Protocol of the Session on February 13, 2013

(Beifall bei der LINKEN)

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist ein wichtiges Signal zur Bekämpfung von Diskriminierung, gerade weil nun gerichtlich vorgegangen werden kann und die Menschen am Ende ein Ergebnis in den Händen haben, das meist auch auf ihrer Seite ist. Wir stimmen zu, dass die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die wir gut finden und deren Arbeit wir begrüßen, bekannter gemacht werden muss. Aber das alleine reicht nicht aus. Selbst die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sagt, dass es ausschlaggebender ist, wenn regional niedrigschwellige, unabhängige und qualifizierte Antidiskriminierungsstellen eröffnet werden. Das heißt, wir brauchen auch in Hamburg eine Stärkung dieser Stelle.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben in Hamburg Strukturen der Antidiskriminierungsarbeit. Die Arbeit ist gut, nur reicht es nicht zu sagen, man müsse sie fortführen; wir müssen

diese Arbeit auch stärken und ausbauen. Deshalb haben wir in den Haushaltsberatungen einen Antrag eingereicht, in dem wir die Einrichtung eines Antidiskriminierungsbüros gefordert haben, das für alle Diskriminierungsmerkmale, die es gibt, ausgebaut werden soll.

Die Menschen in der Stadt suchen die Antidiskriminierungsstelle auf, weil sie ein wirksames Instrument zur Rechtsdurchsetzung ist. Wir sehen, dass der Bedarf in Hamburg hoch ist. Die Menschen suchen Hilfe in dieser Stelle, weil sie ihnen vertraut ist und sie sich dort öffnen können. Es ist nicht einfach, über diese Problematik zu sprechen. Aber leider reichen die finanziellen und somit auch die zeitlichen Ressourcen nicht aus für eine qualitativ gute Antidiskriminierungsarbeit. Das Antidiskriminierungsbüro in Sachsen empfiehlt pro Beratungsfall 10 bis 20 Stunden. In Hamburg haben wir wöchentlich gerade einmal 12 Stunden zur Verfügung. Eine ernsthafte Bekämpfung von Diskriminierung sieht wirklich anders aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun soll der Senat prüfen, ob bestehende Einrichtungen wie die Integrationszentren Antidiskriminierungsberatung – ich betone – im Rahmen der vorhandenen Personal- und Sachmittel leisten können. Ich sage, das können sie nicht. Sie wissen ganz genau, dass die vorhandenen Personal- und Sachmittel sehr knapp sind, und die Tarif- und Mietsteigerungen gefährden die reguläre Arbeit zusätzlich. Da muss man sich schon fragen, wie diese Einrichtungen ohne ausreichende Ressourcen noch gute Antidiskriminierungsarbeit leisten sollen.

Dabei müssen Sie auch unterscheiden – und das habe ich in dem Antrag der SPD nicht gesehen –, dass es die Verweisberatung, also die Erstberatung, und die qualifizierte Antidiskriminierungsberatung gibt. Die Verweisberatung ersetzt die qualifizierte Antidiskriminierungsberatung nicht; sie kann sie ergänzen, wenn die Beraterinnen und Berater qualitativ geschult werden. Das heißt also, Antidiskriminierungsberatung kann nicht jede oder jeder machen, sie kann auch nicht einfach so nebenbei erledigt werden, denn eine solche Beratung muss auch gewisse Qualitätsstandards einhalten. Wenn Einrichtungen also Verweisberatung leisten sollen – ich spreche jetzt von Verweisberatung, ich gehe nicht davon aus, dass Sie in diesen Einrichtungen qualifizierte Antidiskriminierungsberatung einführen möchten –, dann muss natürlich systematisch qualifiziert und ausreichende Ressourcen bereitgestellt werden. Sie kritisieren diese Forderung, aber wie wollen Sie sonst so eine Arbeit fördern?

