Protocol of the Session on February 13, 2013

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den leidenschaftlich geführten Fünfminutendebatten mache ich mich hier nicht beliebt, das ist mir bewusst.

(Olaf Ohlsen CDU: Das ändert doch nichts!)

Es ist aber so, dass der auf unseren Antrag hin vorgelegte Zusatzantrag der SPD den Zorn derjenigen ausgelöst hat, die sich jahrelang intensiv um eine Konsenslösung bemüht haben, um eine breite Basis für die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße zu erreichen. Das Beteiligungsgremium hat – ich habe es das letzte Mal ausgeführt – einen Vorschlag mit einer ganzen Reihe von Punkten entwickelt. Wir haben jetzt beantragt, diese Punkte zu prüfen oder sie zu übernehmen, wenn aus unserer Sicht klar war, dass sie übernommen werden können. Die SPD will ausdrücklich nur einen Teil der Punkte überprüfen lassen, denn über einen anderen Teil hat sie schon abschließend abschlägig entschieden. Das gilt insbesondere für den Vorschlag, die Geschwindigkeit dort auf 60 km/h zu begrenzen. Die SPD schlägt jetzt 70 km/h vor.

(Philipp-Sebastian Kühn SPD: Ja, genau das, was jetzt auch gilt!)

Das klingt ein bisschen so wie beim Lotto: Man tippt irgendeine Zahl und schaut, wer richtig liegt. Das Problem ist, dass die SPD sich nämlich nicht vorstellen kann, etwas anderes zu machen.

Wir haben zwischenzeitlich eine ausführliche Beratung gehabt.

(Philipp-Sebastian Kühn SPD: Wir haben ein Recht auf eine eigene Meinung, Herr Stef- fen! Wir plappern nicht nur das nach, was andere wollen!)

Noch besser wäre, wenn Sie mit den Leuten reden würden. Das ist das, was die Leute vermissen.

(Präsidentin Carola Veit)

(Beifall bei Roland Heintze CDU)

Die Leute vermissen einen Vorschlag. Und statt zu sagen, okay, wir setzen uns hin und beraten die Vorschläge und unterschiedlichen Meinungen, haben Sie die Überweisung gerade abgelehnt; das wäre eine Chance gewesen. Sie wollen heute schon abschließend entscheiden, wie das mit der Geschwindigkeit geregelt werden soll.

Noch etwas zum sachlichen Hintergrund. Das in Auftrag gegebene Gutachten hat gesagt, lasst uns doch endlich einmal anders denken als in der Vergangenheit. In der Vergangenheit – das hat auch den Vorschlag geprägt, der bislang auf dem Tisch lag – galt immer der Grundsatz, auf den Straßen solle so schnell wie möglich gefahren werden. Nach Professor Knoflacher ist das ein falscher Ansatz. Wir sollten den Verkehr nur so schnell wie nötig fließen lassen, um eine bestimmte Verkehrsfunktion zu erfüllen. Und das ist eben die Geschwindigkeit 60 km/h, die er auf Basis seiner Untersuchungen ermittelt hat, damit wir die Straße nicht ohne Not attraktiver machen, als sie es jetzt schon ist, und damit wir diese Verbindung in den Süden weniger attraktiv machen, als sie es in der Vergangenheit war. Bisher ist das eine Straße, die im nördlichen Teil mit 70 km/h befahrbar ist und im südlichen Teil mit 50 km/h. Da wäre es vernünftig, zu einer Angleichung zu kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diesen Ansatz wollen Sie heute ablehnen. Das halte ich für falsch und darüber sind die Leute, die sich intensiv engagiert haben, zu Recht empört.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Nun hat Frau Sudmann das Wort.

(Olaf Ohlsen CDU: Ein paar Schwellen ein- bauen! Dafür haben wir doch Autos, dass wir schnell fahren können!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der langjährigen Geschichte der Wilhelmsburger Reichsstraße, in der sich auch die GRÜNEN nicht immer mit Ruhm bekleckert haben, ist das Beratungsgremium wirklich ein Lichtblick. Es ist eine bunte Mischung aus Bürgerinnen und Bürgern, Interessenverbänden und Unternehmen, und ich glaube, einige haben gehofft, dass es sich nie auf etwas einigen kann. Es hat ein gemeinsames Positionspapier entworfen, das wirklich vernünftig und gut ist. Selbst die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte, in der die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten durchaus nicht wenige sind, hat es einstimmig übernommen. Das ist schon einmal wunderbar. Jetzt müssen wir schauen, was die SPD macht.

Ich möchte einmal etwas zitieren:

"Die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße als Alternative zum Ausbau in der vorhandenen Trasse […]"

Ich kann noch einmal anfangen, dann dauert es nur ein bisschen länger.

(Olaf Ohlsen CDU: Nee, Sie haben nur fünf Minuten! – Glocke)

Meine Damen und Herren! Ich finde, ehrlich gesagt, auch, dass sich die Klön-Zirkel da hinten in der Ecke auflösen sollten. Der Rest mag Frau Sudmann bitte zuhören oder ansonsten hinausgehen. – Danke.

Danke schön.

Noch einmal das Zitat. Sie dürfen dann gleich raten, wo es herkommt.

