Protocol of the Session on December 12, 2012

Außerdem ist das auch kein Umgang mit der Bürgerschaft. Sie legen uns einen Antrag vor, wir stimmen zu, weil er auch wirklich gut ist, und Sie machen es dann einfach nicht. Nach dem heutigen Stand der Forschung könnten die Rückfallquoten deutlich reduziert werden, wenn das heute vorherrschende Vollzugsdenken überwunden und Resozialisierungsprogramme und -strukturen optimiert würden.

Könnte die CDU ein bisschen leiser reden?

(Jörg Hamann CDU: Reden Sie doch mal in- teressanter! – Glocke)

Frau Schneider hat recht, meine Damen und Herren. Insbesondere auf dem rechten Flügel ist es wirklich zu laut. Vielleicht können Sie sich noch die

paar Minuten gedulden. Danke. – Frau Schneider, fahren Sie fort.

Das Land Brandenburg hat mit der Einsetzung einer Arbeitsgruppe Resozialisierungsgesetz und ihren Empfehlungen für ein brandenburgisches Resozialisierungsgesetz einen guten Weg eingeschlagen. In Hamburg gibt es aus der letzten Legislaturperiode mit dem schon erwähnten Bericht gute Vorarbeiten. Umso unverständlicher ist es, dass der Senat seine Hausaufgaben nicht macht.

(Beifall bei Farid Müller GRÜNE)

Deshalb verlangen wir vom Senat eine umfassende Bestandsaufnahme als ersten Schritt zu einem Resozialisierungskonzept und vielleicht auch zu einem Resozialisierungsgesetz, mit dem wirklich umgesteuert wird. Eine Umsteuerung wird kurzfristig etwas kosten, aber sie wird sich auszahlen, auch finanziell, wenn es gelingt, die Rückfallquoten zu senken.

Aber angesichts der jetzt schon vor allem von fiskalischen Gesichtspunkten diktierten Justizpolitik befürchten wir nicht nur für den Justizvollzug Schlimmstes. Der Haushaltsplan-Entwurf geht in der Vorschau auf die Jahre 2015 und 2016 von dramatisch steigenden Minderausgaben aus. Die Konsolidierungsvorhaben sollen sich demnach im Jahr 2016 auf 12 Prozent des Haushalts belaufen. Das lässt befürchten, dass im Zuge der weiteren Umsetzung der Schuldenbremse dem Justizhaushalt Ressourcen in wirklich gefährlichem Umfang entzogen werden sollen. Und das bringt nicht nur den Justizvollzug in große Gefahr, sondern auch das Gerichtswesen und damit die Rechtssicherheit und den individuellen Rechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger. Schon jetzt dauern Gerichtsverfahren in vielen Bereichen überdurchschnittlich lange, die Gerichte sind total überlastet.

Während der Beratungen im Fachausschuss haben die anwesenden Gerichtspräsidentinnen und -präsidenten deutlich gemacht, dass nicht nur die Situation bei den Richtern äußerst angespannt ist, sondern dass auch die Personalsituation in den Geschäftsstellen äußerst angespannt und eine der Hauptursachen für die überlange Dauer der Gerichtsverfahren ist.

(Glocke)

Verzeihen Sie, Frau Schneider. Mein Vorschlag trifft offenbar nicht auf Zustimmung. Ich mache Ihnen einen zweiten: Gehen Sie doch einfach hinaus, wenn Sie sich unterhalten möchten, das wäre dann höflicher der Rednerin gegenüber.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

(Christiane Schneider)

Frau Schneider hat das Wort und nur Frau Schneider.

– Danke, ich komme auch bald zum Ende.

Ich spreche von der außerordentlich angespannten Situation in den Geschäftsstellen. Wenn dann aber, wie im Personalbericht 2012 zu lesen ist, die Vollzeitäquivalente bei den Geschäftsstellen in den nächsten Jahren um 7 Prozent gekürzt werden sollen, dann ist das unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN und bei Farid Müller GRÜNE)

Dem Antrag der CDU, der die Problematik überlanger Gerichtsverfahren anspricht, werden wir allerdings nicht zustimmen, weil er die Situation der Gerichte nicht grundsätzlich angeht und weil Sie die Frage der Finanzierung völlig außen vor gelassen haben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das sagen Sie, Frau Schneider!)

Wir werden uns enthalten.

Fazit: Der Senat hat für den Justizbereich einen Haushalt vertaner Chancen vorgelegt. Wir werden ihm deshalb nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt hat Frau Senatorin Schiedek das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Schneider, vielleicht einmal vorweg, weil die Diskussion über die Mangelernährung im Justizvollzug läuft, seit ich Sie in der Bürgerschaft und auch in anderer Funktion kenne. Herr Steffen hat es Ihnen an dieser Stelle schon versichert, und ich tue das auch. Es gibt keine Mangelernährung im Justizvollzug,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Aber es ist real entwertet!)

das ist alles wissenschaftlich untersucht. Verwechseln Sie bitte nicht günstige Einkaufsbedingungen mit Mangelernährung.

