Protocol of the Session on December 12, 2012

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich gebe Ihnen recht, dass da nicht der Satz "Viel hilft viel" gilt, sondern man braucht eine sozialpolitische Idee, wie man die Möglichkeiten dieser Stadt, die der Senator und die Sie beschrieben haben, beispielsweise arbeitsmarktpolitisch besser nutzen kann, denn die bleiben auf der Strecke.

Ich will noch ein paar Punkte aus dem Arbeitsmarktbereich aufgreifen, die Aufstocker habe ich eben schon benannt. Aber was ist mit der Leiharbeit?

(Dr. Andreas Dressel SPD: Leiharbeitsrichtli- nien!)

Was ist beispielsweise mit den Minijobs oder auch mit dem Thema, das Sie aufgegriffen haben: osteuropäische Arbeitsmigrantinnen und –migranten, die nach Hamburg kommen, hier ihr Glück suchen, für einen Hungerlohn wie Sklaven beschäftigt sind und keine Chance haben, hier ein Leben beziehungsweise ein Dach über dem Kopf zu finden.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wir sind die ein- zige Stadt mit einer Beratungsstelle dafür!)

Das sind skandalöse Zustände, und ich erwarte eigentlich von meinem Senat, dass hier etwas passiert.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Mein Senat – das hat mir gut gefallen!)

Der Bürgermeister, und das fand ich entlarvend, hat gestern lange – und er meinte, er habe der Opposition langmütig zugehört, wir haben ihm auch sehr geduldig zugehört – über die Risiken der Stadt gesprochen, über die Elbphilharmonie, die Elbvertiefung und die HSH Nordbank. Er hat nicht gesprochen über eine soziale Spaltung und über abgehängte Stadtteile, die teilweise zu verlorenen Orten werden.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das haben wir uns auch aufgeteilt, deshalb habe ich etwas dazu gesagt!)

Er hat nicht gesprochen über Selbstbefähigung des Einzelnen und die Verantwortung, die jeder Einzelne zu tragen hat. Das fand ich beeindruckend für die Rede des Bürgermeisters zum Haushalt, denn die Risiken dieser Stadt liegen auch jenseits der Schuldenbremse darin, den Schwächsten in dieser Gesellschaft zu helfen und sie zu unterstützen und damit auch unsere Stadtteile mit ihren jeweiligen Einrichtungen zu stützen und zu tragen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und noch etwas, weil das hier gerade eingeworfen wurde: Bildung ist wichtig, das ist absolut richtig. Aber ich habe den Eindruck, dass aus den Wahlversprechen – Rücknahme der Erhöhung der Kita

(Ksenija Bekeris)

gebühren und Abschaffung der Studiengebühren, was immer wieder bei allen Reden hervorgehoben wird – so etwas wie eine Beruhigungspille geworden ist, denn inzwischen sind die Kritiker und Mahner in den Stadtteilen – und das wissen Sie auch, die Sie vor Ort sind – laut geworden. Angesprochen sind gerade die Bürgerhäuser, die am Anschlag arbeiten und von der Schließung bedroht sind.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Da ist nichts von der Schließung bedroht! Welches denn?)

Gestern hatten wir das Thema der Drogenhilfeeinrichtungen. Wir haben Kürzungen im Bereich der Integrationsangebote für Zuwanderer. Wir haben im Moment aber auch das große – und da bin ich bei Ihnen, Frau Bekeris – sozialpolitische Problem der Obdachlosigkeit und der Unterbringung, wo mehr Anstrengungen erforderlich sind als das, was wir hier bislang sehen.

Ich möchte mich beziehen auf ein Thema, das ebenfalls gestern kurz angesprochen wurde: der Hilferuf aus Wilhelmsburg, der Brief der Schulleitungen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Jetzt doch mal was zur Bildung!)

Natürlich brauchen wir ein starkes Bildungssystem, und wir sind unter Schwarz-Grün damals diesen Weg gegangen mit einem ganz starken Fokus darauf, niemanden zurückzulassen und alle mitzunehmen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Der hat in die Sackgasse geführt! – Sören Schumacher SPD: Ich sag nur Volksentscheid!)

Was wir jetzt aus Wilhelmsburg hören, ist ein alarmierender Hilferuf, der zeigt, dass wir uns dort noch mehr engagieren müssen, dass wir stärker auf Integrationsbemühungen setzen und vor allem eine Idee davon entwickeln müssen, wie ein Zusammenhalt in dieser Stadt aussehen kann, wie die Vielfalt der verschiedenen Lebensentwürfe und der verschiedenen Lebenswelten so zusammengebracht werden kann, dass alle gestärkt werden und alle eine Bildungsperspektive, eine Berufsperspektive und eine Ausbildungsperspektive haben. Und das passiert einfach im Moment zu wenig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch hier kommt wieder der Hinweis, Herr Dressel, wie bei den Bürgerhäusern, dass da gar nichts passiert. Auch hier liegen die Wahrnehmungen scheinbar sehr weit auseinander. Uns erreichen Briefe und Anrufe,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Uns auch!)

dass genau das, was Sie machen – keine Einrichtung wird geschlossen, wie ein Mantra schieben Sie das vor sich her –,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Da tun wir auch was für!)