(Beifall bei der LINKEN)

Außerdem ist es doch viel teurer, wenn Sie jetzt versuchen, etliche Stellen entsprechend der Qualitätsstandards zu qualifizieren, anstatt die vorhandenen Strukturen zu stärken.

(Carl-Edgar Jarchow)

Die Bundesregierung sollten Sie nicht nur auffordern, verstärkt Öffentlichkeitsarbeit zu machen, Sie haben auch die Möglichkeit, beim Bund anzufragen, ob es nicht finanzielle Ressourcen für Hamburg geben könnte.

Ich finde es wirklich peinlich, dass die SPD der Überweisung an den Sozialausschuss nicht zustimmt. Sie reden immer davon, dass wir diese Schritte gemeinsam gehen müssen und alle an einem Strang ziehen sollen, und dann verhindern Sie das, indem Sie nicht mit uns darüber sprechen. Die SPD allein kann Diskriminierung und Rassismus nicht bekämpfen, dafür braucht sie schon mehrere Leute hinter sich.

(Beifall bei der LINKEN und bei Phyliss De- mirel GRÜNE)

Vielen Dank, Frau Özdemir. – Jetzt hat Herr Senator Scheele das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hamburg hat eine lange Tradition als Hafenstadt, als eine Stadt, die weltoffen und interessiert ist, als eine tolerante und lebensfrohe Stadt. So wollen wir Hamburger sein, so sehen wir uns. Und es ist auch richtig: Hamburg ist diese Stadt, und Hamburg ist eine Stadt, die von ihrer Vielfalt lebt.

Hamburg ist aber leider auch eine Stadt, in der sich verschiedene Gruppen hin und wieder diskriminierendem Verhalten ausgesetzt sehen, daran kann man nicht vorbei. Diskriminierung zu begegnen und sie zu bekämpfen, ist Aufgabe der gesamten Stadt. Es ist Aufgabe von Politik und Verwaltung, aber auch und insbesondere Aufgabe der Zivilgesellschaft. Jeder Einzelne von uns muss sich fragen, ob er denn tatsächlich allen Menschen tolerant, aufgeschlossen und offen entgegentritt: dem Obdachlosen im Kirchenportal, der muslimischen Frau mit Kopftuch, dem homosexuellen Pärchen oder dem Mann mit einer Contergan-Schädigung. All diese Menschen erleiden immer noch Diskriminierung im Alltag, wenn auch nicht immer wissentlich oder böse gemeint. Aber wenn, wie wir gestern Abend auf einer Veranstaltung der Patriotischen Gesellschaft gehört haben, ein junger Rollstuhlfahrer keinen Praktikumsplatz bekommt, weil es keine Behindertentoilette gibt, ist das beschämend und diskriminierend. Auch wenn sich vieles verbessert hat, höre ich immer wieder, dass es Diskriminierung bei der Wohnraumvergabe gibt, und wir alle haben die Fälle noch im Sinn, in denen jungen Hamburgerinnen und Hamburgern aufgrund ihrer Hautfarbe der Zutritt zu einer Diskothek verwehrt worden ist. Daher finde ich es gut, dass mit dem vorliegenden Antrag ein Augenmerk auf diese Problematik gelegt wird.

(Beifall bei der SPD)

Menschen mit ausländisch klingendem Namen haben es schwerer bei Bewerbungen auf eine Arbeitsstelle; das wird von Migrantinnen und Migranten immer wieder berichtet. Daher kann ich die Forderung nach der Einführung eines anonymisierten Bewerbungsverfahrens verstehen. Ich möchte aber sagen, dass der Senat sich entschlossen hat, dies in der Kernverwaltung nicht einzuführen, und ich will auch erklären, warum. Wir wollen ganz gezielt den Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in der Verwaltung erhöhen. Wir sprechen daher gezielt Menschen mit Migrationshintergrund an. Wenn Sie so wollen, betreiben wir eine positive Diskriminierung: im Zweifel und bei gleicher Qualifikation für den Menschen mit Migrationshintergrund. Dafür muss aber sein Name auf der Bewerbung stehen, sonst geht das nicht, das können wir mit anonymisierten Bewerbungsverfahren nicht erreichen. Ich will aber gerne sagen, dass die anonymisierte Bewerbung dort, wo eine gezielte Förderung eher nicht stattfindet und das Bekenntnis zur Förderung von Migrantinnen und Migranten nicht vorhanden ist, ein wirksames Instrument für die Herstellung von mehr Gleichberechtigung sein kann.

