Stil der Unsicherheit geht es weiter bis hin zu der schon im "Hamburger Abendblatt" öffentlich diskutierten Frage, welche
Standards gelten müssen. Zellen mit Dusche oder ohne, auch das ist zwischen Kiel und Hamburg offenbar nicht geregelt. Das ist aber keine Petitesse; natürlich ist das für die Unterzubringenden höchst relevant. Deshalb hat auch schon eine juristische Auseinandersetzung begonnen, deren Ausgang unsicher ist, so unsicher wie die generelle Beurteilung der Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung, besonders bezogen auf das Abstandsgebot. Auch hier werden am Ende wohl Gerichte urteilen – der nächste Unsicherheitsfaktor.
Deshalb bleibt der FDP-Fraktion nur das Resümee: Viele Punkte sind offen und müssen geklärt werden. Und wieder unsere Bitte: Beteiligen Sie das Parlament doch rechtzeitig und nicht erst gegen Ende des Prozesses. Das fordert die FDP bei allen Staatsverträgen immer wieder und es bewahrheitet sich auch hier. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Herr Tabbert, Sie brauchen sich nicht zu beschweren, dass die Zeit pressiert; Sie hätten das alles ein bisschen früher regeln können. Und schieben Sie das bitte nicht auf die Bundesebene, da war Hamburg die ganze Zeit in der Verantwortung.
Wenn Sie, also Senat und Mehrheitsfraktion, das aber nun schon so spät machen, verstehe ich ehrlich gesagt nicht, warum wir heute den zweiten Schritt vor dem ersten machen sollen. Wir diskutieren jetzt im Plenum den Staatsvertrag mit Schleswig-Holstein über die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherungsverwahrung und Therapieunterbringung, der im Wesentlichen vorsieht, dass bis zu elf Sicherungsverwahrte aus Schleswig-Holstein in der JVA Fuhlsbüttel verwahrt werden. Wir haben den Gesetzentwurf über den Vollzug der Sicherungsverwahrung und die entsprechende Anpassung an die verschiedenen Justizvollzugsgesetze bereits an den Justizausschuss überwiesen und werden das dort auch hoffentlich gründlich diskutieren. Ich weiß also nicht, was die heutige Debatte eigentlich klären soll, weil wir über die Bedingungen, unter denen die Sicherungsverwahrung in Hamburg künftig stattfinden soll, überhaupt noch nicht gesprochen haben. Wie können wir denn heute sinnvoll über das Für und Wider der Aufnahme von Sicherungsverwahrten aus Schleswig-Holstein sprechen? Bevor wir darüber reden, ist doch zu klären, ob der Vollzug der Sicherungsverwahrung zukünftig so ausgerichtet werden wird, wie es das Bundesverfassungsgericht fordert, nämlich therapiegerichtet und freiheitsorientiert. Werden,
wie es der Rechtsanspruch eines jeden Sicherungsverwahrten ist, speziell auf ihn zugeschnittene Therapieangebote gemacht? Wie wird das für Menschen sichergestellt, die aus Schleswig-Holstein kommen und nicht aus dem Hamburger Strafvollzug, die man daher auch nicht lange kennt? Wie wird der Personalschlüssel aussehen? Wird es ausreichend gut qualifiziertes und hoch motiviertes Personal geben? Wird es feste multidisziplinäre Teams geben, die die notwendige Arbeit mit den betroffenen Personen leisten? Wie wird das gewährleistet? Das sind Fragen, die zuallererst interessieren.
Werden die Mittel der Sozialtherapeutischen Anstalt verstärkt oder wird die Aufnahme von Sicherungsverwahrten aus Schleswig-Holstein zulasten von Hamburger Strafgefangenen geschehen? Auch diese Frage interessiert.