"Die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße als Alternative zum Ausbau in der vorhandenen Trasse bietet die Chance, mit verhältnismäßig geringer Belastung des Haushalts und durch die Bündelung von Verkehrswegen den Stadtteil Wilhelmsburg ruhiger und lebenswerter zu gestalten. Dies muss finanzierbar und in eine Stadtentwicklung eingebettet sein,"

jetzt kommt es –

"die im Dialog mit den Wilhelmsburgerinnen und Wilhelmsburgern erarbeitet wird."

(Dirk Kienscherf SPD: Ja, das passiert ja auch!)

Sie dürfen klatschen, das ist ein Zitat aus dem Arbeitsprogramm des Senats.

Und jetzt frage ich mich natürlich, was bei Ihnen Dialog heißt.

(Philipp-Sebastian Kühn SPD: Dialog heißt ja nicht, dass man es 1:1 übernimmt!)

Dialog scheint bei Ihnen zu heißen: Das Beratungsgremium darf zwar ganz viel machen, aber wir wollen es nicht umsetzen. Bei Ihnen scheint Dialog wirklich nur zu heißen: Gut, dass wir mal darüber gesprochen haben. Das ist uns definitiv zu wenig.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Nun hat die SPD gestern einen Änderungsantrag zu dem Antrag der GRÜNEN gestellt und ihn unter die Überschrift gestellt, einen vermittelnden Antrag in die Bürgerschaft einbringen zu wollen. Ich frage mich, was Sie da eigentlich vermitteln. Sie schreiben, Sie würden zwischen Interessengegensätzen vermitteln. Sie vermitteln doch nur in Richtung des Senats, damit der irgendetwas hinbekommt. Bei

(Dr. Till Steffen)

den Interessengegensätzen vermitteln Sie überhaupt nicht. Ich frage mich allen Ernstes, weshalb Sie wegen 10 Stundenkilometern in einen Konflikt gehen. Sie übernehmen die 60 km/h nicht, Sie wollen 70 haben.

(Olaf Ohlsen CDU: Sollen das etwa 80 wer- den?)

Nein, warten Sie ab, lieber Herr Ohlsen.

Die Strecke beträgt 5 Kilometer. Wissen Sie, wie hoch da der Zeitgewinn ist? 40 Sekunden. Und dafür gehen Sie in einen Konflikt?

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Ich habe auch erst gedacht, ich muss lachen, aber ich kann nicht darüber lachen. Ich frage mich, was dahinter steckt, und ich glaube, dass Sie Beruhigungspillen ausstreuen. Sie sagen in Ihrem Antrag selber, dass Sie erst dann, wenn das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen ist, darüber reden wollen, ob man diese Autobahngröße nicht vielleicht verändern kann, indem man zum Beispiel aus einem der Streifen einen Grünstreifen macht. Sie waren nicht im Planfeststellungsverfahren, ich auch nicht, aber ich habe mir berichten lassen.

(Dirk Kienscherf SPD: Ja, dann!)

Ich habe mir berichten lassen, lieber Herr Kienscherf. Ich habe da sehr gute Expertinnen und Experten sitzen, und die haben mir berichtet, dass die Behördenvertreter und -vertreterinnen ganz klar gesagt haben, dass 60 Stundenkilometer zwar beschlossen werden können, dass aber, wenn die Straße wie eine Autobahn ausgebaut ist, der erste Kläger recht bekommen wird, der da dann auch 100 km/h fahren will. Und genau deswegen müssen Sie den Querschnitt verringern, aber das wollen Sie nicht. Wir haben das beantragt und Sie sollten sich dem anschließen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme noch einmal zurück zum Thema Geschwindigkeit, denn der Senat hat mir da eine wunderbare Anregung geliefert unter der Überschrift: "OPA sorgt für Ruhe". OPA war aber nicht ein alter Herr, sondern damit war offenporiger Asphalt gemeint. Der Senat hat nämlich dargestellt, dass mit dem offenporigen Asphalt, der aufgebracht wurde, und einer Temporeduzierung auf 50 km/h ein umfassender Lärmschutz auf der Wilhelmsburger Reichsstraße erreicht werden kann. 50 km/h – das ist doch schon einmal super. Das kommt nicht von mir, Herr Kienscherf, das kommt vom Senat. Aber was mich dann schon fast wieder empört, ist die Begründung dafür: Wir wollen den igs-Besucherinnen und –Besuchern, die, wenn es hoch kommt, vielleicht einen Tag da sind, ein ungetrübtes Erlebnis bieten. Toll, und die Wilhelmsburgerinnen und Wilhelmsburger, die Tag und Nacht dort wohnen, sollen nicht Tempo 50 kriegen?

(Dirk Kienscherf SPD: Die kriegen doch dau- erhaften Lärmschutz!)

Deswegen beantragen wir – und Sie können dem zustimmen, wenn Sie sagen, die Anwohner bekommen das dauerhaft –, dass, solange die Wilhelmsburger Reichsstraße besteht, dort auch Tempo 50 gelten soll.

Ein letztes Wort. Warum überweisen Sie diese Anträge nicht an den Ausschuss? In Ihrem Antrag schreiben Sie, dass Sie als SPD nicht alles aufgreifen, aber Transparenz darüber herstellen wollen, warum sie nicht alles aufgreifen. Diese Transparenz können Sie im Ausschuss herstellen. Stellen Sie sich der Diskussion, darauf warten wir.

(Beifall bei der LINKEN)