Antidiskriminierung geht uns alle an. Jeder ist in seinem Bereich aufgefordert, alles zu tun, um Diskriminierung und insbesondere struktureller Diskriminierung entgegenzuwirken. Genau dazu hat sich dieser Senat verpflichtet. Wir haben bewusst auf eine zentrale Stelle in der Stadt verzichtet, die global und pauschal für Antidiskriminierung zuständig ist. Die staatlichen Aufgaben zur Vermeidung struktureller Diskriminierung müssen in den verschiedenen fachlich zuständigen Behörden geschehen, denn nur die haben Zugriff. Die Behörde für Justiz und Gleichstellung hat die ministerielle Koordinierungsaufgabe auf dem Gebiet des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes inne, aber Antidiskriminierung ist eine Querschnittsaufgabe, bei der alle ihren Anteil zur erfolgreichen Realisierung leisten müssen.

Die Stadt arbeitet bereits an verschiedenen Programmen, die dazu beitragen, Diskriminierung abzubauen. Ich möchte das an einigen Beispielen meiner Behörde deutlich machen.

Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und die Diskussion um eine inklusive Gesellschaft ist ein aktiver Baustein zur Bekämpfung von Diskriminierung. Unser neues Integrationskonzept, welches die interkulturelle Öffnung der Regeleinrichtungen als zentrale Strategie zur Erreichung dieses Ziels sieht, ist ein aktives Beispiel für Antidiskriminierung. Das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, welches in einem breiten Beteiligungsverfahren erarbeitet wird, ist ein Beitrag gegen Diskriminierung. Das Landesprogramm Gewalt gegen Frauen ist ein Beitrag gegen Diskriminierung.

(Cansu Özdemir)

Alle diese Programme tragen – immer unter der Federführung derjenigen, die auch den Durchgriff haben – dazu bei, dass in dieser Stadt weniger Diskriminierung stattfindet, denn sie beinhalten klare Zielvorgaben und legen konkret messbare Schritte vor, an denen sich der Senat auch messen lassen will.

(Beifall bei der SPD)

Sie wissen, dass mir das Thema Chancengleichheit für alle Hamburgerinnen und Hamburger ein wichtiges Anliegen ist, und zwar unabhängig von sozialer Herkunft, Hautfarbe, Religion oder Behinderung. Deswegen investieren wir so viel in die frühe Förderung unserer Kinder, in frühe Hilfen, Krippen, Kitas, Schule und den Übergang Schule/Beruf. Allen Hamburgerinnen und Hamburgern müssen die Chancen, die diese Stadt bietet, gleichermaßen offenstehen. Diesem Ziel sieht sich der Senat insgesamt verpflichtet.

(Beifall bei der SPD)

Der vorliegende Antrag fordert uns als Senat auf, Diskriminierung auf den verschiedenen Ebenen entgegenzutreten. Er fordert uns auf, über unsere Maßnahmen und Schritte zu berichten, und er fordert uns auf, mit der Zivilgesellschaft, den Unternehmen und den Verbänden in einen Dialog zu treten, wie Diskriminierung gemeinschaftlich wirkungsvoll begegnet werden kann. Er fordert uns auf, die interkulturelle Öffnung des öffentlichen Dienstes weiter voranzubringen. Und all dies, meine Damen und Herren, werden wir tun. Die Vielfalt Hamburgs ist ein Geschenk, lassen Sie uns die Vielfalt daher auch leben. Lassen Sie uns die Vielfalt und Potenziale der Hamburgerinnen und Hamburger nutzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Senator. – Gibt es weitere Wortmeldungen? Das scheint nicht der Fall zu sein.