Vielleicht können Sie, Frau Senatorin, falls Sie gleich sprechen sollten, davon berichten, wie sich die Verhandlungen nicht nur mit Schleswig-Holstein, sondern auch mit Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg über einen Behandlungsverbund in der Sicherungsverwahrung entwickeln. Wie man lesen konnte, werden nämlich Verhandlungen mit dem Ziel geführt, in den beteiligten Ländern Behandlungsschwerpunkte zu bilden, in denen Sicherungsverwahrte mit entsprechendem Bedarf aus dem Verbund zusammengefasst werden. Das erscheint uns durchaus sinnvoll, aber welche Auswirkungen hätte ein solches Ergebnis auf den Staatsvertrag? Das will ich nur einmal am Rande angemerkt haben.
Unmittelbar interessiert mich aber, wie das Leben in der Sicherungsverwahrung konkret den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasst wird. Natürlich können wir uns gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus Schleswig-Holstein gerne noch einmal vor Ort über Größe und Ausstattung der Zellen und das Abstandsgebot informieren, aber ich sage gleich: Mit der Größe und einem gewissen Mindeststandard bei der Ausstattung der Zellen ist es bei Weitem nicht getan, was die Angleichung des Lebens in der Sicherungsverwahrung an die allgemeinen Lebensverhältnisse betrifft.
(Heike Sudmann DIE LINKE: Ich glaube, Sie stören die anderen beim Reden! – Gegenruf von Olaf Ohlsen CDU: Was ist denn jetzt los?)
Für die Sicherungsverwahrten soll dem Gesetzentwurf über den Vollzug zufolge die Arbeitspflicht abgeschafft werden; das ist gut. Sie sollen aber die
Möglichkeit zu sinnvoller Beschäftigung erhalten; das ist auch gut. Zugegebenermaßen ist die Beschäftigungsquote in der JVA Fuhlsbüttel mit 75 Prozent vergleichsweise gut; in Billwerder zum Beispiel beträgt sie nur 47 Prozent. Trotzdem stellt sich für uns die Frage, ob mit der Übernahme von Sicherungsverwahrten aus Schleswig-Holstein auch zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten in entsprechendem Umfang geschaffen werden oder ob die beabsichtigte Regelung sich zulasten von Strafgefangenen in Hamburg auswirkt.
Es gibt eine ganze Reihe solcher Fragen, die hier gar nicht erörtert werden können, die aber für eine wohlüberlegte Entscheidung für oder gegen den Staatsvertrag von zentraler Bedeutung sind. Deswegen freue ich mich, dass der Antrag an den Ausschuss überwiesen wird, und ich frage mich, warum Sie das unbedingt hier diskutieren wollten. – Danke.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/6863 an den Ausschuss für Justiz, Datenschutz und Gleichstellung zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dem Überweisungsbegehren stattgegeben.
Ich rufe nun den Punkt 37 auf, das ist die Drucksache 20/6906, Antrag der CDU-Fraktion: Sonderlaufbahn für IT-Experten bei der Polizei.
Diese Drucksache möchten die Fraktionen der GRÜNEN und der FDP an den Innenausschuss überweisen. Die Fraktionen sind übereingekommen, dass die Debatte gestrichen wird. Wir kommen also ohne Debatte zur Abstimmung.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/6906 an den Innenausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das einstimmig so geschehen.
Nun rufe ich den Punkt 45 auf, das ist die Drucksache 20/6929, Antrag der GRÜNEN Fraktion: Rezeptfreie "Pille danach".
Meine Damen und Herren! Ich kann das wirklich nur dann so aufrufen, dass Sie es auch verstehen, wenn Sie mir zuhören. Ich bitte also das Hohe Haus um Ruhe und die Abgeordneten in den Ecken, auch wenn da noch so wichtige Leute stehen sollten, nach draußen zu gehen, wenn Sie sich unterhalten wollen, und ansonsten der Debatte zu folgen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In 28 europäischen Ländern ist die sogenannte "Pille danach" rezeptfrei in Apotheken erhältlich. Frauen haben in diesen Ländern im Bedarfsfall einen schnellen und unkomplizierten Zugang zur nachträglichen Verhütung. Das wollen wir in Deutschland auch.