die Einrichtungen vor ganz große Probleme stellt. Sie bekommen keinen Ausgleich für die Tarifsteigerungen und müssen jetzt zusehen, wie sie damit umgehen. Dann streichen Sie hier eine halbe Stelle und müssen zusehen, wie sie im Betriebshaushalt umschichten. Für mich ist das ein Tod auf Raten einer wichtigen Arbeit in den Stadtteilen,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das wissen wir alle!)

gerade in den Stadtteilen, die abgehängt sind, in denen ohnehin die Menschen leben, die Schwierigkeiten haben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Das ist sozial ungerecht, und das haben Sie sich auf Ihre Fahnen zu schreiben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Robert Heinemann, Dietrich Wersich, beide CDU und Norbert Hackbusch DIE LINKE)

Was wir brauchen, und ich nenne das Wort jetzt ganz bewusst, sind soziale Leuchttürme.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Oh, die Leuchttürme! – Dirk Kienscherf SPD: Ihre Leuchttürme-Politik!)

Wir brauchen eine Politik aus einem Guss, wir brauchen einen roten Faden. Deshalb begreifen wir unsere Antworten auf die sozialen Schieflagen in dieser Stadt nicht als Anträge, die nur in diesem Etat des Einzelplans 4 festgemacht werden. Wir sind im Bereich der Bildungspolitik mit einem Inklusionsfonds dabei, wir sind im Bereich der Integrationspolitik dabei, im Bereich der Hochschulpolitik wollen wir Projekte erhalten, die auf Inklusion setzen, und wir wollen verstärkte Maßnahmen im Bereich der Unterbringung von obdachlosen Menschen. Das ist unser Anspruch: Hamburg als Stadt der Möglichkeiten für alle und nicht nur Mittelmaß, was Sie vielleicht am härtesten trifft, die Sie Ihre Wiege in der Sozialpolitik haben. Hamburg braucht mehr und Hamburg muss auch diese Chancen der Stadt besser ergreifen. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Kaesbach.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Bekeris, Sie haben so viel Selbstbeweihräucherung und so viele Plattitüden vorgebracht,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wo war denn da eine Plattitüde?)

dass Sie wirklich aufpassen müssen, damit das Ihren Blick für die Realitäten nicht verstellt. So etwas gab es hier noch gar nicht.

(Katharina Fegebank)

(Beifall bei der FDP, der CDU und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Gut 90 Prozent im Sozialhaushalt werden für gesetzliche Leistungen verwendet. Der Haushalt der Sozialbehörde ist wie kein anderer geprägt von Gesetzesänderungen im Bund, von Urteilen des Bundesverfassungsgerichts und von föderalistischen Änderungen, wofür es auch gerade aktuell sehr viele Beispiele gibt. Trotzdem – das möchte ich an dieser Stelle betonen – haben oftmals Änderungen der im Verhältnis zu den gesetzlichen Leistungen kleinen Spielräume der Maßnahmen, die hier auf Landesebene umzusetzen oder eben zu lassen sind, große Auswirkungen auf bestimmte Gruppen der Bevölkerung und finden damit oft großen Widerhall in der Öffentlichkeit.

Insofern erfordert der Umgang mit diesem Haushalt eine besondere Sensibilität. Gleichzeitig birgt gerade dieser Haushalt große Chancen. Mit bestimmten Maßnahmen und der Schaffung von Angeboten kann jede Regierung ganz direkt Möglichkeiten der Hilfe, der verstärkten Teilhabe und der Entwicklung für bestimmte Gruppierungen ins Leben rufen.

Mit meinen Worten möchte ich ganz sicher nicht in die grüne Rhetorik des ermöglichenden Sozialstaates verfallen, denn wir Liberalen haben schon immer etwas gegen eine gewisse Betroffenheitslyrik gehabt.

(Beifall bei der FDP – Jens Kerstan GRÜNE: Was hat das denn mit Betroffenheit zu tun?)

Das sage ich noch.

Hamburg ist eine pulsierende, moderne Stadt und nicht nur bei Studenten beliebt wie nie. In Deutschland ist die Freiheit nirgendwo mehr als hier im Stadtbild mit Händen zu greifen. Sie, liebe GRÜNE, bezeichnen in Ihrem jüngst beschlossenen Papier "Hamburg – Hafen für alle" unsere Metropole als Stadt mit hohen sozialen und gesellschaftlichen Barrieren. Sogar von einer blockierten Gesellschaft sprechen Sie und stellen damit den Hamburger Bürgern quasi ein psychologisches Attest der Beschränktheit aus. Ich sagen Ihnen – und damit nicht nur Ihnen als GRÜNE –, mit dem ständigen Gerede von den abgehängten Stadtteilen, in denen – sie sagten es eben, Frau Fegebank, und ich zitiere aus dem Papier Ihrer Partei –

"Armut, soziale Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit den Alltag [bestimmen]",

schafft man eines: Man trägt mehr und mehr zur Verfestigung des Negativ-Images von bestimmten Stadtteilen bei.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben das gerade wieder erwähnt und heute immerhin ein bisschen mit Zahlen bestückt und etwas versachlicht. Es gibt genug Bürger, die sich in