(Beifall bei der SPD)

Die Vielzahl an unterschiedlichsten Themen, die in der Debatte angesprochen wurden, macht deutlich, vor welche Herausforderungen die Behörde für Justiz und Gleichstellung gestellt ist, und das sicherlich nicht nur wegen der Schuldenbremse, auch nicht nur wegen der viel diskutierten Überkapazitäten im Strafvollzug und der notwendigen Neustrukturierung, sondern auch wegen der Tatsache, dass ganz überwiegend gesetzliche Aufgaben wahrzunehmen sind. Bei den Gerichten setzen wir den Justizgewährungsanspruch um, bei den

Staatsanwaltschaften stellen wir die Strafverfolgung sicher, und in den Justizvollzugsanstalten gewährleisten wir einen guten und modernen Vollzug von Untersuchungshaft, Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung. Zur Klarheit über die finanziellen Spielräume gehört nicht nur eine Diskussion über die Ausgaben, sondern auch eine Diskussion über die Einnahmen.

(Beifall bei der SPD)

Denn auch im Bereich der Justiz müssen wir die Einnahmesituation verbessern und dem sinkenden Kostendeckungsgrad entgegenwirken. Seit 1994 hat es keine wirkliche Gebührenanpassung mehr gegeben, und deshalb setze ich mich auch gemeinsam mit allen anderen 15 Justizministerinnen und Justizministern der Länder auf Bundesebene dafür ein, dass es im Rahmen der anstehenden Kosten für Rechtsmodernisierung einen Inflationsausgleich gibt.

Der Zugang zum Recht darf natürlich nicht vom Einkommen abhängen. Justizgewährung wird in den meisten Bereichen ein Zuschussgeschäft bleiben, aber eine leistungsfähige Justiz gibt es auch nicht umsonst.

(Beifall bei der SPD)

Die Länder haben hierzu sozialverträgliche Vorschläge vorgelegt, und nun ist die Bundesjustizministerin in der Pflicht, für einen gerechten Ausgleich zu sorgen.

Zur Verantwortung für eine leistungsfähige und unabhängige Justiz gehört auch eine vorausschauende Personalplanung. Um auch künftig über ausreichend qualifiziertes Personal zu verfügen, haben wir die von Schwarz-Grün eingestellte Ausbildung des nichtrichterlichen Nachwuchses für die Gerichte und Staatsanwaltschaften im Oktober wieder aufgenommen, und für den Justizvollzug beginnen wir im Februar mit dem ersten Lehrgang.

(Beifall bei der SPD)

Gleichzeitig erbringen wir natürlich auch in unserem Bereich einen Beitrag zur notwendigen Haushaltskonsolidierung. Das tun wir ebenso entschlossen wie auch mit Augenmaß und gerade nicht mit dem Gießkannenprinzip. So haben wir bei den Budgets der einzelnen Gerichte natürlich die Eingangszahlen und die spezifischen Belastungssituationen der unterschiedlichen Gerichtszweige berücksichtigt, und ich kann Ihnen versichern, Herr Trepoll, das tun wir auch nicht nur zu den Haushaltsberatungen, sondern fortwährend.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen gibt es überhaupt keinen Grund, den Rechtsstandort Hamburg kleinzureden. Hamburg hat eine gute und leistungsfähige Justiz,

(Farid Müller GRÜNE: Noch!)

(Präsidentin Carola Veit)

die sich im Bundesvergleich sehen lassen kann, und das soll und wird auch so bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Neustrukturierung des Strafvollzugs hat in den letzten Wochen zweifellos Wellen geschlagen, und ich finde es gut, wenn wir uns inhaltlich über die Zukunft des Strafvollzugs auseinandersetzen. Das ist eine Diskussion, die häufig viel zu kurz gekommen ist. Doch statt sich in diese Diskussion mit eigenen Vorschlägen einzubringen, will die CDU nun den Status quo quasi konservieren, denn nichts anderes bedeutet Ihr Antrag. Nachdem Sie den geschlossenen Vollzug ausgebaut und so teure Überkapazitäten aufgebaut haben, verweigern Sie nun die notwendige Strukturdebatte, und damit machen Sie es sich entschieden zu einfach.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Neustrukturierung des Strafvollzugs verfolgen wir zwei Ziele: Qualitativ wollen wir den Strafvollzug weiterentwickeln durch eine Stärkung des offenen Vollzugs.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Das ist zu wenig!)

Wir stocken die vorhandenen rund 200 Plätze in Glasmoor um fast ein Viertel auf, und zugleich verbessern wir die Haftbedingungen im offenen Vollzug. Damit eröffnen wir geeigneten Gefangenen eine Perspektive für eine erfolgreiche Resozialisierung. Mir ist wichtig, das zu betonen, weil die Opposition diesen Teil der Neustrukturierung entweder ausblendet oder kleinredet.

(Beifall bei der SPD)