Protocol of the Session on December 12, 2012

In der Arbeitsmarktpolitik hatten wir zuletzt die von der Bundesregierung zu verantwortende sogenannte Instrumentenreform. Dadurch sind vom Bund aus drastische Mittelkürzungen im Bereich der Eingliederung von langzeiterwerbslosen Menschen erfolgt. Das hat auch das Jobcenter team.arbeit.hamburg massiv betroffen.

Wer gehofft hatte, dass Hamburg sich wenigstens im Rahmen seiner Möglichkeiten für eine Modellförderung eines echten sozialen Arbeitsmarkts einsetzen würde, hat sich getäuscht. Während sogar das hochverschuldete und SPD-regierte Land Nordrhein-Westfalen die bestehenden Möglichkeiten für ein Modellprojekt öffentlich geförderter Beschäftigung wahrnimmt, präsentiert der Senat ein Mini-Programm für eine Förderung von Arbeitsverhältnissen für 320 ältere Arbeitslose. Das hinsichtlich der Staatsverschuldung extrem schlechter als Hamburg dastehende Land Nordrhein-Westfalen hat die bestehenden Möglichkeiten genutzt, Hamburg bislang nicht. In NRW werden innovativ arbeitsmarktpolitische Eingliederungsleistungen mit eingesparten passiven kommunalen Leistungen wie den Kosten der Unterkunft verknüpft. Das Land beteiligt sich mit bis 50 Prozent an den Gesamtkosten. Und was tut Hamburg? Es stellt die sozialen Jobcoachs in der Förderung von Arbeitsverhältnissen zur Verfügung, ansonsten gibt es nur die reduzierten Bundesmittel. Hamburg ist zwar dabei, wenn im Bundesrat eine umfassende Überarbeitung des gesetzlichen Instrumentariums für öffentlich geförderte Beschäftigung gefordert wird – das ist gut so –, aber selbst die bereits bestehenden Modellfördermöglichkeiten zu nutzen, überlässt man anderen in Deutschland. Sehr geehrte Damen und Herren, das kann es nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Gerade jetzt, wo klar wird, dass die Zahl der langzeiterwerbslosen Menschen in Hamburg ohne ein wirksames regionales beschäftigungspolitisches Programm leider stabil bleiben wird, muss Hamburg handeln. Es kann nicht bei der Dauerausrede

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

bleiben, dass nennenswerte finanzielle Mittel für die Arbeitsmarktpolitik in Hamburg nun einmal aus dem Bundeshaushalt kommen müssen. Sich aus der sozialpolitischen Verantwortung zu stehlen, indem wenige Zuschüsse im Rahmen eines Programms "Soziale Jobcoachs" gezahlt werden, ist nicht akzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Die hohen Steuereinnahmen müssen wenigstens teilweise beschäftigungswirksam eingesetzt werden, um langzeiterwerbslosen Menschen eine Perspektive zu bieten. Wir haben nun einmal in Hamburg viele Menschen, die vom Arbeitsmarkt, oder genauer, den Hamburger Unternehmen trotz aller Bemühungen der Arbeitsagentur einfach keine Möglichkeit bekommen, weil sie als langzeiterwerbslose Menschen nicht gewollt werden. Solange es keine empfindlichen Nachteile für diese Unternehmen gibt, die keine hinreichende Zahl von langzeiterwerbslosen Menschen einstellen, wird sich daran wohl auch leider nichts ändern. Wir brauchen ein Landesprogramm Beschäftigung, damit nicht nur die lange geschädigten Menschen endlich eine menschenwürdige Perspektive außerhalb des Hartz-IV-Regimes erhalten, wir brauchen das Landesprogramm auch, weil wir endlich wirtschaftlich vernünftig darüber nachdenken müssen, für langzeiterwerbslose Menschen auch wertschöpfende und damit den zukünftigen Zuschuss öffentlicher Mittel minimierende Arbeit zu schaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das wird aber nur gehen, wenn wirklich voll sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse gefördert werden, bei denen ganz normale Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden und bei denen auch ein Schutz in der Arbeitslosenversicherung begründet werden kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Ohne eine solche Gleichbehandlung wird es eine echte, dauerhafte Eingliederung nicht geben können.