Wir kommen damit zur Abstimmung, zunächst zu den Überweisungsbegehren.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/6658 in der Neufassung, 20/6860 und 20/6892 federführend an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration sowie mitberatend an den Innenausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mehrheitlich abgelehnt worden.

Wer möchte dann einer Überweisung der drei Drucksachen an den Ausschuss für Justiz, Datenschutz und Gleichstellung zustimmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist ebenfalls mehrheitlich abgelehnt worden.

Dann lasse ich über die drei Drucksachen jeweils in der Sache abstimmen. Zunächst zum Antrag der Fraktion DIE LINKE aus der Drucksache 20/6860.

Wer möchte diesen annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mehrheitlich abgelehnt worden.

Wer dem Antrag der GRÜNEN Fraktion aus der Drucksache 20/6892 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist ebenfalls mehrheitlich abgelehnt worden.

Schließlich zum Antrag der SPD-Fraktion aus der Drucksache 20/6658 in der Neufassung. Die Fraktionen der GRÜNEN, FDP und LINKEN möchten die Ziffern 3 und 4 separat abstimmen lassen.

Wer möchte den SPD-Antrag mit Ausnahme der Ziffern 3 und 4 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig angenommen worden.

Wer schließt sich sodann der Ziffer 3 an? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit angenommen worden.

Wer möchte Ziffer 4 seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist ebenfalls mit Mehrheit beschlossen worden.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 31, Drucksache 20/6619 in der Neufassung, Bericht des Haushaltsausschusses: Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente, des Deutschen Bundestages und des Bundesrates vom 10. bis 12. Juni 2012 in Dresden.

[Bericht des Haushaltsausschusses über die Drucksache 20/4512: Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente, des Deutschen Bundestages und des Bundesrates vom 10.–12. Juni 2012 in Dresden (Unterrichtung durch die Präsidentin) – Drs 20/6619 (Neufassung) –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/6867 ein Antrag der SPD-Fraktion vor.

[Antrag der SPD-Fraktion: Fortentwicklung und Neugestaltung der BundLänder-Finanzbeziehungen – Drs 20/6867 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Quast wünscht es und hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Präsidentinnen und Präsidenten der Landesparlamente haben sich im letzten Sommer in Dresden mit der zunehmenden Einschränkung der Gestaltungsspielräume und damit der Budgethoheit der Landesparlamente durch Entscheidungen auf Bundes- und europäischer Ebene

(Senator Detlef Scheele)

befasst und ihre Sorge über diese Entwicklung formuliert, weil die Funktionsfähigkeit der Demokratie auf Landesebene politische und finanzielle Gestaltungsspielräume erfordert. Aktueller Anlass der Dresdner Erklärung war damals die Aushandlung des Fiskalpakts auf europäischer Ebene, der weitere Einschränkungen der finanziellen Spielräume der Länder absehen ließ. Themen waren eine Steuergesetzgebung, die die Finanzierungsbedarfe der öffentlichen Hand sichert, die Altschuldenproblematik sowie die Bund-Länder-Finanzbeziehungen.

Diese Themen sind auch unsere Themen. Wir haben die Schuldenbremse in der Hamburgischen Verfassung verankert, und wir haben hinsichtlich der Finanzausstattung der öffentlichen Hand die Wiedererhebung einer reformierten Vermögensteuer gefordert. Zur Altschuldenproblematik liegt ein Vorschlag des Ersten Bürgermeisters vor, der die Fortschreibung des Solidaritätszuschlags über 2020 hinaus vorsieht, um die Länder von Zinszahlungen zu entlasten und so die Mittel für die Tilgung von Altschulden freizusetzen – ein Vorschlag, der parteiübergreifend auf positive Resonanz gestoßen ist.

(Beifall bei der SPD – Katja Suding FDP: Nein, bei uns nicht!)