Tatsächlich ist es in Deutschland aber noch so, dass für Frauen, die plötzlich vor der Sorge einer ungewollten Schwangerschaft stehen, ein Hindernislauf beginnt. Eine Ärztin oder ein Arzt muss gefunden, ein Termin vereinbart und lange Wartezeiten in der Praxis müssen in Kauf genommen werden. Am Wochenende oder abends muss die Notfallambulanz aufgesucht werden, und selbst wenn die dann erreicht ist, bedeutet das noch nicht, dass es eine schnelle Verschreibung des Medikaments gibt. Dass insbesondere in katholischen Häusern Schwierigkeiten auftreten können, ist erst vor Kurzem durch die Abweisung einer mutmaßlich vergewaltigten Frau in Köln überdeutlich geworden. Auch in Hamburg hat das Marienkrankenhaus erklärt, dass die Verschreibung der "Pille danach" nicht zur regulären Versorgung gehört, sondern nur in Ausnahmefällen vorkommt.
Auch unabhängig von der konfessionellen Zugehörigkeit kommt es immer wieder zu einer mangelnden Versorgung. Eine bundesweite Befragung von pro familia zeigt die Schwierigkeiten deutlich. 40 Prozent der Beratungsstellen berichten von Versorgungsproblemen am Wochenende, 70 Prozent gaben überlange Wartezeiten in den Klinikambulanzen an und 40 Prozent der Befragten berichten über moralische und teilweise abschätzige Bemerkungen des medizinischen Personals. Fast die
Hälfte berichtet davon, dass das Präparat erst nach unnötigen gynäkologischen Untersuchungen oder einem Schwangerschaftstest verschrieben wird und dass diese Untersuchungen den betroffenen Frauen dann auch noch in Rechnung gestellt werden. Einem Drittel der Befragten wurde die Verschreibung der "Pille danach" aufgrund fehlender Kenntnisse in den Notdienstzentralen verweigert. Diese Situation muss beendet werden.
Meine Damen und Herren! Die Verschreibungspflicht der "Pille danach" führt in Deutschland zu einer regelhaften Verzögerung der Einnahme und wird oft als abschreckend und erniedrigend von den betroffenen Frauen empfunden. Dabei kommt es bei der "Pille danach" in erster Linie darauf an, dass das Medikament möglichst schnell eingenommen wird. Mit jeder Stunde Verzögerung nimmt die Wirksamkeit ab. Die Rezeptpflicht bedeutet also für die betroffenen Frauen eine unnötige Erhöhung des Risikos einer ungewollten Schwangerschaft.
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, den Wirkstoff Levonorgestrel Mädchen und Frauen unverzüglich zugänglich zu machen. Mehrere Punkte sprechen für dieses Medikament. Es wird seit mehr als 30 Jahren verwendet und ist arm an Nebenwirkungen. Ähnlich der regulären Pille wird der Eisprung unterdrückt. Liegt eine Schwangerschaft bereits vor, wird der Fötus nicht geschädigt oder abgetrieben. Es ist immer wieder wichtig zu betonen, dass es sich um keine Abtreibungspille handelt. Zudem ist die Anwendung unkompliziert und leicht verständlich. Eine ärztliche Beratung ist wirklich nicht erforderlich.
Neben der WHO hat sich 2002 das EU-Parlament für die Rezeptfreiheit stark gemacht und den Mitgliedsstaaten empfohlen, die "Pille danach" rezeptfrei zugänglich zu machen. Im Jahr 2003 hat sich das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte für eine Aufhebung der Rezeptpflicht ausgesprochen. Man fragt sich: Woran hapert es eigentlich? Die Umsetzung in Deutschland hat nicht geklappt, weil die entsprechende Mehrheit im Bundesrat dafür nicht gegeben war – ein Problem, das heute mit der rot-grünen Mehrheit im Bundesrat nicht mehr besteht, worüber wir uns sehr freuen können.