Ich empfehle, noch einen Blick in das laufende operative Arbeitsmarktprogramm des Jobcenters für dieses Jahr zu werfen. Dort wird klar das Erfordernis einer intensiven Förderung der beruflichen Weiterbildung gerade für langzeiterwerbslose Menschen benannt, um dem steigenden Bedarf an Fachkräften nachkommen zu können. Hierzu haben wir einen weiteren Antrag für ein "Landesprogramm berufliche Rehabilitation" vorgelegt. Gerade für den Kreis der Behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen wird es ohne vernünftige und vollwertige Umschulung keine dauerhafte Rückkehr in den Arbeitsmarkt geben können; da sind wir uns, glaube ich, relativ einig. Und vor dem Hintergrund des Rückzugs der Arbeitsagentur und damit auch des Jobcenters aus der beruflichen Rehabilitation hin zu meist unwirksamen und

billigeren Maßnahmen gewinnt Hamburg damit auch Einfluss, denn auch hier sollte gelten: Wer zahlt, bestimmt.

Meine Damen und Herren! Es muss Schluss sein mit dem Etikettenschwindel, dass es in Hamburg einen sozialen Arbeitsmarkt nur aus Ein-Euro-Jobs und wenigen zusätzlichen Beschäftigungsverhältnissen für Ältere gibt.

(Beifall bei der LINKEN und bei Phyliss De- mirel GRÜNE)

Die Hamburger SPD sollte sich beschämt abwenden, weil sie meilenweit hinter der Courage ihrer Genossinnen und Genossen in anderen Bundesländern mit einem echten sozialen Arbeitsmarkt zurückbleibt. Aber vielleicht wirkt sich hier noch immer aus, dass wir in Hamburg zwei der Hauptprotagonisten des Hartz-IV-Regimes haben,

(Jens-Peter Schwieger SPD: Herr Golke!)

die sich nie mit ihrer unrühmlichen Rolle in diesem System auseinandergesetzt haben. Wer so befangen in eigenen, bis heute unreflektierten Fehlern der Vergangenheit ist, wird auch heute nicht über den beschränkten, engen Horizont der bisherigen standardisierten und unflexiblen Instrumente hinausdenken und planen können. Wir werden Sie da gern weiterhin kritisch begleiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Durchgehartzt, abgescholzt und weggescheelt

(Zurufe von der SPD: Oh!)

sind die Kennzeichen dieser Hamburger Arbeitsmarktpolitik. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Andreas Dres- sel SPD: Wenn, dann wohl abgemerkelt!)

Das Wort hat nun Senator Scheele.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In den nächsten anderthalb, zwei Stunden diskutieren wir in drei Debatten gemeinsam den Haushalt der Sozialbehörde. Die Themen, die das Ressort bewegen, lassen sich, neben vielen kleineren, in drei große Leitlinien unterteilen: Es geht um gleiche Chancen für alle Menschen, unabhängig von der Herkunft der Eltern, es geht um Hilfe und Fürsorge für Menschen in schweren Lebenslagen, und es geht um Ordnung am Arbeitsmarkt mit fairen Löhnen und guten Arbeitsbedingungen.

(Beifall bei der SPD)

Die Überwindung der Armut und die Vermittlung in sozialversicherungspflichtige Arbeit ist das Ziel unserer Arbeitsmarktpolitik. Um ein würdevolles Leben führen zu können, braucht es eine ordentlich

(Tim Golke)

bezahlte Arbeit. Wir brauchen daher endlich einen bundesweiten Mindestlohn.

(Beifall bei der SPD)

Aber Berlin handelt nicht. Deshalb hat der Senat die ihm zu Verfügung stehenden Mittel ergriffen, um einen Mindestlohn von 8,50 Euro, so wie es auch die Gewerkschaften fordern, einzuführen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben ein Landesmindestlohngesetz und ein Vergabegesetz beschlossen. Für alle Beschäftigten der Stadt in öffentlichen Unternehmen, bei Zuwendungsempfängern und in Unternehmen, die Aufträge der Stadt erfüllen, ist damit ein Mindestlohn von 8,50 Euro garantiert. Damit ist klar: Wer in Hamburg öffentliches Geld erhalten will, muss sich im Gegenzug verpflichten, seinen Beschäftigten einen anständigen Lohn zu zahlen. Hamburg wird zum Vorbild auch für den Bund.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Jeder und jede muss in Hamburg durch Fleiß und Energie den Aufstieg schaffen können. Ein jeder und eine jede von uns hat Stärken, die er oder sie einbringen will.

(Jan Quast SPD: Welche denn?)

Es geht in unserer Politik also nicht um Defizite, sondern um das Erkennen von Potenzialen, und dazu setzen wir früh an; wir kommen in den weiteren Debatten noch auf die Förderung von Kindern und Jugendlichen. Aber auch Arbeitsmarktpolitik darf nicht in erster Linie Reparaturbetrieb sein. Prävention soll sukzessive an die Stelle von viel zu spät einsetzender Förderung treten. Wir wissen doch alle, wie schwer es ist, Menschen, die lange arbeitslos waren und möglicherweise keine Berufsausbildung abgeschlossen haben, wieder in den allgemeinen Arbeitsmarkt zurückzubringen. Mit der Einrichtung der Jugendberufsagentur setzen wir unser Ziel, keinen Jugendlichen zurückzulassen, um.

(Beifall bei der SPD)

Der Übergang von der Schule in den Beruf ist für Jugendliche häufig schwierig, deshalb setzen wir bereits in Klasse 8 mit der Berufsorientierung an. Zudem haben wir, zunächst an zwei Standorten, die Leistungen aller Partner, die sich um die Integration junger Menschen in Ausbildung kümmern, unter einem Dach gebündelt: die Beratungsangebote der Schulbehörde, die Berufsberatung der Agentur, die Arbeitsvermittlung der Jobcenter und die Jugendhilfeangebote der Bezirke. Wir ziehen alle an einem Strang. Nicht die Institutionen, sondern die Jugendlichen stehen im Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben hier eine Vorbildfunktion für ganz Deutschland übernommen, das hat uns auch der Chef der Arbeitsagentur, Frank-Jürgen Weise, erst kürzlich bei seinem Besuch bestätigt. In den nächsten beiden Jahren werden wir sukzessive für alle Bezirke einen Standort der Jugendberufsagentur schaffen; am 1. März eröffnen wir den Standort in Hamburg-Nord.

Meine Damen und Herren! Die Arbeitsmarktpolitik steht zukünftig nicht nur vor der Aufgabe, Langzeitarbeitslosigkeit abzubauen. Wir müssen auch dem drohenden Fachkräftemangel begegnen. Zukünftig müssen wir unsere Qualifizierungsanstrengungen erhöhen, Strategien für lebenslanges Lernen entwickeln, für eine Durchlässigkeit des Berufsbildungs- und des Hochschulsystems sorgen und auch dafür, dass neben der Aktivierung jedes einzelnen Jugendlichen auch Frauen, insbesondere Alleinerziehende und Berufsrückkehrerinnen, gut gefördert werden.

(Beifall bei der SPD)

Und wenn wir uns auf eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit einstellen, dann müssen wir auch für Menschen ab 45 Angebote für einen Berufswechsel bereithalten. All das wird Inhalt der Fachkräftestrategie sein, die mein Haus derzeit erarbeitet und die wir nächstes Jahr hier wahrscheinlich erörtern werden.

Dabei werden wir auch ein Augenmerk auf die Erwerbstätigkeiten von Menschen mit Migrationshintergrund legen. Der Hamburger Senat hat als erstes Bundesland ein Gesetz über die Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen vorgelegt. Dieses Gesetz geht deutlich über das entsprechende Bundesgesetz hinaus, denn neben dem Rechtsanspruch auf die Bewertung der Qualifikation haben wir in Hamburg auch einen Anspruch auf Beratung festgeschrieben.

(Beifall bei der SPD)

Mir liegt daran, hier noch einmal deutlich allen in Hamburg Lebenden zu sagen: Wir brauchen alle, unabhängig von ihrer Herkunft.

(Beifall bei der SPD)

Wir können uns nicht erlauben, dass das große Potenzial und Können der zugewanderten Menschen brachliegen bleibt und wir den Menschen zumuten, unterhalb ihrer Qualifikationen zu arbeiten. Auch das ist Bestandteil der Hamburger Willkommenskultur, die wir pflegen und ausbauen und die in der Einbürgerungskampagne des Bürgermeisters ihren bundesweit einmaligen Ausdruck findet.

(Beifall bei der SPD)